Die Zeit deines Lebens von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 27: Wendungen. ---------------------- So etwas Peinliches hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Warum passierte ausgerechnet ihm sowas? Dabei wollten sie doch nur reden. Er hätte doch wissen müssen, dass er ihr nicht lange widerstehen konnte. Dafür hatte er sie zu sehr vermisst und es machte ihn fertig, dass die letzten zwei Wochen so seltsam zwischen ihnen gelaufen waren. Dabei wollte er doch schon viel eher mit ihr reden, doch etwas hatte ihn davon abgehalten. Vielleicht war es sein schlechtes Gewissen, das ihn daran erinnerte, dass er mit seiner Ex-Freundin geschlafen hatte, die ihm ebenfalls aus dem Weg ging. Doch bei Mimi war es anders. Er sehnte sich nach ihr. Konnte sich kaum konzentrieren, wenn sie sich im selben Raum wie er befand, da er sich immer wieder in ihren wunderschönen braunen Augen verlor. Er war schrecklich nervös geworden, als er sich auf den Weg zu ihr machte, da er Angst hatte, etwas Falsches zu sagen. Über seine Gefühle zu sprechen, fiel ihm nach wie vor schwer, besonders nach dem atemberaubenden Sex, den er mit Mimi hatte. Es fühlte sich bei ihr alles richtig an, so als hätte er all die Jahre auf sie gewartet. Als er festgestellt hatte, dass seine Schwester mal wieder ausgeflogen war, konnte er nicht lange an sich halten. Sie versuchten zwar miteinander zu reden, aber schnell wurde der Abstand überwunden, die Klamotten in die nächste Ecke geworfen und sich der puren Leidenschaft hingegeben. Er hatte ja nicht ahnen können, dass ausgerechnet seine Schwester mittendrin reinplatzte. Tai war es unfassbar peinlich, sodass er schnell in seine Klamotten schlüpfte und aus dem Hotelzimmer verschwand, wohlwissend alle drei später auf dem Fest wiederzusehen. Wie sollte er auf Kari nur reagieren? Wollte er überhaupt wissen, was sie alles gesehen hatte? Nachdenklich stand er neben Matt, der genüsslich an seiner Zigarette zog. „Du bist so still, alles klar bei dir?“, hakte er besorgt nach und schaute kurz zu seinen Bandkollegen, die ihre Instrumente prüften. Tai, der einen festlichen Yukata trug, nickte nur und schielte zu Matt, der sich lässig gegen die Bühne gelehnt hatte. Er hatte mal wieder einen Auftritt, weshalb sie auch viel zu früh auf dem Fest waren und noch nicht sonderlich viel los war. Die beiden besten Freunde hatten sich soweit es ging wieder vertragen, auch wenn Tai immer noch daran zu knabbern hatte, dass ausgerechnet Matt etwas mit seiner Schwester gehabt hatte – auch wenn außer Knutschen nichts passiert war. Es war dennoch komisch, auch wenn es ihm nicht schwer fiel, wieder mit ihm unter einem Dach zu wohnen. Sora hingegen machte ihm deutlich mehr Sorgen, weil sie ihm aus dem Weg zu gehen schien. Seit dem Konzert hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen, obwohl er dachte, sie hätten es eigentlich geklärt. Doch dem war wohl nicht so. „Ich glaube, ich werde mir mal die Beine vertreten gehen“, meinte er nur knapp. Matt nickte, widmete sich aber schließlich seiner Gitarre. Tai schnaubte nur und wanderte in Gedanken versunken über den Platz. Es waren nur wenige Menschen bereits hier, da die meisten erst gegen Abend eintrudelten. Aber das war ihm auch lieber. Er brauchte etwas Zeit für sich, da sein Kopf rauchte. In letzter Zeit war definitiv zu viel passiert. Dabei gaben ihm seine Gefühle eine deutliche Richtung vor, die er versuchte einzuhalten. Er hatte Mimi eine SMS geschrieben, dass er sich bereits auf dem Fest befand, in der Hoffnung sie würde noch vor Kari auftauchen, damit er die Möglichkeit hatte, mit ihr zu reden. Seit der SMS war bereits über eine halbe Stunde vergangen, weshalb er nicht mehr daran glaubte, dass sie früher auftauchte. Schnaufend setzte er sich auf einen großen Stein, der sich direkt vor den Toiletten befand und ließ den Kopf hängen. Überfordert fuhr er sich durch die Haare, als plötzlich eine liebliche Stimme ertönte. „Ist schon deprimierend, ganz allein vor den Toiletten zu sitzen, oder?