The Poetry of Light and Shadow von Ceydrael (Loki x OC) ================================================================================ Kapitel 16: Wahrheit -------------------- Andrew Preston hatte sich geirrt. Er war mit der Vorstellung aus dem Bifröst getreten, dass die hier verbliebene Frau der Wissenschaftsgruppe über seinen Besuch erleichtert sein würde; mit zwei weiteren Agents und einigen ausdrucksstarken Argumenten von Direktor Fury im Gepäck war Andrew erneut nach Asgard gekommen, um die Freigabe von Gwendolyn Lewis zu fordern. Nach einigen tiefgehenden Recherchen hatte sich die vermeintliche Wissenschaftlerin als Journalistin des New Yorker Daily View entpuppt; eine weitere Enthüllung, die Direktor Fury arg auf den Magen geschlagen war. Der S.H.I.E.L.D Chef war bereits unleidlich gewesen, da die Frau mit dem interessanten Blut seinem Wirkungsbereich entzogen blieb, indem der Allvater sie in Asgard behielt - die Enthüllung ihrer wahren Identität hatte dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt. Sie war ein Mensch und gehörte mit ihrer offensichtlichen Abweichung von der Normalität sofort in den Zuständigkeitsbereich und die Hände von S.H.I.E.L.D. Nicholas Fury war jemand, der gern die Korntrolle über alles hatte. Und in diesem Fall hatte sich diese ihm strickt und widerspenstig entzogen. Sein Einflussbereich endete an den Grenzen Asgards; ein Umstand, den Fury nur zähneknirschend akzeptierte. Auf Midgard war er es gewohnt, dass er seinen Willen bekam - immer. Die Frau musste unbedingt auf die Erde zurückkehren; nicht nur, weil die S.H.I.E.L.D Wissenschaftler brennend interessiert an ihrem Geheimnis waren, sondern auch, weil der dreisten und neugierigen Journalistin Einhalt geboten werden musste, die sich einfach so durch die Sicherheitsschleusen gemogelt hatte. Wenn dies an die Öffentlichkeit dringen würde, gäbe es bald mehr als genug Nachahmer. Darauf konnte S.H.I.E.L.D gut und gerne verzichten; vor allem hatten sie keine Zeit, sich um solche Dinge zu kümmern - nun, da die Angreifer Asgards auch auf der Erde aufgetaucht waren. In den letzten Stunden war es vermehrt zu Sichtungen der fremden Besucher gekommen und S.H.I.E.L.D hatte alle Hände voll zu tun, aufgebrachte Menschen zu beruhigen und Beweismaterial verschwinden zu lassen, um eine Panik unter der Bevölkerung zu vermeiden. Die Avengers waren erneut zusammengerufen worden und seit dem Morgen im Dauereinsatz, um die Bedrohung für die Erde unter Kontrolle zu halten; ein weiterer Grund, warum Direktor Fury die kleine Delegation um Andrew Preston nach Asgard geschickt hatte - über Unterstützung und weiteres Vorgehen sollte verhandelt werden. Wahrscheinlich wusste Odin bereits mehr über diese geheimnisvollen Angreifer, immerhin war Asgard ein uraltes, magisches Reich, was wesentlich besser über alle Welten und Gegebenheiten im Universum informiert war als die Erde, wo die Menschen erst vor zwei Jahren wirklich akzeptieren mussten, dass sie nicht die einzige, intelligente Rasse im Universum waren… Der knappe Austausch an Informationen zwischen Midgard und Asgard in den letzten Tagen hatte zumindest vermuten lassen, dass Odin dem Geheimnis ihrer Angreifer auf der Spur war. Fragen nach Gwendolyn Lewis waren postwendend im Sand verlaufen; man hatte ihnen nur immer wieder versichert, dass es der Frau gut ginge. Nachdem Andrew und seine Männer in Asgard angekommen waren, hatte man sie mit warten vertröstet; ungeduldig hatte Andrew in einem Empfangszimmer Gladsheims gestanden, immer wieder auf die Uhr geschielt und die Wächter vor der Tür mit angespanntem Blick im Auge behalten, in der Hoffnung, dass sich die Tür endlich öffnen würde, damit man sie zu Odin oder dem Hohen Rat vorließ. Durch ein geöffnetes Fenster waren gedämpfte Stimmen herangedrungen; der Blick hinaus offenbarte sich auf den Garten, der sich wild und wunderschön um den Palast zog. Anfangs hatte Andrew den entfernten Stimmen keine Beachtung geschenkt, die aus dem Palastgarten zum Fenster heraufgedrungen waren, doch irgendwann war ihm etwas an deren Klang bekannt vorgekommen; es schien sich um einen Mann und eine Frau zu handeln, wobei die Stimme der Frau etwas sehr vertrautes an sich hatte… Der Agent hatte sich verstohlen zum Fenster bewegt, bevor er sich ganz sicher war und zu den Männern der Palastwache umgedreht hatte, die noch immer den Ausgang bewachten. Andrew hatte vage auf die schmale Glastür gedeutet, die auf die Terrasse hinausführte. »Kann ich etwas frische Luft schnappen?« Die beiden Wächter hatten sich einen stummen Blick zugeworfen, bevor einer von ihnen genickt hatte. Andrew hatte seine Männer mit einem knappen Blick beruhigt, die sich schon alarmiert aus ihren Stühlen hatten erheben wollten, bevor der Agent die Tür auf die Terrasse geöffnet hatte und hinausgetreten war. Kurz hatte er sich versichert, dass man ihn von drinnen nicht mehr sah, dann war er über die niedrige Brüstung hinab in den Garten gesprungen, um sich leise und geduckt den Stimmen zu nähern, die von irgendwo im Inneren des Gartens erklungen waren. Andrew bog nun um eine Ecke des Gartens und sein nächster Reflex war sich verschämt zurückzuziehen; in einer kleinen, abgelegenen Sitzecke, die von Efeu und Moos umwachsen war, waren zwei Körper miteinander beschäftigt - taten Dinge, die nicht für neugierige, fremde Augen bestimmt waren. Allerdings ließ den Agent das Aufblitzen von rotem Haar stutzig werden und entgegen seiner guten Erziehung wagte er sich weitere Schritte nach vorn. Das Bild, was er erblickte, ließ ihn erstarren, bevor er instinktiv seine Waffe zog, den Zeigefinger bereits um den Abzug gekrümmt - er hatte augenblicklich keine Skrupel abzudrücken. Wo er sonst lange und gründlich überlegte, ob der Gebrauch einer Waffe gerechtfertigt war, preschten Wut und Hass nun so übermächtig in ihm heran, dass sein Finger bereits sehnsüchtig zuckte. Gwendolyn Lewis lag dort unter einem Gott, der Andrew nur all zu bekannt war; die Gedanken des Agents überschlugen sich, projizierten Bilder und Erinnerungen in sein Hirn, die zwei Jahre zurücklagen - erschreckende Bilder einer Invasion, von Tod und Zerstörung, deren Verursacher gerade über der Journalistin kniete und sich halb aus seinen Klamotten geschält hatte… Die Ursache für Clint Bartons und Erik Selvigs Gehirnwäsche… Der Grund für den Tod unzähliger Menschen und den Angriff einer fremden Alienrasse… Der Mörder von Phil Coulson - Andrews Kollegen und besten Freund… Loki Laufeyson - Gott, Ase, wahnsinniger Verbrecher - erhob sich dort über der rothaarigen Frau und hielt deren Hände über ihrem Kopf in seinem Griff…drückte sie unter sich nieder…verging sich an ihr… Die Eindeutigkeit dieser Szene war unumstößlich. Andrew wurde schlecht. Lang vergessene und unterdrückte Emotionen brandeten in seinem Inneren gegen die beherrschte Fassade des S.H.I.E.L.D Agents wie das Meer auf eine bröckelnde Klippe, die unter Wut und Hass erzitterte - unter dem Drang nach Rache, nach Vergeltung. Durch seinen Kopf jagen unzählige Fragen, auf die er einfach keine Antwort fand; einen Augenblick war er zu entsetzt von dem, was er da sah, schier gelähmt. Was sollte er tun? Das passte alles einfach nicht zusammen… Er entsicherte seine Waffe und trat hinter den schwarzhaarigen Gott; die Mündung drohend auf dessen Hinterkopf gerichtet, während er arg mit sich und seinem Gewissen kämpfte, um dem Mann nicht sofort eine Kugel durch die Schädeldecke zu jagen. »Runter von ihr, du Monster…« presste er verkrampf hervor, während unzählige Beschimpfungen und Flüche auf seiner Zunge brannten, die er ausspucken wollte wie Säure - Worte, die viel zu lange ungesagt geblieben waren. Es wäre so einfach, es jetzt zu beenden… Der gesamten Menschheit, vielleicht dem ganzen Universum einen Gefallen zu tun und diese tickende Zeitbombe ein für alle Mal zu entschärfen - mit einer gezielten Kugel durch die Windungen von Lokis Hirn. Nicht mal ein Gott würde das so einfach überleben. Der Kerl war wahnsinnig, gefährlich, unberechenbar; erneut bewiesen durch seine schändliche Tat, sich an einer wehrlosen Menschenfrau vergreifen zu wollen. Der Gott erstarrte in seiner Bewegung und Andrews Augen begegneten an ihm vorbei dem geweiteten Blick der jungen, rothaarigen Journalistin… Das Bild war falsch. Seltsam verdreht. Seltsam unlogisch. Der Agent sah keine Angst in ihren Augen. Keine Bedrängnis. Keine