Road to Hokage von Jojoi ================================================================================ Kapitel 3: Teil Eins: Geheimnisse --------------------------------- Wütend stürmte Kushina aus der Halle. Sie hätte es wissen müssen. Sie hätte es wissen müssen! Aber sie hatte gehofft. Gehofft, dass es nach sieben Jahren einmal nicht um Kämpfe, Kriege und Beziehungen zwischen Dörfern, sondern um Familie ging. Aber anscheinend war alles hoffen vergebens gewesen. Doch, wie konnte sie nur? Wie konnte ihre Mutter nur so… so kalt sein? War sie schon immer so gewesen? Kushina versuchte sich an ihre Mutter zurück zu erinnern. An ihre Mutter, die ihre Hand gehalten hatte, wenn sie zusammen auf den Markt gingen, die von allen so hoch geschätzt und stets mit Komplimenten überhäuft wurde. Tränen traten Kushina in die Augen, als sie aus dem Gebäude stürmte. Freute sich ihre Mutter denn überhaupt nicht, sie zu sehen? Oder sah sie in ihr wie alle anderen nur noch eine Waffe? »Kushina!« Die Stimme ihres Bruders übertönte das laute Getümmel auf den Straßen. Es war nicht die Stimme, an die sich Kushina erinnerte. Die Stimme ihres Bruders war viel heller gewesen, immer fröhlich und laut. Sie lief schneller. Er hatte sich so verändert, dass Kushina ihn nicht wiedererkannt hätte, wäre er nicht von seinen Freunden auf der Straße mit seinem Namen angesprochen worden. »Kushina, warte doch mal!« Tetsuya hatte sie eingeholt und hielt ihren Arm fest. »Was hast du denn?« »Lass mich los!« »Hör auf! Komm schon!« Forsch packte Tetsuya seine kleine Schwester, hob sie hoch und schleifte sie in eine Seitengasse. Einige Passanten musterten sie neugierig, doch niemand wagte es, sich einzumischen, schließlich standen noch drei weitere maskierte Shinobi um Tetsuya herum, ebenfalls beobachtend. Der Uzumaki warf ihnen einen eindeutigen, wütenden Blick zu und die ANBU zogen sich zurück, während er Kushina endlich in eine leere Gasse bringen konnte. Sie hatte sich mit Hand und Füßen gegen die Prozedur gewehrt und war etwas außer Atem, als Tetsuya sie wieder auf dem Boden abstellte. »Jetzt beruhig dich erstmal!«, forderte er, ihre Schultern immer noch fest im Griff, doch Kushina wandte sich von ihm ab. Sie schämte sich dafür, dass ihr Tränen über das Gesicht liefen, ein Ninja durfte keine Tränen zeigen! »Kushina…« Tetsuya beugte sich zu ihr herunter. »Ist ja schon gut!« »Gut?« Wütend packte Kushina seine Arme und versuchte sich loszureißen. »Gar nichts ist gut! Du verstehst das nicht! Erst bringt man mich nach Konoha und… Und… Kaa-san…« »Ich weiß, Kushina.«, unterbrach ihr Bruder ihr Gestammel und sie hielt inne. »Ich weiß alles.« Ernst sah er ihr in die Augen und senkte die Stimme. »Ich weiß, was sie dir angetan haben. Und wenn ich es früher gewusst hätte, hätte ich sie davon abgehalten! Du bist meine Schwester… Ich werde Großvater nie verzeihen, dass er dich ausgewählt hat!« Für einen Moment biss er sich auf die Lippen und Kushina holte zitternd Luft. Sie hätte nicht gedacht, dass ihr Bruder eingeweiht war… Ihre Eltern wussten natürlich bescheid, ihr Großvater, der sie fortgeschickt hatte und die vertrautesten ANBUS Red, Yellow und Blue … Aber wenn auch ihr Bruder davon wusste, wer noch? »Und ich wäre sogar nach Konoha gekommen, um dich zurück zu holen!«, sprach Tetsuya weiter und brachte Kushinas Herz damit noch einmal zum stolpern. »Wenn ich gekonnte hätte… Aber sie ließen es nicht zu. Großvater hat dich verkauft zu Gunsten unseres Landes… Kaa-san meinte immer, ich müsse es verstehen, an das größere Wohl denken. Und Tou-san meinte, es würde dir in Konoha gut gehen. Ich hatte keine Chance… Es tut mir leid, Kushina. Es tut mir so leid.« Und plötzlich fand sich Kushina in einer Umarmung wieder. Vor Schreck hielt Kushina die Luft an. Noch nie, in sieben langen Jahren hatte sich jemand bei ihr für das entschuldigt, was man ihr angetan hatte. Nur Uzumaki Mito, bei der sie zu anfangs gewohnt hatte, war so freundlich gewesen, hatte Kushina zur Seite genommen und sich bei ihr entschuldigt und bedankt. Wäre Mito nicht so nett gewesen… Kushina hätte sich niemals darauf eingelassen. Obwohl man ihr vermutlich sowieso keine Wahl gelassen hätte. Mito hatte ihr versprochen, dass sie trotz allem glücklich sein konnte. Aber wie sollte sie glücklich sein in einem fremden Dorf ohne ihre Familie? Und jetzt erfuhr Kushina, dass ihre Familie sich nicht darum geschert hatte, wie es ihr ging. Nur ihr Bruder… Ihr Bruder hatte an sie gedacht. »Ich hab dich so vermisst.« Kushina schloss die Augen und vergrub das Gesicht in Tetsuyas Schulter. Es fühlte sich nicht an, wie die Schulter ihres Bruders. Als sie Kinder gewesen waren, hatten die vier Jahre Altersunterschied nicht so viel ausgemacht. Sie hatte sich nur auf die Zehenspitzen stellen müssen, um ihn zu umarmen, doch jetzt war er so groß, seine Arme viel muskulöser und sein Kinn stoppelig, als er ihr einen Kuss auf die Wange gab. »Ich dich auch. Lass uns nach Hause gehen.« Es sah alles noch genauso aus, wie Kushina es in Erinnerung hatte. Der Garten mit Großmutters Gemüsebeet, der Eingangsbereich mit den vielen Siegeln an der Haustür, das Wohnzimmer mit der blauen Couch. Alles sah genau gleich aus… Doch nach allem was passiert war, fühlte sich Kushina trotzdem nicht wie Zuhause. »Setzt dich. Willst du ein Glas Wasser?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, lief Tetsuya schon in die Küche und Kushina ließ sich auf der Couch nieder. Als sie sich im Wohnzimmer umsah, fielen ihr doch ein paar Veränderungen auf. Eine Pflanze, an die sie sich nicht erinnerte, ein Bild von ihrem Bruder, als er Chuunin wurde und das Glas, in dem Tetsuya ihr das Wasser brachte, kannte sie auch nicht. Kushina trank es dennoch dankend aus, während ihr Bruder aus einer Schublade Kekse hervorzauberte. Kushinas Herz schlug plötzlich höher. »Sind das die, mit weißem Schokoladenkern?« »Ja.« Tetsuya grinste und hob ihr die Kekse unter die Nase. »Ich weiß doch, was meine kleine Schwester mag!« »Super!« Kushina griff nach einem Keks und biss herzhaft hinein. »Die gibt es in Konoha nicht! Und selbst wenn, das Geld dafür hätte ich eh nicht… Ich sollte mir hier welche kaufen und mitnehmen!« »Ja, solltest du.« Tetsuya setzte sich neben sie. »Kein Geld, hmm? Wer hat sich denn in Konoha um dich gekümmert?« »Na ja, ganz am Anfang Mito-san. Sie war-« »Ich weiß. War sie nett?« »Hmh!« Kushina nickte. »Sehr… Sie sagte, ich brauche keine Angst haben. Dass alles gut gehen würde. Und Tou-san war ja auch noch da. Aber als Mito dann starb und Tou-san zurück musste… Ich durfte bei Mito wohnen bleiben und ihre Schwiegertochter hat mich aufgenommen. Aber weil sie auch schon älter ist und nicht so nett wie Mito-san, fällt mir der Umgang mit ihr nicht so leicht… Ihre Tochter Tsunade schaut manchmal vorbei und Dan-Sensei lädt mich regelmäßig zu einer Schale Ramen ein, wenn er mal wieder von Tsunade eins aufs Dach bekommen hat.« Kushina grinste frech. »Er ist nicht sonderlich geschickt im Umgang mit Frauen!« »Sonst niemand?«, fragte Tetsuya und ballte die Hände zu Fäusten. Kushina zuckte mit den Schultern. »Warum auch. Ich komme gut allein zurecht, ya know!« »Ja, das kann ich mir vorstellen.« Ihr Bruder lächelte leicht und zog sich das Hitai vom Kopf. Er legte es auf den Couchtisch und Kushina betrachtete es einen Moment gedankenverloren. Als sie Kinder gewesen waren, hatten sie und ihr Bruder immer die Hitais ihrer Eltern geklaut und Ninja gespielt. Jetzt trug sie das Hitai von Konoha… »Und kommst du damit zurecht?«, fragte ihr Bruder weiter, diesmal leicht nervös. »Du weißt schon… Kannst du es beherrschen?« »Na hör mal!« Kushina verdrehte die Augen. »Sonst wäre ich doch wohl kaum hier, oder?« »Nein, vermutlich nicht…« Tetsuya biss sich auf die Lippen. »Und du… Du wusstest nicht, warum man dich hierher bringt?« »Nein.« Kushina schluckte den letzten Bissen ihres Kekses herunter und krampfte die Hände um ihr Glas. »Hokage-sama war immer nachsichtig und freundlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mich hierher geschickt hat, damit ich mich dem Feind stelle.« »Ich weiß, dass Violett etwas Beunruhigendes an den Grenzen unseres Landes gesehen hat. Sie verrät mir aber nicht, was.« »Violett?« »Eine ANBU. Sie ist sehr nett, du wirst sie sicher sehr mögen! Sie wird es sich bestimmt nicht nehmen lassen, dir ihre Beobachtung selbst zu berichten. Falls es wirklich der Grund ist, weswegen sie dich hergebracht haben. Mir fiele eigentlich kein Grund ein, dich von dem sicheren Konoha hierher zu bringen…« Tetsuya runzelte die Stirn. Das sichere Konoha… Kushina schluckte und plötzlich kam ihr ein Gedanke, der alles in einem anderen Licht erscheinen ließ. »Vor zwei Wochen wurde ich von Kumo-Shinobis gekidnappt, ya know!« »Was?!« Tetsuya setzte sich kerzengrade auf. »Wie das?« »Ich weiß nicht… Sie waren plötzlich in Mitos Haus und… Ihr Jinchuuriki ist vor kurzem wieder verstorben…« »Ja, Kumo hat große Probleme damit… Ich weiß, dass aus unserem Archiv eine Liste von potentiellen Jinchuurikis entwendet wurde. Sie wurde vor sieben Jahren erstellt und sollte eigentlich nach deiner Eskortierung nach Konoha vernichtet werden…« »So kamen sie also auf mich…« Kushina biss sich auf die Lippen. Wenn sie sich vorstellte, was passiert wäre, hätte Minato sie nicht gerettet… Was hätte Kumogakure gemacht, wenn sie erst gemerkt hätten, wen sie da eigentlich gefangen hatten? »Jedenfalls… Was, wenn der Hokage mich hierher schickte, weil er glaubte, ich sei hier sicherer?