“ Überrascht sah er nach oben und musterte sie von unten bis oben. Sie trug einen grünen Yukata mit Blumenmuster und hatte ihre Haare zu einem hohen Zopf gebunden. „Mit dir habe ich gar nicht mehr gerechnet“, gab er wahrheitsgemäß zu und lächelte leicht. Sie beugte sich zu ihm herunter und sah ihn mit großen Augen an. „Ich schätze mal, dass du mir die SMS nicht ohne Grund geschrieben hast, oder?“ Ein Grinsen zog sich über sein ganzes Gesicht. „Da hast du mich wohl durchschaut. Ich wollte dich sehen.“ „Ging mir genauso“, antwortete sie flüsternd und fuhr liebevoll über sein markantes Gesicht. „War echt peinlich heute, oder?“ „Also es war schon immer mein Traum, von meiner Schwester beim Sex überrascht zu werden“, antwortete er sarkastisch und legte den Kopf schief. „Wir sollten wirklich miteinander reden“, meinte Mimi auf einmal, während ihr Gesicht etwas ernster wurde. „Du hast Recht, wir führen uns auf wie Teenager“, bekräftigte er sie und schnaubte leise, als er sich erhob. „Wollen wir uns vielleicht was zu trinken holen? Da hinten gibt es einen Stand mit selbstgemachter Limonade.“ „Limonade?“, hakte sie skeptisch nach und fuhr sich mit den Schneidezähnen über ihre vollen Lippen. „Klingt echt nicht sonderlich erwachsen, aber sie schmeckt echt verdammt gut“, versuchte er sie zu überreden, als sie näher an ihn herantrat und ihre Hände auf seiner strammen Brust ablegte. Auffällig begann sie an seinem Kragen zu zupfen und richtete den Blick immer wieder unauffällig zu den Toiletten, die menschenleer waren. „Ich glaube, wir beide werden wohl nie erwachsen werden“, murmelte sie und vergrub ihre Hände hinter seinem Nacken. „Ach glaubst du das?“, fragte er grinsend, da er wohl den gleichen Gedanken hatte wie sie. „Ja“, raunte sie verführerisch, als er sich etwas zu ihr hinunter beugte und ihren zierlichen Köper umfasste. „Ich glaube, das ist gar nicht so schlimm“, flüsterte er ihr zu und legte begierig die Lippen auf ihre. _ Wütend beobachtete er beide aus sicherer Entfernung und ballte seine Hände zu Fäusten. Was bildete sich dieses unverschämte Weib nur ein? Küsste einfach diesen Hampelmann und zog ihn nun auch noch Richtung Toiletten! Was hatte sie nur vor? Bei ihm stellte sie sich immer so prüde an, dabei hatte sie es wohl faustdick hinter den Ohren. Michael hatte sie in den letzten zwei Wochen lieber in Ruhe gelassen, da die Stimmung doch sehr angespannt war, doch hätte er gewusst, dass sie ihn damit in die Arme dieses Lackaffen trieb, hätte er schon viel eher einen Keil zwischen die beiden getrieben. Das durfte doch nicht wahr sein. Er konnte sie ihr doch nicht einfach so wegnehmen! Sowas durfte er nicht zulassen. Durch Zufall hatte er durch Carter erfahren, dass Mimi auf das heutige Fest gehen wollte. Er hatte gehofft, heute nochmal mit ihr reden zu können, da er nächste Woche bereits zurückfliegen musste. Ihm ging allmählich das Geld aus, was ihm so gar nicht gefiel. Er hatte ihr ja nicht umsonst diesen bescheuerten Antrag gemacht. Er brauchte sie. Dringend. Sie war der Schlüssel, der ihn und seine Familie aus der Misere ziehen sollte. Denn er wusste genau, dass Mimis Eltern vermögend waren. Und