Die Zeit deines Lebens von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 36: Fügungen. --------------------- 26. Juli 2010 Er hatte sich tatsächlich dazu durchgerungen und auf Davis‘ Ratschlag gehört. Auch wenn es ihn Überwindung gekostet hatte, saß er ihr tatsächlich gegenüber. Takeru wunderte sich, dass sie ohne Widerworte einfach eingewilligt hatte und sich zwei Tage später tatsächlich mit ihm verabredet hatte. Sie saßen in einem kleinen Kaffee, dass sich in Campusnähe befand. Die Atmosphäre war angespannt und Takeru wusste nicht wirklich, wo er anfangen sollte. Natürlich war eine Entschuldigung angemessen, da er sie ausgenutzt hatte, um seinen Herzschmerz zu betäuben, obwohl er bemerkt hatte, wie sie ihn angesehen hatte. Ihre Augen funkelten, wenn sie Zeit miteinander verbrachten und er konnte die Sehnsucht aus ihrer Stimme heraushören, wenn sie ihn darum gebeten hatte, doch noch ein bisschen länger bei ihr zu bleiben. Doch er konnte diese Art von Gefühlen nicht erwidern. Da er immer noch Kari liebte, egal wie konfus und kompliziert ihre Beziehung auch wirkte. Er konnte es sich nicht aussuchen und als er einen Blick in Marikos Gesicht wagte, erkannte er, dass sie die Wahrheit schon längst wusste. Dass sie ihn verloren hatte. „Es tut mir leid“, murmelte er schuldbewusst und senkte betroffen den Kopf. „Ich weiß, dass es keine Entschuldigung dafür gibt, wie ich dich behandelt habe, aber dennoch wollte ich, dass du es weißt. Es tut…“, wiederholte er, bevor jedoch Marikos zarte Stimme ihn unterbrach. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Genau genommen, will ich das auch gar nicht hören. Ich wusste, auf was ich mich einlasse, auch wenn ich nicht bestreiten kann, dass es wehtut“, erwiderte sie matt. Takerus schlechtes Gewissen wuchs allerdings als er sie wie ein Häufchen Elend vor sich sitzen sah. Sie krampfte die Hände in ihrem Schoss zusammen und weigerte sich ihn anzusehen, was er jedoch auch verstehen konnte. Sie hatten so viel miteinander geteilt. Sie war sein erstes Mal gewesen und auch wenn er keine romantischen Gefühle für sie hegte, war Mariko ihm dennoch wichtig. Wie oft hatte er sich bei ihr über seine Eltern und die Situation mit Matt ausgekotzt? Wie oft hatte sie ihm immer aufmerksam zugehört, während er seinen gesammelten Frust bei ihr ablud? Vielleicht war es Schicksal gewesen, dass sie sich damals bei dieser Hausparty getroffen hatten, aber dennoch wusste er, dass er sie unglücklich gemacht hatte. Er konnte ihr das nicht geben, was sie sich von Herzen wünschte. Er war in der gleichen Situation wie Kari, die einst Gefühle für seinen Bruder gehegt hatte. Damals fühlte er sich einfach nur vor den Kopf gestoßen und versank in der ewigen Trauer seiner bislang unerwiderten Gefühle, auch wenn er diese nie ganz verlor. Wenn man jemanden liebte, sah man ihn eben in einem anderen Licht, weshalb man für das Scheitern auch andere Personen verantwortlich machte, die nichts dafürkonnten. Er hatte Yamato verachtet gehabt, weil Kari ihn vorgezogen hatte. Er war eifersüchtig, weil er niemals so wie sein Bruder sein würde. Weil Kari ihn nicht so sehen wollte, wie sie Matt gesehen hatte. Jedoch befand er sich nun in der gleichen Position. Er mochte Mariko unglaublich gerne und schätzte ihre Freundschaft, die ihm sehr viel Kraft im letzten Jahr gespendet hatte. Aber er liebte sie nicht, eine Tatsache, die er nicht ändern konnte, auch wenn er es sich sogar wünschte. Dass sein Herz für eine neue Liebe frei wäre und er einfach das genießen konnte, was viele seiner Altersgenossen schon seit Jahren taten. Eine gesunde Partnerschaft zu pflegen, Kompromisse einzugehen und gemeinsam, Hand in Hand, die Zukunft zu bestreiten, unwissend, was auf einen zukommen mag. All das wünschte er sich insgeheim, aber auch für Mariko hoffte er auf ein Happy End, auch wenn er nicht derjenige war, der es ihr geben konnte. „Mariko, ich möchte wirklich, dass du glücklich wirst“, sagte er auf einmal und brachte sie dazu ihn direkt anzusehen. Ihre