Furcht. Keine Abscheu. Nur Ungläubigkeit, Verwirrung und erwachendes Entsetzen, als sie die Mündung von Andrews Waffe erblickte, die auf Lokis Hinterkopf zielte; ihre hellen Augen waren durch gänzlich andere Emotionen verdunkelt - die Wahrheit traf den Agent wie eine Faust in den Magen und ließ die Waffe in seiner Hand zittern. Er hatte sich geirrt. Was zum Teufel war hier eigentlich los? Das Logische, das Offensichtliche war nicht immer so klar zu erkennen, wie Andrew geglaubt hatte. Langsam dämmerte ihm die Erkenntnis, die er einfach nicht akzeptieren konnte; er sah die Gewissheit auf den geschwollenen, feuchten Lippen der Frau, erblickte sie auf ihren geröteten Wangen und durch den Stoff ihres Hemdes, der sich eng an ihren Körper schmiegte und nicht viel verhüllte… Sie war nicht erleichtert. Er hatte sie gar nicht gerettet. Sie war nicht froh, ihn zu sehen, da sie völlig freiwillig unter dem Mann lag, der jetzt seinen Kopf langsam wandte und Andrew ein eiskaltes, süffisantes Grinsen schenkte, als er die Einsicht in den Augen des Agents erkannte. Gwendolyn Lewis war zu nichts gezwungen worden. Sie hatte sich dem Mann bewusst hingegeben. Das schwächte Andrews Wut auf Loki Laufeyson allerdings in keiner Weise ab, sondern schien jene nur noch mehr anzustacheln… Dieses Monster hatte kein Glück verdient; nicht unter der erdrückenden Schuld von so vielen Toden, die dieser Gott auf seine Schultern geladen hatte. Wie konnte er es wagen die Frau zu berühren, für die Andrew Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte, um sie aus einer Situation zu retten, in der sie sich nun offensichtlich sehr wohl fühlte…!? Augenblicklich wollte er Zerstörer sein; der Zerstörer von Loki Laufeysons Welt… »Andrew…?!« Gwens Stimme war rau; verdunkelt durch die Lust, die noch immer durch ihre Knochen vibrierte und Resonanz in ihrem heißen Blut erzeugte. Ihr Verstand war ertrunken in Lokis Augen und benötigte dementsprechend viel zu lange, um die Situation zu erfassen, die so plötzlich über sie gekommen war wie aufziehende Sturmwolken. Die Stimmung hatte sich erneut verändert, war bedrohlich und angespannt geworden; der Nachhall ihrer Begierde wogte noch schwer durch ihren Körper und machte das Denken verdammt schwer. Was machte Andrew hier? Wo war der Agent so plötzlich hergekommen? Und warum zur Hölle hatte er eine Waffe auf Lokis Kopf gerichtet? »W-was…was machst du hier…?!« stotterte Gwen verwirrt und konnte das Bild des Agents einfach nicht in Einklang mit der abstrusen Situation bringen; sie lag hier unter Loki, war bereit gewesen, sich diesem Mann hinzugeben und starrte nun in die wütend verengten Augen von Andrew, dessen Zeigefinger sich noch immer sehr warnend um den Abzug der Waffe krümmte. Doch seine Wut schien definitiv nicht ihr zu gelten… Er schien sie noch nicht einmal zu hören oder wirklich wahr zu nehmen; sein starrer Blick war fokussiert auf Loki, als könnten allein seine Augen die tödliche Kugel auf den Weg schicken. »Ich sagte, runter von ihr…« zischte der Agent gefährlich leise; ungewohnt angespannt und unruhig. Die Mündung der Waffe wurde Loki auffordernd in den Nacken gedrückt, was Gwen erschrocken schlucken ließ und ihren Atem für einen Augenblick stoppte. Fast erwartete sie schon, dass Andrew einfach abdrücken würde… Verdammt nochmal, was war hier los…?! Unzählige Gedanken rasten durch ihren Kopf und wollten sich doch nicht zu einer logischen Erklärung formen; ihr keine Antwort geben, was sie tun sollte. Sie hatte Angst, dass eine unbedachte Regung, ein unüberlegtes Wort den Agent sofort zum Schuss animieren würde. Verwirrt und ängstlich suchte Gwen Lokis Blick; es war erschreckend, die Wandlung auf seinem Gesicht zu beobachten - wo zuvor enthemmte Leidenschaft vorherrschend gewesen war, ungebändigte Emotionen, die er ihr enthüllt hatte, so verbarg er diese Geheimnisse nun wieder hinter eine seiner vielen Masken. Wie das Meer bei Ebbe zog sich der Mann Loki hinter seine aalglatte, kalte Fassade zurück, die sich über sein Gesicht ausbreitete wie hinterhältige Eiskristalle über eine Fensterscheibe - nicht aufzuhalten in der heranrückenden Kälte des aufziehenden Winters. Seine Lippen strafften sich, pressten sich aufeinander, während sich seine Züge verhärteten und sein Kinn sich unmerklich anhob; seine Brauen hoben sich arrogant in die Höhe, bis schließlich auch seine Augen, bisher schwelend in Smaragdfeuer, von der Kälte zurückerobert wurden. Diese Veränderung ängstigte Gwen fast noch mehr als es der plötzlich auftauchende Agent gekonnt hätte; beinahe war es, als hätte sie wieder einen völlig anderen Mann vor sich - nicht den Loki, der sie eben noch geküsst und so begehrlich berührt hatte, sondern den gefährlichen Magier, den man in eine Zelle unter Gladsheims Mauern gesperrt hatte… Ein überheblich gelassenes Grinsen entstand auf Lokis Lippen, als er nun den Kopf wandte und den Agent in einen beinahe vernichtend geringschätzigen Blick fasste; dann zog er seine Hände von Gwen zurück und richtete sich langsam auf. Sie beobachtete das Ganze noch immer völlig verständnislos und überrumpelt; nicht in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. »Hände dorthin, wo ich sie sehen kann, Arschloch…« verlangte Andrew gepresst und trat einen Schritt zurück, als sich Loki von der Bank gleiten ließ und sich zu voller Größe aufrichtete, bevor er die Hände hinter den Kopf legte und sich mit einem anmaßend spöttischem Grinsen zu dem Agent umwandte. »Und nun?« fragte der Magier beinahe gelangweilt und registrierte zufrieden das merkliche Beben von Andrews Nasenflügeln, als dieser seinen Blick auf das geöffnete Hemd des Prinzen richtete, welches zu schließen Loki sich nicht die Mühe gemacht hatte. Fast schien es den Prinzen zu amüsieren, sich an der erneut aufwallenden Erkenntnis des Agents zu ergötzen, als dieser die Zähne angespannt aufeinander presste, da er die eindeutige Situation abermals in ihrer Gesamtheit erfassen musste. »Wollt Ihr mich jetzt erschießen? Ich glaube, dass versuchten schon einige Eurer Vereinigung. Keiner war wirklich erfolgreich, so weit ich mich erinnere… « Ein höhnisches, knappes Lachen teilte die Lippen des Magiers, ließ seine Zähne hervorblitzen wie das Gebiss eines Wolfes. »Erinnert Euch, dass ihr nichts seid als Ameisen unter meinem Stiefel!« zischte der Magier herausfordernd und hob die Brauen geringschätzig in die Höhe, so er auf Andrew herabblickte wie auf ein lästiges Insekt. Er schien die schwelende Wut des Agents noch zu genießen; ihn bewusst zu reizen. War Loki denn völlig verrückt geworden?! Gwen war indes auf der Bank in die Höhe gerutscht und hielt ihr zerknittertes Hemd über ihren Brüsten zusammen; der Stoff hatte merklich unter Lokis Fingern gelitten. Ihr Blick hastete zwischen dem Magier und dem Agent hin und her und noch immer konnte sie nicht begreifen, was hier eigentlich los war. Die Situation war so angespannt, unterlag einer sehr gefährlichen Entwicklung, sodass sie Angst hatte, sich auch nur um ein Stück zu bewegen. Der Agent war mit einem Schritt wieder bei Loki; er zog den Magier am Stoff seines Hemdes zu sich heran und presste ihm die Mündung der entsicherten Waffe grob unter das Kinn, was Loki nur mit einem milde amüsierten Grinsen quittierte, so er das Kinn reckte und mit gehobenen Brauen verächtlich auf die Waffe in den zitternden Händen des Menschen schielte. Andrew schien kurz davor, die Fassung zu verlieren; seine Augen waren gefährlich verengt, nur mühsam unterdrückte Emotionen verzerrten seine Züge zu einer Maske aus Wut und Abscheu, die Gwen nicht nachvollziehen konnte. Erschrocken war sie auf die Füße gesprungen; endlich fiel die Schreckensstarre von ihr ab und ihr Körper gehorchte ihr wieder, als sie Loki so offensichtlich von Andrews Waffe bedroht sah. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals vor lauter Angst, dass die Situation in den nächsten Augenblicken eskalieren und der Agent den Magier einfach erschießen würde. »Andrew! Nicht! Bist du völlig verrückt geworden?!