seine Familie brauchte das Geld. Es hatte alles sehr langsam angefangen, sodass Michael gar nicht bemerkte, wie schlecht es seinen Eltern eigentlich ging. Es war ihm genau genommen auch egal, solange er genügend Geld von ihnen erhielt. Kurz nachdem er mit Kari geschlafen hatte, erfuhr er jedoch das Unfassbare: Seine Eltern waren pleite. Sein Vater hatte sich verspekuliert und auf einen Schlag fast das gesamte Familienvermögen verprasst. Ein herber Schlag ins Gesicht, besonders weil er sich nie um Geldsorgen scheren musste. Deswegen kam er auf die Idee Mimi zurückzugewinnen. Natürlich vermisste er sie auch, jedenfalls irgendwie. Doch sie hatte Geld und wenn er sie zurückgewann, konnte er sicher ihre Eltern dazu überreden, seinen aus der Patsche zu helfen. Er dachte, dass ein Heiratsantrag ihr Herz erweichen würde, da sie sehen konnte, dass es ihm ernst war. Jedenfalls augenscheinlich. Doch jetzt war sie drauf und dran, sich mit diesem Kerl auf einer öffentlichen Toilette zu vergnügen, was ihr lautes Stöhnen vermuten ließ. Er war ihnen nachgegangen und stand im Eingangsbereich, während sich die beiden in einer Kabine verzogen hatten. „Nicht so laut“, hörte er ihn sagen, während Mimi herzlich seufzte. „Zieh einfach deine verdammte Unterhose runter“, befahl sie ihm lustbetont. Michael wurde es allmählich ganz übel. Dieses Verhalten kannte er gar nicht von ihr… Doch es kam, was er vermutet hatte. Ein gleichmäßiges dumpfes Stöhnen ertönte, so als würde jemand versuchen so leise wie möglich zu sein. Er hörte, wie sie leise den Namen ihres Liebhabers säuselte, was seine Wut ins Unermessliche trieb. Er musste hier raus, bevor er noch die Beherrschung verlor… _ Wütend stiefelte Davis hinter Takeru her und konnte nicht verbergen, dass ihm die jüngste Entwicklung in Sachen Kari gar nicht gefiel. Er hatte einfach nicht erwartet, dass Takeru sich so schnell wieder um ihre zarten Finger wickeln ließ. Beide hatten in letzter Zeit so viel unternommen, dass sich Davis in seine Schulzeit auf der Mittelschule zurückversetzt fühlte. Was hatte dieses Weib nur wieder gemacht, um ihn am Haken zu haben? Ihm erzählte er ja nichts, da er genau wusste, wie Davis reagierte. Ja, vielleicht war er zu streng zu ihr, sollte langsam darüber hinweg sein, doch in Wahrheit hatte sie ihm das Herz gebrochen. Sie war seine erste feste Freundin, obwohl ihre ganze Beziehung nur auf einer Lüge aufgebaut hatte. Seither hatte er es erst gar nicht versucht, etwas Ernstes mit einem Mädchen anzufangen, da er Angst hatte erneut an jemanden zu gelangen, der ihm das Herz herausriss. Deswegen konnte er auch die Blindheit seines Freundes nicht nachvollziehen. Hatte er nicht all die Jahre das gleiche durchgemacht? Wie oft hatten die beiden darüber gesprochen? Und was zur Hölle wurde aus Mariko, die sich aufrichtig für den Blondschopf interessierte? In ihrer Haut wollte er sicher nicht stecken. Widerwillig setzte er einen Fuß vor den anderen, lief genervt neben Takeru hinterher, während Yolei und Ken hinter ihnen gingen und sich über belangloses Zeug unterhielten. Er hingehen konnte es nicht fassen, dass sie sich tatsächlich mit Kari und ihrem komischen amerikanischen Freund treffen wollten. Davis fragte sich, wen sie sich da schon wieder angelacht hatte und ob er auch zu den Auserwählten gehörte, die unter dem Bann von Kari gefangen waren. Mit ihrer Art konnte sie sicher viele Jungs dazu bringen, sich in sie zu verlieben. Hexe, schoss ihm augenblicklich durch den Kopf, als er verbittert auf seiner Lippe herum kaute. Hoffentlich würde er diesen Abend heil überstehen und nicht