Junebug von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Die Hitze in dem großen Raum war erdrückend. Der Ventilator wälzte nur die Luft um, die durch die offene Verandatür hereinströmte, sorgte aber nicht für Abkühlung. Ich saß auf dem Boden, weil ich die Wärme der großen Ledercouch nicht ertragen konnte. Das Hemd hatte ich ganz aufgeknöpft, die Ärmel waren hochgekrempelt genau wie meine Jeans, aber auch das half kaum. Um mich herum waren Abrechnungen verteilt. Abrechnungen, die deutlich machten, dass ich mir die Klimaanlage, nach der ich mich fast schon verzehrte, in nächster Zeit nicht würde leisten können. Bei dem Gedanken, den ganzen Sommer in dieser Bruthitze verbringen zu müssen, stieß ich die Luft zwischen den Zähnen aus, wodurch ein paar dunkle, verschwitzte Haarsträhnen sich träge bewegten. Genauso träge hob ich den Blick zu der Glasfläche, welche die rückwärtige Wand meines Wohnzimmers bildete. Dahinter befand sich, angestrahlt vom Licht meines Wohnzimmers, eine Veranda mit ordentlichen, schmiedeeisernen Gartenmöbeln, welche so gar nicht zu dem anschließenden, halb zugewucherten Garten passen wollten. Am Ende des Grundstücks war eine Holzhütte zu sehen und hinter dieser wiederum begann der Wald, der die sanft abfallenden Hügel rund um den See bestand. Ich konnte das Wasser in einiger Entfernung im Mondlicht glänzen sehen. Auch das Gewitter hinter den Bergen am anderen Ufer spiegelte sich auf der glatten Oberfläche und machte sie umso verführerischer. Ich stellte mir vor, wie Regen und Wind sich auf meiner Haut anfühlen würden. Diese Empfindungen hätte ich der Hitze vorgezogen. Gewitter hatte ich schon immer gemocht, schon damals, als ich noch mit meinen Eltern und meinem Bruder in diesem großen Haus gelebt hatte und meine Mutter zu Itachi, bei dem ich mich immer versteckte, und mir ins Bett kroch, wenn der Wind zu laut ums Haus pfiff, um uns Geschichten zu erzählen. Mein Vater hatte das nie gemocht, aber das hatte sie nicht abgehalten. Bei dem Gedanken schnaubte ich und wandte mich meinen Unterlagen zu. Der sture alte Mann war jetzt drei Jahre tot. Manchmal fragte ich mich, ob es meiner Mutter besser ginge, wenn er noch leben würde, aber das war Unsinn. Demenz war nicht vom Lebensgefährten abhängig. Bald würde ich sie wieder besuchen gehen, obwohl sich alles in mir dagegen sträubte. Ich konnte die Vorstellung einfach nicht ertragen, dass sie mich irgendwann fragen würde, wer ich wäre, was aber unausweichlich geschehen würde. Die Ärzte hatten ihr Bestes getan, um mich darauf vorzubereiten, dennoch wusste ich, dass es mir das Herz brechen würde, diese Worte zu hören. Vielleicht war das der Grund, wieso mein Bruder sich weigerte, sie zu sehen, dachte ich, während ich die Dokumente einsortierte, um sie meinem Steuerberater geben zu können. Vielleicht war er nicht stark genug. Vielleicht war es ihm auch einfach egal, ich wusste es nicht. Wir hatten seit der Beerdigung unseres Vaters nicht gesprochen. Schon damals ging es Mikoto nicht besonders gut. Zwar hatten meine Eltern erst spät Kinder bekommen, doch eigentlich war sie noch zu jung dafür gewesen, aber bereits zu diesem Zeitpunkt konnte man rückblickend Anzeichen für die spätere Krankheit erkennen. Erschöpft ließ ich mich auf den Holzboden sinken und sah dem Ventilator zu, der vergeblich versuchte, die stickige Luft zu durchschneiden. Er war schon Altersschwach gewesen, als ich noch ein Teenager war, und jetzt, mit fast neunundzwanzig - ein Blick auf die Uhr überzeugte mich; es war noch nicht Mitternacht - drehte er immer noch klappernd seine Kreise dort oben. Das würde er so lange tun, bis er endgültig auseinanderfiel. Genauso wie ich. Ich würde so lange weiter die Ferienanlage führen und meine Mutter besuchen und die Abrechnung machen und dieses alte Haus am Leben erhalten, bis ich kaputt ging. Ungeduldig über mich selbst runzelte ich die Stirn. In letzter Zeit kamen mir beunruhigend oft solche Gedanken. Eigentlich sollte ich es aufgeben und in die Stadt ziehen, wo ich einen gut bezahlten Job in einem klimatisierten Büro annehmen würde, von dem ich das Altenheim meiner Mutter bezahlen konnte. Die Ausbildung hätte ich und langsam auch das Alter, um ernst genommen zu werden. Mein Vater hatte in diesem Alter schon ein erfolgreiches Unternehmen gehabt. Und dann hatte er Mikoto kennengelernt und sie war schwanger geworden und er war mit ihr hierher gezogen, um alles aufzugeben und das kleine Feriendorf zu führen und sein Leben lang unglücklich zu sein, weil er so viel mehr hätte sein können. Aber seine Frau war glücklich und ihre Söhne auch, also war er geblieben. Fugaku Uchiha war ein verantwortungsbewusster Mann gewesen. Die Hitze hatte mich mürbe gemacht und so schlief ich auf dem harten Boden, bis es an der Tür klingelte. Blinzelnd sah ich auf meine Armbanduhr. "Happybirthday to me...", summte ich leise, als ich erkannte, dass es drei Uhr Morgens war, und wollte mich wieder zusammenkugeln, weil ich das Geräusch, welches mich geweckt hatte, schon wieder vergessen hatte, aber da ertönte es noch mal. Widerwillig setzte ich mich auf, kämmte mir mit den Fingern grob durch die Haare und kämpfte mich auf die steifen Beine. Es war keine gute Idee, auf dem Boden zu schlafen. Wenn das jetzt die Zeugen Jehovas waren oder so etwas, würde ich sie umbringen, das schwor ich mir. Der Mann, der da draußen stand, lächelte, als ich die Tür öffnete, aber der Ausdruck in seinem Gesicht veränderte sich, sobald er mich erblickte. Seine Mundwinkel sanken nach unten, seine Augen weiteten sich und sein Mund stand etwas offen, als er meine Züge studierte. Ich tat dasselbe bei ihm und glaubte erst, dass ich noch träumte. Dreizehn Jahre, genau auf den Tag, nachdem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, konnte er doch nicht wirklich hier stehen, um drei Uhr Morgens in einer Gluthitze, die an einen Sommermittag gehörte und die ihm das Shirt an den Körper geklebt hatte. Aber auch er erkannte mich wieder. "Sasuke...", sagte er, mit zögerlicher Stimme, aber ohne die geringsten Zweifel, dass ich der wäre, für den er mich hielt. "Naruto", antwortete ich und musste hart schlucken. "Was...?" Noch bevor ich aussprechen konnte, kehrte das Lächeln in seine Züge zurück und er schlang die Arme um meinen Hals. "Scheiße, ich dachte, Ich wäre früher größer als du...", flüsterte er, die Lippen so nah an meinem Ohr, dass sich die Härchen an meinem Hals unter seinen Lippen aufstellten. Nur zögernd legte ich die Hände auf seinen Rücken, weil ich das hier nicht verstand. Aber es war auch nicht nötig, weil er hier war und nach Sonne roch und sein Körper an meinem sich richtig anfühlte wie kein anderer. "Naruto?" Die fremde Stimme ließ mich die Augen öffnen. Sie gehörte einem rothaarigen Mann, dessen Gesicht kalt wurde, als meine Hände auf Naruto sah. Der Blonde löste sich von mir, ein breites Lächeln auf den Lippen und eine Hand noch immer auf meinem bloßen Bauch ruhend, als würde er mich so halten wollen. Seltsamerweise hatte ich das Gefühl, tatsächlich nicht gehen zu können, obwohl seine Finger nur lose meine Haut berührten. Etwas wie Magnetismus machte es unmöglich, mich von ihm wegzubewegen. "Das ist Sasuke!", rief Naruto erfreut, als würde das alles erklären, und grub die Nägel etwas in meine Haut. Es war eine nicht unangenehme, aber besitzergreifende Geste. Sie gefiel mir. Als sein Begleiter sich nicht entspannte, sprach er weiter. "Er ist..." Er geriet ins Stocken, sah zu mir auf, in meinen Augen auf der Suche nach einem Wort, das unsere Beziehung von damals beschreiben konnte, aber es gab keines, das er diesem Mann sagen konnte, also wandte er sich ab. "Er ist ein alter Freund von mir.... Gott, dass ich ausgerechnet zu dir komme!" Er lachte, krallte die Nägel noch mal kurz in meinen Bauch, bevor er sich löste und den Platz einnahm, an den er scheinbar jetzt gehörte; an der Seite dieses rothaarigen Fremden. Ich war noch immer zu verwirrt, um irgendetwas von dieser Situation zu begreifen, wahrscheinlich war ich noch im Halbschlaf. "Was machst du hier?", wollte ich mit trockener Stimme wissen. Ich hatte sie wohl schon recht lang nicht mehr benutzt. "Wir sind auf der Durchreise und unser Auto ist verreckt." Naruto gluckste, als wäre das nichts schlimmes. "Wir wollten fragen, ob wir bei dir mal telefonieren können wegen einer Reparatur. Ich glaub's einfach nicht." Er schüttelte den Kopf ungläubig. Ich war auch ungläubig, aber eher, weil er diesem Mann erlaubte, den Arm um seine Taille zu legen. Mühsam riss ich den Blick von diesem falschen Bild ab und sah die Straße runter, wo tatsächlich ein Auto mitten im Weg stand. "Um die Uhrzeit wirst du niemanden erreichen." Ich wollte es nicht bewusst, mein Mund ignorierte den Rothaarigen von ganz alleine. Naruto kratzte sich am Kopf und betrachtete das Auto ebenfalls. "Vielleicht nicht", gab er mir recht. "Dann schlafen wir eben im Wagen. Morgen wird uns schon jemand helfen." Ich spürte, wie ein drohendes Knurren sich in meiner Brust aufbaute, als der Fremde Naruto an der Hand mit sich ziehen wollte, schluckte es aber gerade noch runter und ersetzte es durch eine logischere Antwort. "Nein. Du... Ihr könnt bei mir schlafen. Ich hab ein Gästezimmer", bot ich an, doch der Rothaarige schien skeptisch. "Danke, aber..." "Nichts, aber, Gaara! Das ist doch super nett und außerdem haben wir uns so ewig nicht gesehen, wir müssen einfach bleiben!", unterbrach Naruto ihn gut gelaunt, was seinem Freund jedoch nur eine widerwilliges Brummen entlockte. Schließlich gab er jedoch auf und gemeinsam schafften wir das Auto von der Straße in meinen Vorhof. Schon währenddessen plapperte Naruto unaufhörlich von ihrer Reise durch ganz Amerika, wo sie schon überall gewesen waren und was sie noch vorhatten und dass sie sich eigentlich in zwei Tagen mit Freunden treffen wollten, das jetzt aber wohl kaum noch schaffen würden. Er redete wie ein Wasserfall und normalerweise hätte ich das unendlich anstrengend gefunden, aber es war einfach zu angenehm, seine Stimme wieder zu hören. Über zehn Jahre... Zehn Jahre, und rein gar nichts hatte sich geändert. Als wir später im Wohnzimmer bei einer Flasche Wein saßen, erzählten sie von ihrer Beziehung, obwohl ich das gar nicht hören wollte. Mir wurde schlecht, als Naruto beschrieb, wie sie sich kennengelernt hatten und zusammengekommen waren und ich verstand nicht, wieso, weil ich diesen Mann doch gar nicht kannte. Ich hatte das Kind gekannt, das er ein Mal