Alles oder nichts von canina ================================================================================ Kapitel 5: «John? Lieben Sie mich?» ----------------------------------- „Liebe ich ihn? Tue ich das?“, fragt sich John immer wieder, dem der Alkoholkonsum nicht so sehr zusetzt, wie seinem Freund. Soll er ihm die Wahrheit sagen und es dann auf den Alkoholkonsum schieben? Soll er ihm einfach nichts sagen und so tun, als hätte er es nicht gehört? Wobei dann Sherlock wohl nur wieder seine Frage wiederholen würde und dann wäre John wieder am selben Punkt angelangt. «Tun Sie es? Also lieben Sie mich?», fragt John zurück. Angriff ist die beste Verteidigung. «Ich habe zuerst Sie gefragt, also müssen auch Sie mir antworten, John», schmollt Sherlock. Oh Gott, er sieht so süss aus, wenn er schmollend den Unterkiefer hervorstreckt und einen trotzigen Gesichtsausdruck hat. Wie ein kleines, dreijähriges Kind in der Trotz-Phase. Aber auch das Süss-Finden seines Partners bringt John nicht zu einer Antwort. Nach einigen Minuten Grübelns fasst sich John ein Herz und antwortet wahrheitsgetreu: «Ich weiss nicht, aber ich glaube schon. Und Sie?» «Hmmmm... Gegenfrage: Was ist Liebe?» «Das ist, wenn... wenn man immer an die eine Person denken muss, wenn man ein gutes Gefühl bekommt, wenn die Person bei einem ist, wenn man von ihr träumt, wenn diese Person die Wichtigste auf der Welt ist, wenn man alles für diese Person tun würde, wenn man sie als die Schönste und beste Person der Welt anschaut, wenn man den Rest seines Lebens mit ihr verbringen möchte... Ja, das ist, glaube ich, Liebe...» «Hmmm...» Dann ist es still im Raum. Doch schon bald hält es John nicht mehr aus, er muss es jetzt wissen! «Fühlen Sie so etwas für jemanden, Sherlock?», fragt er deshalb ungeduldig, aber dennoch zaghaft. «Nicht alles, aber ja. Für jemanden fühle ich diese Dinge. Oder besser gesagt einige dieser... Dinge... Ich fühle sie für...» Doch da hält sich der Detective plötzlich die Hand vor den Mund, springt auf und läuft zur Toilette. Einige Sekunden später hört John unverwechselbare Geräusche. Sherlock erbricht sich gerade, des Alkohols wegen. War war doch nicht so eine gute Idee, die dritte Weinflasche auch noch zu öffnen. John erhebt sich, um seinem Freund zu Hilfe zu eilen. Während Sherlock seinen gesamten Mageninhalt in die Kloschüssel befördert, streicht John ihm die Strähnen aus dem Gesicht und streichelt beruhigend über den Rücken seines Freundes. «Ruhig... Lassen Sie alles raus...» Sherlock gibt keine Antwort, keucht nur vor Anstrengung. Es ist wohl sein erstes Mal, dass er so viel Alkohol aufs Mal trinkt. John, ganz der Doktor, beruhigt seinen Freund mit Streicheleinheiten und guten Worten. «Geht es wieder besser, Sherlock?», fragt John seinen Freund. Dieser, im Bett liegend und vor Kopfschmerzen stöhnend, nickt nur. John nimmt eine Decke, legt sie um seinen Freund und setzt sich neben ihn auf sein Bett. Einige Minuten sitzen sie so da und keiner sagt ein Wort. Immer wieder wird die Stille jedoch von Sherlocks Stöhnen unterbrochen. Plötzlich nimmt dieser Johns Hand und hält sie fest. John ist zuerst erschrocken, doch dann geniesst er die Wärme, die Zweisamkeit. «Ich schulde Ihnen noch eine Antwort, John», beginnt der Lockenkopf plötzlich. «Hm...? Was für eine....? Ach so...» Da fällt es dem Doktor wieder ein. Er weiss, wenn Sherlock sich jetzt an die Frage erinnert, erinnert er sich sicher auch an Johns Antwort. Das gefällt John aber gar nicht, denn wenn nämlich Sherlock ihn nicht liebt, könnte das das Ende ihrer Freundschaft bedeuten. Ok, er könnte es auf den Alkohol schieben, wie er sich schon gedacht hat, aber ob das klappt, bleibe dahingestellt. «John... Ich... Ich weiss nicht, wie... wie ich es Ihnen sagen soll, ich...» Dem sonst so schlagfertigen Sherlock, der immer auf alles eine Antwort weiss, bleibt die Sprache weg. Er findet die Worte nicht, weiss nicht, wie er seine Gefühle John gegenüber erklären soll. So etwas hat er noch nie gemacht. «Ich... John, ich.... Sie.... wir....» «Ja, Sherlock? Was möchten Sie mir sagen?» «Ach, ich kann nicht. Es... es ist zu viel auf einmal. Es... Ich habe noch nie so was gemacht, habe noch nie über meine Gedanken und Gefühle gesprochen.» «Dann tun Sie es jetzt! Ergreifen Sie Ihre Chance und tun Sie es! Einmal ist das erste mal.» «Wenn Sie meinen...» «Ja, tun Sie es.» John probiert seinen Freund dazu zu bewegen, endlich die Wahrheit zu sagen. Er kann Sherlocks Antwort fast nicht erwarten, er hofft so sehr, dass sie positiv ausfällt. «Nun denn, John. Dann probiere ich es einmal. Ich... wenn Sie in der Nähe sind, dann fühle ich mich sicher, fühle ich, dass alles gut wird. Wenn Sie mich berühren, dann habe ich ein Gefühl der Wärme in mir, ich spüre