komplett die Fassung verlieren. Es machte ihn so unfassbar wütend, wenn Takeru sie in Schutz nahm, so wie es heute Mittag wieder getan hatte. Davis hatte ihm zu verstehen gegeben, dass er alles andere als begeistert war, Zeit mit Hikari zu verbringen, während er sie beschützte – so wie er es einst als kleiner Junge getan hatte. „Du weißt doch gar nicht, was bei ihr gerade los ist“, hatte er gesagt und ihn böse angestarrt, so als hätte er sich mehr Verständnis von ihm erhofft. Doch dieses Verständnis konnte und wollte er ihm nicht entgegen bringen. Warum auch? Sie lebte ihren Traum und musste sich sicher keine Gedanken darum machen, wie sie ihre Familie von ihren Talenten überzeugte. Nicht so wie Davis, dessen Familie alles in Frage stellte. Nichts war gut genug, egal wie sehr er sich anstrengte. Er hatte es nicht so leicht und würde es wohl auch nie leicht haben. Manchmal beneidete er seine Freunde. Heute wollte er allerdings nur schnell den Abend hinter sich bringen. _ „Was ziehst du denn für eine Fresse?“, fragte Carter stirnrunzelnd und musterte seinen besten Freund genau. Michael nippte nur niedergeschlagen an seinem Bier und stützte sich an dem Stehtisch ab, den die beiden besetzt hatten. „Ach, halt deine Klappe“, kam es von ihm, als er seine Bierflasche auf den Tisch knallte und sich seufzend durch die Haare fuhr. Carter stöhnte nur genervt und fragte sich, welche Laus ihm nur über die Leber gelaufen war. Seit er von der Toilette zurückgekommen war, verhielt er sich komisch, obwohl Carter mit viel Mühe und Not herausgefunden hatte, dass Mimi das heutige Fest besuchen wollte. Stundenlang war er in ihrem Hotel rumgeschlichen, bis er Kari und Mimi eher durch Zufall entdeckte und mitanhörte, dass beide auf das Tanabatafest gehen wollten. Was auch immer das genau war. Er stellte fest, dass hier viele komische Menschen in noch komischeren Gewändern rumliefen und irgendwelche Zettel an seltsame Bambussträucher hängten. Er war froh bald wieder in den USA zu sein, so langsam hatte er keinen Block mehr auf diesen Käse. Mimi wollte Michael wohl nicht zurückhaben, was Carter nachvollziehen konnte. Er konnte auch nicht so ganz verstehen, dass Michael immer anderen Weibern hinterhergaffte, wenn er so eine rattenscharfe Freundin wie Mimi gehabt hatte. Aber die Betonung lag ganz klar auf gehabt hatte. Beide waren Vergangenheit und sie hatte ihm deutlich gemacht, dass sie ihn nicht mehr sehen wollte. Besonders nach der Sache mit Kari, die nach seinem glorreichen Heiratsantrag raus kam. Manchmal überzog Michael ganz schön das Maß, doch Carter hielt lieber die Klappe, weil er keinen Stress mit seinem besten Freund wollte. Doch besonders heute ging er ihm gehörig auf den Sack. Was war denn nur vorgefallen? Er zog doch nicht umsonst so eine Fresse… „Alter, was ist los mit dir?“, hakte er abermals nach, auch wenn Michael ihn bereits giftig anblickte. „Du willst wissen, was los ist?“, wiederholte er grimmig und verzog das Gesicht. „Sie hat mit einem anderen gevögelt! Das ist los.“ „Mit einem anderen?“, fragte er überrascht und machte große Augen. „Ja man, auf dem Klo, stell dir das mal vor! Mit mir wollte sie nie etwas ausprobieren und hat sich immer geziert wie ‘ne Jungfrau, während sie mit dem Kerl auf dem Klo fickt! Ist das zu fassen?“, regte er sich auf und knibbelte das Etikett seiner Bierflasche an der Seite ab. „Du hast sie also beobachtet?!“ „Nicht direkt.“ „Und das heißt?