gewesen war und das sich noch immer so deutlich in jedem Lächeln widerspiegelte und trotzdem fühlte es sich falsch an, alleine ins Bett zu gehen, während er mit diesem Fremden schlief - Wobei ich die unschuldige Variante meinte, an alles andere wollte ich gar nicht denken. In all der Zeit hatte ich nie ganz aufgehört, an Naruto zu denken. An ihn und sein Lächeln, das seine ganze Umgebung aufleuchten ließ. An ihn und die warmen Schauer, die jeder Blick aus seinen Augen mir den Rücken runtergejagt hatte. An ihn und das Herzklopfen bei jeder Berührung. Ihn und seinen Duft, der mir den Kopf vernebelt hatte. An ihn und die Leichtigkeit, die er verströmte. All das hatte ich für jugendliche Schwärmerei gehalten, weil ich es nach ihm nie mehr bei einem anderen Mann empfunden hatte. Ich hatte gedacht, meine Erinnerung würde alles besser machen, als es tatsächlich gewesen war, aber das stimmte nicht. Es war alles genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte, vielleicht sogar noch besser, weil es nicht durch die Zeit getrübt wurde. Das einzige nicht perfekte an der Situation war sein Freund. Natürlich hatte auch ich Beziehungen gehabt, wenn auch nicht besonders viele. Ich war kein Mensch, der sich jedem an den Hals schmiss, außerdem fiel es mir schwer, mich den Leuten wirklich zu öffnen. Nur Naruto beherrschte diese Kunst wie ein Uhrmacher, der das Gehäuse eines Chronometers knackte. Seufzend drehte ich mich in meinem Bett auf die Seite, als könne ich so besser schlafen, obwohl ich wusste, dass dem nicht so sein würde. Zehn Jahre war das also schon her... Ich schloss die Augen und ließ die Erinnerung zu. Ehrlich gesagt wusste ich nicht mehr, wie genau wir uns kennengelernt hatten. Er war einfach irgendwann da gewesen, hatte sich in mein Herz geschlichen und war nie wieder herausgekommen. Ansonsten wusste ich noch alles aus diesem einen Sommer, den er mit seinen Eltern in meiner Stadt verbracht hatte. Die beiden waren so eine Art junggebliebener Hippies, die ihren Sohn antiautoritär erzogen, dementsprechend akzeptierte er keinerlei Vormundschaft, was mich, der ich in einer sehr strengen Familie aufwuchs, faszinierte. Er war interessant wie ein seltenes Tier, das ich beobachten konnte und ich glaube, ihm ging es genauso mit mir. Gemeinsam streiften wir durch die Wälder um den See, schwammen und redeten und es gab niemanden außer uns beiden, weil wir Kinder waren und nichts anderes uns interessieren musste. Ein Mal hatten wir den ganzen See umrundet und machten eine Pause an einem felsigen Abhang, von dem aus man das Dorf am anderen Ufer sehen konnte. Da hielten wir zum ersten Mal Händchen. Ich weiß noch, dass ich vor Scham am liebsten in den See gesprungen wäre, als seine Finger sich um meine schlossen, weil man mir zu Hause immer sagte, Männer, die so etwas taten, wären Abschaum. Aber es fühlte sich gut an, wie hätte ich da nein sagen sollen? Eigentlich schaffte ich es nicht mal, ihn auf dem Heimweg loszulassen, erst, als wir uns den Häusern näherten, entzog ich mich seinen schwieligen Fingern, was er mit einem Grinsen quittierte. "Du bist süß", kommentierte er, wofür ich ihn in die Seite boxte, weil es mich zum erröten brachte. "Halt die Klappe", hatte ich ihn angeschnauzt und war nach Hause gelaufen, aber schon eine Stunde später, als er bei mir vor der Tür stand, war ich nicht mehr wütend auf ihn gewesen und hatte ihn zum Abendessen bei uns eingeladen. Zu diesem Zeitpunkt mochten meine Eltern Naruto noch. Meine Mutter zeigte das ganz offen, mein Vater dagegen behandelte ihn mit demselben strengen Wohlwollen wie seine Söhne, was ein gutes Zeichen war. Ich schätze, sie waren froh, dass ich einen Freund gefunden hatte, denn sonst war ich ein sehr verschlossenes, ruhiges Kind, das lieber las oder sich mit seinem Bruder beschäftigte als sich mit Gleichaltrigen rumzutreiben. Mein Zimmer hatte einen Boden aus blauen Holzlatten, das wusste ich auch noch sehr genau, weil sie Naruto gefielen. Er lag gerne auf dem Boden und ließ sich von mir vorlesen, weil er zu faul war, selbst zu einem Buch zu greifen. Mir machte es nichts aus. Ich genoss die Ruhe, wenn die Sonne durch das kleine, in der Wand zurückversetzte Fenster hereinschien und er neben mir lag, halb eingeschläfert durch meine Stimme und mit Fingern, die mir träge durch die Haare kämmten. Manchmal tasteten sie auch das Holz unter ihm ab. "Wie ist dein Dad eigentlich auf die Idee gekommen, den Boden blau zu machen?", fragte er eines Nachmittags, als ich, den Kopf auf seinem Schoß, schon fast eingeschlafen war. "Hm...?", murmelte ich schläfrig. "Oh, das. Er sagt, das sind Planken vom Fischerboot meines Großvaters. Als Dad sein Haus gebaut hat, war Holz schon teuer - einiges hat er schwarz aus den Wäldern geholzt. Aber Grandpa konnte nicht mehr auf den See fahren, er war schon zu alt, und so hat er das Boot verwendet." Ich runzelte die Stirn. "Ich glaube, sie haben sich deshalb ziemlich gestritten." "Eeeh? Wieso denn das?" "Na ja, weil das Boot meinem Großvater gehört hat. Er hat ständig gesagt, damit hätte er Grandma ernährt, als sie hierher kamen und so weiter. Wirres Zeug eben." Die blauen Augen wurden erstaunlich nachdenklich, als sie mich ansahen. "Ich find das schön", sagte er, für mich zusammenhanglos, und erklärte sich, als ich nachfragte. "Wenn Großeltern so lange zusammen sind und trotzdem noch sagen, der andere ist die Liebe ihres Lebens. Ich will das auch mal, wenn ich alt und hutzelig bin mit dem einen Menschen händchenhaltend durch die Straßen gehen." Ich richtete mich auf, blieb aber dicht neben ihm sitzen und sah ihn an. "Echt?", fragte ich. Sein Blick huschte kurz zu meinen Lippen, dann leckte er über seine eigenen und sah wieder zu mir auf. "Ja...", hauchte er, ohne zurückzuweichen, obwohl ich mich immer näher zu ihm lehnte. Dann lachte er. "Aber bis dahin möchte ich noch ein paar Leute ausprobieren." "Zum Beispiel... Mich?", fragte ich, extrem verunsichert und mit einem Herzen, das so schnell raste, als würde es mir aus der Brust galoppieren wollen, aber trotzdem brachte ich es irgendwie über mich, ihn zu küssen. Es war falsch. Es war dumm. Und es war umwerfend perfekt, trotz unserer Unbeholfenheit und meiner verstockten Nervosität. Mit meinen fünfzehn Jahren hatte ich schon ein paar Mädchen geküsst, aber keines hatte sich so gut angefühlt wie Narutos Lippen auf meinen und das würde auch in den nächsten zehn Jahren niemand mehr tun. In der Nacht schlief er bei mir. Wir küssten uns ein paar Mal, aber mehr war da nicht, weil wir noch Kinder waren und gar nicht daran dachten, dass es etwas anderes als das zu tun gäbe. Es war richtig, wie es war. Von da an gab ich langsam auf, mich zu wehren gegen das, was mir als falsch beigebracht worden war und sich dennoch so richtig anfühlte. Unsere Eltern wussten nichts davon, dass wir unter ihren Tischen die Hand des anderen hielten, dass wir uns küssten, wenn sie gerade nicht hinsahen und noch nicht mal Naruto wusste, dass ich kein Geräusch auf der Welt lieber mochte als seine Stimme. "Schläfst du schon?" Es war mitten in der Nacht, als er mich mit dieser Frage weckte, und ich drückte mit einem verschlafenen Grummeln das Gesicht in seine Halsbeuge. "Ja... Also halt die Klappe." Naruto lachte. Seine Hand auf meinem nackten Rücken - In diesem Sommer schliefen wir fast nur in Boxershorts, weil es genauso heiß war wie zehn Jahre später - bereitete mir eine angenehme Gänsehaut, als sie mit rauen Fingern meine Wirbelsäule nachzeichnete. "Hast du schon Mal das Meer gesehen?" Mir fielen die Augen zu und das Reden war nicht gerade einfach, wie immer, wenn er so nahe war, dass ich ihn eigentlich nur noch küssen wollte. "Wie kommst du jetzt darauf?" "Hast du?" "Ja." "Ich würd's gerne sehen", erklärte er mit sehnsüchtigem Seufzen. "Ich glaub, ich hab grade davon geträumt." "Man kann nich von etwas träumen, das man noch nie gesehen hat", widersprach ich, doch er lachte nur. "Du träumst doch auch davon, Sex zu haben, obwohl du es noch nie gemacht hast." Mit einem wütenden Knurren boxte ich ihn in die Seite, aber das hinderte ihn nicht daran, weiter zu lachen. Er setzte sich auf, die Hand jetzt auf meiner Hüfte. "Lass uns fahren." Ich drehte mich auf den Rücken, um zu ihm aufsehen zu können, sodass seine Hand auf meinen Bauch rutschte. Instinktiv krallte er die Finger leicht in meine Haut, als wollte er mich festhalten. "Spinnst du?", stöhnte ich und rieb mir über die geschwollenen Augen. "Es ist mitten in der Nacht. Unsere Eltern bringen uns um, wenn wir mit so einem Mist kommen." "Ich hab ja auch nicht von unseren Eltern geredet." Kurz bohrte er die Nägel zärtlich in meinen Bauch, dann krabbelte er über mich aus dem Bett. "Nur wir beide." Ich schnaubte amüsiert, davon überzeugt, dass er schlafwandelte oder so etwas. "Klar. Und wie hast du vor, dahin zu kommen? Mit dem Fahrrad?" "Genau." Sogar im Mondlicht konnte ich erkennen, wie seine Augen zu leuchten begonnen hatten. Er meinte es tatsächlich ernst. "Du bist doch verrückt. Weißt du, wie lange man dafür braucht? Und es ist wie gesagt dunkel. Meine Eltern..." "Wir schreiben einen Zettel, dass wir wandern gegangen sind. Jetzt komm schon!" "Nicht so laut, Dummkopf...", zischte ich. Er lehnte sich zu mir, gab mir einen Kuss, der mich hilflos machte und ein Grinsen, das mich und alle meine Prinzipien umwarf. "Nur wir beide, Sasuke. Komm schon..." Als ich widerwillig den Blick abwandte, schnaubte er. "Spielverderber...! Dann geh ich halt alleine." Er war inzwischen angezogen und ich beobachtete entsetzt, wie er sich, so leise er eben konnte, was immer noch recht laut war, aus meinem Zimmer stahl. Unschlüssig biss ich mir auf die Lippe, dann huschte ich aus dem Bett, zischte: "Warte...!", und schlüpfte in meine Klamotten. Wir stopften Geld und ein paar Lebensmittel in zwei Rucksäcke, dann schlichen wir uns aus dem Haus. Ich kam nur mit, weil ich Angst hatte, er würde sonst nie wieder kommen. Naruto hatte schon oft davon gesprochen, von zu Hause wegzulaufen und wenn er jetzt ernst machte, musste ich mit, damit er keinen Unsinn anstellte. Er würde alleine vermutlich nicht mal den Weg finden - An eine Karte hätte er ohne mich zumindest schon mal nicht gedacht. Wie spät es war, als wir loszogen, weiß ich nicht: Wir haben nicht auf die Uhr geschaut. Aber die Straßen des kleinen Ortes waren leer und die einzigen Geräusche stammten von unseren Fahrrädern und ein paar Hunden, die drohend aus ihren Gärten kläfften. Es