« stieß sie entsetzt aus; dieses Bild war mehr als sie ertragen konnte - Lokis Existenz konnte zu jedem Zeitpunkt beendet werden. Der grüne Blick des Magiers begegnete kurz dem ihren und ein flüchtiges Stirnrunzeln zeigte sich; eine Frage stand in seinen Augen, bevor er den Agent wieder ansah und diesen plötzlich noch verachtender musterte, als hätte er nun einen Grund mehr, den Menschen zu verabscheuen. Die Männer maßen sich mit Blicken, schienen einen unsichtbaren, stummen Kampf zwischen sich auszutragen, dem Gwen nicht folgen konnte und den sie nicht verstand; irgendetwas entwickelte sich hier völlig in die falsche Richtung. »Andrew…bitte…nimm die Waffe runter…« appellierte sie vorsichtig an das Gewissen des Agents, während sie sich den beiden mit erhobenen Händen näherte. Ihr Blick jagte hektisch über die Bäume und Büsche des Gartens; verzweifelter Hoffnung folgend, dass doch bitte jemand kommen möge, um diese Situation hier zu entschärfen. Andrews Fokus glitt kurz zu ihr herüber, doch ihre Worte schienen ihn nicht wirklich zu erreichen; er war wie ein Bluthund auf den Magier vor sich fokussiert, nicht von seiner Fährte abzubringen. Warum zur Hölle war Andrew so wütend auf Loki? »Du hast nichts anderes als den Tod verdient. Nenn mir nur einen guten Grund, warum ich dich nicht auf der Stelle erschießen sollte, du Abschaum…« wisperte der Agent Loki entgegen; unterschwellig brodelnde Wut brachte seine Stimme zum beben. Die Mündung der Waffe drückte sich noch eindringlicher gegen die Kehle des Magiers; erschreckend klinisches Schwarz, das auf die kühle Blässe von Lokis Haut traf. Der Prinz zog seine Lippen nur noch weiter auseinander und offenbarte dem Agent ein fast diabolisch süffisantes Grinsen, als wäre diese Waffe nur ein lächerliches Spielzeug; als wäre ihm nichts und niemand jemals gewachsen und Angst ein Fremdwort für ihn. »Den kann ich Euch nennen…« tönte eine tiefe, klare Stimme plötzlich durch das Grün des Gartens, bevor Heimdall auf einem Pfad erschien und seine goldenen Augen zurechtweisend auf den Agent richtete. Sein mächtiges Breitschwert trug er auf dem Rücken; der Schlüssel zum Bifröst. »Die Urteilssprechung und Rechtsvollstreckung auf asischem Boden gebührt noch immer dem Allvater, Andrew Preston aus Midgard. Legt die Waffe nieder und lasst Euch nicht zu Dummheiten hinreißen.« verlangte der dunkelhäutige Wächter ruhig, doch mit solchem Nachdruck in der Stimme, dass die Worte endlich auch Andrew zu erreichen schienen. Der Agent runzelte die Stirn und zog den bohrenden Blick flüchtig von Loki ab, um über die Schulter zu sehen. Gwen wäre fast erleichtert in die Knie gegangen, als sie Heimdall erblickte; noch nie zuvor war sie so froh gewesen, den Wächter zu sehen. Jetzt würde sich dieses Missverständnis hoffentlich aufklären und Andrew endlich zur Vernunft kommen. Der Agent konnte Loki ja nur mit irgendjemand verwechseln. Hinter Heimdall folgte Thor in den Garten; die Züge des Donnergottes waren entschlossen und seine blauen Augen versprühten förmlich Blitze in Richtung des Agents, der seinen Bruder bedrohte. Mjölnir lag bereits in seiner Hand, als wäre er mehr als entschlossen und gewillt, den Hammer einzusetzen. Andrew zögerte noch kurz; ein angespannter, gedehnter Augenblick, in welchem er zwischen Loki und den ankommenden Asen umher sah, bevor er seine Waffe sehr langsam und widerstrebend sinken ließ, sie jedoch nicht wegsteckte. Sein Zeigefinger blieb fast nervös um den Abzug gekrümmt, die Mündung noch immer auf den Magier gerichtet, der unpassend amüsiert über diese Situation schien. »Warum ist er frei…?« wisperte der Agent angespannt zu Boden, bevor er herumwirbelte und anklagend auf den dunkelhaarigen Prinzen wies. Sein Blick richtete sich entschlossen und furchtlos auf Heimdall und Thor. »Soweit ich mich nicht irre, bedingte die Zusammenarbeit zwischen Asgard und S.H.I.E.L.D, die Verschwiegenheit über die New Yorker Vorfälle die lebenslange Inhaftierung dieses Wahnsinnigen!« spie Andrew aus, sein Blick ruckte zwischen den beiden Asen umher, fordernd und angespannt. Sein Atem war beschleunigt, die Muskeln spannten sich unter dem perfekt gebügelten Jackett seines Anzuges. »Direktor Fury wird wenig begeistert über den Bruch dieser Übereinkunft sein!« Heimdalls goldener Fokus glitt flüchtig zu Gwen herüber, die in plötzlicher Verwirrung die Stirn runzelte und ein paar Schritte näher trat. »Was…? New York…was hat New York mit dem Ganzen zu tun…?« wisperte sie irritiert und sah einem nach den anderen an, doch die Männer schienen sie gar nicht wirklich zu bemerken. Irgendwie hatte man sie anscheinend vergessen. »Es ist besser, Ihr beruhigt Euch jetzt, Sohn des Preston und steckt die Waffe weg, bevor noch jemand verletzt wird...« grollte der Donnergott warnend und wechselte seinen Hammer von einer Hand in die andere. »Beruhigen?! Ich soll mich beruhigen, wenn man dieses Monster auf freien Fuß setzt? Diese Bestie, die meinen besten Freund eiskalt ermordet hat!? Wie kann Asgard nur so leichtsinnig sein?!« Andrew war außer sich; die bekannte Ruhe und Beherrschung der S.H.I.E.L.D Agenten schien wie weggewischt. Gwen sah zu Loki hinüber, der als einziger ihrem fragenden Blick begegnete. Mörder? Von was sprach Andrew da? Von den Vorfällen in Jotunheim konnte er nicht reden… »Die Umstände haben sich geändert.« war Odins volltönende Stimme nun zu vernehmen; der Allvater schritt auf einem Weg des Gartens heran, Gungnir in der Hand, seine Züge entschlossen und ruhig. Auch die Königin eilte hinter ihm den Pfad entlang, die Robe gerafft und das Gesicht äußerst angespannt, beinahe alarmiert. »Ich habe veranlasst, dass mein Sohn vorübergehend in die Freiheit entlassen wird.« Der entschiedene Klang von Odins Worten ließ eigentlich keine Zweifel oder Widerworte zu, doch Andrew schien sich davon wenig beeindrucken zu lassen. »Die Umstände haben sich geändert?!« gab er fast ungläubig von sich; noch immer zielte seine Waffe auf Loki, der seltsam ruhig geworden war. »Die Umstände würde ich gern sehen, die es rechtfertigen, diesen Wahnsinnigen wieder auf freien Fuß zu setzen! Ich bin sicher, diese Umstände würden auch die über achtzig Menschen interessieren, für dessen Tod er verantwortlich ist!« Der Agent schien völlig aufgelöst; ergriffen von Emotionen, die er kaum bändigen konnte. Sein Hass auf den Prinzen war beinahe greifbar. Und Gwen dämmerte langsam eine Erkenntnis... Eine erschreckende, unfassbare Erkenntnis, die sich bedrohlich um ihre Füße wandte und ihre Knöchel umfing, um ihre Beine hinaufzukriechen - eisige Kälte eines Schreckens, den sie nicht wahrhaben wollte und von sich zu drängen versuchte wie klebrige Spinnweben, in denen sie sich zu verfangen drohte. »Was ist hier eigentlich los…?« wisperte sie kraftlos und trat noch ein paar Schritte näher, um sich endlich die Aufmerksamkeit zu sichern, die man ihr vorenthielt. »Könnte bitte jemand die Güte besitzen und mich aufklären, was hier eigentlich vor sich geht…?!« erhob sie die Stimme angespannt, gegen Ende zu immer mehr mit jenem Anflug von Hysterie untermalt, der drohend durch ihre Adern wogte. Frigga wirkte augenblicklich seltsam nervös und tauschte einen beschwörenden, fordernden Blick mit Heimdall; der Wächter nickte knapp und näherte sich dem Agent langsam. Odin presste die Lippen aufeinander und umfasste seinen Speer noch enger, bevor er das Kinn hob und Andrew warnend anfunkelte. Selbst sein einseitiger Blick wirkte gebieterisch streng und herrisch. »Vielleicht sollten wir diese Unterhaltung an einem weniger öffentlichen Ort fortführen, Andrew Preston aus Midgard.« donnerte die Stimme des Allvaters anweisend über sie alle hinweg, doch der Agent schien gar nicht beeindruckt von der Allmacht Odins und dessen Vorschlag, welcher nach einem klaren Befehl geklungen hatte. Eher mutete es an, als würde das Andrews fassungslose Wut noch anstacheln. »Ach, sie weiß es gar nicht…?!« fragte der Agent provozierend in die Runde und deutete auf Gwen. »Ihr habt sie nicht aufgeklärt, nicht wahr? Ihr habt sie dem Tiger einfach zum Fraß vorgeworfen?! Was läuft hier eigentlich, verdammte Scheiße…« Andrew hob eine Hand und rieb sich fast erschöpft über die Stirn, während er die andere mit der Waffe endlich sinken ließ. »Ihr haltet jetzt besser den Mund…« grollte Thor beschwörend, doch der Schaden war eh schon angerichtet. »Was weiß ich nicht…?« Ein unkontrollierbares Schaudern kroch in Gwens Herz und ließ sie die Arme um sich selbst schlingen; leider war sie nicht dumm, hatte die Worte des Agents gehört und in ihrem Kopf formte sich langsam ein Bild, welches noch flackerte wie der marode Bildschirm eines alten Fernsehers - doch durch das Rauschen und statische Zucken war zu erahnen, welch ungeheuerliche Wahrheit sich zeigen wollte. »Was weiß ich nicht…?!