« »Das glaube ich nicht.« Tetsuya schüttelte den Kopf. »Uzu ist zurzeit sehr unruhig… Wenn man es sogar schafft, Schriften aus unserem Archiv zu entwenden, dann kann das kein sicherer Ort für dich sein! Nein, ich fürchte, du bist tatsächlich hier als Kriegerin. Was nicht bedeutet, dass ich zulassen werde, dass man meine kleine Schwester an vorderster Front in den Krieg ziehen lässt!« Grimmig riss Tetsuya die Kekspackung ein bisschen weiter auf. Kushina schluckte. Ein Krieg. Stand es wirklich so schlimm um Uzu? »Was ist mit Tou-san?«, fragte Kushina schließlich. »Er würde doch niemals einen Krieg zulassen! Wo ist er? Und warum ist Onkel Yoshifuma Clanführer?« »Tou-san ist auf einer Mission und solange er nicht da ist, wurde unser Onkel als Clanoberhaupt eingesetzt.«, erklärte Tetsuya und stand auf. »Willst du noch was trinken?« Kushina schüttelte den Kopf. »Wann kommt er wieder?« »Ich weiß nicht… Frag Kaa-san.« »Sehr witzig.« Kushina verschränkte die Arme vor der Brust und schürzte die Lippen. »Ich will nie wieder mit ihr reden, ya know!« Tetsuya sagte nicht dazu, ging nur zurück in die Küche. Kushina hörte Geschirr klappern und sah über die Schulte, doch sie konnte ihren Bruder nicht sehen. Mit einem Seufzen rutschte sie tiefer in das Sofa hinein. Warum war alles nur so schrecklich kompliziert? Plötzlich hörte sie, wie die Haustür aufging und setzte sich eilig auf. War ihre Mutter etwa nach Hause gekommen? Oder gar ihr Vater? Kushinas Herz schlug höher und sie sprang auf. Wenn es wirklich Vater war, dann… Dann… »Tetsuya, hast du den Fisch, den ich wollte?« Die krächzende Stimme gehörte nicht zu ihrem Vater und Kushina konnte nicht verhindern, dass sich Enttäuschung in ihr breit machte. Eine alte Frau trat in das Wohnzimmer, sie war ungefähr so groß wie Kushina, hatte lange, weiße Haare und trug eine grüne, ausgewaschene Schürze. Als sie Kushina sah, musterte sie das Mädchen stumm von Kopf bis Fuß und wandte den Blick auch nicht ab, als Tetsuya aus der Küche rief: »Oh Mist, den hab ich ganz vergessen!« »Dann solltest du dich beeilen, der Fischhändler müsste noch da sein.«, sagte die alte Frau und trat auf Kushina zu. »Wie siehst du denn aus, Kind? Was hast du mit deinen Haaren gemacht? Deine Kleidung ist auch ganz dreckig.« Ihre Hände zitterten etwas, als sie Kushina über das Haar strich, so sanft, dass Kushina die Berührung kaum spürte. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, stand nur da und sah in das Gesicht der alten Frau. Diese wandte sich ab. »Und ein Bad hast du deiner Schwester bestimmt auch noch nicht eingelassen! Wie kannst du das Mädchen nur zu herumlaufen lassen?« »Tut mir leid, Obaa-san.« Tetsuya erschien wieder im Wohnzimmer, ein schiefes Lächeln auf dem Gesicht. »Ich geh gleich los, den Fisch holen.« »Hmpf.«, machte ihre Großmutter nur, packte dann Kushinas Arm und zog sie in Richtung Badezimmer. Kushina fühlte sich etwas überrumpelt, als ihre Großmutter sie in das Badezimmer schubste und warmes Wasser in die Wanne laufen ließ. Sie erinnerte sich daran, dass ihre Großmutter nie ein Freund vieler Worte gewesen war, aber sie hatte Kushina auch immer mit einem Lächeln auf den Lippen begrüßt. Doch jetzt… »Nur weil du jetzt eine Kunoichi bist, heißt dass nicht, dass du nicht schön aussehen darfst.« Ihre Großmutter drehte sich wieder zu ihr um und plötzlich war das das Lächeln, das Kushina sich erhofft hatte. »Vor allem wenn man so eine hübsche junge Frau geworden ist, muss man das nicht unter einer Ladung Staub und Schmutz verstecken!« Es war tatsächlich nicht schwer, das Haus der Uzumakis zu finden. Als Minato den großen Garten betrat, sah er sich fasziniert um. Es gab ein gut gepflegtes Gemüsebeet, einen großen Kirchbaum und sogar einen Teich. Auch das Haus war groß und hatte eine große, breite Veranda. Minato wollte gerade die Stufen zur Veranda hinaufgehen, als er die Siegel bemerkte. Sie hingen überall, an dem Holz der Dachbalken, der Hauswand, den Fenstern… Überall waren schwarze Symbole auf weißem Papier gezeichnet worden. Minato hielt inne. Er wusste, dass diese vermutlich dem Schutz der Familie dienten, doch er wusste noch nicht genug darüber, um zu erkennen, was für Fuujin-Jutsus es waren. Während er noch überlegte, ob er es wagen und an den Siegeln vorbeilaufen sollte, hörte er Stimmen. Und eine davon gehörte ganz klar Kushina. Minato wandte sich von der Veranda ab und lief an dem Haus vorbei. Die Stimmen kamen von der linken Seite und dröhnten anscheinend aus einem offenen Fenster. Minato blieb darunter stehen. Es war ein Kippfenster, das man von unten öffnete, sodass Minato in den Raum lugen konnte, als er genau darunter stand. Er sah allerdings nur die getäfelte Decke des Raumes und blieb unschlüssig darunter stehen. »In Konoha gibt es auch guten Fisch! Du musst mir aber zeigen, wie man ihn richtig verarbeitet… Ich muss zugeben, dass ich nicht besonders gut im kochen bin, ya know? Aber du kannst mir ja was zeigen, während ich hier bin, oder?« Minato zog eine Augenbraue hoch. Mit wem unterhielt sich Kushina? Mit ihrem Bruder? Über Fisch? Er warf einen Blick nach links und rechts, holte dann kurz Schwung und zog sich in einem Klimmzug am Fenster hoch. Sein Kopf passte ganz genau zwischen den Spalt zwischen Fenster und Hauswand und Minato spähte in den Raum. Es war ein großes, holvertäfeltes Badezimmer mit einer großen Wanne, in der dampfendes Wasser lag. Kushina saß auf einem Holzstuhl direkt davor, nackt und mit jede Menge Schaum in den Haaren. Eine alte Frau hob gerade einen Eimer über ihren Kopf und leerte ihn über Kushinas Kopf. Kushinas rotes Haar fiel ihr ins Gesicht und das Mädchen schloss die Augen, Glück für Minato. Doch dann bemerkte ihn die alte Frau und Minato wurde von einem Moment auf den anderen eiskalt. Der Blick, den sie ihm zuwarf, war eindeutig und Minato ließ schnell los und kam mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden an. Und erst dann wurde ihm eigentlich bewusst, was er gerade eben in diesen wenigen Sekunden gesehen hatte. Er spürte, wie sein Gesicht und seine Ohren erröteten und ihm war plötzlich schrecklich heiß in seiner Trainingsjacke. Und dann machte sich Panik in ihm breit. Was, wenn die alte Frau Kushina von ihrer Beobachtung erzählte? Wie sollte er Kushina das erklären? Er könnte fliehen, aber die alte Frau hatte ihn gesehen und was, wenn ihn noch jemand beobachtet hatte? Er brauchte ein Alibi, dann stand die Aussage der alten Frau gegen seins, aber was für ein Alibi? Was sollte er denn nur tun? Plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung traf ihn eine Ladung kochendheißen Wassers und Minato konnte gerade noch mal so einen Aufschrei verhindern. Er sah nach oben, doch alles was er sehen konnte war wie der Eimer wieder vom Fenster verschwand. »Warum hast du das gemacht?«, hörte er Kushina fragen. »Warmes Wasser tötet das Unkraut. Ich hasse Unkraut. Wehe, ich erwische es noch mal in meinem Haus!«, antwortete die alte Frau und Minato erzitterte. Ihm war klar, dass die Alte nicht wirklich von Pflanzen redete. Trotzdem atmete er erleichtert aus – anscheinend hatte sie nicht vor, Kushina von ihrer Beobachtung zu erzählen. Allerdings konnte er so nass, wie er jetzt war schlecht an der Tür klopfen und nach Kushina fragen… Er konnte der alten Frau eigentlich nie wieder gegenüber treten. Außerdem hatte er wirklich das Gefühl, das heiße Wasser habe seine gesamte Haut verbrannt und musste drei Mal schlucken und die Augen zusammen kneifen, um nicht loszuheulen. Er hatte gerade beschlossen, zu gehen, als er eine weitere Stimme hörte, diesmal kam sie aber von der Veranda. »Ich bin wieder da und hab den Fisch!