war Vollmond - "In dem Licht siehst du aus wie ein Geist", hatte Naruto gut gelaunt gelacht - und nicht allzu dunkel. Seltsamer Weise kann ich mich nicht daran erinnern, dass ich Angst gehabt hätte, obwohl wir durch sehr abgelegene Landstriche fuhren und es mitten in der Nacht war. Vielleicht lag das an der Stimme meiner Begleitung, die so gut wie nie verstummte, aber ich machte mir weder Gedanken darum, dass wir von der Polizei aufgegriffen werden könnten, noch um Verbrecher oder wilde Tiere, und normalerweise war ich wirklich kein so kopf- und sorgenloser Mensch, nicht mal damals mit fünfzehn. Naruto ließ mich diesen vorsichtigen Teil von mir einfach vergessen. Alles, woran ich gedacht hatte, als ich mit ihm gegangen war, war der Wunsch, in seiner Nähe zu sein. Als wir schließlich durch einen kleinen Ort mit sandigem Boden fuhren, war die Sonne bereits im Aufgehen begriffen. Wir beeilten uns, es zu durchqueren und Naruto schmiss sein Fahrrad unordentlich in den Sand, um so schnell wie möglich an den Strand zu gelangen. So unvorsichtig war ich dann trotz allem nicht, also sammelte ich es murrend ein und sperrte es zusammen mit meinem Rad ab, ehe ich ihm folgte. Hinter einer Düne gab es vielleicht fünfzig Meter Strand, der sich dann ins Meer ergoss, aus welchem gerade in Rot und Lila und Gold die Sonne aufstieg. Mitten zwischen den Sonnenschirmen sah ich Naruto, der das ganze mit einem Strahlen im Gesicht beobachtete, welches dem Sonnenaufgang Konkurrenz machte, obwohl ich wegen dieses kitschigen Gedankens etwas rot wurde. Ich wandte den Blick wieder zum Meer, bis mein Freund meinen Namen rief, weil er bereits dabei war, sich die Kleider vom Leib zu zerren, um schwimmen zu gehen. An dem Tag kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass ich womöglich in ihn verliebt war, was vorher noch nicht mal eine Möglichkeit in meinen Gedanken gewesen war. Ein Junge musste in ein Mädchen verliebt sein, ganz einfach. Aber er war eindeutig anders und vielleicht, wenn auch nur vielleicht, war ich ja auch anders. Der Gedanke machte mich nachdenklich, was Naruto nicht verborgen blieb. Er war gerade damit beschäftigt, eine Sandburg zu bauen - Zuvor hatte er vergeblich versucht, mich zum Mitmachen zu motivieren - Und ich lag nicht weit entfernt auf meinem Handtuch, die Augen in den Himmel gerichtet, der hier so anders aussah als zu Hause. Ich konnte es immer noch nicht glauben, dass ich tatsächlich mitgekommen war. Er musste mich verrückt gemacht haben. Ich hob den Kopf, als ich Narutos Blick auf mir spürte. "Was ist?", fragte er, die Augen ungewöhnlich ernst. "Gefällt es dir hier nicht?" Schweigend dachte ich eine Weile über die Frage nach, was er dazu nutzte, sich dicht neben mich zu legen - Sein Handrücken berührte lose meinen und er schloss die Finger um meine, als ich seine anstupste. "Doch. Es ist schön." Das hätte ich zu jedem Ort gesagt, an dem wir gemeinsam waren, aber er schien zufrieden mit der Antwort, denn er drückte meine Hand. "Wir sollten langsam nach Hause." "Von mir aus könnten wir für immer hier bleiben." Ich drehte den Kopf zu ihm und bemerkte erst da, dass er mich die ganze Zeit angesehen hatte. Er lächelte und ich konnte nicht anders, als es zu erwidern. "Du spinnst." "Das hast du auch gesagt, als ich herkommen wollte. Und jetzt genießt du es... Und versuch erst gar nicht, es abzustreiten, ich weiß es!" Er lachte, als ich den Mund, der sich bereits zum Protest geöffnet hatte, wieder zuklappte. Ich hätte ihm das Argument nennen können, dass er sich ohne mich verirrt hätte. Oder dass ich sonst mit meinem Vater eines der Ferienhäuser hätte streichen müssen. Womöglich hätte er es sogar geglaubt, er war nämlich ziemlich naiv. Aber die Wahrheit war, dass ich seine durchgeknallten Ideen mochte, weil sie mich aus dem dunklen, großen Haus holten, das verseucht war von den unerfüllten Hoffnungen meiner Eltern und der Unzufriedenheit meines Bruders. Nach außen hin waren wir die perfekte Familie mit einem Erstgeborenen, der Jura studierte und einem jüngeren Sohn, der genauso vielversprechende Noten nach Hause brachte, mit einer perfekten Ehefrau und Mutter, die sich mit jedem im Ort verstand und ständig zu Festen lud oder sich sozial engagierte, mit einem kühlen, aber seriösen Ehemann, der seiner Familie ein gutes Oberhaupt und dem Unternehmen seines Schwiegervaters ein guter Chef war. Niemand wusste, dass dieser Mann seine Frau bewusst so schlug, dass niemand es unter ihren langen, hochgeschlossenen Kleidern sehen konnte und dass der junge Jurastudent sie beide hasste. Seinen Vater für das, was er tat, und seine Mutter dafür, dass sie sich nicht dagegen wehrte. Dabei ließ Mikoto es nur zu, um uns zu beschützen, aber das verstand ich erst Jahre später. Zu diesem Zeitpunkt war ich einfach nur das Küken in einer Familie, die dachte, ich würde nichts von all dem mitbekommen und die vermutlich sogar noch hoffte, ich wäre der einzig normale von ihnen. Tja, bis ich herausfand, dass ich schwul war. Naruto spürte all das irgendwo in mir, aber es schreckte ihn nicht ab, ganz im Gegenteil schien ihn dieser verborgene Teil von mir zu faszinieren, obwohl ich ihm nichts davon erzählte. Er spielte gerne mit der Dunkelheit, das hatte er mir einmal gesagt, als wir uns Nachts aus der Wohnung seiner Eltern geschlichen haben, und in mir hatte er eine Personifizierung seines Lieblingsspielzeugs gefunden. "Warum willst du weg von zu Hause?", wechselte ich nach langem Schweigen das Thema. "Deine Eltern sind doch cool." Als er nur schnaubte und nichts sagte, linste ich zu ihm rüber. Ich sah sein jetzt schon markantes, kantiges Gesicht im Profil. Durch die Sonne, die hinter ihm leuchtete, waren die Härchen auf seiner Oberlippe deutlich zu sehen. Er sollte anfangen, sich zu rasieren, denn beim Küssen scheuerte er mir immer das Gesicht auf. Das hielt mich jetzt aber nicht davon ab, mich über ihn zu beugen, ihm kurz in die Augen zu sehen und ihn dann zu küssen, wobei es mir egal war, dass wir am Strand unter Leuten waren. Uns beachtete sowieso niemand, wir waren nur zwei Teenager die ihre Sommerferien genossen. Und selbst wenn war ich hier weit weg von zu Hause und von der Pflicht, normal zu sein. Als ich mich wieder löste, waren die blauen Augen dunkler als sonst, etwas verklärt, und die gebräunten Wangen gerötet. Er gefiel mir, so wollte ich ihn öfter sehen. Er suchte in meinen Augen eine Erklärung für diesen Überfall und als er ihn fand, hoben seine Mundwinkel sich ein paar Millimeter. "Wenn das..." Er musste sich räuspern, weil meine ungewohnte Offensive ihn scheinbar etwas atemlos zurückgelassen hatte. "Wenn das ein Versuch war, mich dazu zu bringen, dir den Grund zu sagen, war er nicht schlecht." Ich schmunzelte selbst, antwortete aber nichts, sondern sah ihn nur von oben herab auffordernd an. Ein stilles Versprechen, dass er mehr bekommen würde, wenn er mir gab, was ich wollte. Eine Weile erwiderte Naruto meinen Blick, dann seufzte er und drehte das Gesicht zur Seite, die Lippen zu einem angespannten Schmunzeln gekräuselt. "Scheiße, bist du stur." "Auch nicht mehr als du. Also?" "Meine Eltern sind cool", erklärte er schließlich und sah wieder zu mir auf. Seine Hand spielte mit den langen, dunklen Strähnen, die mir ins Gesicht hingen, als würde er lieber die Finger darin vergraben und mich dadurch zu sich ziehen, als mit mir zu sprechen. Bei dem Gedanken leckte ich mir unwillkürlich über die Lippen. "Nur sind sie... Nicht wirklich Eltern, verstehst du?" Als ich verwirrt die Stirn runzelte, rang er weiter um Worte. "Sie sind nicht so wie deine. Sie interessieren sich nicht für meine Noten oder ob ich saubere Klamotten hab oder was zu Essen auf dem Tisch steht. Ich glaub, sie würden es noch nich mal merken, wenn ich auf ein Mal weg wäre..." Ich wollte widersprechen, ihn aufmunternd, weil der traurige Ausdruck in seinen Augen ihm nicht stand, aber dass wir hier waren, war der lebende Beweis dafür, dass er Recht hatte. Meine Eltern hatten einen Grund für unsere Abwesenheit, aber Narutos hatten nicht mal angerufen um zu fragen, wo er war. Als ich hilflos schwieg, lachte Naruto. Seine Augen waren wieder genauso strahlend wie zuvor in dem Versuch, mich aufzuheitern. Das tat er immer, seine Gefühle runterschlucken, um andere glücklich zu machen. "Deswegen... Ich brauch sie nicht. Ich komm ganz gut alleine zurecht und irgendwann mach ich das. Einfach meine Sachen packen, ein bisschen Geld von Minato stehlen und abhauen." Sein Blick kippte zur Seite, an mir vorbei in den Himmel als wünschte er, er könne einfach wegfliegen. Der deutliche Wunsch in seinem Gesicht versetzte mich in Panik. Ich konnte ihn nicht gehen lassen. Bestimmt drückte ich die Lippen auf seine, um ihn hier auf der Erde festzunageln. Seine Hände krallten sich fast schmerzhaft in meine Kopfhaut, aber ich ließ nicht von ihm ab, bis ich sicher war, ihn bei mir zu haben. "Glaubst du echt, das würde klappen? Du bist fünfzehn! Die Polizei wird dich aufgreifen, bevor du fünf Meter gegangen bist." Ich war selbst fast erstaunt, wie leicht es mir fiel so zu tun, als wäre Entnervtheit alles, was ich empfand. "Das haben sie jetzt doch auch nicht." Mit einem wütenden Schnauben richtete ich mich auf und trank einen Schluck Cola, obwohl ich das süße Zeug eigentlich hasste, um den Geschmack seiner Lippen aus meinem Mund zu bekommen. Plötzlich war er ziemlich bitter. "Versuch's doch." Naruto hatte sich ebenfalls hingesetzt und rutschte näher zu mir, um einen Kuss auf meine Schulter zu drücken. "Werd ich auch, darauf kannst du einen lassen." Sein raues Lachen verursachte mir eine Gänsehaut und als er den Arm um meine Mitte schlang, entzog ich mich ihm nicht. "Aber erst, wenn sie wieder wegziehen wollen." Erst, wenn er sowieso nicht mehr bei mir sein konnte. "Glaub aber nicht, dass ich dich wie letztens aus der Polizeiwache hol, wenn sie dich einfangen." "Das war was anderes!", protestierte er. Ich spürte das heiße Blut, das in seine Wange gestiegen war, an meinem Rücken und gab ein arrogantes Schnauben von mir. "Ja, klar... Wir sollten langsam aber wirklich heim fahren." Niemand bemerkte, dass wir nach Meer rochen, als wir nach Hause kamen, also fragte uns niemand, wo wir gewesen waren. Unsere Familien waren es gewohnt, dass wir den ganzen Tag durch die Wälder stromerten und es störte sie nicht weiter, so konnten wir wenigstens niemanden im Weg umgehen. Dass wir sofort, als wir heim kamen, in die Betten fielen, schien