« fragte sie erneut; nachdrücklicher, drängender, verzweifelter. Ihre Augen glitten über die Gesichter der Anwesenden, doch alle schienen plötzlich ihrem Blick auszuweichen. Außer Loki - der Magier sah sie unverwandt an. »Sagt ihr schon, mit wem sie da eben so vertraut umgegangen ist! Na los!« verlangte der Agent aufgebracht, als er den dunkelhaarigen Gott neben sich mit einem verabscheuenden Blick bedachte. Die Königin wirkte gewarnt. »Schafft ihn weg!« wies sie Heimdall und Thor mit einem Wink auf Andrew an. »Das reicht jetzt…« raunte der Donnergott und packte den Agent grob am Arm; entrang die Waffe seinen Fingern, während Heimdall ebenfalls an Andrew herantrat und sich vor dem Mann drohend aufbaute. »Sagt ihr, dass er der wahnsinnige Gott ist, der vor zwei Jahren versucht hat die Erde mit einer Armee Chitauri zu versklaven!« spie der Agent wütend aus, bevor der sich heftig wehrende Mann von dem dunkelhäutigen Wächter und Thor endlich aus dem Garten geschliffen wurde. Gwen bekam das nur am Rande ihrer Wahrnehmung mit; ihr Blick hing auf Loki, ebenso wie seiner ihrem andauernd standhielt. Er schlug die Augen nicht nieder; kein verräterisches Zeichen von Reue, Betroffenheit oder Beschämen in seinen kühlen, grünen Augen, die störrisch und hochmütig in die Welt blickten - die perfekte Maske eines perfekten Spielers, in dessen Karten man niemals würde sehen können. Die Worte des Agents troffen wie eine zähe, klebrige Substanz in Gwens Verstand. Der seichte Wind frischte auf und bahnte sich rauschend seinen Weg durch den plötzlich so seltsam stillen Garten; eine Böe erfasste eine von Lokis Haarsträhnen und wehte jene über das Gesicht des Magiers - eine Regung in dem sonst so unerschütterlichen Bild des Gottes; ein hoch erhobenes Haupt, das stolz und entschlossen allem widerstand - wohl selbst dem Henker in den letzten fallenden Sandkörnern der Zeit trotzen würde. Gwen trat langsam zu Loki hinüber; sie schluckte, da sich ihre Kehle plötzlich so rau wie Schmirgelpapier anfühlte und keine Worte formen wollte, als wäre ihre Stimme selbst der Ansicht, dass Schweigen nun das klügere Verhalten wäre. Doch die Neugier siegte; das Verlangen nach der Wahrheit, die immer irgendwann das Licht der Welt erblickte, egal wie tief man sie auch vergraben mochte… »Warst du jemals auf der Erde, Loki…? Warst du auf Midgard…?« hauchte sie schwach, während der aufgefrischte Wind ihr selbst einige glutrote Strähnen in die Augen trieb; Gwen redete sich ein, das Brennen hinter den Lidern würde vom Kitzeln ihrer Haarsträhnen herrühren, von einer scharfen Böe. Der Magier zögerte nicht. »Ja.« Ein einzelnes Wort, ohne Hadern gesprochen, aber ebenso auch ohne den Hauch von Emotionen. »Loki…« Gwens Stimme drohte ihr den Dienst zu versagen; unter dem starren Blick des Prinzen, unter dem unkontrollierbaren Zittern, welches plötzlich über ihre Glieder kam und sie beben ließ als stünde sie im eisigen Wind Jotunheims - so musste sich die schneidende Kälte dort anfühlen; so musste das Eis durch die Adern kriechen und Taubheit wie eine Schlange ihr Gift durch die Venen schicken. »…hat Andrew die Wahrheit gesagt? Hast du…vor zwei Jahren…bist du verantwortlich für dieses Chaos gewesen…?« Peinigende Kopfschmerzen breiteten sich in Gwens Schädel aus, als ihr abermals die Erinnerungen an die Zerstörung dieses Angriffes in den Sinn kamen; einer hastigen Abfolge von stummen Bildern schossen jene durch ihren Geist, bedrängten ihren Verstand und ihr Herz - ihr Herz, was allem voran nach der Versicherung in Lokis Zügen suchte, dass dies ein Missverständnis war; ihr Herz, was sich schmerzhaft unter der Wucht seines nächsten Wortes zusammenzog. »Nein.« antwortete er ihr seelenruhig; fast bewusst die Lüge formend, noch nicht einmal besondere Mühe in dieses eine Wort legend, so das sie ihm glauben könnte. »Du lügst…« hauchte sie erstickt und bemerkte die erste Träne in einem Anflug von Überraschung, welche sich aus ihrem Augenwinkel stahl, einsam und verloren über ihre Wange glitt, die Loki noch vor so wenigen Augenblicken mit seinen Fingern liebkost hatte. Wie schnell hatte sich die Welt gewandelt - wie schnell verlor Gwen nun den Boden unter den Füßen, als der Himmel donnernd auf sie herabstürzte. »Natürlich lüge ich.« war Lokis sachliche Antwort; untermalt von einem spöttischen Schmunzeln, welches sich eiskalt auf seine Lippen stahl. »Ich bin der Gott des Unfugs und der Lügen.« Gwen meinte den Anflug von Resignation in den klaren, kalten Tiefen seiner grünen Augen zu erkennen, doch jene Emotion wurde recht schnell unter der sich ausbreitenden Eisschicht verborgen. Es war eine Schutzreaktion; Gwen ahnte es und doch konnte sie es nicht verstehen. Loki verbarg sich hinter seiner geübten Fassade von Gleichgültigkeit und Hochmut - doch warum vor ihr? Warum tat er ihr das an…? War alles eine Lüge gewesen - alles zwischen ihnen? Gwens Hand schoss schneller vor, als sie sich der eigenen Bewegung bewusst wurde; das Klatschen ihrer Handfläche auf Lokis Wange hallte erschreckend laut durch den stillen Garten und übertönte fast das erstickte, entsetzte Aufkeuchen der Königin. Sie hatte vollkommen vergessen, dass Frigga und Odin ja noch immer anwesend waren… Ihre Hand brannte von der schallenden Ohrfeige, die sie dem Magier verabreicht hatte; seine Wange war leicht gerötet, Spuren ihrer zitternden Finger, die sein Haupt zur Seite hatten fliegen lassen - der ruckartigen Bewegung waren seine Haare gefolgt wie aufgescheuchte Schatten über seiner blassen Haut, welche nun regungslos wieder herabsanken. »Das war für New York. Und deine Lüge…« presste Gwen kraftlos heraus; bemühte ihre Stimme um Festigkeit, die ihr Körper längst schon nicht mehr empfand. Der Boden unter ihren Füßen schien zu schwanken; zu bocken wie ein störrisches Pferd. Ein Kreisel von Ohnmacht, Fassungslosigkeit und Enttäuschung erfasste Gwen und ließ sie erstickt die Hand vor die bebenden Lippen schlagen, als sich Lokis Mundwinkel beharrlich in die Höhe hoben und ein süffisantes, milde belustigtes Grinsen über ihre emotionale Reaktion zeigten. Er wirkte wie ausgewechselt; sie erkannte ihn nicht wieder. Sie konnte Loki in diesen grünen Augen nicht mehr sehen, die wie erfroren wirkten; Gwen zerschellte an seinem unterkühlten Blick, an seiner überheblich rücksichtlosen und gleichgültigen Art, die er skrupellos an den Tag legte. Sie konnte ihn nicht mehr ansehen; konnte sein Gesicht und ihre Gefühle für den Magier nicht mit den schrecklichen Bildern aus New York in Einklang bringen. Das schaffte sie einfach nicht… Ein Albtraum. Ein furchtbarer Albtraum. Asgard war die Hölle. Sie wich einen Schritt vor ihm zurück. Dann noch einen. Lokis Hand schoss vor, packte sie am Oberarm, hielt sie fest. »Gehst du jetzt zu ihm…? Gehst du zu dem Agent?« verlangte er zu wissen; seine Stimme kühl mit rauem Nachhall, in welchem bissige Verletzlichkeit schwang. Sein Blick schien sie förmlich aufzuspießen. »Lass mich los…« hauchte Gwen schwach. Sie hatte einfach keine Kraft für die Spielchen des Magiers oder dessen möglicherweise verletzten Stolz. Einen Augenblick zögerte er; ein Augenblick, in welchem sich seine Finger in ihren Arm gruben und einer Bitte Ausdruck verliehen, die er niemals gesprochen hätte. Dann lockerte sich sein Griff. Mit einem erstickt verzweifelten Laut wandte sich Gwen hektisch um und stolperte an Odin und Frigga vorbei blind durch den Garten; ziellos stürzte sie voran, ohne zu wissen wohin - ihre ganze Welt schien aus den Fugen zu geraten. Übelkeit stieg in ihr auf, ließ ihre Kehle brennen unter hektisch herabgeschluckter Magensäure und den hastigen Atemzügen, die sie zwischen ihren Schluchzern verzweifelt tätigte. Weg… Sie musste hier weg. Sie bekam keine Luft mehr. Jeder Atemzug in Asgard war ein Atemzug, den sie mit Loki teilte; der Prinz schien überall zu sein, in der Luft, im Wind, im Rauschen der Blätter, in ihren Venen, dem rasenden Klopfen ihres Herzens - Gwen war eingenommen von ihm und drohte nun an seiner Nähe und Präsenz zu ersticken. Mörder…Verbrecher…Monster… »Gwen!