Augen glitzerten und er konnte den Schmerz sehen, den er ausgelöst hatte. „Ich weiß, nur schade, dass es nicht mit dir sein wird“, antwortete sie bitter und wandte hektisch den Blick von ihm. Ruckartig fuhr sie mit den Fingern zu ihrem Gesicht und strich über ihre Augenpartie, um sich vor ihm nicht die Blöße geben zu müssen. Und auch Takeru wollte sie nicht zum Weinen bringen, obwohl er auch wusste, dass es leichter gesagt als getan war. Schweigsam saßen sie sich gegenüber, während die Zeit für einen kurzen Moment einfach stillstand. Es war nicht leicht einen Menschen gehen zu lassen, den man mochte. Noch schwerer war es einen Menschen gehen zu lassen, den man zu tiefst verletzt hatte. Doch er befand ich am Wendepunkt. Es wäre egoistisch, sie weiterhin festzuhalten, nur weil er nicht alleine sein wollte. Er musste sie gehen lassen… _ Sie wusste nicht mehr, wo ihr Kopf überhaupt stand. Sie war von ihren eigenen Gefühlen überfordert und konnte nicht in Worte fassen, wie verletzt und enttäuscht sie war. Wie konnte es nur sein, dass jeder Mensch, dem sie vertraute, sie hinterher doch nur betrog und belog? Gott sie war so froh gewesen, dass Taichi ihr die Ausrede mit ihren Eltern abgekauft hatte. Es war ganze zwei Tage her als sie das Gespräch zwischen Sora und Tai heimlich mitangehört hatte. Mimi konnte daraufhin nur die Flucht ergreifen und verstrickte sich in eine fadenscheinige Ausrede, dass sich ihre Eltern bei ihr gemeldet hatten und unbedingt mit ihr über ihre Zukunft sprechen wollten. Für Taichi war das wohl nichts Ungewöhnliches, weil Mimi tatsächlich den Plan gehegt hatte, endgültig nach Japan zurückzukehren und es bei ihren Eltern sogar dezent hatte durchblicken lassen. Aber wahrscheinlich war es ihm ganz recht gewesen, dass sie die Zweisamkeit der beiden nicht mehr unterbrochen hatte. Deswegen hatte er ihr auch so ohne weiteres einfach geglaubt gehabt. Auch in den letzten Tagen hatten sie eher weniger Kontakt zueinander, was Mimi allerdings nur allzu gut in den Kram passte. Sie wollte ihn nicht mehr sehen und auch Sora konnte sie im Moment nicht unter die Augen treten, weil sie sich von ihrer besten Freundin einfach nur verraten fühlte, auch wenn sie sich nach wie vor Sorgen um sie machte. Seit sie entlassen wurde, war sie bei ihren Eltern untergekommen, um die Gegebenheiten besser verarbeiten zu können. Mimi wäre gerne für sie da gewesen, aber sie wusste, dass sie es nicht konnte. Nicht nach all dem, was passiert war. Dass die beiden miteinander geschlafen hatten, war eine Sache. Dass sie allerdings nicht verhüten hatten und Sora eine vermeintliche Schwangerschaft vermutet hatte, eine andere. Sie verstand plötzlich gar nichts mehr. War sie schon wieder nur die zweite Wahl? So wie sie es all die Jahre für ihn war? Sie schluckte und kuschelte sich noch tiefer in ihre Bettdecke. Wieso musste sie immer solch ein Pech mit Männern haben? War ihr denn überhaupt kein Glück vergönnt? Und wie zur Hölle sollte sie Sora und Taichi unter die Augen treten, ohne nicht hemmungslos in Tränen auszubrechen? Fakt war, dass die beiden nochmal was miteinander hatten, obwohl sich zwischen Taichi und ihr etwas entwickelt hatte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Taichi nichts mehr für Sora empfand. Er war nicht der Typ, der sich auf belanglosen Sex einließ, weshalb sie ja auch dachte, dass all das zwischen ihnen eine Bedeutung gehabt haben musste. War er etwa in sie beide verliebt? Oder wollte er sich Sora warmhalten, im Falle, dass sie doch wieder in die USA zurückkehrte und er alleine zurückblieb? Gott, es war alles so verwirrend und sie wusste nicht was sie machen sollte. Ihr würde bestimmt noch die Decke auf den Kopf fallen, wenn sie noch länger in diesem Hotelzimmer bleiben würde! Bestimmend schlug sie daher die Decke zurück und setzte sich auf. Ihre Glieder fühlten sich schwer an und ihr Augen brannten, sodass sie vorsichtig darüberfuhr. Ihr Blick wanderte zum Wandspiegel, der sich gegenüber von ihrem Bett befand. Ihre