sie zwar zu verwundern, aber sie schoben das auf eine Art Sommergrippe. Daran, dass wir an einem Tag mehrere Stunden mit dem Fahrrad durchs Land getourt waren, hätten sie im Traum nicht gedacht und das würden sie nie erfahren. Inzwischen war ich mir sicher, dass ich in Naruto verliebt war und es schien ihn nicht zu stören, dass ich die körperlichen Bedürfnisse, die sich daraus ergaben, immer öfter nachgab. Ganz im Gegenteil entwickelte er einen sexuellen Hunger, der mich überraschte und bisweilen etwas überforderte, immerhin war er der erste, mit dem ich solche Dinge tat. Wir waren so jung und unendlich neugierig aufeinander, dass zumindest ich nicht mehr darüber nachdachte, dass das alles irgendwann ein Ende haben würde, ganz von meinen Bedenken bezüglich der Richtigkeit unserer Beziehung abgesehen - Ja, ich hatte angefangen, es als solche zu betrachten, obwohl wir nie darüber sprachen. Vermutlich plante Naruto die ganze Zeit seinen Weggang, dieser verdammte Wildfang. Aber unsere Beziehung blieb nicht lange geheim. Gerade mal einen Monat brauchte Itachi, um herauszufinden, was zwischen uns lief, und es meinen Eltern zu erzählen. Sie verbaten uns, uns zu sehen - Als hätte das schon bei irgendeinem jungen, verliebten Pärchen geholfen! - Und steckten mich sogar in eine Therapie. Ich musste noch zehn Jahre später darüber lachen. Homosexualität lässt sich nicht therapieren, auch, wenn sie das der Psychologin nicht glauben wollten, und noch weniger, wenn Liebe dahinter steckt. Naruto fing mich auf dem Weg von meiner Therapeutin ab, um mit mir zu reden, er hielt meine Hand, wenn ich für meine Eltern Einkäufe erledigte und wir machten miteinander rum, wenn ich eigentlich Reparaturen an den Ferienhäusern durchführen sollte. Genau damit waren wir beschäftigt, als mein Vater eines Tages - es war mein sechzehnter Geburtstag - nachsehen kam, warum ich so lange brauchte. Zuerst waren wir alle entsetzt von der Anwesenheit der jeweils anderen, dann kam Bewegung in die Sache. "Vater..." stammelte ich, während ich mich, genau wie Naruto, hastig um einen bekleideteren Zustand bemühte. Natürlich gab es keine anderweitige Erklärung für unser Tun, es war eindeutig das, wonach es aussah; zwei knutschende Jungs mit den Händen in den Hosen des jeweils anderen. "Sei still, ich will nichts hören!", fuhr Fugaku mich an und ich zuckte unter dem Hass in seinen Augen zusammen. Nur kurz sah er mich an, dann richtete er sich an Naruto. "Verschwinde, Zigeuner." "Sir...", versuchte es mein Freund, obwohl ich den Kopf schüttelte. Meinem Vater platzte der Kragen; er hob die Hand und schlug Naruto so fest ins Gesicht, dass dieser zur Seite stolperte. "Verschwinde von meinem Grund und Boden. Und du..." Der Mann wollte auf mich zukommen, die Hand erhoben, und ich war bereit, die Strafe für meinen Ungehorsam zu tragen. Monatelang hatte ich mich bewusst über das hinweg gesetzt, was richtig war, also war es schon ganz richtig, dass mein eigener Vater mich jetzt verachtete. Mein Freund dagegen schien das nicht so zu sehen, denn er packte den Erwachsenen am Arm und zog, sodass dieser sich mir nicht mehr nähern konnte. "Das ist alles meine Schuld, Sir. Sasuke kann nichts dafür..." erklärte der Blonde ruhig, den Blick zu Fugaku gehoben, obwohl dessen Augen vor Zorn sprühten. Als er diese Worte hörte, zeigten sie kurz Entsetzen, dann wieder Hass, aber diesmal richtete er sich direkt gegen Naruto, nicht gegen unsere Beziehung. "Du hast ihn dazu gedrängt! DU hast meinen Sohn so verdorben, du verdammter Bastard!" Er brüllte so laut, wie ich ihn noch nie gehört hatte, nicht mal, wenn er sich mit meiner Mutter stritt, und dieses Mal war es die Faust, nicht die flache Hand, die Naruto ins Gesicht traf. Dieser taumelte und konnte nicht mal sein Gleichgewicht zurückfinden, bevor mein Vater noch mal zuschlug. Wie betäubt machte ich einen Schritt auf die beiden zu. Inzwischen versuchte mein Freund, sich gegen den älteren Mann zu wehren, aber der war zu kräftig. Fugaku packte den Jungen am Haar, zog ihn ein paar Zentimeter in die Höhe und schlug mit Macht in dessen Magengrube. Erst da wurde mir bewusst, dass ich die Schmerzensschreie Narutos gar nicht hörte. Ich hörte gar nichts, sondern sah nur wie betäubt zu, was geschah, als wäre ich gar nicht betroffen von der Gewalt. Als würde ich nicht jeden Schlag selbst spüren. Erst, als Naruto leise "S-Sasuke...", keuchte, kam wieder Leben in mich. Was tat ich denn da?! Bevor ich darüber nachdenken konnte, stürzte ich mich auf meinen völlig ausgerasteten Vater und trat ihn in die Seite. Überrascht keuchte er auf und sein Griff löste sich so weit, dass Naruto wimmernd von ihm wegrutschen konnte. Automatisch stellte ich mich vor meinen Freund, den Blick kalt auf Fugaku gerichtet. "Fass ihn nicht an", knurrte ich, weil der Alte an mir vorbei wollte, auf seinen wehrlosen Gegner zu. Irgendetwas in diesem wütenden Monster musste mich noch als seinen Sohn erkannt haben, denn seine Schultern sanken ein Stück und er versuchte, seinen keuchenden Atem zu beruhigen. "Sasuke...", flüsterte der Alte, doch ich schüttelte den Kopf, wandte mich ab und hob mir einen völlig zerschundenen Naruto auf den Rücken. Die warme Nacht war unwirklich friedlich und passte so überhaupt nicht zu meinem rasenden Herzen. Wie hatte das alles nur so enden können...? Ich wollte weglaufen vor all dem, aber die Bilder dieser Gewalttat würde ich nie zurücklassen können, sie würden für immer ein Teil von mir sein und von der Art, wie ich meinen Vater sah. "Wo... Bringst du mich hin...?", fragte Naruto nach einer Weile schwach. Seine Hand, die auf meiner Brust ruhten, zitterten. "Krankenhaus." Ich hatte keine Lust, zu reden. Der Junge spannte sich an. "Nein. Bring mich nach Hause." Irritiert runzelte ich die Stirn. "Spinnst du? Du könntest dir was gebrochen haben. Wir gehen ins Krankenhaus, aus." "Bitte, Sasuke... Sie werden ihn verhaften." Seine Finger krallten sich in mein Hemd und ich spannte jeden Muskel in meinem Körper, als er diese Wahrheit aussprach. "Er hat es verdient", erwiderte ich sachlich. "Er wollte dich nur verteidigen. Bitte, mach das nicht wegen mir. Bring mich zu Kushina und Minato." Ich hatte ihn noch nie 'Mom und Dad' sagen hören und zumindest letzteres würde auch ich nie wieder aussprechen. "Ich glaub's nicht, das du dieses Monster verteidigst", knurrte ich, aber ich tat, was er wollte. Egal, was passierte, Fugaku war immer noch mein Vater, aber mehr als das akzeptierte ich Narutos Wünsche und wenn er keine Anzeige machen wollte, war das seine Sache. "Ich hätte meinen Sohn auch beschützt", antwortete mein Freund leise. Sein Gesicht ruhte an meiner Schulter und sein warmer Atem bereitete mir sogar in so einer Situation eine Gänsehaut. Trotzdem gab ich ein wütendes Knurren von mir und verlagerte sein Gewicht unsanft. "Du bist so ein Idiot. Es gab absolut nichts zu beschützen." Wenig später waren wir an der Tür seiner Eltern und ich setzte ihn vorsichtig ab. Naruto lächelte mich aus seinem zerschundenen Gesicht an und küsste mich aufmunternd. "Nein, gab es nicht. Aber das wusste er nicht... Geh lieber heim; du solltest das klären." "Da gibt es nichts zu klären", erwiderte ich kalt. "Er hat sich wie ein Irrer aufgeführt und du solltest ihn anzeigen." Zur Antwort streckte er sich und gab mir noch einen Kuss. "Werd ich aber nicht. Und jetzt geh." "Soll ich nicht lieber...?" "Nein. Nicht, dass es hier noch mal dieselbe Szene gibt. Bis morgen, Sasuke." Das Lächeln, das er mir geschenkt hatte, war eine Lüge gewesen, denn am nächsten Tag war er verschwunden. Ich war nicht mal besonders überrascht gewesen, immerhin hatte er das schon lange angekündigt. Liebeskummer hatte ich trotzdem, und das nicht zu knapp. Es war seltsam, plötzlich wieder alleine zu sein nachdem ich den ganzen Sommer ständig jemanden um mich gehabt hatte, aber andererseits hätte ich niemanden in meiner Nähe ertragen. Ich suchte die Einsamkeit und war froh, als die Schule anfing und ich mich darauf konzentrieren konnte. Von meinem Vater hatte ich mich völlig distanziert, obwohl er ein paar Mal versuchte, mit mir zu sprechen, und selbst Itachi ließ ich nicht an mich ran. Bestimmt ein Jahr nach seinem Weggang war das erste Mal, dass ich mal einen Tag nicht an Naruto dachte und anstatt erleichtert zu sein, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich wollte ihn nicht vergessen. Aber da brauchte ich keine Angst zu haben, denn dazu war ich nicht fähig. Sein Lächeln war so fest in meinen Gedanken verankert, als hätte es sich hinter meinen Augen eingebrannt. Es dauerte lange, bis ich mich genug von dem Gedanken an ihn distanziert hatte, um eine andere Beziehung zuzulassen, und so hatte ich erst mit zwanzig meinen ersten Freund. Das hielt etwas mehr als ein Jahr, dann kam lange nichts und mit fünfundzwanzig hatte ich einen Partner bis März diesen Jahres. Das war's. Und mit beiden hatte letztendlich ich Schluss gemacht, weil ich nicht zulassen konnte, dass sie mich genauso verließen wie Naruto es getan hatte. Ich hatte sie nicht so geliebt wie ihn, aber doch genug, um mich ihnen bis zu einem gewissen Grad zu öffnen, und das war gefährlich, es machte mir Angst. Aber Angst konnte ich nicht gebrauchen, deshalb hatte ich mit meinem letzten Freund Schluss gemacht, als es meiner Mutter zusehends schlechter ging. Ich brauchte meine Kraft für sie, da war kein Platz für eine Beziehung. Inzwischen war es früh Morgens, die Sonne war bereits aufgegangen, und ich war erschöpft, weil ich die ganze Nacht über in der Vergangenheit festgehangen und kein Auge zugetan hatte. Schließlich gab ich es auf. Ich quälte mich aus dem Bett unter die Dusche und lief gerade, die Zahnbürste noch im Mund und nur mit einem Handtuch bekleidet, zurück in mein Zimmer um mich anzuziehen, als der Duft von Kaffee und Pfannkuchen mich in die Küche lockte. Naruto stand in Shorts und einem T-Shirt am Herd und grinste, als er mich sah. "Morgen!" Ich nickte nur, weil ich die Zahnbürste noch immer im Mund hatte. Sein Anblick verwirrte mich, weil er hier so hinzupassen schien, als wäre es noch nie anders gewesen. Rasch drehte ich mich um, um meine Morgentoilette zu beenden. Es war nicht gut, dass er hier war, denn er würde genauso wieder gehen wie damals und das nach nur ein paar Tagen, wenn ihr Wagen repariert wäre. Die Verwirrung hielt mich nicht davon ab, zurück in die Küche zu gehen; ich konnte mich nicht an ihm satt sehen. "Hast du gar kein Sirup?", fragte