« Eine raue, tiefe Stimme folgte ihr; schwere Schritte kamen bei ihr an und eine große Hand legte sich auf ihrer Schulter nieder, die sie jedoch vehement abschüttelte. Sie konnte gerade keine Berührung ertragen; Gwen fühlte sich wie ein blank liegender Nerv - verwundbar, schutzlos. Jede Berührung schien zu viel, nachdem Lokis Finger Spuren auf ihrer Haut hinterlassen hatten, die noch immer brannten. Thor sah betroffen auf sie herab und schöpfte tief nach Atem. Fahrig glitt eine Hand durch sein Haar, welches sich aus dem lockeren Zopf gelöst hatte. Er musste ihr nachgelaufen sein. »Gwen…warte bitte…lass mich erklären…« »Loki saß nicht nur wegen Jotunheim in dieser Zelle, nicht wahr?« wisperte sie schwach; fuhr zu dem Donnergott herum und sah ihn mit verzweifelter Hoffnung in der Brust an, welche Thor betreten den Blick senken ließ. Gwen wollte sich so gern vom Gegenteil überzeugen lassen; wollte an Asgard glauben, an Thor, an Loki… »Stimmt es? Hat Andrew die Wahrheit gesagt? Ist Loki verantwortlich für dieses Chaos in New York gewesen? Für den Angriff auf die Erde?« Ihre Stimme wurde immer flacher, beinahe hohl - sie formte die Worte und wollte den Sinn dahinter einfach nicht akzeptieren. Doch das schwere Luftholen des Donnergottes zerschmetterte ihre brüchige Zuversicht, an welche sie sich so kindlich geklammert hatte. »Ja, das ist er. Loki hat die Erde angegriffen, doch lass mich bitte erklären, wie es überhaupt dazu-« Gwen hob die flache Hand, unterbrach den Donnergott damit in seinem Redefluss und schüttelte mit Tränen in den Augen den Kopf. »Ich will es nicht hören, Thor. Bitte…lass gut sein…« Die Übelkeit kroch schleichend in ihrer Kehle nach oben. Das köstliche Essen von vorhin lag plötzlich so schwer wie ein Haufen Steine in ihrem Magen. Sie konnte sich die Gründe für Lokis Tat jetzt nicht anhören - konnte es überhaupt einen Grund geben, so etwas zu tun? Eine Entschuldigung? Gwen konnte sich nicht damit auseinandersetzen. Nicht jetzt, nachdem sie dem Prinzen vorhin so nah gewesen war… »Gwen…« Thor klang fast flehend. Seine blauen Augen sahen sie mit einer ehrlichen, tiefgründigen Bitte an. Er streckte erneut eine Hand nach ihr aus. Gwen wich vor ihm zurück, schüttelte erneut vehement den Kopf. »Warum habt ihr es mir nicht gleich gesagt?! Warum habt ihr mich so dumm ins offene Messer laufen lassen?« Ihre Stimme kletterte um ein paar Oktaven in die Höhe und wurde verzweifelt; sie selbst konnte die lauernde Hysterie darin hören. »Wolltet…wolltet ihr schauen, wie er auf mich reagiert? Sollte das ein Experiment sein?! Ein Scherz, Thor?! Ihr habt mich Loki zum Fraß vorgeworfen!« »Du warst zu keiner Zeit in Gefahr, Gwen! Loki hätte dir niemals etwas angetan…« versuchte sie der Donnergott zu überzeugen; er sprach mit einer Inbrunst und Überzeugung, die er wahrscheinlich auch empfand - er glaubte an seinen Bruder. Noch immer. Doch Gwen konnte diesen Glauben nicht mehr nachvollziehen. Nicht jetzt. Nicht heute. Vielleicht war Thor wie ein Kind, das sich an den Gedanken klammerte, man müsse nur oft genug an etwas denken und es sich wünschen und es würde Wahrheit werden. Doch Verbrechen konnte man nicht einfach wegwünschen; und die Taten der Götter wogen doch um einiges schwerer. Sollten sie die Menschen nicht eigentlich beschützen? Sie behüten und anleiten? »Das kannst du gar nicht wissen, Thor!« fauchte sie den blonden Gott enttäuscht an, wischte sich die Tränen von der brennenden Wange. »Was bin ich schon für Loki?! Doch nichts weiter als ein schwacher Mensch. Einer von denen, die er vor zwei Jahren einfach so-« Ihre Stimme brach ab. Gwen konnte das Ungeheuerliche einfach nicht aussprechen; damit würde sie es einfach zu real machen. »Du hast mich doch selbst noch vor ihm gewarnt! Hast gesagt, dass ich ihm nicht vertrauen soll!« Thor zuckte getroffen zusammen, bevor er mit beiden Händen durch sein blondes Haar fuhr. »Ja. Ja, das stimmt…« lenkte er ein, doch dann packte er sie an den Schultern und sah eindringlich auf sie hinab. »Allerdings dachte ich da auch noch nicht, dass du und Loki…verflucht, Gwen…ich glaube, er könnte etwas für dich empfinden. Du tust ihm gut. Irgendetwas in meinem Bruder scheint sich zu verändern. Vielleicht besteht die Hoffnung-« »Nicht…« unterbrach sie ihn schwach, aber bestimmt. Sie konnte das nicht hören, weil es eine Zuversicht in ihr geweckt hätte, der sie nicht nachgehen wollte; zu schmerzlich wäre es, diese Hoffnung zersplittert am Boden zu sehen wie brüchiges Glas - denn genauso zerbrechlich war sie, ihr Herz darin eingeschlossen. Außerdem wollte sie nicht einfach nur ein Mensch sein, der Loki „gut tat“ - wie ein Medikament, eine hoch angepriesene Wunderheilung. Gwen wollte mehr für den Prinzen sein; diese Erkenntnis war schmerzlich. Sehr schmerzlich und kam zu diesem Zeitpunkt völlig ungelegen. Sie schluckte und schlang die Arme um sich, dann sah sie Thor entschieden an. Sie hatte einen Entschluss gefasst. »Wo ist Andrew Preston? Ich will zu ihm.« New York „Kniet nieder!“ Die Stimme des dunkelhaarigen Mannes drang ein wenig hohl aus dem TabletPC, doch war sie gut zu verstehen. Eigentlich viel zu gut. „Ist dies nicht eure natürliche Haltung? Ist es so nicht viel besser? Es ist die unausgesprochene Wahrheit, dass es die Menschheit nach Unterwerfung verlangt. Die blendende Verlockung der Freiheit mindert eure Lebensfreude und bringt Gezänk um Macht und Identität. Eure Bestimmung ist es, beherrscht zu werden. Am Ende werdet ihr immer nieder knien.“ Gwen lauschte den Worten erneut; sah sich diese leicht verwackelte Aufzeichnung einer Handykamera zum bestimmt hundertsten Mal an und war noch immer unfähig, diesen Mann dort auf dem flachen Bildschirm mit dem Loki in Verbindung zu bringen, den sie in Asgard kennengelernt hatte. Ihr Verstand weigerte sich noch immer vehement, diese Wahrheit über Loki zu akzeptieren. Sie wollte das einfach nicht glauben. Und doch war das Loki in diesem Video. Ohne Frage. Er trug einen gehörnten, goldenen Helm und ein leuchtendes Zepter in der Hand, seine Haare waren noch ein klein wenig kürzer als sie es in Erinnerung hatte und ein zufriedenes, manisches Grinsen teilte seine Lippen, als er auf die kniende Menge vor sich herabsah. Seine Augen hätte sie unter tausenden immer erkannt; jede Linie seines Gesichtes war ihr so vertraut… Gwens Hand hatte sich selbstständig gemacht und strich über das eingefrorene Bild der Aufzeichnung, da sie die Pause-Taste betätigt hatte - unter ihrem Zeigefinger fühlte sie nicht die Hitze von Lokis Haut, als sie die Kontur seines Gesichtes nachzeichnete, sondern nur die Wärme des Bildschirmes und glattes, reizloses Glas. Als sie sich bewusst wurde, was sie da tat, zog sie ihren Finger erschrocken und beschämt zurück und stützte den Kopf verzweifelt in ihre Hände; vergrub die Finger in ihrem Haar, um etwas Wirkliches zu fühlen. Seit bestimmt fast zwei Stunden saß sie nun wieder in ihrer kleinen Wohnung in New York über dieser Videoaufzeichnung aus dem S.H.I.E.L.D Archiv, welche Loki in Deutschland, in Stuttgart, zeigte; ein Passant hatte den Auftritt des Gottes mit seinem Handy festgehalten, bevor S.H.I.E.L.D jegliches Beweismaterial konfisziert hatte. Andrew Preston hatte ihr das Videomaterial zur Verfügung gestellt, um sie von der Wahrheit seiner Worte zu überzeugen; um sie davon zu überzeugen, dass Asgard kein Platz für sie war. Sie hatten auf der Rückreise nicht wirklich viel gesprochen; Andrew hatte wahrscheinlich gespürt, dass ihr nach allem, nur nicht nach reden zumute war und sie wusste kaum, wie sie nun in seiner Gegenwart reagieren sollte - nicht nur wegen der Lüge mit der Wissenschaftlerin, auch wegen der ganzen Sache im Palastgarten Gladsheims… Er hatte ihr das Tablet mit einem traurigen, schwachen Lächeln in die Hände gedrückt, nachdem er sie nach einem langen Flug mit dem Hubschrauber bei ihre Wohnung abgeliefert hatte; seine rechte Gesichtshälfte war von einem schillernden Bluterguss überzogen gewesen - Thor hatte ihm einen Kinnhaken verpasst, nachdem Andrew sich geweigert hatte, seinen Mund zu halten. Wahrscheinlich konnte der Agent froh sein, so glimpflich davongekommen zu sein; einen Schlag des Donnergottes steckte man sicher für gewöhnlich nicht so einfach weg. Von draußen drang das Brummen der Autos gedämpft an Gwens Fenster herauf; ein Taxi hupte hektisch und von irgendwo war eine Polizeisirene zu vernehmen, während sie an ihrem kleinen, gläsernen Wohnzimmertisch saß und dem Ticken der Uhr lauschte; erneut auf die eingefrorene Szene vor sich auf dem TabletPC starrte. Ihre Wohnung war genauso, wie sie sie verlassen und in Erinnerung hatte und doch fühlte sich Gwen hier plötzlich fremd und