«, rief Kushinas Bruder, seine Schritte knarrten auf dem Holzboden und Minato fragte sich, was diese Familie nur mit so viel Fisch am Hut hatte. Allerdings hatte er jetzt wirklich ein Problem. Tetsuya war mindestens ein höherer Chuunin, würde es also vielleicht sofort merken, wenn Minato sich davon stehlen wollte… Und wenn er ihn erwischte, wie sollte Minato seinen nassen, verbrühten Zustand erklären? Und Minato musste wieder einmal feststellen, wie praktisch es wäre, wenn man sich einfach in Luft auflösen könnte… Er musste Jiraiya-Sensei unbedingt nach einem solchen Jutsu fragen, allerdings hatte er nicht besonders viel Hoffnung, dass sein Sensei ein solches kannte oder gar beherrschte, schließlich würde das verhindern, dass er ständig beim Spannen erwischt wurde… Entsetzt stellte Minato fest, dass er im Moment nicht besser war, als sein Sensei. Er hatte in ein Badezimmer geschaut, er hatte Kushina NACKT gesehen und jetzt wünschte er sich nichts mehr, als dass er die Zeit zurückdrehen könnte. Obwohl der Anblick eigentlich gar nicht so schlecht gewesen war… Minato schüttelte entsetzt über sich selbst den Kopf. So etwas durfte er gar nicht erst denken! Und plötzlich traf ihn wieder ein Eimer voll Wasser. Und zwar wirklich der Eimer. Mit einem dumpfen Geräusch traf er Minato zusammen mit dem heißen Wasser direkt am Hinterkopf und der Chuunin war schon kurz darauf, loszuschreien, als ihm in einem einzigen Gedankenblitz noch einfiel, dass der Eimer nicht auf dem Boden knallen durfte, weil Kushina bei zwei Aufprällen misstrauisch werden könnte. Eilig fing er den Eimer in der Luft, machte in derselben Bewegung einen Schritt zur Seite, um nicht weiterhin unter dem Fenster zu stehen und presste sich gegen die Hauswand. Erst als sich die Schritte der alten Frau wieder vom Fenster entfernten, biss Minato vor Schmerz in den Holzeimer und kämpfte erneut mit den Tränen. Womit hatte er das nur verdient? Er hatte doch gar nicht vorgehabt, zu Spannen! Es war einfach ein blöder Zufall gewesen! Mit einem lautlosen Seufzen versuchte Minato seine Muskeln wieder zu entspannen, dann legte er den Eimer sachte auf den Boden und schlich auf Zehenspitzen durch das Gras, während er betete, dass Tetsuya gerade nicht aus einem der Fenster in den Garten schaute oder die alte Frau gleich um die Ecke bog, um den Eimer zurück zu holen. Zwei Meter vor der Hecke entfernt, die das Grundstück von den anderen abgrenzte, machte Minato einen Satz und verschwand mit einem leisen Rascheln im Gebüsch. Ryosuke wartete vor dem Versammlungsgebäude der Uzumakis auf sein Team. Sie hatten von den Shinobi, der ihnen ihre Zimmer gezeigt hatte, gesagt bekommen, dass man sie hier um sechs zum Essen abholen würde und Team Jiraiya hatte beschlossen, sich davor noch in dem Dorf umzusehen. Es war schon fünf Minuten nach ihrer vereinbarten Uhrzeit und Ryosuke seufzte. Hätte er das gewusst, hätte er noch fünf Minuten länger in den Quellen bleiben können… Zu seiner großen Überraschung war Jiraiya der erste, der auftauchte, patschenass und mit einer großen Beule am Hinterkopf. Ryo seufzte. »Bitte sag mir, dass du einfach nur ausgerutscht und mit Klamotten baden gegangen bist, Sensei.« Jiraiya lachte nur lauthals und kratzte sich schuldbewusst am Hinterkopf, doch er verstummte abrupt, als er seinen zweiten Schüler sah. Auch Ryosuke zog eine Augenbraue hoch und musterte Minato verblüfft. Wie sein Sensei war er patschenass, hatte eine Beule am Hinterkopf, die er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb, seine Haut war gerötet und hier und da klebte ein Blatt oder ein Ästchen an seiner Kleidung. Minato hatte eigentlich gehofft, dass sich Ryo und Jiraiya verspäten würden, doch das Glück war dieses Mal nicht auf seiner Seite. Mit hängenden Schultern kam er näher und seufzte tief. »Minato-kun, was ist denn mit dir passiert?«, fragte Jiraiya, während Ryo von seinem Sensei wieder zurück zu Minato sah und eine Augenbraue hob. Mit reumütiger Stimme und gesenktem Kopf meinte Minato: »Ich will nicht darüber reden…«, aber das brauchte er gar nicht. Ryosuke zog hatte bereits aus den Parallelen von Minatos Erscheinungsbild zu Jiraiyas seine Schlüsse gezogen und meinte kopfschüttelnd: »Idioten.« Kushina war kein Mädchen. Kein mädchen Mädchen, das gerne rosa Kleider trug, sich die Haare frisierte und heimlich die Schminke ihrer Mutter auftrug. Seit jeher hatte sie lieber die Kunais ihres Vaters geklaut und mit ihnen geübt, die Shinobikleidung ihrer Mutter anprobiert und hätte ihre Großmutter es nicht stets zu verhindern gewusst, hätte Kushina sich vermutlich sogar die Haare so kurz geschnitten, wie ihr Bruder. Und trotzdem steckte man sie in einen etwas zu großen, altmodischen und sehr, sehr pinken Kimono von ihrer Mutter. »So«, meinte ihre Großmutter, während sie Kushina die Haare hochband. »Jetzt siehst du aus wie eine Dame.« »Ich sehe aus, wie ein Schweinchen.«, verbesserte Kushina und ihr Bruder konnte ein leises Kichern nicht unterdrücken, das er allerdings schnell versteckte, als seine Großmutter ihm einen wütenden Blick zuwarf. »Außerdem hat Kaa-san mir meine alten Klamotten mal geschickt…« »Vermutlich ein Geschenk, das an dich weitergereicht wurde. Ich würde nie zulassen, dass deine Mutter dir solche Klamotten schickt!« »Aber ich bin eine Kunoichi, Obaa-san!« Kushina verdrehte die Augen, ließ aber zu, dass ihre Großmutter ihr noch eine Haarnadel mehr in die aufwendige Frisur steckte. »Ich brauche nicht schön auszusehen! Die Kleidung war praktisch!« »Praktisch nur noch Fetzten.« Mit einem zufriedenen Lächeln trat die alte Dame einen Schritt zurück und musterte ihre Enkelin von Kopf bis Fuß. »Das siehst schon eher aus, wie die Tochter des Clanoberhaupts. Dein Bruder wird deine alte Kleidung entsorgen, nicht wahr?« Sie wandte sich an Tetsuya, der eilig nickte, Kushina aber dann hinter dem Rücken ihrer Großmutter zuzwinkerte. Dann nahm er das Bündel, das einmal Kushinas Klamotten gewesen waren und brachte es nach draußen. Kushina hätte sie ihm nur zu gerne aus der Hand gerissen und sofort wieder angezogen. Sie warf noch einen Blick in den Spiegel, während ihre Großmutter in der Küche verschwand und seufzte tief. An ihrer Mutter hatte der Kimono einmal bestimmt wunderschön ausgesehen, aber Kushina konnte der schrecklichen Farbkombination mit ihrem roten Haar nichts abgewinnen. Wenn schon ein Kimono, konnte es dann nicht wenigstens ein violetter sein? Zu allem Überfluss tauchte dann auch noch Red auf und forderte Kushina dazu auf, ihm zu folgen. »Das Essen für dich und dein Team wurde bereits angerichtet und alle warten auf dich.«, meinte der ANBU und Kushina verzog das Gesicht. Sie konnte sich Ryosukes Kommentare auf ihr Outfit nur zu gut vorstellen. Ihre Großmutter versuchte zwar, den ANBU dazu zu überreden, Kushina mit ihr und Tetsuya essen zu lassen, doch der Shinobi blieb hart. »Es tut mir leid, Uzumaki-sama, aber Befehl bleibt Befehl.« Also musste Kushina mit ihm gehen, aber nicht, ohne sich noch ihre Kunaitasche um das rechte Bein zu binden. Wenn Ryosuke sich auch nur einen falschen Kommentar erlaubte, würde sie dieses Mal härtere Geschütze auffahren! Als Kushina am Verwaltungsgebäude ankam, wurde sie direkt in das Zimmer geführt, wo sie heute Mittag mit ihrem Team Yoshifuma vorgestellt worden waren. Auch dieses Mal war der Tisch in dem großzügigen Raum reichlich gedeckt und ihre Teammitglieder hatten sich bereits an dem Essen bedient. Von Akemi oder Yoshifuma war nichts zu sehen, dafür saß den dreien eine alte, grün-braune Schildkröte gegenüber. Es war nicht dieselbe, die Kushina identifiziert hatte und die junge Kunoichi glaubte sogar, die Schildkröte aus ihrer Kindheit wieder zu erkennen. Wenn sie sich nicht täuschte, dann war es die alte Ushio, die sie früher unterrichtet hatte, bis ihre Eltern feststellten, dass Kushina einfach keinen Sinn für komplexe Ninjutsus hatte. »Schön dich wiederzusehen, Ushio-Sensei.« Kushina deutete eine Verbeugung an, bevor sie sich zu den anderen an den Tisch setzten. Sie wusste nicht, ob ihre drei männlichen Kollegen sie wegen ihres Outfits mit großen Augen ansahen, oder weil sie die Schildkröte ›Sensei‹ genannt hatte, aber Kushina beschloss so zu tun, als habe sie nichts gemerkt, setzte sich und griff nach ihren Stäbchen. »Die Freude liegt ganz auf meiner Seite, Kushina-chan.«, erwiderte die Schildkröte und griff nach einem Salatblatt, das auf ihrem Teller lag. Im Gegensatz zu der letzten Schildkröte, schien Ushio völlig gelassen auf Kushina zu reagieren. Kein Wunder, Ushio war eine Meisterin der Versiegelung und wusste genau, wie Fuuin-Jutsus funktionierten. Vermutlich hatte sie Kushinas Vater und den anderen Ältesten sogar bei der Entwicklung des Siegels geholfen. Sie wusste, dass sie keine Angst zu haben brauchte, oder glaubte es zumindest zu wissen. »Wie ist es dir in Konoha ergangen? Deine Teamkollegen konnten mir nur wenig von deinen Abenteuern erzählen.« Die alte Schildkröte steckte sich das Salatblatt in den Mund und kaute genüsslich darauf herum. Kushina warf einen Blick auf ihr Team. Jiraiya war damit beschäftigt, sein Glas auszutrinken und es sogleich wieder mit Sake zu füllen, Ryosuke musterte sie immer noch mit einer hochgezogenen Augenbraue, schwieg jedoch und Minato wandte eilig den Blick ab, als sie sich umdrehte und stopfte sich so viel Reis in den Mund, dass Kushina dachte, er müsse doch jeden Moment ersticken. Sie beschloss, sich davon nicht irritieren zu lassen und begann selbst ihren Teller zu beladen. Es gab Fisch und Reisbällchen, dabei wäre ihr eine einfache Nudelsuppe im Moment lieber gewesen. »Gut, es ist mir wirklich gut gegangen.«, log Kushina. »Ich darf bei der Familie von Mito-san wohnen und verdiene inzwischen mit meinen Missionen mein eigenes Geld. Ich hab ein halbes Jahr gespart, aber jetzt kann ich endlich den Reiskocher abbezahlen, den ich kaputt gemacht habe.« Ryosuke und Minato tauschten Blicke. Kushina hatte ihr ganzes Geld ein halbes Jahr für einen REISKOCHER gespart? »Das Shinobi-leben habe ich mir aber schon etwas aufregender vorgestellt. Die meiste Zeit müssen wir nur entlaufene Haustiere aufspüren oder Zäune bauen... Eine Frau heuerte uns sogar einmal zum Unkraut rupfen an! Für so was hab ich doch nicht fünf Jahre die Schulbank gedrückt!