Naruto, der sich streckte, um die oberen Schränke zu durchsuchen, wodurch sein Shirt hochrutschte und seinen muskulösen Rücken entblößte. Ich leckte mir über die Lippen, als er sich fragend nach mir umdrehte. "He, hörst du mir zu?" "Was? Oh... Nein, ich hab kein Sirup. Aber im Kühlschrank müsste noch Marmelade sein." Ich reichte ihm diese, doch er gab ein unzufriedenes Geräusch von sich. "Isst du immer noch nichts Süßes?" "Nein." Es freute mich, dass er noch etwas von damals wusste. "Du spinnst doch... Aber danke, dass wir hier pennen durften. War echt Scheiße mit dem Wagen!" Naruto lachte und stopfte sich ein großes Stück Pfannkuchen in den Mund. Fasziniert - und etwas angewidert - sah ich ihm beim Frühstücken zu und war mir nicht sicher, ob ich ihn jemals wieder gehen lassen konnte, bis sein Freund sich uns anschloss. Gaara musterte missbilligend Narutos nackte Beine und sagte ihm etwas wie 'Fühl dich hier nicht so heimisch, das ist unhöflich...', als er sich zu ihm setzte. Normalerweise hätte ich dem rothaarigen Mann recht gegeben; ich mochte es nicht, wenn Leute sich in meinem Haus benahmen, als wäre es ihres. Aber in diesem Moment kam mir Gaaras Hand auf dem bloßen Oberschenkel so falsch vor, dass ich mich über das unbekleidete Körperteil gar nicht aufregen konnte. Zumal Naruto wirklich schöne Beine hatte, lang und sehnig und mit weder zu viel, noch zu wenig Haaren. Schweigend aß ich meinen Pfannkuchen und versuchte zu ignorieren, wie Naruto seinem Freund etwas zuflüsterte, worüber er dann selbst wesentlich lauter lachte als der andere. Sie tuschelten noch ein bisschen weiter und schmusten dabei ganz ungeniert, bis ich mich räusperte. Nicht so sehr, weil ich etwas sagen wollte sondern mehr, weil ihr Geturtel dafür sorgte, dass mein Hals sich anfühlte, als würde er sich um ein Reibeisen schlingen, aber als ich ihre erwartungsvollen Blicke sah, sog ich mir doch etwas aus den Fingern. "Du solltest in den Teig nicht so viel Zucker tun..." "Ehhh?! Das Rezept ist von Kushina, das sind die geilsten Pancakes ever! Du hast keine Ahnung!", protestierte Naruto, der mir seiner Gabel drohte. Seufzend drückte sein Freund das Besteck zurück auf den Teller. Sein eigener war noch kaum berührt, aber es machte nichts, dass wir beide nicht so viel aßen, denn der Blonde verschlang eine Portion für drei. "Können Sie uns eine Werkstatt empfehlen, Sasuke? Wir möchten Sie nicht länger als nötig belästigen." Dann geh doch, dachte ich und war mir ziemlich sicher, dass die Gedanken ziemlich deutlich in meinen Augen zu lesen waren. "Nun, heute ist Sonntag, da werden Sie niemanden finden. Morgen ruf ich einen Bekannten an, der euch hilft." "Sind Sie sicher? In solch kleinen Ortschaften kennt doch jeder jeden..." Sicher würde Suigetsu, ein Freund von mir und Automechaniker, heute einen Blick auf den Wagen werfen, aber für diesen Rotschopf würde ich ihn ganz sicher nicht um einen Gefallen bitten. Zumal... Meine Augen wurden von Naruto geradezu magnetisch angezogen, aber ich zwang mich, sie wieder auf Gaara zu richten, welcher mein Hinschauen zu Naruto durchaus bemerkt hatte. "Die Leute hier sind streng katholisch. Sonntag ist heilig." "Aber..." "Gaara, entspann dich. Wir rufen deine Geschwister einfach an und sagen, dass wir uns ein paar Tage verspäten werden. Daran ist halt jetzt nichts zu ändern, ok?" Der Blonde lächelte seinen Freund aufmunternd an und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. "Zumal die Gegend hier echt schön ist. Genieß es einfach. Nachher gehen wir schwimmen, ja? So wie damals, Sasuke, ok?" Er lachte mich an und ich nickte steif, als ich mich erhob. "Natürlich... Ich muss jetzt ein paar Dinge auf der Anlage erledigen. Fühlt euch wie zu Hause", bot ich an. Auf dem Weg zu den zehn Ferienhäusern, die nah dem Wasser lagen, fragte ich mich, ob ich verrückt geworden war, diese beiden Fremden alleine in meinem Haus zu lassen. Sie hatten schmutzige Klamotten und ihr ganzes Hab und Gut passte in ein paar Matrosensäcke. Wieso sollten sie nicht mein Haus ausräumen und verschwinden? Weil sie kein funktionierendes Auto haben, versuchte ich mich selbst etwas zu beruhigen, was nur mäßigen Erfolg brachte. Erst, als ich damit beschäftigt war, mit einer Gruppe Jungen ein leckes Dach zu reparieren gelang es mir, für eine Weile Naruto und den Sommer damals und Gaara und mein womöglich inzwischen leeres Heim zu vergessen. Sobald ich auf dem Heimweg war, war das alles wieder zurück und ich blieb ziemlich lange in meinem Auto sitzen, bevor ich ausstieg. Ich hatte nicht geraucht, seit ich zwanzig war, aber gerade hätte ich Lust auf eine Zigarette gehabt. Ich rieb mir über den Nasenflügel und stieg aus. Vielleicht könnte ich mich noch ein, zwei Stunden hinlegen, bevor ich wieder an die Arbeit musste... Recht laute Stimmen begrüßten mich, als ich das Haus betrat. "... Will doch, dass wir bleiben", sagte Gaaras kühle Stimme. "Wieso sollte er? Wir halten ihn nur von der Arbeit ab. Es ist sowieso nett, dass er uns hier sein lässt. Immerhin haben wir uns vor zehn Jahren zuletzt gesehen." "Dann lass uns ins Hotel gehen. Ihn nicht mehr stören." Narutos Stimme wurde um ein paar Grad kälter. "Das können wir uns nicht leisten und das weißt du ganz genau." Ein lautes Schnaufen war zu hören, gefolgt vom Scharren von Stuhlbeinen auf dem Boden. "Ich geh mal sehen, ob doch jemand in der Werkstatt ist", verkündete Gaara. Er blieb kurz stehen, als er mich im Flur sah, ging dann aber mit einem Nicken an mir vorbei und verließ das Haus. Meine Einrichtung war noch vollständig, zumindest soweit ich das auf den ersten Blick im Wohnzimmer sagen konnte. Auf dem Couchtisch lag ein dickes, aufgeschlagenes Telefonbuch. Vermutlich hatten die beiden nach einem Mechaniker gesucht. Ich sah kurz zu Naruto, als dieser entnervt stöhnte und sich auf dem Sofa ausstreckte, ging dann aber zu dem Bücherregal neben dem Fernseher und fing an, nervös die Werke darin zu sortieren. Das meiste war Literatur, aber auch ein paar Krimis und Gedichtbände hatten ihren Platz gefunden. Weniger präsentablen Lesestoff hatte ich noch in meinem Zimmer und... Narutos Stimme machte es mir unmöglich, weiter nachzudenken. "Ich weiß echt nicht, warum ich diese Reise ausgerechnet mit ihm gemacht hab. Er ist so stur und so wenig spontan, das ist echt schrecklich. Wenn nicht alles nach Plan läuft, dreht er völlig ab", beschwerte mein Gast sich mürrisch. Mit dem Gesicht noch immer zum Regal gewandt blieb ich stehen. Was erwartete er jetzt von mir? Sollte ich ihm sagen, dass Gaara überreagierte oder lieber versuchen, dessen Verhalten runter zu spielen? Sollte ich sagen, dass sie... Nein, dass Naruto gerne bleiben konnte? "Ich denke, du machst diese Reise mit ihm, weil du ihn liebst", entschied ich mich schließlich, mit einer Hand auf einem Bücherrücken. Das Lachen, dass ich als Antwort bekam, überraschte mich. "Wie kommst du darauf?" "Du bist mit ihm zusammen", antwortete ich und drehte mich nach ihm um, die Arme verschränkt. "Also ging ich davon aus." Er zog die Beine an und schlang die Arme darum, den Blick fest auf mich gerichtet, ein seltsam undurchschaubares Lächeln auf den Lippen. "Es macht ihn glücklich, wenn wir zusammen sind. Er hatte es im Leben nicht einfach, weißt du?" "Nein." Mein Ton machte deutlich, dass es mich auch nicht interessierte. Ich setzte mich zu ihm auf die Couch, hielt aber gebührenden Abstand. "Hmm... Sag mal, das ist doch das Haus von damals, oder? Das von deinen Eltern?", erkundigte er sich und lächelte, als ich nickte. "Wo sind sie?" "Fugaku ist vor ein paar Jahren gestorben und meine Mutter ist im Pflegeheim." Naruto weitete die Augen und zog die Beine enger an sich, als müsste er sich vor diesem Schicksal verstecken. "D-Das tut mir leid...", flüsterte er. "Es lässt sich nicht ändern." "Vermutlich nicht... Aber es ist trotzdem traurig. Das Haus ist ziemlich groß, um alleine darin zu wohnen." "Ich bin es gewohnt." Kurz herrschte Schweigen, dann spürte ich, wie er das Gewicht verlagerte und sah zu ihm rüber. Er saß inzwischen auf der Kante der Couch und sah mich abwartend an. "Willst du nicht mit mir reden? Ich meine, ich versteh das. Sind ein paar... Unschöne Erinnerungen..." Und ein paar der schönsten meines Lebens. "Das ist es nicht. Es ist nur..." Nur so, dass ich nie aufgehört habe, dich zu lieben und dass du jetzt hier bist und aus meiner Teenager-Schwärmerei so viel mehr machst und dass du einen Freund hast und dass ich immer noch nicht weiß, warum du damals gegangen bist und dass ich dir nichts von alledem sagen kann. "Ich hab... Einfach nicht so gut geschlafen", endete ich ziemlich lahm und sah aus dem Fenster. Naruto kräuselte die Lippen zu einem wissenden Lächeln, dann boxte er mich sacht gegen die Schulter. "Du hast dich echt kein Stück geändert seit damals... Aber, Hey..." Er runzelte die Stirn, dann weitete er die Augen. "Heute ist dein Geburtstag! Alles gute!" Bevor ich reagieren konnte hatte er mich in den Arm genommen. Ich war wie erstarrt. Er roch vertraut... "Ist das... Mein Shampoo?", fragte ich etwas erstaunt. Naruto ließ die Arme um mich geschlungen, als er lachte. "Alles, was dir dazu, dass ich das nach zehn Jahren noch weiß, einfällt, ist, ob ich dein Shampoo benutzt hab?" Ich zuckte die Schultern. "Hast du?" "Ja. Sorry, meins war im Auto aber das ist mir erst aufgefallen, als ich schon unter der Dusche war. Ich kauf dir ein neues." "Nein." Es gefiel mir, dass er nach mir roch. "Ist schon in Ordnung." "Ok..." Er legte die Stirn an meine Schulter und ich spürte, wie er tief einatmete. Nur zögernd legte ich die Hände auf seinen Rücken. Das hier war seltsam. Eigentlich hatte uns eine ganze Dekade voneinander entfremdet und trotzdem... Trotzdem fühlte ich mich alles andere als unwohl in seinen Armen, obwohl ich es sonst nicht mochte, von Fremden angefasst zu werden. Er war schlicht und ergreifend kein Fremder sondern ein Teil von mir, der viel zu lange von mir getrennt gewesen war. Intuitiv verstärkte ich den Griff in seinem Shirt. Ob ich dieses Stück von mir wieder loslassen könnte, wenn es so weit war? "Wann kommen deine Freunde?", fragte Naruto nach einer Weile der einvernehmlichen Stille, in der wir uns nicht voneinander gelöst hatten. "Freunde?", fragte ich und klang so verwirrt, dass der andere lachte. "Ja, Freunde. Kameraden, Kumpel, Weggefährten..." "Ich weiß, was das Wort bedeutet", knurrte ich und klopfte ihn auf den Rücken. Dann ließ ich endlich von ihm ab, um ihn ansehen zu können. "Warum sollten Freunde kommen?" "Na ja, es ist dein Geburtstag. Normale Leute feiern da halt." "Ah...", machte ich und sah zur Seite. "Nun, dann bin ich wohl unnormal. Ich habe nämlich seit meinem sechzehnten nicht mehr gefeiert." "Was?! Wieso das denn... Oh", unterbrach Naruto sich selbst, als er darauf kam. Seine Hand hob sich und rieb sich über die Wange, als könne er den Schmerz von damals noch immer spüren. "Das." "Ja, das." Seufzend erhob ich mich, um zur Balkontür zu treten, obwohl es dort noch heißer war. "Außerdem habe ich noch nie Wert auf Feiern gelegt. Hast du das schon vergessen?" "Nein. Ich hab nichts von damals vergessen. Und jetzt ist es genauso wie damals, nicht?" Ich erwiderte sein Lächeln nicht, sondern drehte das Gesicht zur Seite. "Mal abgesehen von deinem Freund und davon, dass wir niemandem etwas vorspielen..." "Nur uns selbst...", antwortete er leise, doch als ich in ansah, lächelte er bereits wieder. "Hatten deine Eltern eigentlich Erfolg mit ihrer Therapie? Hast du jetzt eine Freundin?" Ich schüttelte den Kopf. "Nein und ich hatte nie eine." "Nur Männer?" "Nur Männer", erwiderte ich und dachte eigentlich, dass es immer nur ihn gegeben hatte. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Antwort auf diese Frage hören wollte, aber ich stellte sie trotzdem: "Und... Und bei dir?" "Ein paar Mädchen, ein paar Jungs... Aber die meiste Zeit er - Gaara." "Weil er es nicht einfach hatte." Naruto entging der verächtliche Ton meiner Stimme nicht und er lächelte. "Genau... Gibt es bei dir auch jemanden?" "Nein, ich bin... Alleine." Das Wort passte besser zu meinem Zustand als 'Single', immerhin war es ein freiwillig gewählter Zustand; an Verehrern mangelte es mir nicht und das hatte es nie. "Was ist mit deinem Bruder?" "Itachi ist..." Ich rieb mir über die Augen, schüttelte den Kopf und sah Naruto an. Es hatte keinen Sinn, ihn zu belügen, denn er wusste, wenn ich nicht die Wahrheit sagte, einfach so, als könnte er meine Gedanken hören. "Um ehrlich zu sein habe ich keine Ahnung, wo er ist. Wir haben seit Fugakus Tod keinen Kontakt mehr." "Das ist so heftig, Wow..." Er stieß einen leisen Pfiff aus. "Bei dir war einiges los, seit wir uns zuletzt gesehen haben, huh?" Ich gab ein humorloses Lachen von mir, das mehr wie ein Bellen klang. "Ja, das kann man so sagen." Narutos Hand legte sich ganz natürlich auf meine Wange und sein Lächeln machte alles weniger schwer, geradezu lächerlich einfach. Was sollte schon schief gehen, wenn er hier war? Das Verlangen nach seiner Nähe wallte in mir auf und ich rutschte zurück, entzog mich seinen Fingern. Er schien verwirrt, lächelte aber eine Sekunde später bereits wieder und machte keine Anstalten, mehr Abstand als diesen halben Meter, den ich gewählt hatte, zwischen uns zu bringen. "Ich bin froh, dass wir hier gestrandet sind", erklärte er ehrlich. "Ich hab oft an dich gedacht, Sasuke." Hast du nicht. Sonst hättest du auf meine Anrufe reagiert oder wärst früher gekommen, um mich zu sehen. Aber es hatte einen dummen Zufall gebraucht, um dich überhaupt wieder hierher zu führen. Seine Lüge brachte mich zu einem ehrlichen Lachen und ich schüttelte den Kopf. "Das ist lange her", antwortete ich kalt und konnte zusehen, wie ihm die Worte das Glück aus dem Gesicht saugten. Er glaubte mir, es tat ihm weh und ich war befriedigt, so unglaublich befriedigt von der Macht, die ich über ihn hatte, dass es mir nichts ausmachte, ihn zu verletzten. Wieso sollte es auch, er hatte schließlich nichts anderes getan. "Arsch", kommentierte er getroffen. "Wie schlagfertig." Ich stand auf, öffnete die Terassentür, um in die Sonne zu treten. Naruto folgte mir und boxte mich in die Seite. "War das jetzt schlagfertig genug?" "Du solltest mich nicht streicheln - Dein Freund wird noch eifersüchtig", gab ich nüchtern zurück und ging weiter, das lange Stück Rasen runter, das zu den Ferienhäusern führte. Unterwegs machte ich an einem Geräteschuppen Halt, aus dem ich ein paar Werkzeuge holte, von denen mir meine Begleitung ungefragt die Hälfte abnahm. "Der ist sowieso schon eifersüchtig auf dich." "Ach, wirklich?" Die Worte quollen über vor Sarkasmus. Naruto lachte. "Ja, aber er kann sich ganz gut tarnen, hm? Er mag dich nicht, hält dich für nen Snob... Und das biste ja auch. Aber eigentlich kann er niemanden leiden." "Nur dich." Weil es so verdammt einfach ist, dich zu mögen. "Und seine Geschwister vielleicht... Aber nur manchmal und nur, wenn sie grad nicht da sind." Narutos unbeschwertes Lachen trug uns durch einen Tag, an dem wir die Hütten, in denen inzwischen fast nur noch Jäger, Angler oder Pilger auf der Durchreise unterkamen, auf Vordermann brachten. Wir redeten - Beziehungsweise erzählte Naruto so lange, bis ich das Gefühl hatte, die zehn Jahre über an seiner Seite gewesen zu sein. Ich hatte nicht vergessen, wie viel er immer geredet hatte, und er war kein Dezibel leiser geworden, seit wir uns getrennt hatten. Immer noch schrie sein ganzes Wesen: 'Hier bin ich, seht mich an!', in die Welt und ich beneidete ihn ein wenig um diesen Mut. Dieser Tag war der erste seit Monaten, der mir nicht vorkam, als hätte er Jahre gedauert. Ich wusste, dass es falsch war, mich derart von meinem Besuch beeinflussen zu lassen, aber ich konnte mich seinem Charme nicht entziehen, sein Lächeln nicht ignorieren, seine Blicke nicht übersehen. Ich konnte nicht tun, als würde er nicht mit mir flirten - Oder als wäre es mir egal, dass er es tat. Zumindest vor mir konnte ich es nicht geheim halten; ihm spielte ich ziemlich eindrucksvoll die kalte Schulter vor, was ihn jedoch nur noch mehr anzustacheln schien. "Wie lang meinste, kannste des hier noch machen?" Diese direkte Frage stellte Naruto, als wir mit einem Bier an dem Steg saßen, von welchem die Angler morgens ablegten. Wir hatten den ganzen Tag gearbeitet, während Gaara den ganzen Tag geschmollt oder sich um die Reparatur ihres Autos gekümmert hatte - Ich wusste es nicht, und es war mir egal. Jedenfalls hatte er uns bis auf gelegentliche Kontrollbesuche in Ruhe gelassen. Eine Freiheit, die zu nichts geführt hatte, als dem sachten Schulterkontakt, der jetzt zwischen uns herrschte. Ich nahm einen Schluck Bier, bevor ich antwortete. "Vielleicht nächsten Sommer." Es lief nicht gut hier, und es würde nicht besser werden. Eigentlich wollte ich sowieso nicht bleiben, aber ich wusste genauso wenig, was ich sonst tun sollte. Ich hatte mich mein ganzes Leben lang beschwert, dass ich hier fest hing, wie Wolken, die zwischen den Bergen steckten. Aber jetzt, wo die Wolke sich abgeregnet hatte, wo ich frei wäre vom Ballast meiner Familie, wo sollte ich hin? Ich hatte keine Angst vor der Welt. Sie hatte es bis jetzt nicht geschafft, mich zu zerreiben, da würde sie das auch nicht mehr schaffen. Ich war nur zu träge geworden, überhaupt etwas zu tun, und ich sah keinen Grund dazu. Für wen denn der Aufwand? Sicher nicht für mich. Ich warf Naruto einen Seitenblick zu. In seinen Augen spiegelte sich der Sonnenuntergang oder sie strahlten von sich aus, keine Ahnung. Es war faszinierend. Sein Gesicht war schon immer faszinierend, so offen wie ein Buch mit Gedanken so bunt wie ein Regenbogen. Er hatte keine Probleme damit, etwas zu tun. Er hatte Probleme damit, irgendwo zu bleiben. Egal, ob es ein Mensch war oder ein Ort. Der Gedanke ernüchterte meine Bewunderung und ich wandte den Blick wieder ab. "Komm mit uns. Wir wissen noch nich, was wir nächsten Sommer machen, aber ist doch egal." Narutos überzeugendes Grinsen brachte mich zum Lachen. Ich schüttelte den Kopf. "Jemand muss sich um meine Mutter kümmern." "Die weiß doch nicht mal mehr, wer du bist." Darauf wusste ich nichts zu sagen. War dieser letzte Grashalm, der mich an das Tal band, wirklich schon abgerissen und ich versuchte nur krampfhaft, ihn wieder einzupflanzen? Naruto nahm einen Stein und warf ihn ins Wasser, wo er kleine Wellen schlug und dann in den dunklen Tiefen versank. "Du musst einfach mal was machen, weißt du? Du kannst nicht ewig drauf warten, dass dir jemand sagt, was zu tun ist. Das ist vorbei, jetzt, wo deine Familie weg ist." Diese Worte taten weh, aber sie waren ehrlich. "Ich hab wohl kaum Möglichkeiten." "Doch. Du kannst hier bleiben und versauern - Was schade wäre um so einen faszinierenden Menschen wie dich. Oder du könntest mit uns kommen und einfach sehen, was passiert. Oder du könntest deinen Bruder suchen und ihn zur Rede stellen. Oder du gehst in irgendeine Stadt, vergisst alles, was gewesen ist und versuchst es nochmal bei Null. Das ist einfacher, als du denkst. Das Leben ist nämlich wirklich das was passiert, während du mit anderen Sachen beschäftigt bist. Du musst es einfach nur greifen, dann zieht es dich von alleine mit." "Wie ein großer Fisch, der dich durchs Wasser zieht, von allem weg, was du kanntest." "Genau so. Aber du weißt ja, was am Ende der Flüsse wartet." Er grinste und in seinen Augen leuchtete dieser eine Sommertag aus unserer Jugend, an dem ich verlernt hatte, ohne ihn zu leben. "Das Meer." Meine Kehle wurde trocken und Schlucken half nichts dagegen. Ich spürte ein heftiges Ziehen in der Magengegend, das ich schon lange nicht mehr empfunden hatte - Seit mehr als zehn Jahren nicht. Seit ich ihn das letzte Mal geküsst hatte nachdem mein Vater ihn verprügelt hatte, weil er mich beschützt hatte. Die Empfindung war heftig und es fiel mir schwer, ihr nicht nachzugeben, aber das hier war zu wertvoll, um es zu einer Affäre zu sein. Ich konnte für Naruto nicht 'der Andere' sein, ich musste seine Welt sein und ich wusste, dass er zu dieser Art von Liebe fähig war. "Als was definierst du das Meer?" "Hmm... Weiß nicht genau." Meine Worte hatten die Intensität des Augenblicks zerstört und so legte Naruto sich zurück auf das marode Holz des Stegs, um in den blauen, bereits vom Abendrot zerfressenen Himmel zu blicken. "Als alles, was das Leben schön macht. Als Spaß. Freundschaft und Familie. Als die Möglichkeit, an Aufgaben zu wachsen. Vielleicht auch damit, sich selbst zu finden, obwohl ich nicht glaube, dass man das unbedingt tun muss, um glücklich zu sein. Ich sehe dieses Meer als Liebe sich selbst und einem Menschen gegenüber, mit dem du all das teilen möchtest. Und ich sehe es als ein Lebensende, an dem kein Wehmut steht, weil man alles mitgenommen hat." "Du hast ja hohe Erwartungen." "Hehe... Und ich werd sie alle erfüllen", grinste Naruto unbeschwert. Er hatte die Augen geschlossen, sodass ich sein