unwohl; die geringe Größe hatte sie früher nie gestört, sondern war ihr sogar heimelig und gemütlich erschienen, doch nun wirkte alles erstickend und einengend. Die Erde; ihre Heimat fühlte sich mit einem Mal so klinisch kalt und fremd an, nachdem sie die Wunder und Schönheit Asgards erblickt hatte - alles hier war so seltsam unwirklich, da sie die letzten Tage in einer so mythischen und zauberhaften Welt verbracht, so viel Magie gesehen und Unfassbares erlebt hatte. Gwen hatte sich Trost aus einer vertrauten Umgebung versprochen, doch dieser wollte sich einfach nicht einstellen. Sie fühlte sich verloren, vermisste etwas und ihrem Unterbewusstsein war auch längst klar, was das war, nur weigerte sich ihr Kopf stur das Offensichtliche zu akzeptieren. Sie durfte Loki einfach nicht vermissen…sie konnte ihn nicht vermissen… Sie hatte es für eine gute Idee, für die einzig richtige Alternative gehalten, Andrew Preston zurück auf die Erde zu folgen, um ihren Kopf frei zu bekommen und genügend Abstand zwischen Loki und sich zu bringen, doch nun war sie bereits im Zweifel, ob diese Entscheidung wirklich die richtige gewesen war… Erneut strich ihr Finger über das Bild des Magiers auf dem Bildschirm und diesmal zog sie die Hand nicht befangen zurück; die Sehnsucht brannte wie Feuer in ihrer Brust, bevor sie zu einem eisigen Klumpen zu schrumpfen schien und sie zu ersticken drohte. Diese Gefühle waren da; sie waren real wie die Verbrechen, die Loki begangen hatte - Gwen schämte sich für diese furchtbare Sehnsucht nach einem Mann, der ihre Welt angegriffen hatte, um sie sich Untertan zu machen. Diese Sehnsucht war einfach anstößig und entsetzlich, aber nicht zu leugnen. Dieses Band, was sie seit ihrer ersten Begegnung mit dem Prinzen verbunden hatte, schien gerissen über die enorme Distanz, die sie nun trennte - Gwen fühlte sich nicht mehr vollständig, als wäre ein wesentlicher Teil ihrer selbst in Asgard zurückgeblieben. Ihr Herz hatte sie dort gelassen - in den Händen des Magiers. Die Erkenntnis traf sie erschreckend, doch nicht völlig unvorbereitet. Gwen musste sich nicht selbst belügen; die letzten Tage war sie auf dem besten Weg gewesen Gefühle für den Prinzen zu entwickeln - sich entgegen aller guten Vorsätze, Räte und eines besseren Wissens in Loki zu verlieben und nun war sie sich nicht mal sicher, ob das nicht bereits längst passiert war… Die Abwesenheit des Magiers war für sie fast körperlich spürbar; ein nagender, stechender Schmerz, der mit jedem Herzschlag heftiger zu werden schien, den sie getrennt von Loki verbrachte - als ob dieses unsichtbare Band um jeden Preis wieder zusammengefügt werden wollte. Sie fühlte sich zerrissen zwischen ihren Gefühlen und Sehnsüchten und der Vernunft, die ihr ins Gewissen schrie, dass sie den Magier vergessen musste - sie durfte keine Gefühle für diesen Mann hegen, der sich über ihre Welt als Herrscher hatte erheben wollen; der Menschen getötet und eine Armee von Aliens gegen die Erde angeführt hatte. Wenn Gwen diese Tatsache vorher gekannt hätte, dann wäre sie Loki wahrscheinlich niemals so nahe gekommen; hätte ihn niemals so nah an sich herangelassen. Doch sie hatte den Prinzen unvoreingenommen von dieser Wahrheit kennengelernt und eine gänzlich andere Seite an ihm entdeckt, die jene Bilder aus Stuttgart wie eine groteske Maskerade, wie eine skurrile Illusion anmuten ließen. Gwen erinnerte sich an ihren ersten Tag in Asgard und an diese samtige, traumhafte Stimme, die sie in den Kerker Gladsheims gelockt hatte - konnte ein Teufel die Stimme eines Engels besitzen? Sie dachte an das Winternachtsfest, an ihren Tanz mit dem Prinzen, als er sie elegant und traumhaft durch die Takte der Musik geführt hatte - konnte ein Verbrecher wirklich so sanfte Hände haben? Sie entsann sich Lokis Leidenschaft und Begeisterung bei ihrem Wettritt, seiner überragenden Intelligenz bei ihren Nachforschungen, seinem Schutz in Muspelheim, seines verstohlenen Schmunzelns, des zärtlichen Kusses im Regen… All das war Loki, allerdings auch dieser Mann mit dem goldenen Hörnerhelm, der eine Horde verängstigter Menschen in Deutschland vor sich niederknien ließ - konnte sich ein Gott ändern? Verdiente ein Gott Vergebung und das Recht auf Wiedergutmachung? Hatte nicht auch Thor Fehler begangen? Doch was war bei dem Gott der Lügen und Illusionen schon real und wirklich, was war nur Schein und Trug? Und durfte Gwen jetzt eigentlich überhaupt so selbstgerecht über ihn urteilen? Immerhin hatte sie sein Verbrechen gegen das Volk der Eisriesen auch einfach so hingenommen; sie hatte es nicht verstanden, doch sie hatte es akzeptiert. War es weniger schlimm, wenn es eine andere Welt betraf als die eigene - war es nicht überheblich und arrogant dem Angriff auf die Erde mehr Wert beizumessen als jenem auf Jotunheim? Unzählige Fragen türmten sich in ihrem Kopf zu einem Berg, dessen Gipfel sie schon längst nicht mehr sehen konnte; die vielen Gedanken drohten sie zu erdrücken und wogen schwer auf ihren Schultern - sie fühlte sich wie Atlas, der die Last der Welt trug. Gwen wollte die richtigen Entscheidungen treffen, die richtigen Emotionen empfinden, doch Gefühle waren leider nicht immer rational und erklärbar; sie waren wirr, impulsiv, überwältigend, sodass sich eine Menschenfrau auch in jenen Gott verlieben konnte, der ihre eigene Welt angegriffen hatte. Wie sollte Gwen nur jemals wieder in ihr normales Leben zurückfinden? Könnte sie jemals weiterleben wie zuvor, nachdem sie Asgard erblickt und Loki begegnet war? Wobei „normales Leben“ ja eh kaum die richtige Bezeichnung war. Direktor Fury hatte Gwen nach ihrer Ankunft auf der Erde in einer Videokonferenz begrüßt, da er mit dem Helicarrier und den Avengers auf einem Einsatz gewesen war; der S.H.I.E.L.D Boss hatte seine Freude zum Ausdruck gebracht, dass sie sich für die Rückkehr auf die Erde entschieden hatte, bevor er die Karten offen auf den Tisch gelegt und seine Forderungen vorgetragen hatte. »Miss Lewis, wie Sie sicher schon bemerkt haben, sind Ihre Person und Intentionen S.H.I.E.L.D nun bekannt, sodass wir gar nicht lang um den sprichwörtlichen heißen Brei herumreden müssen.« Die Übertragung zu Fury flackerte kurz, bevor der Direktor wieder klar auf dem Bildschirm auftauchte, selbstsicher die Hände hinter dem Rücken verschränkt blickte er von der Brücke des Helicarrier in die Kamera. Gwen musste schlucken, da diese Pose sie augenblicklich an jemand anders erinnerte... Ihr Blick strich flüchtig über die sie umgebenden Agents, welche sie aus der Regenbogenhalle geleitet hatten und sie nun nicht mehr aus den Augen ließen. Andrew war ebenfalls unter ihnen. »S.H.I.E.L.D gibt Ihnen eine Woche, Ihre Angelegenheiten zu klären.« tönte Gwen die sachliche Stimme des Direktors aus dem Monitor entgegen. »Dann werden Sie Ihre Sachen packen und in unser Wissenschaftszentrum einziehen. Agent Preston wird Sie in dieser Woche begleiten und überwachen. Sollten Sie wider Erwarten so dumm sein und dem Daily View oder irgendjemand anderem Informationen über Asgard oder S.H.I.E.L.D zuspielen, so werde ich das erfahren und, Miss Lewis…« Der S.H.I.E.L:D Chef hatte sich nach vorn gelehnt, die Hände auf ein Geländer gestützt blickte er eindringlich in die Kamera. Auch mit nur einem Auge war sein Blick schneidend und äußerst bedrohlich. »…glauben Sie mir, Sie wollen mich nicht wütend machen. Wenn Sie sich meinen Forderungen widersetzen, werde ich dafür sorgen, dass Sie in keinem Pressehaus des Landes je wieder eine Einstellung finden. Ihre Behauptungen werden als Lügen und Verleumdungen abgestempelt und Sie selbst als übergeschnappt in die nächste Anstalt eingewiesen. Habe ich mich klar ausgedrückt?« Gwen starrte entgeistert auf den Monitor; der Direktor begegnete ihrem fassungslosen Blick ungerührt, während hinter ihm die Agents und Piloten des Helicarrier routiniert ihrer Arbeit nachgingen. Nicholas Fury war wie Odin; ein Herrscher, der alles dafür tun würde, seine Welt zu schützen und genauso wie der Allvater war der Chef der Geheimorganisation durchaus in der Lage, Gwen zu vernichten. »Ich verstehe…« brachte sie krächzend heraus. Hörte dieser Albtraum denn nie auf? Nun endete sie also als Versuchskaninchen in irgendeiner S.H.I.E.L.D Einrichtung… »Wunderbar.