« Wieder tauschten Minato und Ryosuke einen Blick. Kein Wunder, dass sie so lange hatte sparen müssen, wenn ihr Team nur so lächerliche Aufträge bekam… »Konoha ist wirklich langweilig… Aber sie haben die Gesichter ihrer früheren Hokage in eine riesige Felswand gemeißelt! Das ist ziemlich beeindruckend und seltsam zugleich…« Die Schildkröte nickte nur und griff nach einem weiteren Salatblatt. Sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, aber sie fühlte sich immer noch nicht ganz wohl in ihrer Haut und irgendwie kam ihr die Schweigsamkeit ihres Teams auch seltsam vor. Sie warf noch einen Blick auf die drei. Jiraiya war inzwischen vom Essen gänzlich auf den Sake umgestiegen, Ryo kaute nachdenklich auf seinem Essstäbchen herum und Minato topfte sich, als er Kushinas Blick bemerkte, den Mund mit Fisch voll, was ziemlich dämlich war, weil er sich schon ein paar Sekunden später an einer Gräte verschluckte und leicht verzweifelt nach dem Wasserkrug griff. Irgendetwas war hier doch faul… »Es ist wirklich schön, dass Jiraiya-sensei zu deinem Lehrer erklärt wurde.«, sagte Ushio und lenkte Kushinas Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Seine Fuuin-künste sind sogar bei uns bekannt.« Jiraiya kicherte nur, die Nase bereits ein bisschen rot vom Alkohol und Kushina fragte sich erneut, wieso dieser Kauz nur von allen so bewundert wurde. »Eigentlich ist Katou Dan mein Sensei.«, meine sie dann und Ushio hob die Augenbrauen. »Von ihm habe ich noch nie gehört. Ist er gut in Fuuin-Jutsus?« »Ganz in Ordnung, denke ich.« Kushina runzelte die Stirn. Sie hatte Dan-Sensei um ehrlich zu sein noch nie ein Fuuin-Jutsu ausführen sehen… Höchstens Papierbomben… »Aber er hat diese supercoole Technik, bei der er seinen Körper verlassen und den von anderen besetzen kann!«, meinte sie dann mit mehr Begeisterung und die Schildkrötendame nickte anerkennend. »Er hat dich also gelehrt, Kontrolle über deinen Geist zu behalten?« »Öh…« Nachdenklich kratzte sich Kushina an der Wange. »Ich glaube schon…« »Tssss Dan Katou« Jiraiya spuckte den Namen aus, als wäre es eine tödliche Krankheit und fügte dann mit verstellter Stimme hinzu: »Jedes Team braucht einen Medi-Nin! Ich will Hokage werden und die Welt verändern! Dann werden Ninjas keine Kämpfe mehr führen, sondern Blümchen pflücken im ewig währenden Sommer und niemand wird mehr Hunger leiden und alle leben glücklich bis an ihr Lebensende!« »So redet Dan-Sensei doch gar nicht!«, empörte sich Kushina. »Doch tut er, ich hab's selber gehört!« Jiraiya verzog das Gesicht. »Dabei weiß er genau, dass es nicht genügend Medi-Nins gibt, um jedem Team einen zuzuordnen! Und er ist ganz bestimmt nicht der Auserwählte, der unserer Welt den Frieden bringen wird! Aber das behauptet er ja immer wieder… War wohl ein paar Minuten zu lange aus seinem Körper gefahren, hat den Kopf in den Wolken vergessen…« »Das ist doch überhaupt nicht wahr!« Wütend umkrampfte Kushina ihre Essstäbchen. »Dan-Sensei ist ein wunderbarer Lehrer! Er weiß verdammt viel und ist überhaupt nicht so, wie du ihn darstellst, ya know! Du kennst ihn vermutlich gar nicht!« »Kenn ihn besser als mir lieb ist.«, grummelte Jiraiya und schenkte sich noch einmal Sake nach. »Dieser dämliche Schleimer… Genau das ist er! Schleimt sich bei jedem ein mit seinem dämlichen Grinsen…« »Dafür ist Dan-Sensei kein Trunkenbold wie du!«, konterte Kushina und lehnte sich angriffslustig über Minato. »Ach ja? Dafür bin ich nicht so ein Weichei!«, erwiderte Jiraiya und schubste Ryo zur Seite. Auge in Auge funkelten sich Jiraiya und Kushina an, beide die Hände geballt und die Zähne knirschend. Während Ryosuke nur die Augen verdrehte und hinter Jiraiya hinweg wieder nach seinem Teller griff, wurde Minato genauso pink wie Kushinas Kimono im Gesicht, weil sie sich so über ihn beugte, dass sie ihre Brust unweigerlich an seinen Kopf drückte. Vielleicht wäre es Minato nicht halb so peinlich gewesen, hätte er nicht vor geraumer Zeit gesehen, was sich unter ihrer Kleidung verbarg... »Dan-Sensei ist sehr mutig!« »Er weiß doch noch nicht mal, wie man ›mutig‹ schreibt!« »Du kannst doch bestimmt noch nicht mal deinen Namen schreiben!« Beinahe belustigt beobachtete Ryo, wie sich zwei der Wachen im Raum ansahen und scheinbar überlegten, ob sie die Streithähne wohl trennen sollten. Kushina und Jiraiya berührten sich jetzt beinahe an der Nasenspitze und versuchten einander mit Blicken zu töten. »Hab nur selten ein Mädchen gesehen, dass ihren Sensei so verteidigt.«, raunte Ryo Minato zu. »Vielleicht hast du Konkurrenz, Minato! Minato?« Der blonde Junge reagierte auch nicht, als Ryosuke ihn an der Schulter antippte und schließlich bemerkten auch Jiraiya und Kushina, dass etwas nicht stimmte. Kushina lehnte sich wieder zurück und warf einen besorgten Blick in Minatos tiefrotes Gesicht. »Alles in Ordnung, Minato-kun?« Minato nickte hysterisch, ohne ein Wort zu sagen. »Aber du bist so rot im Gesicht.« Besorgt legte Kushina eine Hand an seine Wange. »Und ganz warm! Vielleicht sollten wir einen Arzt rufen?« Minato schüttelte hysterisch den Kopf. »Vielleicht sollte Minato einfach aufhören, sich warme Gedanken zu machen.«, grinste Ryosuke und Minato zuckte kaum merklich zusammen. Verwirrt zog Kushina die Augenbrauen zusammen. »Wie meinst du das?« Ryosuke kicherte leicht. »Ich meine, dass…« Doch plötzlich sprang Minato zum Entsetzten aller auf, warf Ryosuke mit einem hellen Schrei zu Boden, presste seine Hand auf Ryos Mund und schrie: »Hör jetzt endlich auf damit!« Für einen Moment waren sowohl Kushina, als auch Jiraiya sprachlos und selbst Ryosuke blinzelte kurz verwirrt. So ausgerastet war der junge Namikaze in ihrer Anwesenheit noch nie, Ryo glaubte sogar zu bemerken, dass Minato von sich selbst überrascht war, doch trotzdem begann Ryo, sich zu wehren und verpasste Minato einen Tritt in den Magen. Minato fackelte nicht lange und holte mit der Faust aus, doch Kushina packte seine Schulter. »Was soll denn das?« »Ihr zwei«, Jiraiya packte Minato am Kragen und zog ihn mit einem Ruck von Ryosuke runter, »habt wohl nicht mehr alle Schriftrollen im Regal! Und so was beim Essen!« Kushina half Ryosuke auf, obwohl sie sich sicher war, dass er selber Schuld an Minatos Ausraster war und jeden Schlag verdient hätte. Allerdings wusste sie auch, dass Minato es im Nachhinein bereut hätte, seinen Freund geschlagen zu haben, sie sah jetzt schon das Schuldbewusstsein in seinen Augen. »Lass mich runter, Sensei.«, bat Minato, der immer noch von Jiraiya am Kragen in der Luft gehalten wurde. »Ich bin kein Kind mehr!« »Benimmst dich aber wie ein Rotzlöffel!«, grummelte Jiraiya, setzte den Jungen jedoch wieder auf dem Boden ab. Kaum dass er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, entschuldigte Minato sich bei Ryosuke und verließ dann den Raum. Verwundert sahen sie ihm nach. »Ich weiß ja nicht, Kushina-chan«, meldete sich plötzlich die alte Schildkrötendame wieder und die drei Shinobis fuhren herum, »aber nach Langeweile sieht das für mich nicht aus.« Minatos Wangen glühten noch immer, als er durch die Straßen Uzushiogakures eilte, den Kopf gesenkt und die Hände in den Jackentaschen verborgen. Um die neugierigen Blicke und Fragen der Dorfbewohner aufgrund seiner auffälligen Erscheinung zu vermeiden, wählte Minato den ›Shinobiweg‹, um sich durch das Dorf zu bewegen: Er lief auf den Dächern der Stadt. Tief in Gedanken versunken sprang er von einem Hausdach zum anderen, dennoch darauf bedacht, seine Umgebung nicht völlig auszublenden und unaufmerksam zu sein. Ein Ninja musste immer wissen, was in seiner Umgebung vor sich ging und Minato war nicht der Typ Chuunin, der das vernachlässigen würde. Dämlicher Ryosuke!, dachte er und schürzte genervt die Lippen. Heute war sein bester Freund wirklich unerträglich gewesen. Für gewöhnlich war Ryo nicht so schlimm… Im Grunde war er die ganze Mission über schon so nervig. War es wegen Kushina? Oder plagten Ryo irgendwelche anderen Sachen? Auf jeden Fall musste er sich nicht so aufführen! Hätte er einfach mal den Mund gehalten, hätte Minato ihn gar nicht angreifen müssen... Minato war nicht stolz darauf, aber in diesem Moment war ihm einfach keine andere Möglichkeit eingefallen, um Ryosuke aufzuhalten. Er war sich sicher, wie auch immer sein Teamkamerad seinen Satz hatte enden wollen, es hätte in einem Desaster für Kushina und Minato geendet, dabei hatte ihre Freundschaft gerade erst begonnen. Minato hatte erst vor geraumer Zeit erfahren, wie sensibel das rothaarige Mädchen eigentlich war und wenn Ryosuke das Gerücht, Minato sei in sie verliebt bis an ihre Ohren trug, könnte ihre aufkeimende Freundschaft mit einem Schlag zerstört werden. Und seltsamerweise fürchtete Minato im Moment nichts mehr. Die wenige Zeit, die Minato mit dem ungestümen Mädchen verbracht hatte reichte für ihn, um zu wissen, dass sie durchaus das Potential hatten, die allerbesten Freunde zu werden. Alles an ihr faszinierte und amüsierte ihn: Sie war stets ehrlich, auch wenn das unberechenbare Stimmungsschwankungen mit sich zog; sie war lustig, auch wenn sie es gar nicht sein wollte und brachte Minato dadurch ganz von allein zum lächeln; ihr Mut wurde ihr von Jiraiya zwar als Kopflosigkeit und Respektlosigkeit vorgehalten, fand aber bei Minato durchaus Bewunderung. Kushina Uzumaki war anders als die Mädchen, die Minato kannte. Anders war gut. Anders war besonders. Besonderes war wertvoll. Er hatte es Kushina