Haare waren zerzaust und sie trug immer noch ihren Schlafanzug, obwohl es bereits weit nach Mittag war. Sie sah furchtbar aus und ließ sich mal wieder wegen eines Mannes einfach so gehen! Das durfte nicht passieren! Sie musste sich aufrappeln und zeigen, dass sie sich nicht unterkriegen ließ. Mimi musste handeln. Einen Schlussstrich ziehen und einen Neuanfang wagen, egal wie weh es auch tat. Sie wollte sich von keinem Mann mehr runterziehen lassen. Nicht von Michael, der sie mehrfach betrogen hatte. Nicht von Taichi, der ihr das Gefühl gegeben hatte etwas Besonderes zu sein, aber dann doch mit seiner Ex ins Bett gehüpft war. Mimi war eine unabhängige junge Frau! Sie brauchte keinen Mann, um glücklich zu werden. Für ihr Glück war sie selbst verantwortlich und sie wusste genau, was sie jetzt zu tun hatte… 28. Juli 2010 Auf manche Fügungen des Schicksals hätte Ken wahrhaftig verzichten könnten. Euphorisch stand sein beste Freund vor ihm, der ihm von dem gemeinsamen Campingausflug berichtete, den Joe und Cody angeleiert hatten. Er hatte noch nicht mal zugesagt, obwohl er auch schon seit ein paar Tagen davon wusste, aber er hatte sowieso das Gefühl, dass Davis bereits für ihn entschieden hatte. Es blieb ihm keine andere Wahl – jedenfalls laut Daisuke, der begeistert durch die Wohnung sprang und sich wie ein kleines Kind über den bevorstehenden Ausflug freute. „Man Ken, das wird einfach klasse! Dann sind wir alle mal wieder zusammen und das am ersten August!“, rief er freudig und tänzelte vor Kens Nase hin und her. Genervt stöhnte er nur auf und ließ sich auf einem der Küchenstühle nieder, während Davis sein von Euphorie geladenes Tänzchen immer noch nicht beendet hatte. „Naja, ich weiß ja nicht so recht…glaubst du, dass es eine gute Idee ist? Du bist doch auf Kari immer noch nicht so gut zu sprechen“, warf er bedenkend ein als Davis abrupt stehen blieb und ihn erstaunt anblickte. „Naja auch wenn wir jetzt nicht die besten Freunde sind, freue ich mich die anderen mal wieder zu sehen. Wir treffen uns einfach viel zu selten und Cody habe ich ewig nicht mehr gesehen“, antwortete er nur verständnislos, während Ken missmutig dreinblickte. Auch er freute sich, die anderen wiederzusehen, aber er wusste auch, was dieses Zusammentreffen bedeutete. Er kannte Yolei und er konnte sich denken, dass sie auf so einen Moment nur gewartet hatte, um endlich die Beziehung mit Izzy offiziell machen zu können. Und er war sich nicht sicher, ob er das ertragen würde. Wahrscheinlich würden alle anderen sich für die beiden freuen, während er sich einfach nur deplatziert fühlen würde, gefangen in seiner eigenen Eifersucht, die ihm den Verstand raubte. Mein Gott er hatte sie sogar im Vollrausch geküsst und zugegeben, dass er sie mochte! Er kam sich so unglaublich dämlich vor… „Was ist denn mit dir los? Du siehst so komisch aus“, stellte Davis nüchtern fest und setzte sich ihm direkt gegenüber. Mit großen Augen sah sein bester Freund ihn an, sodass es Ken sichtlich schwerfiel seinem intensiven Blick standzuhalten. „Geht es um Yolei?“, fragte er aus heiterem Himmel, während Kens Augen sich entsetzt weiteten. „W-Wie kommst du darauf? Ich habe doch gar nichts in der Richtung gesagt!“ „Naja aber dein Blick verrät wirklich alles! Außerdem ist mir aufgefallen, dass ihr euch aus dem Weg geht“, offenbarte er ihm. Na toll, er hatte es also bemerkt. Seit er Yolei geküsst hatte, gingen sie sich tatsächlich aus dem Weg und sie verbrachte auch den heutigen Nachmittag lieber außer Haus. Doch wie sollte er das nur Davis erklären? Er hatte ihm doch gesagt, dass er die Finger von Yolei lassen sollte und er hatte nicht auf ihn gehört. „Was soll ich sagen…es ist kompliziert!“, murmelte er kaum hörbar, weshalb Davis näher an ihn heranrutschte. „Kompliziert? Wie darf ich das denn verstehen?“, hinterfragte er mit angezogener Augenbraue. „Habt ihr zwei etwa?!