« Direktor Fury richtete sich wieder auf und strich seinen schwarzen Mantel glatt, bevor er die Arme vor der Brust verschränkte. »Dann freue ich mich darauf Sie bald bei S.H.I.E.L.D begrüßen zu dürfen. Unsere Wissenschaftler sind schon äußerst gespannt auf Ihre Person.« Damit war die Übertragung beendet. Gwen sprang von ihrem Sofa auf und riss den TabletPC fast vom Tisch, als sie zu ihrem Telefon stürmte. Sie musste einfach mit jemanden reden. Ihr Kopf war kurz vorm Bersten; sie brauchte jemanden an ihrer Seite. Jemanden, der für sie da war. Sie sollte zwar eigentlich mit niemanden sprechen, doch das war ein Notfall. Sie müsste ja nicht ins Detail gehen…S.H.I.E.L.D konnte ihr ja nicht sämtliche Kontakte verbieten. Fast schon verzweifelt wählte sie die nur allzu bekannte Nummer und lauschte ungeduldig dem Freizeichen. »Darrow.« meldete sich Ashlyns vertraute, freundliche Stimme am anderen Ende. Gwen wäre augenblicklich vor Erleichterung beinahe in Tränen ausgebrochen. Sie umklammerte den Hörer wie eine Ertrinkende ihren Rettungsring. »Ashlyn…ich bin´s. Gwen…« »Hey, Süße. Du bist wieder da?! Oh wunderbar! Und, wie war es? Erzähl schon! Ich will alles über Asgard wissen. Gibt es schnucklige Götter dort-« Ashlyns begeisterter Übermut schnürte Gwen die Kehle zu. »Ash…kannst du…kannst du vorbei kommen? Jetzt gleich…? Bitte…« hauchte sie schwach in den Hörer und ließ sich gegen die Wand im Rücken sinken, während sie die Augen schloss und sich das strahlende, hübsche Gesicht ihrer Freundin ins Gedächtnis rief. Der schwächliche, erstickte Tonfall von Gwen ließ Ashlyn alarmiert innehalten; sofort wirkte sie hellhörig und besorgt. »Hey, klar kann ich das. Was ist denn los? Du machst mir ein bisschen Angst, Honey…« »Nicht am Telefon…« bat Gwen dumpf. »Komm bitte einfach her…« Wahrscheinlich wurde die Leitung eh schon abgehört. »Okay, klar. Bin quasi schon auf dem Weg. Ich ruf mir gleich ein Taxi. Soll ich Winston mitbringen?« Bei der Erwähnung ihres geliebten Katers stiegen Gwen die Tränen unkontrolliert in die Augen. Sie vermisste sein Schnurren, sein weiches Fell… »Ja…ja, bring ihn bitte mit…« bat sie ihre Freundin. »Gut. Ich bin auf dem Weg, Liebes. Bin gleich da.« Ashlyn hatte aufgelegt und das monotone Tuten hallte aus dem Hörer in Gwens Ohr nach. Kraftlos legte sie auf und starrte ins Leere; in ihr baute sich ein erstickender Druck auf, der sich tonnenschwer auf ihre Brust legte und ihr das Atmen schwer machte. Ihre rechte Hand krallte sich in den Stoff ihres T-Shirts über ihrem Herzen. Sie musste sich beschäftigen, sonst würde sie bald eine Panikattacke überrollen oder sie würde unter der Last ihrer Gedanken verrückt werden. Ablenkung, Ablenkung… Entschlossen trat Gwen in die kleine Küche hinüber, die sich beinahe nahtlos an ihr helles Wohnzimmer anfügte und riss dort den Kühlschrank auf; viel befand sich nicht in ihrem spärlichen Vorrat und wahrscheinlich war es jetzt ein mehr als denkbar ungünstiger Zeitpunkt sich im Kochen ausprobieren zu wollen, doch sie musste sich und ihre Hände mit irgendetwas beschäftigen bis Ashlyn da war. Hektisch zerrte sie die verbliebenen Rest der noch gebräuchlichen Nahrung aus dem Kühler heraus, dann zog sie scheppernd und klirrend Töpfe aus ihren Schränken; ein unkontrolliertes Chaos aus Klängen und Formen, ein wildes Durcheinander von Geräuschen und Farben, welches ihre Gedanken überlagern sollten. Gwen versank völlig in ihren Tätigkeiten; sie schnitt Gemüse, bediente den Herd, rührte in Töpfen, ohne wirklich zu wissen, was sie da tat - es ging nur um die fortwährende Abfolge von Handgriffen, um das beständige Beschäftigen ihrer Gedanken, die sie sonst einem Sog gleich in die Tiefe ihrer Verzweiflung ziehen würden. Sie verlor jegliches Zeitgefühl, handelte völlig mechanisch, während sie wieder an Loki denken musste; ihre Gedanken kreisten immer noch um ihn wie hungrige Wölfe um ein verwundetes Tier, bereit zuzuschlagen - nur ein kleiner Moment der Unachtsamkeit und Gwen würde sich in ihrer Sehnsucht verlieren und von ihr zerrissen werden. Das Geräusch des Wohnungsschlüssels ließ Gwen fast erleichtert aufseufzen; Ashlyn besaß den Zweitschlüssel zu ihrem Reich, damit sie kommen und gehen konnte wie und wann sie wollte - in Gwens Besitz befand sich im Gegenzug natürlich auch ein Zweitschlüssel zu Ashlyns Wohnung. »Gwen? Ich bin da.« Ihre dunkelhaarige Freundin kam eilig hereingestürmt und sah sich suchend im Wohnzimmer um, bevor sie Gwen hinter der Anrichte der offenen Küche entdeckte; Ashlyn warf den Wohnungsschlüssel klappernd auf den Küchentresen und stellte den Katzentransportkorb ab, damit Winston endlich wieder in sein trautes Heim tapsen konnte. Der graue Stubentiger linste sofort mauzend aus seinem tragbaren Gefängnis, bevor er sich langsam hervorwagte. Ashlyn indes war zu Gwen in die Küche getreten und eben dabei eine Plastiktüte mit dem Logo des Chinesen um die Ecke auf einem Schrank abzustellen. »Ich hab was vom Chinesen mitgebracht. Ich kenn ja deine Kochkünste und dachte, du hast bestimmt Hunger-« Ashlyn brach mitten im Satz ab und weitete die Augen ungläubig, als sie das Chaos in der Küche erblickte, in dessen Zentrum Gwen wie der reißende Abgrund dieses Strudels stand, um den sich alles drehte. Der Wasserkocher pfiff unkontrolliert vor sich hin, Messer lagen kreuz und quer über ein Schneitbrett verteilt, um das herum sich zerstückeltes Gemüse ausbreitete wie eine groteske Masse, die arge Ähnlichkeit mit den Überbleibseln eines Massakers hatte. Die Töpfe auf dem Herd dampften und zischten beharrlich vor sich hin; über den Rand eines Topfes kochte blubberndes Wasser über. »Oh Gott…Gwen…« hauchte ihre Freundin entsetzt und schlug sich eine Hand vor den Mund, bevor sie zu Gwen herübereilte und deren rechte Hand in Augenschein nahm, die Gwen die ganze Zeit schon unter fließendes, kaltes Wasser hielt. »Was ist mit deiner Hand passiert…?!« wisperte sie zittrig. Gwen blinzelte irritiert und sah Ashlyn einen Augenblick völlig befremdet an, bevor sie langsam wieder ins Hier und Jetzt zurückkehrte; die Geräusche drangen an ihr Ohr, ebenso die Gerüche von verbranntem Fett und heißem Metall. Verwirrt sah sie auf ihre Hand hinab, die Ashlyn so entsetzt anstarrte; ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie die Finger schon eine ganze Weile unter eiskaltes Wasser hielt, um dem glutheißen Brennen Einhalt zu gebieten, welches beharrlich ihren Arm hinaufkroch. Das Leuchten hatte wieder angefangen, doch diesmal war es gänzlich anders - verzehrender, intensiver, heiß und schmerzhaft. Ihre Hand schien in Flammen zu stehen und Gwen konnte diese Macht nicht kontrollieren; Loki war nicht mehr da, um sie anzuleiten und ihr zu helfen... Ashlyn drehte das rauschende Wasser endlich ab und zückte sofort ihr Handy. »Ich werde einen Arzt rufen…du hast dich verbrannt…« stammelte sie verwirrt und konnte die Augen nicht von Gwens glühender Hand bewegen; auch Ashlyn musste sehen, dass dies keine einfache Verbrennung war. »Nein…kein Arzt…nicht…« hauchte Gwen verzweifelt und drückte die Hand mit dem Handy von Ashlyns Ohr, während sie vehement den Kopf schüttelte. »Bitte…Ash…« Kurzentschlossen barg sie ihre Hand in einem bereitliegenden Geschirrtuch und wickelte sie darin ein. Ihre Freundin sah sie irritiert und unsicher an, bevor sie das Handy doch wieder sinken ließ. In ihren warmen, braunen Augen standen Besorgnis und Ratlosigkeit. »Gwen…was ist los mit dir? Was ist passiert?