Drachenherz von Caellon ================================================================================ Kapitel 5: Die Gunst der Freiheit... ------------------------------------ Es war ein schöner Morgen. Der Himmel war strahlend blau, eine erfrischende Brise vertrieb jedes Hitzegefühl. Wattige, lockere Wolken zogen am Himmel wie ein Haufen leckerer Schafe daher, ließ sachtes Magengrummeln in Aris aufkommen. Sich faul streckend und räkeltend erhob er sich von seinem höchst improvisierten Schlafplatz – einem Stein der zumindest ein bisschen gemütlich ausgesehen hatte – und schlenderte zu dem, was seine Echsenfreunde von der törichten Schlange übrig gelassen hatte. Nun wo sie Tod und gründlich benagt worden war, hatte sie einen gutteil ihres Schreckens eingebüßt, dafür deutliche Sympathien als Futterquelle gewonnen. Hätte seine Mimik es zugelassen hätte er gegrinst während er in das kalte aber schmackhafte Fleisch biss, gierig wie eh und je sich keine Zeit zum Kauen nahm. Noch immer steckte das feurige Blut in ihm, wärmte ihn ebenso wie der gerechte Stolz über seinen Sieg. In ihm ruhte die sichere Gewissheit nun ebenso über einen feurigen Atem zu verfügen wie das erledigte Untier, ein Gedanke, der ihm durchaus gefiel, insbesondere wenn er erneut auf solch einen Gegner treffen sollte. Doch so verlockend es war, noch eine Weile neben dem Festmahl zu lagern – eine innere Rastlosigkeit trieb Aeris weiter, zwang ihn, seinen Weg durch die Schlucht fortzusetzen. Er wusste nicht, weshalb er weiterging, doch stehen zu bleiben wäre ebenso undenkbar gewesen wie das Atmen einzustellen – einfach unmöglich. Er wusste nicht, wie lange er brauchte bis er die schmale Schlucht hinter sich gebracht hatte. Womöglich Stunden, wahrscheinlich den halben Tag... im Grunde war es ihm egal. Alles was zählte war das Vorrankommen, dass er das Ziel erreichte dagegen eine Selbstverständlichkeit. Doch als er es endlich geschafft hatte, jagte ein kalter Schauer über seinen Rücken, ließ ihn für einen Augenblick das Schlangenfeuer vergessen. Vor ihm tat sich ein fast endloser Krater auf, der ganz und gar von Wolken ausgefüllt wurde. Nur ein Narr hätte verkannt, das es ein perfektes Gegenstück zu jenem war in den er sich in Menschengestalt gestürzt hatte um seinen Henkern die Genugtuung des henkens zu nehmen. Verdammt. Vorsichtig, mit tapsigen Schritten die ebenso unsicher waren wie die ersten nach dem unverhofften Erwachen neben der Eierschale trat er an die Felskante heran, blickte zitternd in die Tiefe. Damals hatte er nicht nachgedacht, hatte seinem Inneren Drang einfach nachgegeben... Jetzt erfüllte ihn nichts als Furcht. Seine Zunge fuhr nervös über die Lefzen, der dünne Schweif huschte unruhig über die Erde. Doch als er einen Blick über die Schulter warf, hilfesuchend die zwölf Eidechsen ansah... Er gewahrte nichts als eine stumme Aufforderung. Verständnis, Wärme aber auch den klaren Auftrag über seinen Schatten zu springen – und in die Tiefe. Aeris kam nicht umhin zu schlucken... doch er hatte nicht so viele Schlachten geschlagen weil er ein Feigling war. Und ein Hasenherz wäre schließlich niemals in den Abgrund gesprungen, ehe er überhaupt Flügel hatte! So wich er einige Schritte zurück, jedoch aus keinem anderen Grund als dem, erneut Anlauf zu nehmen. Der Sprung war ein Alptraum und er war sich sicher das sein geplatztes Herz auf der Klippe zurückblieb. Sein Magen dehnte sich aus und schlug Purzelbäume während er in die Tiefe stürzte. Und dann, endlich, öffneten sich seine Schwingen, fingen die Luft auf wie mächtige, windgeblähte Segel. Sein Fall wurde zu seinem Gleiten und nach dem ersten, kraftvollen Flügelschlag zu einem Flug. Die Augen des jungen Drachens wurden größer während er die Luft wie ein scharfes Schwert durchschnitt, das Leben am Boden zu einer unliebsamen Erinnerung wurde. Jeder Augenblick ließ ihn sicherer, kraftvoller werden, mit jeder Sekunde schmeckte die Freiheit süßer auf seinem Lippen. Mäjestätisch zog er seine Kreise im Rund des Kraters, labte sich an der Weite des Himmels ehe er mit einem Gefühl des Bedauerns zur Klippe zurückkehrte. Im selben Moment als seine Klauen wieder den staubigen Boden berührten, wurde ihm klar das er nicht mehr der war, als der er gestartet war. Zwölf Krieger, angetan mit Schwert und Rüstung warteten dort auf ihn. Melancholie und Ernst lagen in ihren Gesichtern die von den Jahren des Krieges hart geworden waren – aber auch ehrliche, treue Freundschaft. Erst nach einer Weile wurde ihm klar, das er auf sie herabsehen konnte, doch noch immer ein Drache war, wennsgleich jetzt als hausgroßer, stolzer Gigant. Es war sein Stellvertreter, sein bester Freund der sich aus der schweigenden Reihe löste, auf ihn zutrat. Eine ihm so winzige erscheinende Hand legte sich auf seine Klaue als sich ihre Blicke trafen – beim Menschen das Braun der Erde, während der Drache das Gold der Sonne sein eigen nannte – ehe die kleinere Gestalt wortlos an ihm vorbeitrat, in den Abgrund blickte. „Wir sind unseren Weg gegangen. Aber du... bist noch am Leben.“ stellte er fest, ehe er sich mit einem Nicken verabschiedete, den Weg zurückging den sie in den letzten Tagen so beschwerlich zurückgelegt hatten. Einer nach dem anderen folgte ihm, nicht ohne eine aufmunternde Berührung, einen warmen Blick der von Abschied und Frieden gleichermaßen kündete. Lange sah er ihnen noch nach, selbst dann als sie schon längst aus seinem Blickfeld verschwunden waren. Erst dann drehte er sich mit für seine Größe überraschender Eleganz auf der Stelle, starrte in den Himmel hinauf. Er durfte nicht sterben, erkannte er jetzt. Er hatte für den falschen gekämpft, war der Diener eines schlechten Herren gewesen. Er stürzte sich mit weit gespreizten Schwingen in die Tiefe, wohlwissend, das er noch eine Aufgabe zu erledigen und einen langen, blutigen Fehler zu bereinigen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)