“ „Ich habe sie gehört“, eröffnete er ihm niedergeschlagen. „Hab gelauscht, bis ich es nicht mehr ausgehalten habe. Ich habe dann hinter einem Stand darauf gewartet, dass sie rauskommen. Die waren über zwanzig Minuten drin und als sie rausgekommen sind, hat sie sich ihm wieder an den Hals geworfen und ihm direkt die Zunge in den Hals geschoben.“ Die Empörung war aus seiner Stimme herauszuhören, auch wenn es Carter fast schon ein wenig ironisch fand. Schließlich hatte er sie gedemütigt und es war kein Wunder, dass sie nach so einer Beziehung Ablenkung suchte. „Klingt ja echt krass. Was willst du jetzt machen?“, hakte er neugierig nach, weil ihm nur aufgeben in den Sinn kam. „Keine Ahnung…das ist nur die Schuld von diesem bescheuerten Gör! Hätte sie ihr dummes Maul gehalten, hätte ich sie sicher wieder rumgekriegt.“ Carter zuckte etwas zusammen, da er genau wusste, wen er mit Gör meinte. Michael hatte ihm erst vor kurzem die ganze Geschichte über Kari und das Baby erzählt, was ihn deutlich schockiert hatte. So etwas hatte er ihm nicht zugetraut, aber schon damals, als er Kari verführt hatte, war sein Meinungsbild gegenüber Michael gehörig ins Schwanken gekommen. Zuerst dachte Carter ernsthaft, dass er sich verhört haben musste, da sein Freund normalerweise nie Probleme hatte irgendwelche Weiber rumzubekommen. Er hatte es immer geschafft, doch nun wusste er auch wie. Auch er war damals in der Bar gewesen, hatte sich aber zu einer hübschen Dame gesellt, die ihm an diesem Abend ganz schön den Kopf verdreht hatte. Ihm war aufgefallen, dass Michael versucht hatte, sie erneut abzufüllen, doch viel hatte sie nicht getrunken, was ihn sehr fuchste. Carter hingegen freute es insgeheim, dass ihn auch mal eine abblitzen ließ. Bis sich die Stimmung wandte. Nach einem weiteren Cocktail war Kari plötzlich wie ausgewechselt, da sie wild durch die Menge tanzte und sich von Michael betatschen ließ, ohne es wirklich zu merken. Am Ende hatte er es tatsächlich geschafft sie abzuschleppen, auch wenn die Nacht nicht ohne Folgen für beide blieb. Anscheinend hatte er sich auch etwas eingeworfen, weshalb er einfach darauf vertraute, dass sie die Pille nahm. Bei Kari war er sich sicher gewesen, dass Michael ihr etwas ins Glas gekippt hatte. Er hatte es später noch nicht mal geleugnet und gab sogar vor ihm an, da es in der Nacht wohl wild hergegangen war, was wohl unter Drogeneinfluss durchaus „normal“ war. „Ey ich fass es nicht!“, kam es von Michael, der bedrohlich an Carter vorbei sah und eine Person hinter ihm fixierte. Als er sich herumdrehte, war Michael bereits an ihm vorbei gerauscht und steuerte wütend auf die beiden bekannten Gesichter zu. Eilig folgte Carter ihm und hoffte inständig, dass sich sein Freund zusammenriss. Doch er wusste schon nach wenigen Momenten des Aufeinandertreffens, dass er sich gewaltig täuschen würde. _ „Und wo ist sie jetzt?“, nörgelte Davis und verschränkte die Arme vor der Brust. Jetzt konnte sie auch noch nicht mal mehr pünktlich sein. Er hatte keine Lust zu warten, schon gar nicht auf sie. „Sie wollte um halb zehn hier sein, vielleicht wartet sie auch woanders, hier ist es ja ziemlich voll“, meinte Takeru nachdenklich und sah auf seine Uhr. Davis knurrte merklich genervt, während die anderen ruhig blieben. „Wir können ja die Stände etwas abklappern, vielleicht finden wir sie ja“, schlug Yolei vor und lächelte leicht. Davis verrollte nur die Augen. Vielleicht hatte sie sie auch einfach nur versetzt, weil sie genau wusste, dass er nicht gerne Zeit mit ihr verbrachte. Konnte sicher abschreckend wirken, besonders wenn man so drauf war wie er. Kari war ihm einfach ein Dorn im Auge. Dennoch konnte Takeru die drei dazu überreden, etwas über das Gelände zu laufen und Kari zu suchen. Davis hatte keine Lust und überlegte sich bereits, wie er bei der nächsten Gelegenheit abhauen könnte. Doch das Schicksal machte ihm einen gewaltigen Stich durch die Rechnung, als die vier an einer abgelegenen Wiese ankamen, die zu dem dazugehörigen Tempel führte. Lautstarkes Geschrei und Gebrülle ließ sie aufhorchen. „Hört ihr das?