vielleicht nie gezeigt, aber für ihn war sie immer ein sehr wertvoller Teil von Konoha gewesen. Ein roter Wirbelwind, der Schwung in den Akademiealltag brachte. Ohne Kushina, da war Minato sich sicher, hätte er sich an so manchen Schultagen zu Tode gelangweilt, weil er einfach schon alles beherrschte und wusste, was die Lehrer ihm hatten beibringen wollen. Während seine Kameraden noch alle fleißig übten, hatte Minato sich meist mit einem Buch in eine Ecke verzogen und sich gelangweilt. Manchmal hatten ihn seine Freunde um seine Hilfe gebeten, doch das kam eher selten vor und so hatte Minato schon in kurzer Zeit ganze Bücherregale der Konohabibliothek ausgelesen. Und dann war Kushina gekommen mit ihrer Bemerkung, Hokage zu werden, mit der sie sich bei allen außer Minato unbeliebt gemacht hatte. Er hatte die Herausforderung nur zu gerne angenommen. Und er hatte sofort gewusst, wenn er seinen Traum vom Hokage nicht an dieses Mädchen verlieren wollte, musste er härter trainieren. Sie war sein Antrieb gewesen und sie wusste es noch nicht mal. Er hatte sie beobachtet, ihre Fortschritte observiert und war ziemlich beeindruckt gewesen, als er sie mal dabei erwischte, wie sie dem Hokage einen gelungenen Streich spielte. Minato wusste nicht, was sie gegen den Hokage hatte, aber als der Farbeimer von der Tür auf ihn gefallen war, hatte sie ihn ›eingerosteten Dinosaurier‹ genannt und sich beinahe zu Tode gelacht. Und Minato genauso. Ein tiefer Seufzer fand seinen Weg aus seiner Brust und Minato wurde klar, so sehr er Kushinas Gesellschaft bei dieser Mission auch genoss, so wollte er doch, dass sie so schnell wie möglich wieder nach Konoha zurückkehrten und er Ryo so weit wie nur möglich von der Kunoichi fernhalten konnte. Es war sicherlich nicht gut führ ihre Gesundheit, wenn die beiden sich noch länger auf die Nerven gingen, und erstrecht nicht für Minatos. Andererseits konnte er seinem Freund nicht alle Schuld am heutigen Abend geben. ER hatte Kushina schließlich unbedingt nachspionieren müssen, ER war so blöd gewesen und hatte durch das Badezimmerfenster geschaut. Ryo konnte nichts dafür, dass Minato ihr nicht mal mehr in die Augen schauen konnte, ohne rot zu werden. Minato hätte wissen müssen, das die rothaarige Kunoichi gut auf sich selbst aufpassen konnte. Das hatte sie die letzten Jahre ja auch getan. Minato seufzte noch einmal und blieb stehen. Was tat er hier eigentlich? Er konnte Kushina wohl kaum die nächsten Tage aus dem Weg gehen und jeglichen Blickkontakt vermeiden. Oder doch? Nein! Minato schüttelte den Kopf. Er musste es einfach vergessen, einfach weitermachen, als wäre nie etwas gewesen, als hätte er nie etwas gesehen und Ryo hatte nach dem heutigen ›Angriff‹ hoffentlich auch verstanden, dass er lieber seinen Mund halten sollte, was seine Hirngespinste anging. Gerade wollte er sich wieder auf den Weg zurück machen, als ihm eine Frau in einer Gondel auffiel, die durch die unzähligen Kanäle der Stadt gefahren wurde. Sie trug denselben weißen Kimono von heute morgen, ihr Haar breitete sich in der engen Gondel aus wie ein roter Samtteppich. Neugierig folgte Minato ihr mit seinem Blick. Wohin Akemi-sama wohl unterwegs war? Plötzlich stoppte die Gondel an einer Ecke und Akemi verließ sie leichtfüßig über eine Steintreppe, die ans Ufer führte. Der Gondoland verbeugte sich kurz und fuhr dann mit seinem Schiffchen weiter, während Akemi sich zu Fuß auf den Weg machte. Doch ihr Marsch dauerte nicht lange, schon zwei Häuser weiter hielt sie an und betrat dann über eine breite Steintreppen ein Gebäude, das Minato zuvor noch gar nicht aufgefallen war. Es war ein Tempel mit zwei Stockwerken und den typischen, schwungvollen Dächern. Er war groß, viel größer als der kleine, den Minato aus Konoha kannte und der sich nahe dem Friedhof befand. Minato selbst hatte den Tempel in Konoha nur ein Mal besucht, die wenigsten Leute zuhause waren besonders religiös, zumindest keiner seiner Bekannten. Diese große, gepflegte Tempelanlage mitten im Dorf sprach für eine höhere Religiosität der Bewohner von Uzushiogakure. Vielleicht weil der Tempel so schön und beeindrucken aussah, oder auch weil Minato wissen wollte, was Akemi hier tat statt bei ihrer Familie das Abendessen vorzubereiten, sprang er von dem Dach, auf dem er sich gegenwärtig befand, und betrat dann zögernd den Tempel. Zu seiner Überraschung war es hell in diesem Tempel, hell und bunt. Die Decke war höher als jedes Gebäude, das Minato je betreten hatte. Sein Mund klappte auf vor Staunen und er legte den Kopf in den Nacken, sich langsam um sich selbst drehend. Die hohe Decke löste in ihn das Gefühl aus, winzig klein zu sein und doch brachte diese Weite einen Anflug von Freiheit mit sich. Überall, auf den Wänden, der Decke, den Dachbalken waren Schnitzereien und Zeichnungen von Menschen, Tieren, Siegeln, Schriftzeichen… Als wäre er in ein riesiges Bilderbuch gefallen. Minato konnte sich nur schwer von dem Anblick lösen, doch ihm fiel wieder ein, warum er überhaupt den Tempel betreten hatte und sah sich eilig um. Von Kushinas Mutter fehlte jedoch jegliche Spur, dafür entdeckte Minato einen kleinen Schrein an einer Wand des Tempels, der von den Künstlern durch Verzierungen besonders hervorgehoben wurde. Minato trat näher und blieb dann in einem respektvollen Abstand vor dem Schrein stehen. In ihm befand sich die Skulptur zweier Menschen, einer Frau und eines Mannes aus feinem, mattem Stein gehauen. Die Frau bog ihren Rücken durch und lehnte sich zurück, hatte aber einen Arm und den Nacken des Mannes gelegt. Den anderen hatte sie hoch in die Luft gehoben und etwas, das wohl eine schäumende Welle darstellen sollte, streckte sich ihrer Hand entgegen. Der Mann hatte einen Arm stützend um die Frau geschlungen, die Beine leicht gebeugt und die andere Hand wie zum Tanz erhoben. Minato runzelte die Stirn. Ein solches Bild hatte er noch nie gesehen. »Sie ist wunderschön, nicht wahr?« Minato zuckte überrascht von der plötzlichen Präsenz eines anderen Menschen zusammen und fuhr herum. Akemi schenkte ihm ein Lächeln und trat dann näher an den Schrein heran, um eine weiße Blüte, die sie in ihrem Händen hielt, davor niederzulegen. Für einen Moment faltete sie Hände zu einem Gebet und Minato wusste nicht, ob er gehen und sie alleine lassen sollte, als sie sich auch schon wieder erhob, sich vor der Statue verbeugte und zu Minato zurückkehrte. Nervös warf er einen Blick in ihr schönes Gesicht, dessen Augen noch immer auf den Schrein gerichtet waren und wandte sich ebenfalls wieder dem Objekt ihrer Bewunderung zu. »Ja.«, bestätigte er dann. »Wer ist das?« »Einer Legende zufolge sind das unsere Vorfahren. Die Frau dort ist Umi, das weite Meer, das unser Reich umgibt und der Mann Kaze, der tänzelnde Wind, der unseren Pflanzen den Regen bringt. Vor vielen hundert Jahren verliebten sie sich ineinander und um zusammen sein zu können, verwandelten sie sich in Menschen, die sich hier auf unserer Insel heimlich trafen. Schon bald brachte Umi ihr erstes Kind zur Welt doch den anderen Elementen gefiel dieses Bündnis nicht und so trennten sie die beiden und versuchten, ihr Kind zu töten. Um ihr Kind zu retten, wollte Umi es in den Tiefen ihres Meeres verstecken, doch das Menschenkind konnte dort nicht überleben. Und dann brachte der Wind auch noch die Nachricht, dass ihre Feine bereits in Form schrecklicher Ungeheuer auf den Weg zu der Insel waren, um das Kind zu töten. Kaze schickte seine Wirbelstürme los, um die Feine zu vertreiben, doch er war nicht stark genug. Wütend und verzweifelt bäumte Umi sich zu haushohen Wellen auf, die ihre Feinde verschlucken sollten, doch es nützte nichts. Und da taten sich Umi und Kaze erneut zusammen, kämpften für das Wohl ihres Kindes und endlich schafften sie es mit ihrer gemeinsamen Kraft die Feinde in die vergessenen Weiten des Meeres zu spülen und ihr Kind zu beschützen. Die Strudel, die unser Land umgeben, sind Zeugen der Verbindung ihrer Kräfte, Wirbelstürme im Meer, bereit alles fortzureißen, dass uns, ihren Kindern, Schaden zufügen will. Die Strudel sind unsere Beschützer, unsere Freunde, unsere Kraft.« Fasziniert betrachtete Minato die Skulptur und ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Eine schöne Geschichte.« »Ja, allerdings.« Akemi lächelte. »Namikaze, so lautet dein Name, nicht wahr? Wellenwind… Ein wunderschöner Name. Du kannst stolz auf ihn sein. Wo kommst du her?« »Aus dem Süden, nahe der Halbinsel. Ich glaube aber nicht, dass ich ein Nachfahre von Umi und Kaze bin.« Minato grinste verlegen über Akemis ungewöhnliches Kompliment und kratze sich am Hinterkopf. »Wer weiß?« Die Frau schenkte Minato wieder ihr wunderschönes Lächeln und schloss die Augen. »Ich bin auf jeden Fall eins ihrer Kinder.« Minatos Lächeln erstarb, erneut verwundert über ihre Antwort und fragte sich, ob sie das ernst meinte. Die Uzumaki verbeugte sich noch einmal ehrfürchtig vor ihren selbsternannten Eltern und wandte sich dann von dem Schrein ab. »Was machst du hier, Namikaze-kun? Und wo sind deine Freunde?« Ihre Stimme war noch immer genauso liebreizend wie zuvor, doch Minato spürte ihre Unruhe. »Ich wollte mir Uzushio angucken und stand irgendwann vor dem Tempel. Kushina-chan und Ryo-kun sind vermutlich noch beim Essen… Ich hatte keinen Hunger.