Gesicht betrachten konnte. Darauf stand kein Zweifel und ich beneidete ihn ein wenig darum. Seufzend trank ich mein Bier aus, stellte es weg und stützte die Hand neben mir auf dem Steg ab. Inzwischen glühten nur noch die Kuppen der Berge rötlich im letzten Abendlicht, darüber war der Himmel schwarz. Es war eine zeitlang still bevor ich eine Bewegung neben mir spürte und sah, dass Naruto sich zu mir gedreht hatte. Seine Augen waren auf meine Hand gerichtet und er streckte seine Finger aus, um sie zu berühren. Ich ließ es zu, dass er die Sehnen und Knochen mit der Fingerspitze nachzeichnete und auch, dass er meine Hand drehte, um die Innenfläche zu begutachten. "Ich würde echt gern Handlesen können", stellte er fest, als er den Zeigefinger an einer Falte in meiner Handfläche entlang gleiten ließ. "Wäre cool zu wissen, was du noch so alles erleben wirst... Und ob wir uns wiedersehen." "Du warst es, der gegangen ist", entgegnete ich leise und entzog ihm meine Hand. Der Vorwurf schwang schon den ganzen Tag in der Luft und jetzt war er aus mir herausgebrochen. Ich stand auf, strich meine Kleidung zurecht und ging den Steg entlang Richtung Land. "Wir sollten zurück. Gaara fragt sich sicher schon, wo du bleibst." Naruto gab ein gleichgültiges Geräusch von sich, folgte mir dann aber über die dunklen Flächen der Ferienanlage hoch zum Haus. Tatsächlich war sein Freund bereits zu Hause und er wirkte nicht erfreut, als er uns gemeinsam aus der Nacht zurückkehren sah. Ich hatte den beiden zwar gesagt, sie sollen sich wie zu Hause fühlen, aber jetzt störte es mich doch, dass Gaara meine Küche ungefragt genutzt hatte. Nicht, dass er Unordnung hinterlassen hätte, es ging einfach ums Prinzip. Er hatte Kartoffelgratin und Salat gemacht und Naruto beäugte beides ungnädig. "Uh... Du und dein ewiges Gemüse", jammerte er und sah mich dabei wehleidig an. "Er ist Vegetarier." Aus seinem Mund klang das wie eine Krankheit, worüber ich schmunzelte. "So?" Mit betontem Desinteresse wandte ich mich ab, um unsere Bierflaschen wegzubringen. Mit einem gequälten Stöhnen ließ Naruto sich auf einen freien Stuhl plumpsen. "Du isst meinem Essen das Futter weg, Mann!" Er hielt sich den Bauch, der wie auf Kommando ein gewaltiges Grollen von sich gab. "Ich hab Huuuuunger. So ein schöner, fetter Burger wäre jetzt geil... Sag mal, Sasuke, hat die Bar am Ende der Straße noch offen?" "Ja." "Woah, wie cool! Weißt du noch, wie wir uns früher immer reingeschlichen haben?!", fragte er aufgeregt und richtete sich halb auf. Als ich nur nickte, wandte er sich an Gaara. "Wir waren ja noch minderjährig, wollten aber trotzdem da rein, also haben wir die Ausweise von Sasukes Bruder und einem seiner Freunde geklaut... Gott, war das geil. Aber schon komisch, dass sie das nicht gecheckt haben, ich meine, sie kannten ja Itachi und... Uh... Wie hieß sein Kumpel nochmal?" "Deidara. Aber die haben sehr wohl gemerkt, dass wir das waren. Sie haben uns nur reingelassen, weil wir Burger und Cola bestellt haben und keinen Alkohol." "Meinst du...? Oh... Aber war trotzdem ne geile Zeit." "Aha. Übrigens habe ich jemanden gefunden, der sich morgen um unser Auto kümmert", wechselte Gaara das Thema. "Er sagte, wenn Sasuke gleich angerufen hätte, hätte er sich noch heute darum gekümmert." Weder ich noch Naruto gingen auf seinen vorwurfsvollen Tonfall ein. "Ist doch egal - So haben wir noch einen Tag Pause gemacht, das ist sowieso gesünder... Und ich würde sagen, wir nutzen es, dass wir eh schon hier sind, und gehen heute feiern! Was meint ihr, Leute? Ein schöner Burger und ein paar Bierchen?" "Ich hab gekocht", entgegnete der Rothaarige abweisend, aber dieses Argument ließ sein Freund nicht zählen. "Na und? Dann essen wir das eben morgen, der Werkstattheini wird schon nicht gleich vormittags fertig werden. Hab dich nicht so. Ich hab Sasuke zehn Jahre nich gesehen und dann sind wir aus Zufall hier gelandet. So viel Glück muss man erst mal haben!" "Ja. Glück." Entweder, Naruto wollte nicht hören, wie schnippisch sein Freund war, oder er ignorierte es, und ich hatte nichts dagegen, einen mit ihm trinken zu gehen. Nach diesem Tag voller unliebsamer Erinnerungen und schwieriger Gespräche könnte ich einen Drink sogar gut gebrauchen. Die Tatsache, dass es Gaara gegen den Strich ging, machte die Aussicht kindischer Weise sogar noch verlockender. "Ich geh duschen", verkündete ich, um den beiden Zeit zu geben, die Sache auszudiskutieren. Als ich zurückkam, war Naruto alleine und scheinbar betrübt, was ihn jedoch nicht davon abhielt, mit mir in das einzige Pub des Ortes zu gehen, wo für hiesige Verhältnisse einiges los war. Am Tresen lungerten ein paar Fernfahrer herum, die Tochter des Wirts unterhielt sich mit dem ortsansässigen Trunkenbolt und ein paar grimmig aussehende Stammgäste sahen in der hinteren Ecke des Ladens ein Footballspiel. Da ich so gut wie nie hier war - Das letzte Mal vor Jahren und auch nur für etwa fünf Minuten, um einem Bekannten meiner Eltern zum Geburtstag zu gratulieren - Wirkte der Besitzer des Ladens überrascht, als er mich sah. Er stieß einen leisen Pfiff aus. "Der kleine Uchiha - Welch ehrwürdiger Besuch in meinen Bescheidenen Hallen!" Sein Blick wanderte weiter zu Naruto und er zog die Stirn kraus. Natürlich wusste der ganze Ort, dass ich schwul war, so etwas blieb in einer Kleinstadt nie privat. Die Zeit, in der das für Aufsehen gesorgt hatte, waren jedoch vorbei. Ich war 'ihr Schwuler', also war es ok. Verdammte Doppelmoral, aber immerhin hatte ich so keinen Stress. Deshalb hielt der Wirt meine Begleitung wohl automatisch für eine neue Eroberung. Dabei war er genau das Gegenteil; eine sehr alte Eroberung. "Und wen haste uns da mitgebracht?" "Hi, ich bin Naruto Uzumaki, ein Kindheitsfreund von Sasuke. Erkennst du mich nich mehr, Steve?", fragte Naruto gut gelaunt und hielt dem anderen Mann die Hand hin. Dieser sah ihn einen Moment noch verwirrter an, dann machte es scheinbar Klick und er weitete die Augen. "Oho! Nobel, wirklich nobel, meine Gäste heute! Hört mal alle her; ein verlorener Sohn hat zu uns zurückgefunden!" Mich hätte es gestört, so von allen umschwärmt zu werden - und das tat es auch jetzt, denn ich hatte gedacht, Naruto diesen einen Abend für mich zu haben - aber er blühte in der allgemeinen Aufmerksamkeit richtig auf. Er erzählte von seinen Reisen, seinen Jobs, seinen Freunden, er tanzte mit der Wirtstochter, trank zu viel, aß zu schnell und lachte zu laut. Und ich musste zugeben, dass seine Unbeschwertheit mich mit der Zeit ansteckte, sodass es mir schließlich sogar egal war, als er mich auf die winzige freie Fläche des Pubs zerrte und dazu zwang, für ein paar Lieder mit ihm zu tanzen. Ich wusste, dass die Ortsansässigen uns beobachteten, aber mein Unbehagen darüber konnte nicht mit dem angenehmen Gefühl, das mich überkam, wenn ich Naruto so nahe war, konkurrieren. Meine Tolleranzgrenze war allerdings erreicht, als eine schmalzige Countrieballade aus dem Radio schallte. Unter Narutos Protest zog ich mich zur Bar zurück und beobachtete von dort aus, wie er stattdessen die Wirtin animierte und ihre Tochter mit einem der Trucker auf die provisorische Tanzfläche bugsierte. "Wo haste den denn ausgegraben?", erkundigte der Wirt sich, der plötzlich neben mir Stand und den Frauen seiner Familie versonnen beim Tanzen zusah. Ich hob die Schultern träge, wusste plötzlich selbst nicht mehr so genau, wie es überhaupt zu der momentanen Situation gekommen war. Irgendwas mit nächtlichem Besuch in einer heißen Geburtstagsnacht. Und dann waren in dieser einen Nacht Jahre vergangen. "Ich schätze, er ist mir zugelaufen", antwortete ich schließlich, denn tatsächlich erinnerte Naruto mich ein wenig an eine streunende Katze, die es überall da hin zog, wo sie eine freundliche Hand, einen warmen Platz zum Schlafen und vielleicht etwas Futter bekam, aber nie lange an einem Ort blieb, egal, wie gemütlich dieser auch sein mochte. Bevor mich der Gedanke deprimieren konnte, gesellten Naruto und sein Sonnenlächeln sich zu mir und klauten mir das Bier aus der Hand und das Herz aus der Brust. Er wollte wieder mit mir tanzen, aber langsam wurde es mir zu viel, also lehnte ich ab. Er schob meine Beine auseinander, sodass sein Schritt genau an meinen gepresst war, und legte die Hände auf meine Beine. Ein lächerlich offensichtlicher Verführungsversuch - Aber deswegen leider nicht weniger effektiv. "Komm schon! Das ist wie bei William Turner aus 'Pirates of the Caribean'; ein Mal innerhalb von hundert Jahren kommst du aus deinem Haus raus. Und glaubst du, er würde an der Bar rumhocken und Bier trinken? Nein! Er würde sich Keira Knightley schnappen und sie die ganze Nacht...!" "Ok, ich glaube, das reicht jetzt", unterbrach ich amüsiert. "Zumal sie in dem Film Elizabeth heißt und sie nach hundert Jahren wohl kaum noch irgendetwas die ganze Nacht tut." "Oh... Hm, das kann natürlich sein", stimmte Naruto mir zu, offenbar betrübt von der Vorstellung. Dann schüttelte er aber den Kopf. "Das ist doch jetzt auch egal! Ich habe das metamorphosisch gemeint!" "Metaphorisch." "Das auch. Und jetzt komm und tanz mit mir." Trotz seiner nicht besonders ausgeklügelten Argumentation ließ ich mich schließlich von Naruto mitziehen, der inzwischen die Hände an meine Hüften gelegt hatte und diese beharrlich an sich presste. Ich legte die Arme um seine Schultern und ließ ihn führen, obwohl er kein besonders gutes Taktgefühl hatte und ein bisschen kleiner war als ich. Sein Haar kitzelte an meinen Fingerspitzen und ich nahm die Einladung an, an den Strähnen zu zupfen. Er sah mich dabei an aus einem Gesicht an, das meinem so nah war, dass es mir die Kehle eng werden ließ. Ich schluckte hart, bekam aber den Kloß in meiner Kehle einfach nicht weg, sogar, als ich den Blick abwandte. Naruto gab ein leises, zärtliches Glucksen von sich und bewegte sein Gesicht etwas zur Seite, sodass ich ihm wieder in die Augen sehen musste. "Du bist schüchtern", stichelte er. "Bin ich nicht", widersprach ich und zog als Strafe für die Behauptung fester an seiner Löwenmähne. Kurz sah ich auf seinen Mund, dann wieder in seine Augen. "Gibt's denn überhaupt was zum schüchtern sein?" "Ich weiß nicht", antwortete er und inzwischen spürte ich seinen Atem auf meinen Lippen. Fast konnte ich fühlen, wie sie sich zu einem Grinsen verzogen, als er fortfuhr: "Ich bin ja nicht der Schüchterne." Ich wandte mich ab, ließ mich aber schon im selben Moment von Naruto zurück in dessen