“, fragte Yolei in die kleine Runde, die nur bestätigend nickte. Neugierig machten sie sich auf den Weg und erkannten tatsächlich einige Personen, die sich wild zu streiten schienen. „Du blöder Wichser“, hörten sie einen jungen Mann fluchten, der sein Gegenüber am Kragen gepackt hatte. Neben ihm saß ein Mädchen auf dem Boden, das einen traditionellen Yukata trug und herzzerreißend schluchzte. Davis konnte ihr Gesicht nicht erkennen, da sie ihre Handflächen dagegen drückte, doch als Takeru prompt zu ihr lief und lauthals ihren Namen schrie, war ihm klar, wer dort auf dem Boden kauerte und weinte. Sein Freund bückte sich sofort zu ihr hinunter, während die beiden anderen blonden Männer miteinander rangelten, bis der eine den anderen unsanft schubste, sodass er auf dem Boden landete. Keiner der drei jungen Männer trug traditionelle Robe, sondern waren in Jeans gekleidet. Davis tippte darauf, dass sie nicht von hier sein konnten, da auch ihre Gesichter sehr westlich aussahen. „Was ist hier passiert?“, fragte Yolei in die Runde, die ebenfalls zu Kari eilte, während Ken und Davis noch am gleichen Fleck standen. Takeru versuchte immer noch vergeblich Kari zu beruhigen, die mit den Ärmeln ihres Yukatas immer wieder über ihr Gesicht fuhr. „Du bist ein bescheuertes Arschloch!“, kam es von dem Jungen, der verdattert auf dem Boden saß und aussah, als wollte er dem Kerl gleich an die Gurgel springen. „Wie konntest du ihr das antun? Ist dir klar, was du gemacht hast?“ Doch der Kerl lachte nur überheblich, während sein Freund einige Schritte zurückwich. „Kann dir doch egal sein. Diese bescheuerte Schlampe hat mein ganzes Leben kaputt gemacht“, sagte er nur bedrohlich, was Kari ein lautes Wimmern über die Lippen jagte. Davis hingegen verstand nur Bahnhof, konnte aber sehen, dass sich Takeru aufgerichtet hatte und sich dem Kerl mutig entgegen stellte. Yolei war währenddessen zu Kari auf die Knie gegangen und hielt sie in ihren Armen, als Takeru den Kerl unsanft nach hinten schuppste. „Wie hast du sie gerade genannt?“ „Was mischst du dich ein?“, fragte der Ältere verdattert und schenkte seinem Freund einen überheblichen Blick. „Nimm‘ das gefälligst zurück!“, forderte Takeru mit Nachdruck, doch er lächelte nur dreckig. „Was denn? Ich sage nur die Wahrheit! Wer die Beine breit macht…“ Doch weiter kam er nicht, da Takeru bereits zum Schlag ausgeholt hatte und ihn mit voller Wucht gegen sein Kinn traf. Michaels Kopf schleuderte zurück, als er sich schmerzerfüllt das Kinn hielt. „Was ist mit dir denn verkehrt?“, hakte er nach und funkelte ihn böse an. Davis stockte der Atem, als er bemerkte, wie sich die Körperhaltung von Takeru plötzlich änderte. Er hörte die Stimme von Wallace, der etwas berichtete, mit dem keiner gerechnet hatte. Dann kam eins zum anderen und Takeru stürzte mit voller Kraft auf Michael, getrieben von seiner Wut, die sich in seinem Gesicht wiederspiegelte. _ Verträumt sah er zu ihr, genoss ihre Nähe in vollen Zügen und zog sie in einem unbeobachteten Moment zu sich. Sie lächelte leicht, als sie seine Arme um sich spürte. Sie standen mitten in der Menge und lauschten Matts Musik, doch die beiden stellten schnell fest, dass sie ganz ineinander vertieft waren. Er hatte sich noch nie in seinem Leben