« Das war nicht mal ganz gelogen. »Ein junger Mann wie du sollte viel essen, du brauchst das für dein Wachstum.« Akemi ging zu einem Ständer, an dem es Räucherstäbchen gab und entzündete eines an einer danebenstehenden Kerze. Dann trug sie das Stäbchen zu einer Metallschale, die vor einer Wand stand, welche über und über mit Malereien bedeckt war. Wie zuvor vor dem Schrein blieb sie stehen, verbeugte sich zum stummen Gebet und richtete sich dann wieder auf. Sie wandte sich nicht zu Minato um, als er sprach, doch er hatte trotzdem das Gefühl, näher kommen zu dürfen. »Wie geht es Kushina-chan? Kommt ihr gut zurecht?« »Ja, sie ist meine beste Freundin.« Minato steckte die Hände wieder in seine Jackentasche und legte den Kopf in den Nacken um das gesamte Wandbild betrachten zu können. Menschen in langen Gewändern, die bekannte und unbekannte Fingerzeichen machten, Kanji-Schriftzeichen und Siegel… Und überall das typische Strudelsymbol Uzu no Kunis. »Sie ist sehr stark und gibt niemals auf.« »Das freut mich zu hören.« Auch Akemi legte den Kopf in den Nacken und eine Strähne löste sich aus dem Knoten in ihrem Nacken und fiel bis zum Boden. Minato dachte, dass Kushinas Mutter vielleicht mehr hören wollte und meinte, einen Blick auf Akemis Haar werfend: »Anfangs hatte sie es schwer… Ihr rotes Haar war Anlass für viele blöde Sprüche, was ich absolut nicht verstehen kann. Über so schönes Haar braucht man sich nicht lustig machen, aber Kushina hat sich zum Glück immer zu wehren gewusst.« »Hast du es ihr gesagt?« »Was?« »Dass du ihr Haar schön findest natürlich.« Akemi lächelte auf ihn herab und strich sich selbst jene Haarsträhne über die Schulter, damit sie nicht mehr am Boden schleifte. »Ach so, ja.« Minato nickte kurz. »Ich glaube allerdings, das hat sie noch nicht so richtig ernst genommen.« »Als sie klein war, wollte sie sich immer die Haare so kurz schneiden lassen wir ihr Bruder.« Akemi kicherte leicht und schob die Hände in die Ärmel ihres Kimonos, bis sie ihre Amre vor der Brust verschränken konnte. »Sie wollte auch immer die Hosen ihres Bruders tragen, wollte trainieren statt Teezeremonien zu üben und Kalligrafie fand sie ganz furchtbar. Manchmal hatte ich das Gefühl, zwei Söhne zu haben.« »Da hat sie sich glaube ich nicht verändert.«, meinte Minato und war froh, dass es man es offensichtlich verhindert hatte, Kushinas Haare zu schneiden. »Nein, ich fürchte das braucht noch ein paar Jahre…« Ein nachdenklicher Ausdruck erschien auf Akemis Gesicht und Minato hütete sich zu sagen, dass er sich Kushina niemals bei einer Teezeremonie vorstellen konnte. Jedenfalls nicht, wenn man wollte, dass die Teekanne und –Tassen danach noch in einem Stück waren… Minato spürte, dass die Unterhaltung eine plötzliche Wendung genommen hatte und hielt es für das Klügste, das Thema zu wechseln, doch ihm fiel nichts Besseres ein, als nach den Bildern an der Wand zu fragen. »Erzählen sie auch die Geschichten eurer Legenden, Akemi-sama?« »Nein, diese Bilder sind unser größter Schatz, Namikaze-kun.«, entgegnete sie und tatsächlich hörte Minato etwas wie Ehrfurcht aus ihrer Stimme sprechen. »Diese Bilder sind das Gedächtnis und die Lehrbücher unseres Landes. Was du siehst ist das Spektrum und die Vielfältigkeit unserer Jutsus, ihre Geheimnisse und Anwendungsgebiete, das Ergebnis jahrzehntelanger Übung. Wir sammeln unser Wissen nicht in Schriftrollen wie Konoha, wir vererben es von Generation zu Generation und diese Wände«, Akemi machte eine ausladende Geste durch den Tempel, »sind unsere Notizen, damit wir nichts verlernen oder vergessen. Und unser Wissen wächst mit jedem Tag.« Sie deutete auf die Dachbalken, die noch nicht alle bemalt waren, aber auf die man offensichtlich umgestiegen war, weil sich an den Wänden kein Platz mehr fand. »Wer diese Bilder lesen und verstehen kann ist im Stande, alle unsere geheimsten Jutsus zu erlernen, zu meistern, zu verbessern oder auch zu missbrauchen.« »Ist es dann nicht gefährlich, sie hier so öffentlich zu zeigen?«, fragte Minato verwirrt, aber dennoch beeindruckt. Ein Mal hatte Jiraiya ihn in das Archiv im Hokageturm mitgenommen, wo sich hunderte schwere Schriftrollen voll mit Wissen stapelten, doch diese Bilder im Tempel der Uzumakis wirkten auf ihn noch viel überwältigender. »Nein, keine Sorge.« Ein Lächeln umspielte Akemis Lippen. »Fuuin-Jutsus gehören zu den komplexesten und kompliziertesten Jutsu-Stilen von allen. Keiner, der nicht in den Grundsätzen von Fuuinkünsten unterrichtet wurde, könnte auch nur die Ansätze dessen verstehen, was hier auf diesen Wänden steht. Wer in unseren Schulen ein besonderes Talent für Fuuin-Jutsus zeigt wird von einem Uzumakiclanmitglied weiter unterrichtet – ungefähr 90 Prozent unserer Schüler. Erst nach diesem tieferen Verständnis kann man sich an das Entschlüsseln dieser Bilder machen, was wiederrum Tage dauern würde und auch nur funktioniert, wenn jemand aus unserem Clan demjenigen die Bilderreihenfolge und –zusammenhänge erklärt. Diese Ehre gebührt unserer Elite, zu der seit Jahrzehnten alle Mitglieder des Uzumakiclans gehören. Aber auch Uzu-Ninjas anderen Blutes mit einer außergewöhnlichen Begabung werden diese Unterrichtsstunden gestattet – natürlich nur, wenn unser Clanoberhaupt dessen zustimmt. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass einer unserer Elite von Feinden gefangen und über unser Wissen ausgehorcht wird, bringen wir ein Siegel im Kopf eines jeden an, der es zu dieser letzten Unterrichtsstufe schafft. Es wird beim gewaltsamen Eindringen in das Gedächtnis unserer Shinobi ausgelöst und löscht ihr gesamtes Wissen über Jutsus aller Art. Auf diese Weise kann niemand unser Wissen stehlen oder weiterverbreiten.« »Und ist es schon mal vorgekommen, dass jemand von eurem Clan einen anderen ohne Befugnis Fuuinjutsus gelehrt hat?« »Meines Wissens nach nicht.« Akemi lächelte wieder auf den Jungen herab. »Jiraiya-Sensei weiß einiges über Siegel und Fuuin… Wäre es ihm möglich, die Wände zu lesen?« »Teilweise vielleicht, ja.« Akemi stieß mit einem leichten Schubs den letzten Rest des Räucherstäbchens in die Schale, das sich langsam in Asche auflöste. »Aber sie nur zu lesen reicht nicht. Verstehen ist die Hauptsache. Verstehen WARUM man dieses Handzeichen braucht, verstehen WIESO es nicht funktioniert, wenn man ein Element weglässt oder ändert. Deswegen sind Fuuinjutsus so schwierig- es geht nicht nur um Chakrakontrolle und dessen Balance. Es geht um die Balance von ALLEM. Dein Chakra muss zu dem Chakra deiner Umgebung passen, darauf abgestimmt sein, abgestimmt auf die Elemente, die du mit dem Siegel rufst oder einsperrst. Und um diese Balance schaffen zu können, musst du verstehen, WAS du balancierst. Verstehst du?« »Nicht so ganz…« »Nun, stell dir vor, du lernst einen neuen Taijutsu-Kata. Zuerst musst du die Reihenfolge der Bewegungen lernen, dann musst du lernen, die Schläge und Kicks gezielt und effektiv einzusetzen, dann musst du verstehen, wie du sie im Kampf einsetzten kannst, aber das alles hilft dir nicht, wenn du sie nicht im Kampf an deinen Gegner anpassen kannst. Und genauso ist es mit den Fuuinjutsus: Du lernst die Regeln, die Schrift, die Bestimmungen, du lernst wo und wann du die Siegel einsetzten kannst, du lernst wie du sie mit Chakra wirksam machen kannst, doch die Feinabstimmung deiner Chakrabalance und das Anpassen ihrer an unerwartete Situationen kannst du nur von einem Meister erlernen, der diese oder eine ähnliche Technik bereits beherrscht.« »Verstehe…« Beeindruckt ließ Minato seinen Blick ein weiteres Mal über die Wände gleiten. »Und wenn man das alles kann ist man sogar in der Lage, einen Biju zu versiegeln?«, fragte er dann und erinnerte sich daran, was Akemi ihnen heute morgen erzählt hatte. »Ja.« Sie nickte und musterte Minato zwar noch lächelnd, doch irgendetwas lag in ihrem Blick, das zuvor nicht dagewesen war. »Was weißt du über die Bijus?« »Nicht viel.«, gab Minato zu. »Es gibt neun, sie sind unglaublich stark und böse, sehen verschieden aus und man unterscheidet sie an den Anzahlen ihrer Schwänze.« »Das ist doch schon einiges.«, meinte Akemi lächelnd und wandte sich von der Wand ab. »Wir sollten gehen, es wird schon dunkel. Ich kann dich zurückbringen, wenn du willst.« »Nicht nötig, ich weiß den Weg noch.« Minato schenkte ihr ein Lächeln und verbeugte sich dann höflich. »Vielen Dank, Akemi-sama, für Ihre vielen Erklärungen.« »Nicht der Rede wert, Wellenwind.