“ Davis riss die Augen auf, während Kens Gesichtszüge komplett entglitten. Dachte er ernsthaft, sie hätten…miteinander…was?! „Daisuke! Hörst du dir überhaupt selbst zu? Da lief nichts“, erwiderte er mit Nachdruck, bevor er seinem Blick nicht mehr Stand halten konnte. „Jedenfalls nicht sowas.“ „Was?! Und das heißt?“, fragte er neugierig nach und beugte sich über den halben Tisch. Ken war wirklich froh, dass sie heute Nachmittag die Wohnung für sich hatten. Dieses Gespräch brauchte wirklich keiner mitzubekommen. Seine Wangen wurden auf einmal ganz warm als er an den gemeinsamen Kuss zurückdachte. Er wurde selbst immer unruhiger und es fiel ihm schwer auf dem Küchenstuhl sitzen zu bleiben. Doch es war zu spät, um die Flucht zu ergreifen. Davis würde ihn ohne eine Antwort sicher nicht mehr hier weglassen. „Wir haben uns geküsst, beziehungsweise habe ich sie geküsst…“ „Was?! Warum erzählst du mir was nicht! Wann ist das überhaupt passiert?“, Davis ruckelte an seinem Arm und schaute ihn ungläubig an, während sich Ken am liebsten auf einen anderen Planten gewünscht hätte. Davis schrille Stimme dröhnte in seinen Ohren als er ihm offenbarte, dass sie sich bereits an der Party geküsst hatten und er es so lange vor ihm geheim gehalten hatte. „Warum hast du es mir nicht erzählt? Ich weiß, dass ich nicht immer positiv darauf reagiert habe, aber ich bin doch dein bester Freund“, führte er ihm vor Augen und klang sogar ein bisschen enttäuscht, was Ken wunderte. Er wollte es ihm ja nicht verheimlichen, aber er sah auch einfach keinen Grund darin, es ihm zu erzählen, da die Sache mit Yolei und ihm sowieso nur ein inniger Wunsch bleiben würde. „Ach Davis, das ist doch jetzt sowieso egal“, stöhnte er genervt und presste verbissen die Zähne aufeinander. „Warum denn egal? Küsst sie etwa so schlecht?“ „Nein!“, brummte er und wurde langsam sogar ein bisschen sauer. Er wollte nicht mehr darüber sprechen, warum akzeptierte er das denn nicht? „Und an was liegt es dann? Ich dachte, du magst sie!“ „Ja und wenn schon?“, brüllte er, sodass Davis prompt zusammenzuckte. „Sie ist schon mit jemand anderem zusammen, weshalb sie auch heute sehr wahrscheinlich wieder nicht hier ist. Sie hat mich abgewiesen!“ Seine eigene Stimme hallte noch nach und der Schmerz, der sich in seinem Herzen befand, kroch empor. Sprachlos klappte Davis der Mund auf und er schien nicht wirklich zu wissen, was er auf Kens Geständnis antworten sollte. Gab es überhaupt die passenden Worte, wenn man einen Korb bekommen hatte? Ken glaube zurzeit nicht daran. Wahrscheinlich tat es einfach noch zu weh, auch wenn diese Wunden sicher irgendwann ebenfalls verheilen würden. Doch im Moment wollte er einfach seine Ruhe haben, weshalb er aufsprang, ohne auf Davis weiterhin zu achten. Er wollte gerade in seinem Zimmer gehen als er merkte, dass Daisuke sein Handgelenk ergriff. Widerwillig wandte er sich ihm zu und erkannte einen entschuldigenden Blick in seinen Augen, der jedoch alles nur noch schlimmer werden ließ. „Tut mir leid, das habe ich nicht gewusst“, erwiderte er nur. „Ich hoffe, du weißt, dass du mit mir reden kannst, wenn du das möchtest.“ Ken ließ automatisch die Schultern hängen und seufzte nur. Er wusste, dass es Daisuke nur gut meinte, aber manchmal konnte man auch Dinge einfach zerreden. Es war nicht so, dass er niemals darüber sprechen wollte, allerdings brauchte er noch ein bisschen Zeit. „Danke“, flüsterte er halblaut und spürte, dass Davis ihn augenblicklich losließ. Ohne aufzusehen, fühlte er diesen mitleidigen Blick auf seiner Haut, den er einfach nicht ertragen konnte. „Ich denke, ich muss erstmal selbst damit klarkommen.“ „Verständlich…“ Ken schenkte ihm ein trauriges Lächeln, bevor er ihm den Rücken zuwandte und in sein Zimmer verschwand. Er schloss die Tür und drückte seinen Rücken gegen das massive Holz. Niedergeschlagen presste er die Lippen aufeinander als ihm warme Tränen über die Wangen liefen. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so hilflos gefühlt. Er war gefangen. Gefangen in der Traurigkeit seines gebrochenen Herzens. Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)