Arme ziehen. Schon eine Weile standen wir einfach nur noch Arm in Arm da ohne zu tanzen und er schien das nicht ändern zu wollen. Er sah mich nur an und brachte damit die Beklemmung in meine Kehle zurück, die Mischung aus Schmerz und Liebe, die er schon damals zurückgelassen hatte, als er gegangen war. Plötzlich wusste ich nicht, wie ich am nächsten Morgen aufstehen können sollte, wenn ich ihn nicht mehr sehen würde. Da war nur Angst. Angst davor, dass die Reste meines kläglichen Lebens gerade zu meinen Füßen verbrannten. Denn nach diesem einen Tag würde ich nicht mehr vergessen können, wie es sein sollte. Dass Wärme von dem Feuer ausging, das in meinen sicheren, trostlosen Hafen entfacht worden war. Ich ließ es zu, dass Naruto die Stirn an meine lehnte, und schloss die Augen, eine Berührung wie eine weiße Flagge. "Geh nicht", sagte ich leise, denn ein Kapitulierender hat nicht das Recht auf laute Forderungen. "Ich hab aber nur eine Nacht an Land, Elizabeth." Trotz des unpassenden Witzes sah ich Traurigkeit in seinen Augen. "Es sei denn, du kommst mit mir..." Resigniert löste ich mich und beendete damit den intimen Moment. Wortlos legte ich dem Wirt Geld auf den Tresen und wich seinem mitleidigen Blick aus, verließ das Lokal, ohne irgendjemanden anzusehen. Draußen atmete ich die kühle Nachtluft ein, erneut mit dem starken Bedürfnis nach einer Zigarette. Ich war dumm, hatte mich von Narutos Charme und der kitschigen Träumerei eines neuen, vielleicht besseren Lebens verführen lassen. Aber ganz nüchtern betrachtet war es nunmal so, dass ich Verpflichtungen hatte - Und dass ich nichts hatte außer sein Interesse. Von dem ich ja wusste, dass es nicht besonders langlebig war. Kurz darauf kam er mir nach, sagte jedoch nichts, als wir schweigend durch die Straßen liefen. Ich hatte noch keine Lust, in mein Haus zu gehen, wo er sich dann zu einem anderen Mann ins Bett legen würde, also folgte ich der Hauptstraße, bis wir das kleine Dorf verlassen hatten. "Sasuke... Ich weiß, dass du nicht sofort abhauen kannst, aber du kannst doch auch nicht hier bleiben. Dir geht es nicht gut. Du gehst hier ein wie die Palme, die ich letzten Sommer im Zimmer stehen hatte... Die hat keinen Monat überlebt, sag ich dir..." "Und wie hast du dir das dann vorgestellt?", unterbrach ich seinen hilflosen Witz wütend. Ich war stehen geblieben und starrte ihn fest an, was in der Dunkelheit zwischen den Bäumen gar nicht so einfach war. "Willst du mich auch einen Sommer in deinem Zimmer stehen haben und dann wegschmeißen, wenn ich deine Vernachlässigung nicht mehr aushalte? Ich hab das schonmal durchgemacht und ich hab es kein zweites Mal vor, Naruto... Ganz davon abgesehen; was ist mit Gaara? Er hasst mich, weil er errät, was ich für dich... Was ich früher für dich empfunden habe." "Was war das denn?" "Als wüsstest du das nicht", spie ich ihm vor die Füße. Am liebsten hätte ich ihn für seinen verständnislosen Blick geschlagen. "Das weiß ich aber wirklich nicht. Du bist nicht besonders großzügig mit Auskünften über deine Gefühlswelt." "Nach zehn Jahren ist es nicht mehr relevant." "Wenn es das nicht mehr wäre, würdest du dich aber nicht so darüber aufregen." Seine übermäßige Empathie, gepaart mit seiner riesigen Dummheit waren echt zum Kotzen. Ich bemühte mich, gleichmäßig und ruhig zu atmen, was gar nicht so leicht ist, wenn du eigentlich nur noch schreien möchtest. Schließlich traute ich mir wieder so weit, dass ich den Kopf schütteln konnte. "Geht es darum, dass wir was miteinander hatten? Das musste er nicht erraten - Ich hab's ihm nämlich gesagt." Das überraschte mich so sehr, dass es meiner Wut einen Moment lang den Wind aus den Segeln nahm. Ich wusste nicht, was ich darauf noch sagen sollte, also wechselte ich das Thema: "Ich glaube nicht, dass Gaara überleben würde, wenn du ihn einfach sitzen lassen würdest." Schockiert riss Naruto die Augen auf. "Aber das will ich doch gar nicht! Er ist mein Freund!" "Und wie stellst du dir das alles jetzt vor?" "Ich weiß es doch nicht, Sasuke", antwortete er ehrlich und hilflos. Er trat einen Schritt auf mich zu, nahm meine Hand und blickte mich so an, als wüsste er nicht mal, wie entwaffnend das war. "Ich weiß nur, dass ich bei dir sein will." Ich wollte das auch, und nur zu gerne hätte ich auf die zarte Annäherung reagiert, die sein Körper gerade an meinen hatte, aber ich konnte nicht. Ließe ich ihn jetzt näher an mich heran, wäre es nichts weiter als eine Affäre - Und egal, was die Zukunft bringen würde, das hier war zu wertvoll für Falschheit. Also wich ich einen Schritt zurück und fuhr mir durch das Haar, den Kopf abgewandt. "Gehen wir heim. Ich bin müde." "Du kannst das zwischen uns nicht weg schweigen, Sasuke." Naruto klang gekränkt von meiner Zurückweisung, bedrängte mich auf dem Heimweg aber nicht weiter, und ich ließ es auf einen Versuch ankommen. Die ungesagten Worte zwischen uns wogen schwer, machten die Aussicht auf mein Bett verführerisch, obwohl ich schon ahnte, dass ich genauso wenig Schlaf wie in der letzten Nacht bekommen würde. Gaara war noch wach. Seine Stimmung hob sich merklich, als er die Spannungen zwischen Naruto und mir spürte und fast hätte sein "Gute Nacht", ehrlich gewirkt. In meinem Bett fragte ich mich, wie das Paar im Nebenzimmer die Situation klärte. Oder waren sie gar nicht wirklich zusammen? Naruto hatte zumindest nicht unbedingt überzeugt davon geklungen, mehr nach einer Art Zweckgemeinschaft oder einem Pflichtbewusstsein. Vielleicht war das nur mein Wunschdenken, ich traute mir in dem Zusammenhang selbst nicht mehr. Erwartungsgemäß hatte ich kein Auge zugetan, dennoch kümmerte ich mich vorbildlich um meine Gäste. Ich sorgte dafür, dass ihr Wagen in die Werkstatt kam und dort mit Vorzugsbehandlung repariert wurde. Ich machte Mittagessen für die beiden und zog mich dann mit einer Ausrede auf das Gelände des Campingplatzes zurück, wo ich herumstreunte wie ein herrenloser Hund und mir wünschte, Naruto würde kommen um mich zu fangen. Aber das tat er nicht und so verging der Tag einsam, wie eine deprimierende Aussicht auf das, was mir bevorstand, wenn ich bliebe. Rauch füllte meine Lunge und stieg in die sonst klare Luft. Die Hitze der Zigarette stieg in mir auf, eine Verkörperung des Brennens, das ich gestern schon gespürt hatte, als mir klar wurde, dass mein altes Leben in Flammen stand, entzündet von Naruto. Der heutige Tag erinnerte mich nur schmerzhaft daran, wie einsam der letzte gewesen war und die letzten zehn Jahre auch und was für immer sein würde, wenn ich es nicht schaffte, meine heuchlerischen Pflichten und Ängste hinter mir zu lassen. Ich musste einfach lernen, nicht nur in die Welt zu blicken wie aus einem Fenster, sondern Teil davon zu werden. Erneut atmete ich tief den giftigen Rauch ein. Das Husten tat gut. Ich hätte gerne gekotzt, Vergangenes gewaltsam aus meinem Körper verbannt, mich rundum erneuert, um mich dann endlich selbst zu finden. Im Moment fühlte ich nämlich eher noch zerrissen; die Aufräumarbeiten nach dem Tornado, der gestern in mir getobt hatte, waren noch nicht beendet, ich war noch nicht neu sortiert. Aber immerhin wusste ich, dass das hier der Anfang eines neuen Kapitels meines Lebens war. Ich wusste zwar noch nicht, wohin es führen würde, aber es würde definitiv anders werden. Ich würde nicht mehr von einem Mann eingesperrt sein, der schon lange tot war und noch weniger von einem, der mich verraten hatte. Als die Zigarette bis zum Filter runtergebrannt war, schmiss ich sie in den See und zündete mir schon im Aufstehen die nächste an. Es wurde Zeit, meiner Mutter ihren Sterbebesuch abzustatten und sie dann gehen zu lassen. Gaara saß bereits im Auto und Naruto stand mit verschränkten Armen davor, den sorgenvollen Blick auf mich gerichtet. Als hätte er plötzlich Bedenken dabei, mich zurückzulassen. Lächerlich. Ich hatte mich schon daran gewöhnt, diese bittere Pille zu schlucken und er hatte es schon mal geschafft, mir das Herz und das Leben zu stehlen. Aber hey, ich war immer noch hier, oder? Das musste doch heißen, dass ich es auch ein zweites Mal überleben würde. Naruto rieb sich unschlüssig den Nacken, den Blick auf seine Schuhe gerichtet. "Willst du nicht wirklich mitkommen?" "Nein. Ich hab hier noch was zu erledigen." "Das hier ist nicht das Leben, für das du bestimmt bist." "Ich weiß." Zum ersten Mal in den zwei Tagen, die er hier verbracht hatte, lächelte ich Naruto offen an. "Aber ich habe vor, mir das zu holen, was mir zusteht." Ich wusste zwar noch nicht genau, was das war, aber das würde ich schon noch herausfinden. Zuerst mal musste ich mit dem Selbstmitleid aufhören und meine seelische Schwäche hinter mir lassen. Der Test für diesen Vorsatz würde eine Suche sein, die sicher nicht leicht zu bewältigen war, aber am Ende sah ich ein Licht - Freiheit. Freiheit von meiner Familie und letztendlich auch von meiner Selbstgeiselung. Es würde ein verdammt harter Anstieg werden aus dem Dunklen, aber ich würde mich von der Hoffnung auf blaue Augen, in denen die Sonne lebte, leiten lassen. Denn sie hatten meine Welt in Brand gesteckt und ich würde nicht eher ruhen, bis sie mir als Entschädigung dafür das Herz, das ihnen innewohnte, zu Füßen legten. Davor musste ich aber erstmal das letzte Stück meiner Vergangenheit finden und mit ihm abschließen; Meinen Bruder. Vielleicht würde ich es schaffen, ihm zu vergeben, dass er mich alleine gelassen hatte, als ich ihn brauchte und auch all den Mist, den ich seitdem seinetwegen durchgemacht hatte. Vielleicht würde ich aber auch nur gestärkt und neu aus der Begegnung hervorgehen, das stand noch in den Sternen. Zuerstmal musste ich Itachi nämlich finden und ich schätzte, das würde nicht so einfach werden. Naruto riss mich aus meinen Gedanken, indem er mich in eine feste, eine Spur zu lange Umarmung zwang. Seine Augen waren strenger als sonst, ich konnte das Feuer, das er in mir entzündet hatte, auch in ihnen brennen sehen. "Wir sehen uns wieder." Das war keine Hoffnung, sondern eine Tatsache. Ich atmete langsam, sehr bewusst aus. Lächelte. "Dazu musst du mich erstmal finden." "Herausforderung angenommen!", grinste Naruto zurück. Er schlug mir auf die Schulter, dann stieg er endlich ins Auto und ließ sich von Gaara aus meinem Leben reißen. Erneut ließ er ein Chaos zurück, aber diesmal hatte er die Mauern meines inneren Gefängnisses niedergebrannt und mich als freier Mann zurück gelassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)