so gefühlt. Geborgenheit. Liebe. Leidenschaft. All das fühlte er, wenn er in ihrer Nähe war. Sie kuschelte sich an seine Brust, während sie mit dem Kopf im Takt der Musik mitschwang. Der fruchtige Duft ihres Shampoos stieg ihm sofort in die Nase, sodass er seine Nase etwas senkte, um ihn voll und ganz aufnehmen zu können. Tai war unfassbar glücklich, auch wenn sie sich wie unreife Teenager verhielten, die nicht die Finger voneinander lassen konnten. Am liebsten wollte er mit ihr alleine sein, sie in seinen Armen halten und so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen, da er sich all die Jahre danach gesehnt hatte. Mit dem Kapitel Mimi hatte er nie wirklich abgeschlossen, sondern hatte es schlichtweg versucht zu ignorieren, sie aus seinem Herzen zu bannen, wohlwissend dies niemals zu schaffen. Sie war einzigartig. Seine Traumfrau, die er auch mit all ihren Macken und Fehlern nur zu gern liebte. Er wusste, dass die Sache mit Sora ein großer Fehler gewesen war, der nur passiert war, weil sich beide einsam gefühlt hatten. Niemals hätte er gedacht, dass es sich so mit Mimi entwickeln würde, da er es auch jetzt noch mehr für einen wundervollen Traum hielt statt Realität. Noch immer versuchte er die letzten Stunden zusammenzubringen, die einfach nicht in seinen Kopf gehen wollten. So viel hatte er noch nie für einen Menschen empfunden. Seine Gefühle tanzten wie wild durch seinen Körper und setzten Endorphine frei, die durch ihr Lächeln verstärkt wurde. Langsam beugte er sich zu ihr hinunter, damit er mit den Lippen ihr Ohr erreichen konnte. Liebevoll schob er ihre Haare hinter die Ohren und verstärkte den Griff um ihren zierlichen Körper. „Wollen wir vielleicht von hier verschwinden? Wir müssten uns ja eigentlich immer noch etwas wünschen“, stellte er fest und schielte zu den kleinen Bambusbäumen, die überall aufgestellt waren. Mimi lächelte verschmitzt und zog ihn noch etwas zu sich, um ihre Lippen auf seine legen zu können. Nur wenige Sekunden verwickelte sie ihn in einen süßen, aber innigen Kuss, der ihm signalisierte, dass es ihr genauso ging. „Ich glaube, mein Wunsch ging gerade in Erfüllung“, murmelte sie ihm entgegen, sodass er Mühe hatte sie zu verstehen. Doch er hatte ihre lieblichen Worte sehr wohl verstanden, weshalb er ihre Hand ergriff und sie langsam aus der Menge zog. Ohne groß Aufsehen zu erwecken, stahlen sie sich einfach davon. Matt würde es sicher verstehen, falls es ihm überhaupt auffiel. Es waren viele zu seinem Konzert gekommen und er hatte sicherlich den Überblick bereits verloren. Außerdem kannte Tai sowieso jedes einzelne Lied auswendig, weshalb sich sein schlechtes Gewissen auch in Grenzen hielt. Kichernd entfernten die beiden sich von der Menge, warfen sich verstohlene Blicke zu und küssten sich flüchtig, als eine schrille Stimme sie abrupt voneinander trennte. Beide sahen hoch und erkannten Yolei, die hysterisch auf sie zugelaufen kam und wie eine Wildgewordene verzweifelt fixierte. Sie kam direkt vor ihnen zum Stehen, hielt sich keuchend die Brust und atmete schwerfällig. „Oh Gott, gut, dass ich euch treffe“, sagte sie, als sie wieder zu Atmen gekommen war. „Was ist denn passiert?“, fragte Mimi stirnrunzelnd, während Tai ihre Finger immer noch mit seinen verschränkt hatte. Yolei fiel das allerdings nicht auf, als sie wild gestikulierte und versuchte die passenden Worte zu finden. „Ihr müsst sofort mitbekommen! Takeru rastet da hinten komplett aus“, fasste sie kurz zusammen, als sie in die entsetzten Gesichter von Tai und Mimi blickte. Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)