« Erwiderte sie und ging dann mit leisen, bedachten Schritten aus dem Tempelgebäude. Minato sah ihr nachdenklich nach, der schönen Frau mit dem andauernden Lächeln… Sie schien eine sehr ernsthafte und liebevolle Person zugleich zu sein und hätte Minato heute Morgen nicht selbst ihren Streit mit Kushina miterlebt, hätte er nicht glauben können, dass dieses Lächeln auch mal aus ihrem Gesicht verschwinden konnte. Noch ein Mal wandte er sich zu der sagenumwobenen Wand zu, ließ die Augen über die Bilder schweifen, bis sie an dem einen hängen blieben, das schon vorhin seine Aufmerksamkeit gefangen gehalten hatte. Ein Ungetüm, doppelt so groß wie die Männer auf den Bildern, drei markante Schwänze hoch erhoben, wurde von drei rothaarigen Männern mit Ketten gefangen. Fingerzeichen, Kanjischrift, Symbole umrandeten das Bild und dann das nächste daneben: Ein Kind mit roten Haaren, der Körper übersät mit schwarzen Schriftzeichen, deren Bahnen sich wie Fesseln um die Extremitäten des Kindes schlangen, und dann die drei Schwänze, die hinter dem Kind hervorkamen. Minato erschauderte. Die Streitseligkeit der beiden Jungs schien am nächsten Tag wohl nicht mehr anzuhalten, zumindest bemerkte Kushina nichts dergleichen, als sie sich am Morgen mit ihrem Team in der Eingangshalle des Versammlungsgebäudes traf. Ryosuke lehnte faul an einer Wand, scheinbar noch halb schlafend, während Minato mit seinem Sensei über irgendetwas diskutierte. »Du hast wirklich noch nie davon gehört?«, fragte Minato enttäuscht. »Natürlich nicht, für gewöhnlich erzählt man die Geheimnisse eines Clans nicht wildfremden Leuten.«, sagte Jiraiya und beugte sich mit einem anzüglichen Lächeln zu Minato hinunter. »Sie hat es dir nur erzählt, weil du ein süßer, kleiner Bengel bist! Ich sollte dich mal wieder in eine Bar mitnehmen und erzählen, du seist das arme kleine Waisenkind, das ich aufgenommen habe. Die Mädels waren so entzückt von dir!« Minato machte einen Schritt zurück, als sein Sensei seine Haare verstrubbeln wollte und hob abwehrend die Hände. »Bitte nicht schon wieder, Sensei!« »Doch, doch! Ich glaube, du hast die Lektion von damals noch nicht gelernt!« Jiraiya richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf. »Welche Lektion? Du wolltest nur Frauen aufreißen!« »Das sind harte Anschuldigungen, Minato-kun!« Jiraiya fasste sich mit einem traurigen Gesichtsausdruck an die Brust. »Das ist also der Dank dafür, dass ich versuche, dich so gut es geht auf das Leben da draußen in der kalten, brutalen Welt vorzubereiten! Du enttäuschst mich sehr!« Für einen Moment schien Minato tatsächlich verunsichert zu sein und fragte: »Und was für eine wichtige Lektion soll das gewesen sein, die du mir versucht hast beizubringen?« »Nun, mein Junge, wie erklär ich das am besten?« Jiraiya kratzte sich kurz am Kinn und machte ein nachdenkliches Gesicht. Kushina trat neugierig näher, der Jounin warf zufällig einen Blick auf sie und plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. »Genau, schau her, Junge!« Jiraiya tänzelte zu Kushina hinüber, stellte sich hinter sie und legte ihr beide Hände auf die Schultern. »Wir nehmen Kushina-chan als Beispiel! Sie sieht doch eigentlich ganz süß aus, oder? Rote Haare, unschuldiges Lächeln, so wie die Frauen in der Bar, erinnerst du dich?« »Ähm…«, machte Minato und bildete Kushina es sich nur ein, oder wurde er etwas rot im Gesicht? Und was war ›Ähm‹, denn bitte schön für eine Antwort?! Kushina hob bedrohlich eine Augenbraue und Minato nickte schnell. »Jaja, aber pass gut auf, Junge! Denn du weißt nie, ob sich hinter den Frauen nicht doch eine gefährliche Kunoichi versteckt!« Damit griff Jiraiya in Kushinas Gesäßtasche, was das Mädchen erschrocken nach vorne schnellen ließ, und zog einen Kunai heraus. »Und diese Frauen sind tückisch, sage ich dir! Verstecken ihre Waffen immer dort, wo ein gesitteter Mann wie wir niemals nachschauen würde!« Jiraiya spielte mit Kushinas Kunai in der Hand, während das Mädchen errötend und verärgert die Hände schützend auf ihren Hintern legte. »Aber du musst trotzdem nachsehen, sonst kannst du dir nicht sicher sein!« »Soll das heißen, Minato soll jedem Menschen, den er begegnet, erstmal die Taschen durchsuchen?«, fragte Ryo kritisch und auch Kushina wurde die Logik des Jounin nicht ganz geläufig. »Mach dich nicht lächerlich, Ryo-kun! Genauso muss man nämlich lernen, sich auf seinen Instinkt verlassen zu können! Man muss die Menschen um einen herum in wenigen Sekunden durchschauen und viele gleichzeitig observieren können! Das gehört zu der Grundausbildung eines jeden Shinobi und ist so essentiell wie Ninjutsu und Taijuts! In so einem Getümmel wie in einer Bar wird diese Aufgabe nicht ganz einfach. Deswegen habe ich ja auch diesen Ort ausgesucht!« »Und warum hast du mir das nicht vorher gesagt?«, fragte Minato ebenfalls noch misstrauisch. »Na, weil ich wissen wollte, ob du selbst drauf kommst! Aber offensichtlich habe ich deinen Verstand unterschätzt.« »Das ist doch Schwachsinn.«, brummte Ryo und auch Minato kaufte ihrem Sensei diese Geschichte nicht so ganz ab. Mit der kühnen Beobachtungsgabe eines Shinobis hatte Jiraiyas Auftritt in der Bar damals augenscheinlich wenig gemein gehabt… »Kann ich bei eurer nächsten Übungsstunde dabei sein, Jiraiya-Sensei?« Minato, Ryosuke und selbst Jiraiya rissen verblüfft die Augen auf und starrten Kushina an, die den Jounin mit Begeisterung brennend ansah. »Ich will das auch lernen, ya know! Ich werde die beste Beobachterin aller Zeiten und dann kann ich jeden meiner Feinde durchschauen, ya know!« Voller Enthusiasmus schlug Kushina mit der Faust in die Luft und Jiraiya konnte ein Lachen nicht unterdrücken. »Natürlich kannst du mit, Kushina-chan!«, meinte er und Minato tauschte einen Blick mit Ryosuke. »Siehst du, Minato-kun? Solche Begeisterung will ich sehen! Du gefällst mir, Kleine! Ich werde Sandaime fragen, ob du nicht in mein Team wechseln kannst.« Jiraiya tätschelte Kushinas Kopf und das rothaarige Mädchen strahlte ihn an. Noch einmal tauschten die beiden Jungen einen Blick und Minato wusste jetzt schon, dass ein solcher Barbesuch in einem absoluten Desaster enden würde… In diesem Moment erschienen die beiden ANBU Blue und Yellow vor ihnen, auf die das Team gewartet hatte, sowie eine weitere Kunoichi mit einer violetten Maske vor dem Gesicht. Kushina zog die Augenbrauen zusammen und musterte die Fremde. Ich weiß, dass Violett etwas Beunruhigendes an den Grenzen unseres Landes gesehen hat. Sie verrät mir aber nicht, was, klang die Stimme ihres Bruders in ihrem Kopf und Kushina biss sich auf die Lippen. Die ANBU führte Team Jiraiya in den Hafen Uzu no Kunis und dort auf ein großes, hölzernes Segelschiff. Kushina sah sich an Deck um, doch sie konnte niemand weiteren entdecken. Blue verschwand im Bauch des Schiffes und Kushina fragte sich, ob es noch weitere Crewmitglieder gab oder nur diese drei ANBU für den Auftrag eingeteilt wurden. Doch dann hörte sie Stimmen aus dem Bauch des Schiffes und der Kopf ihres Bruders erschien aus dem Steuerhaus. »Ich hoffe, niemand von euch wird seekrank!« Mit einem breitem Grinsen trat Tetsuya auf die Gruppe zu und Ryosuke begann zu murmeln: »Du bist der Herr über deinen Körper. Dein Körper beherrscht nicht dich. Du bist der Herr über deinen Körper.« »Das ist ziemlich optimistisch, Ryosuke-kun.«, meinte Kushina grinsend (sie war praktisch auf dem Meer aufgewachsen, endlich war sie einmal im Vorteil!) und lief dann ihrem Bruder entgegen. »Ich wusste nicht, dass du auch auf diese Mission mitkommst!« »Ich habe Kaa-san darum gebeten, mich mitkommen zu lassen.«, antwortete Tetsuya und legte einen Arm um seine kleine Schwester. »Kann's losgehen?« »Hai!«, rief das Mädchen und Tetsuya nickte den ANBU zu. Die Segel wurden gesetzt und knatternd machte sich das Schiff auf den Weg zum Ozean. Je weiter sie sich vom Festland entfernten, desto stärker wurde der Wind und das Schiff nahm schon bald an Fahrt auf. Kushina stellte sich mit ihrem Bruder ganz nach vorne den Bug des Schiffes, der Wind ließ ihr Haar herumwirbeln und für einen Moment alles andere vergessen. »Wie lange wird die Fahrt dauern, Tetsuya-san?«, fragte Jiraiya hinter ihnen und sie drehten sich zu ihm um. »Wir fahren in Richtung Mizu in südöstlicher Richtung. Wir sollten in einer halben Stunde unsere Barriere passieren und dann sind es vielleicht noch ein paar Minuten, bis wir die Flotte sehen können. Meines Wissens sind es drei Schiffe, die seit letzter Woche vor unseren Gewässern liegen. Das sind zu viele und vor allem ein zu langer Zeitraum für einen Zufall. Für gewöhnlich kommt Mizu uns nur so nah, wenn wir mal wieder über unsere Fanggebiete diskutieren wollen… Unser Verhältnis zum Wasserreich war leider noch nie besonders gut…« Jiraiya nickte und strich sich nachdenklich über das Kinn. Sie passierten die erste kleinere Insel, die zu Uzu no Kuni gehörte und weitestgehend unbewohnt erschien. Der Jounin folgte ihr mit seinen Augen, wandte sich dann wieder an Tetsuya. »Vielleicht kannst du uns die Fragen beantworten, die gestern nach dem Gespräch mit deiner Mutter offen geblieben sind.« »Ich werde mein bestes geben, Jiraiya-san.« Tetsuya deutete eine Verbeugung an. »Zumal ich mir beinahe denken kann, um welche Fragen es sich handelt.« Minato und Ryo, die bisher nur teilnahmslos an der Reling gelehnt und auf das Meer geblickt hatten, wurden jetzt aufmerksam und traten näher. »Nun, zunächst einmal finde ich es höchst seltsam, dass wir mit einem Scheinauftrag hierher geschickt sein sollen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sandaime meinen Fähigkeiten so wenig vertraut, um mir nicht einmal einen Hinweis darauf zu geben.« Jiraiya musterte den jungen Shinobi aufmerksam, doch dieser verzog keine Miene. »Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen.«, erwiderte dieser. »Was mich zu meiner nächsten Frage bringt.