wieder, dass ich doch ein Herz habe, was ich ja lange Zeit nicht glaubte... John, ist das Liebe?» John weiss darauf keine Antwort, er kann nicht in Worte fassen, wie glücklich er gerade ist. Er weiss nicht, wie er seinem Freund erklären soll, dass er in ihn, in John Hamish Watson, verliebt ist. Deshalb macht er es auf eine andere Art und Weise. Nicht verbal, sondern mit Taten. Er beugt sich ein bisschen nach vorne. Sherlock, der sich in der Zwischenzeit aufgesetzt hat, schaut seinen Freund etwas verdattert, aber auch sehr neugierig an. John ergreift seine Chance, packt all seinen Mut zusammen und gibt sich einen Ruck. Er beugt sich noch weiter nach vorne, verringert den Abstand zwischen ihren Gesichtern immer wie mehr. Noch einen Zentimeter und noch einen weiter nach vorne. «Liebe ich Sie?», raunt Sherlock. Der andere spürt den Atem des Lockenkopfes auf seinen Lippen, auf seiner Nase, in seinem Gesicht. Er ist jetzt so nah, dass er jedes noch so kleine Äderchen in den Augen Sherlocks erkennen kann. Er beugt sich noch weiter nach vorne, der Abstand beträgt jetzt nur noch wenige Zentimeter. Und dann macht er den letzten Schritt. Zart presst John seine Lippen auf die des Detectives. In diesem Moment explodiert zwischen ihnen ein Feuerwerk. Ein Feuerwerk der Gefühle und Emotionen. Ein Feuerwerk, das man nicht unterdrücken könnte, auch wenn man es wollte. Ihre Berührung, auch wenn sie zart und sanft ist, hat eine so enorme Kraft, dass den beiden auf der Stelle heiss ist, dass ihre Herzen auf der Stelle einen Hüpfer machen, nachdem sie für einen kleinen Moment stehen geblieben sind. Schon bei der kleinsten Berührung ihrer Lippen hat John seine Augen geschlossen. Doch nach einigen Sekunden öffnet er sie, realisiert, was er gerade im Stande ist zu tun. Er bemerkt auch den Gallegeschmack, den Sherlocks Lippen auf den seinigen hinterlassen haben, merkt, dass er Sherlock gerade geküsst hat! Er hat Sherlock geküsst! Er schreckt erschrocken zurück, sieht panisch seinem Freund in die Augen, wird rot, schaut zu Boden, steht auf, will aus dem Zimmer flüchten. Doch Sherlock, die Situation erkennend, hält John zurück, indem er nach seinem Arm greift und ihn sanft, aber bestimmt zurückhält. «John, wo wollen Sie denn hin?» John, immer noch rot, schaut seinen Freund an und flüstert: «An einen Ort, an dem ich sicher bin...» «Sicher wovor?» «Vor Ihnen...» «Warum vor mir? Ich tue Ihnen nichts.» «Sie werden mich jetzt fortjagen, Sie werden mich jetzt hassen, nachdem ich Sie... nachdem ich so etwas getan habe...» «Warum sollte ich? Ich wollte es ja genauso.» «A...Aber...» «Nichts aber! Setzen Sie sich wieder zu mir aufs Bett und wir wiederholen das Geschehene.» Johns Herz macht wieder einen Hüpfer. Wiederholen? Jetzt? Mit Sherlock? Mit gemischten Gefühlen setzt er sich wieder hin. Einerseits ist er froh, dass Sherlock es auch wollte, dass es ihm allem Anschein nach auch gefallen hat. Andererseits hat er Angst vor dem was kommen wird. Er ist aber auch neugierig, wie es diesmal ausgehen wird. Er fragt sich aber auch was Sherlock mit „das Geschehene“ meint. Meint er den Kuss, meint er das Gespräch? Sherlock, der bisher die ganze Zeit Johns Arm gehalten hat, lässt ihn jetzt los. Aber nicht für lange. Er streicht sich nur schnell eine Strähne aus dem Gesicht und legt dann seine Hand auf die von John. «Wollen wir?», fragt der Consulting Detective. «Was? Jetzt? Was d...» Weiter kommt der Doktor nicht, denn Sherlock drückt seine Lippen auf Johns. Dieser zuerst erschrocken, reisst die Augen auf, doch dann schliesst er sie und geniesst den Kuss. Hat er sich das nicht schon lange gewünscht, nicht schon ewig erträumt? Doch niemals hat es sich so gut, so unerklärlich gut angefühlt. Nie hat es sich so richtig, so perfekt angefühlt. John verstärkt den Kuss, gibt all seine Liebe in ihn. Er wird leidenschaftlicher, inniger. Dann gehen die beiden auseinander, müssen verschnaufen. Sherlock flüstert: «Du schuldest mir noch eine Antwort, John. Ist das Liebe?» Die Tatsache, dass Sherlock zum Du gewechselt hat, dass sie sich geküsst haben, dass es so viel besser war, als bei jeder Frau, die John jemals geküsst hat, lässt den Blonden breit grinsen. Deshalb antwortet John lächelnd: «Oh ja. Das ist Liebe.» «Das ist also dieser chemische Defekt, dem alle Leute mehr oder weniger verfallen. Auch ich habe diesen Defekt nun. Das ist... negativ.» Als Sherlock jedoch sieht, wie er John mit seinen Worten verletzt und dieser traurig zu Boden schaut, drückt er seine Hand und sagt: «Aber wenn dieser chemische Defekt so wunderbar ist, so unbegreiflich schön, dann will ich ihn annehmen, dann will ich mit ihm leben.» John lächelt wieder, zwar nur schwach, aber er tut es. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)