« Jiraiya trat näher an die Reling und ließ seinen Blick über das Meer schweifen. »Es ist doch sicher nicht das erste Mal, dass Mizu euch auf die Pelle rückt, wenn euer Verhältnis so schlecht ist. Ich weiß, dass die Beziehungen zwischen den Ländern angespannt ist und kann die Idee, Kiri eure Verbindung zu Konoha unter die Nase zu reiben gut verstehen, aber mir ist dennoch nicht klar, wieso diese Situation so außergewöhnlich ist, dass ich es mit eigenen Augen sehen muss. Ein Brief des Hokages an den Mizukage würde doch völlig ausreichen.« Tetsuya schwieg und gab auch unter Jiraiyas bohrendem Blick nicht nach. Schließlich verschränkte der Jounin die Arme vor der Brust. »Und dann war da auch noch dieses Gerede von einer Waffe, die wir mitgebracht haben. Und Kushina-chans Reaktion darauf.« Der Jounin warf einen Blick auf sie, doch Kushina konnte ihm nicht wie ihr Bruder standhalten. Stattdessen sah sie zu Ryosuke und Minato, die das Gespräch neugierig verfolgten. Würde es jetzt so weit wein? Würde sie jetzt ihr Geheimnis preisgeben müssen? »Ich könnte mir nur vorstellen, dass Kushina einen Geheimauftrag von Sandaime-sama bekommen hat, eine Waffe hierher zu schmuggeln. Und weil sie eine Uzumaki ist könnte ich mir sogar vorstellen wie und wo sie sie versteckt hält. Ich frage mich nur: Welche Waffe? Und was wollt ihr mit ihr?« »Wir wollen nichts mehr als unser Land schützen.«, antwortete Tetsuya leise. »Ja, aber unter welchem Preis?« Jiraiya grinste. »Du musst zugeben, kleiner, da sind zu viele Dinge, die einfach nicht zusammen passen. Und ich warte auf eine Erklärung. Und lass dir etwas Glaubhaftes einfallen, ja?« Kushinas Herz begann zu rasen und sie warf einen Blick in das ernste Gesicht ihres Bruders. Er durfte es nicht verraten! Nicht jetzt wo sie doch endlich, endlich einen Freund gefunden hatte! Wenn er es erfuhr, würde Minato sie nie wieder so sehen, wie vorher, er würde Angst vor ihr haben wie alle anderen, die davon wussten. Sie wollte ihren neuen Freund nicht so plötzlich wieder verlieren! »Violett hat sich auf eines der Mizu-Schiffe geschlichen und dort eine erschreckende Entdeckung gemacht.«, antwortete Tetsuya schließlich. »Wir haben erst vor wenigen Monaten etwas für Mizu versiegelt. Wir dachten, der Deal wäre zur Zufriedenheit aller ausgeführt worden, doch jetzt haben sie dieses Etwas so nah an unserer Grenze auf den Schiffen platziert. Wenn sie das Siegel öffnen – und das können sie aufgrund des Schlüssels, den wir ihnen wie vereinbart hinterlassen haben – so ist unser Land in größter Gefahr. Das Chakra meiner Schwester ist außergewöhnlich stark und wie gemacht zum Erkennen von Chakra. Wir haben zwar einige sehr gute Sensor-Shinobi, doch ihre Fähigkeiten funktioniert nur an einem intakten Chakrasystem wie Shinobi oder andere Lebewesen. Ein Siegel hingegen ist kein Lebewesen, sondern ein Chakrabeseeltes Jutsu und bei einem solchen zu erkennen, ob es geschwächt oder noch in Takt ist, können wir das nur durch das Berühren des Siegels. Kushina hingegen kann von weitem spüren, ob der Chakrafluss dieses Siegels gestört wurde. Unsere Sensor-Shinobi haben zwar ihre Vermutungen geliefert und die meisten stimmen auch über ein, doch wir können Mizu nicht eine Bedrohung unseres Landes vorwerfen, wenn wir uns nicht hundertprozentig sicher sind. Wir dürfen uns bei der derzeitigen politischen Lage keine Fehler erlauben.« Jiraiya schwieg einen Moment, musterte Kushina, dann ihren Bruder und sah schließlich über dessen Schulter auf das Meer hinaus, als könnte er selbst jenes besagte Siegel erfühlen. »Und was genau habt ihr versiegelt?«, fragte er schließlich von Tetsuyas Antwort unbeeindruckt. »Das geht nur Uzu und Mizu etwas an.« »Nun, und Kushina.« Jiraiya packte das Mädchen plötzlich am Arm und zog sie hinter seinen Rücken. »Und Kushina gehört zu meinem Team, ich bin ihr Sensei und für sie verantwortlich. Wenn wir uns gerade eben in unmittelbare Gefahr begeben, werde ich das nicht zulassen und diese Aktion sofort abblasen.« »Der Hokage wird nicht-« »Der Hokage ist nicht hier. Und er hat mir nicht vor meiner Abreise gesagt: ›Jiraiya, spiel für die Uzumakis den Clown!‹« Erneut starrten sich Tetsuya und Jiraiya an und der Jounin musste zugeben, dass Kushinas Bruder hart im Nehmen war. Viele andere Shinobi wären unter seinem Blick bereits eingeknickt, besonders wenn sie so jung waren wie dieser. Wie alt war der Junge? Siebzehn? Achtzehn? Wenn das, was er sagte, stimmte, warum war er dann hier? Warum ließen die Uzumakis diesen Grünschnabel eine solche Mission leiten? Die ANBU unterstanden seinen Ordnungen, das war Jiraiya nicht entgangen. Der Junge hatte ihnen angegeben, Segel zu setzten, der Junge hatte den Kurs bestimmt. Wenn Jiraiya alles richtig verstanden hatte, so war Tetsuya der Erbe des Uzumakiclans. Was hatten sie davon, ihn einer solchen Gefahr auszusetzten? Ging es eigentlich um etwas ganz anderes? Um Kushina? Das Mädchen war gestern völlig verzweifelt gewesen… Der Junge hatte einen Draht zu ihr, er war hier, um sie zu beruhigen, um sie an Bort zu locken. Doch war das Mädchen wirklich so besonders? Jiraiya würde jedenfalls nicht zulassen, dass ihr irgendetwas geschah. »Ich kann deine Bedenken gut verstehen, Jiraiya-san. Kushina ist schließlich auch MEINE Schwester.« Tetsuya atmete tief durch. »Dennoch gibt es Pflichten, die ein Shinobi erfüllen muss. Es gefällt mir genauso wenig wie euch, sie in Gefahr zu bringen, doch wir haben keine Wahl. Wir brauchen diese Gewissheit. Und ich kann euch versichern, dass hier an Bord unsere stärksten und besten Fuuin-Meister sind. Der Plan besteht nur darin, dass wir an die Schiffe heranfahren, Kushina unseren Verdacht bestätigt oder im besten Fall von der Hand weist und dann drehen wir auch wieder um. Nichts liegt mir ferner als das Leben meiner Schwester in Gefahr zu bringen.« Jiraiya legte den Kopf leicht schräg, seufzte dann und schüttelte den Kopf. »Netter Versuch, Grünschnabel.«, sagte er und Tetsuyas Augenbrauen zogen sich düster zusammen. »Du kannst von Glück reden, dass ich mein Team für ausgezeichnet genug halte, um ein paar Mizu-Ninjas zu vermöbeln und abzuhauen.« Jiraiya wandte sich an sein Team. »Wir werden Uzushio morgen früh verlassen.« Die Worte trafen Kushina härter, als jeder gut gezielte Shuriken. Morgen schon? Sie hatte doch gerade erst ihre Großmutter wieder gesehen! Was war mit ihrem Vater? Und ihren Freunden? Jiraiyas Hand, die sich auf ihre Schulter legte, schreckte sie aus ihren Gedanken. Hoffnungsvoll sah sie zu dem Jounin hoch, doch dieser hatte sich wieder ihrem Bruder zugewandt. »Heute bleiben wir. Damit ich dem Hokage berichten kann, was hier WIRKLICH vor sich geht.« Damit zog er Kushina am Arm mit sich, fort von ihrem Bruder an das Heck des Schiffes. Die Jungen folgten ihnen und Jiraiya stellte kurz sicher, dass keiner der ANBU ihnen gefolgt war oder sich in Hörweite befand, dann beugte er sich zu seinen Schülern runter. »Ich glaube ihnen kein Wort.« Als er das sagte, sah er Kushina an, doch sie wich seinem Blick aus. »Was auch immer geschieht, ihr bleibt in meiner Nähe und haltet euch von den ANBU-Einheiten fern. Das gilt nicht nur heute. Besonders du«, er wandte sich an Kushina, »bleibst bei mir. Ich hab das Gefühl, du weißt ganz genau, was hier vor sich geht.« Ängstlich sah Kushina in die Augen des Jounin, doch zu ihrer Überraschung sahen diese sie nicht streng oder verärgert an, sondern verständnisvoll. »Ich weiß, dass es deine Familie ist, Kushina-chan. Aber wir sind ein Team. Und wenn du etwas weißt, das unser Leben retten könnte, wäre jetzt der Zeitpunkt, es zu sagen.« Sie spürte Minatos und Ryosukes Blicke auf ihrem Gesicht, nervös biss sie auf ihre Unterlippe und suchte nach Worten, aber wie sollte sie es sagen? Ihr größtes, dunkelstes Geheimnis… Und wie würden sie darauf reagieren? Nun, wie schon, sie würden sie meiden, verachten, so wie alle anderen auch. Jahrelang hatte sie ihr Geheimnis gehütet und verborgen halten können, warum musste es jetzt, ausgerechnet auf dieser Mission ans Tageslicht kommen? Aber hatte sie denn keine andere Möglichkeit? »I-Ich… I-Ich weiß n-n-nichts. Ehrlich nicht, Jiraiya-Sensei. Ich weiß nicht, was ich mir anschauen soll, ya know.« Für einen Moment sah Jiraiya sie wieder nur an, seine Miene unergründbar und Kushina fragte sich, ob er ihr die Lüge angesehen hatte. »Mach ja nichts blödes.«, sagte er dann langsam. »Sonst werde ich fuchsteufelswild.« Weder Minato, noch Ryosuke verstanden die wahre Bedeutung seiner Worte, doch Kushina glaubte die Botschaft dahinter zu verstehen. Er wusste es. Er hatte es herausgefunden. Wie? Wann? Verrat mich nicht. Bitte, bitte verrat mich nicht. Die Worte schossen ihr immer wieder durch den Kopf, hallten darin wie ein Echo und ließen sie zittern. Beinahe hatte sie Angst, es laut ausgesprochen zu haben, weil Minato sie so seltsam von der Seite ansah, die Augenbrauen zusammengezogen und die Stirn nachdenklich in Falten gelegt. Aber Jiraiya richtete sich wieder auf, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Reling. »Dann wollen wir uns die Sache doch mal aus der Nähe anschauen. Ich verwette mein gutes Aussehen, dass dieser Ausflug keine Erholungsfahrt sein wird. Haltet euch bereit.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)