« Gwen ließ das Haupt sinken und presste die Lider nach unten, um die drängenden Tränen zurückzuhalten, doch das heiße, salzige Nass strömte bereits unkontrollierbar ihre Wangen hinab. Sie schluchzte auf, presste die Hände gegen ihre Augen; das raue Geschirrtuch kratzte über ihre Wangen. Dann sank sie kraftlos an dem glatten Schrank im Rücken herab und brach auf den Fliesen ihrer Küche zitternd zusammen. Nun saß sie hier, umgeben von dem Chaos ihrer Wohnung, welches genauso gut die Trümmer ihres Lebens hätte darstellen können - alles war aus den Fugen geraten und der Boden unter Gwens Füßen weggebrochen. Ashlyn war sofort neben ihr in die Knie gegangen; ihre warmen, weichen Arme schlangen sich um Gwen und drückten sie gegen ihre Brust, während die sanften, eleganten Hände ihrer Freundin Gwen beruhigend und tröstend durchs Haar strichen. »Pssscht…alles wird gut, Süße…alles wird gut…« murmelte Ashlyn leise in ihr Haar und wiegte Gwen wie ein Kleinkind in den Armen. Ein leises Maunzen näherte sich, bevor das samtweiche Streicheln von Winstons Fell über Gwens Knöchel strich; der Kater rieb sich tröstend an ihr und seine grünen, klugen Augen blickten fragend zu ihr auf. Grüne Augen… Gwen schluchzte traurig und hob den Kater auf ihren Schoß; ihre Welt zerbrach Stück um Stück um sie herum, während sie sich in die Arme ihrer Freundin schmiegte und den schnurrenden Kater an sich drückte. Asgard Zwei Tage war es jetzt her. Zwei Tage, dass die Sterbliche Asgard verlassen hatte. Loki hatte jede Minute gezählt; unbewusst und entgegen seines Willens waren seine Gedanken zu einem Kreisel geworden, der die Menschenfrau nicht aus seiner Mitte entlassen wollte. Er musste sich auf andere Dinge konzentrieren, sollte dieser Sache gar keinen so großen Wert beimessen, doch seine sonst so klaren Emotionen und Gedanken waren überlagert von einem zähen, dichten Nebel, durch den sich sein Verstand nur schwerlich kämpfen konnte. Seitdem Gwendolyn Asgard durch den Bifröst verlassen hatte war irgendetwas anders; Loki konnte es nicht benennen, doch es brannte in seiner Brust wie eine frische Wunde, die offen und unbehandelt nach Aufmerksamkeit verlangte. Unzufrieden und harsch rieb er über den Stoff seiner Robe und versuchte sich wieder auf die Notizen auf dem Pergament vor sich zu konzentrieren. Loki saß an dem Schreibtisch in seinen Gemächern; unzählige Bücher und Folianten lagen aufgeschlagen um ihn herum, türmten sich und kreisten ihn beinahe ein wie eine schützende Mauer. Seit Stunden starrte er auf dicht beschriebene Seiten, studierte Magiesprüche und alte Legenden, um einen Weg zu finden, wie man Ymir beikommen und dessen Macht bannen könnte - bisher allerdings ohne ein wirkliches Ergebnis, was sicherlich auch seiner unkonzentrierten Art verschuldet war. Zerknüllte Pergamente lagen zerstreut um seine Füße und seinen Schreibtisch; eine seltene Anordnung von Chaos, die Loki sich in aufwallender Frustration gestattet hatte. Sonst war sein Zimmer stets ein Ort von Gleichmäßigkeit und Geradlinigkeit gewesen - genau wie der Magier selbst. Er hasste Unordnung. Lokis schlanke Finger strichen mit einem Stück Kohle über ein ausgebreitetes Pergament, um den Ablauf und die Runen für ein bestimmtes Ritual zu skizzieren; völlig versunken glitten seine geschwärzten Finger mit der Zeichenkohle über das Papier, während sich seine Gedanken bereits schon wieder selbstständig machten und in Gefilde abzudriften drohten, die der Magier ihnen nicht gestattete. Vehement und verbissen zwang er seine Konzentration auf das Pergament vor sich zurück und zog augenblicklich zischend die Luft ein, bevor er das Stück Kohle von sich warf, als hätte es sich in ein bissiges Insekt verwandelt - seine Zeichnung hatte sich ohne sein Zutun ganz eigenständig verändert, aus Runen und notierten Worten waren volle, geschwungene Lippen geworden, eine zierliche Nase war auf dem Pergament entstanden, darüber große, helle Augen, die seinen Blick aus dem Papier heraus suchten; umschmeichelt dieses vertraute Gesicht von wallendem, langem Haar, das sich wie ein Wasserfall wild und rauschend aus der Kohle und seinen Fingern ergossen hatte… Loki zog die Brauen angespannt zusammen, starrte fassungslos auf das entstandene Bild der Menschenfrau, während sich seine Finger krampfhaft in das Papier krallten, bevor er das Pergament in einer zornigen Geste zusammenknüllte und aus einer unbeherrschten Regung heraus durch den Raum schleuderte. Der Magier sprang von seinem Stuhl auf, betrachtete seine von Kohle geschwärzten Finger, die sich zittrig in die Tischplatte gruben - seine Gedanken kreisten und kreisten, waren unfähig sich auf irgendetwas zu fokussieren und das alles nur wegen dieser Frau… Wegen der verdammten Sterblichen! Sie hatte ihn zerstört! Mit ihrer verfluchten Art hatte sie ihn verändert; zerrissen und wieder zusammengefügt, wobei nicht mehr alles an seinem rechten Platz zu sitzen schien - sein Herz schmerzte, sein Kopf brummte unter seinen Grübeleien, sein Körper sehnte sich nach etwas, das er nicht benennen konnte. Weder Nahrung, noch Wein, Sonnenschein oder Ruhe konnte dieser verzehrenden Sehnsucht Einhalt gebieten… Was sie wohl gerade machte…? Ob Gwendolyn bei ihm war - bei diesem menschlichen Agenten? Sie schienen sich gekannt zu haben… Ob sie gerade in seinen Armen lag und sich über die Ungeheuerlichkeit von Lokis Taten hinweg trösten ließ? Dem Mann würde es gewiss gefallen - Loki hatte seine Zuneigung zu der Sterblichen förmlich an ihm riechen können; es in dem ungläubigen Entsetzten seiner Augen gesehen, als sich Loki mit geöffnetem Hemd von Gwendolyn erhoben hatte. Dieser sterbliche Wurm hegte Interesse an seiner Frau - an Lokis Weib! Er würde diesem Insekt jeden seiner Knochen einzeln brechen, wenn er nur einen seiner stinkenden, sterblichen Finger an Gwen legen würde… Mit einem unkontrollierten, wütenden Schrei riss Loki alle Bücher und Folianten von seinem Tisch, stieß heftig die sortierte Ordnung von dem Holz, indem sein Arm grob über die Tischplatte wischte; Papiere segelten wie flatternde, bleiche Geister durch den Raum, während die schweren, kostbaren Bücher krachend auf den Boden trafen und dort regungslos liegen blieben wie geschlagene Gegner. Loki stützte sich schwer atmend auf die Platte seines Schreibtisches. Seine Haare ergossen sich in einer wilden Flut zu beiden Seiten seines blassen Gesichtes, das ihm aus dem polierten Holz schemenhaft und gespenstisch verzerrt entgegensah. Seine Augen waren glühende, grüne Flammen in den Höhlen seines Schädels. Das Gesicht der Sterblichen tauchte in seiner Erinnerung auf und schob sich blass über das eigene, bleiche Abbild seines Antlitzes; Loki sah ihre geweiteten, fassungslosen Augen wieder vor sich, als sie die Wahrheit über ihn erfuhr. Eine Wahrheit, die irgendwann ans Licht kommen musste - Loki hätte sich in diesem Fall niemals hinter einer Lüge versteckt. Er konnte und wollte seine Taten nicht verleugnen, denn damit hätte er sein Wesen und alles, was ihn ausmachte, verraten - doch so schwächlich und erbärmlich war er nicht, dass er sich hinter einer Ausflucht vor dem Unverständnis und dem Entsetzen der Menschenfrau verborgen hätte. Es war seltsam befreiend gewesen, diese Wahrheit endlich ausgesprochen zu wissen, obwohl dem Magier bewusst gewesen war, dass dies wahrscheinlich das Ende für die Bindung zwischen Gwendolyn und ihm bedeutete; er hatte gewusst, dass sie gehen würde - dass sie mit einem unverständigen Schock reagieren würde… Hätte er vielleicht versuchen sollen, es zu erklären, anstatt ihr mit Arroganz und Kälte zu begegnen? Hätte das irgendetwas geändert? Loki hatte sich in diesem Moment selbst geschützt, wie er es schon immer zu tun pflegte; er hatte sich hinter seiner Maske aus Stolz und Hochmut verborgen, um selbst nicht verletzt zu werden - um die Enttäuschung der Sterblichen, deren Ungläubigkeit und Verzweiflung bloß nicht an sich heranzulassen. Ihm wurde bewusst, dass er diesen Tag unterschwellig bereits gefürchtet hatte, als er Gwen das erste Mal gesehen hatte - es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie die Wahrheit erfahren würde. Diese Gewissheit hatte sie beide begleitet wie bedrohliche Gewitterwolken über den Himmel zogen. Wobei der Zeitpunkt denkbar ungünstig gewesen war… Lokis Schultern spannten sich unter der Erinnerung an Gwendolyns Lippen an; fast konnte er ihr Seufzen und heiseres Keuchen wieder hören, spürte ihre warme Haut unter seinen Fingern, wo jetzt nur lebloses, kühles Holz lag… Dieser Moment zwischen ihnen war so leidenschaftlich und verzehrend gewesen, wie der Magier selten etwas erlebt hatte; seine gesamte Welt war in diesem Augenblick aus den Angeln gehoben worden, er selbst schwerelos und leicht unter ihren Berührungen und ihrem Verlangen. Ihm wurde bewusst, wonach sich sein Körper sehnte - nach Gwendolyn; nach ihrer Haut, ihrem Duft, ihrem Körper, ihrem Lachen, dem Blick aus ihren hellen Augen… Ob sie ihn jetzt wohl verachtete? Hasste? Wahrscheinlich. S.H.I.E.L.D würde gewiss sehr viel Überzeugungsarbeit leisten, um sie von der Bösartigkeit des Magiers in Kenntnis zu setzen. Und wenn es die Organisation nicht tat, so würde gewiss dieser Abschaum von einem Agent dafür sorgen, der es gewagt hatte, Loki mit seiner Waffe zu bedrohen; in dessen Augen der Magier perfide Genugtuung gesehen hatte, als er Gwen die Wahrheit über Loki offenbaren konnte. Dieser Mensch hasste ihn. Loki hatte wohl ein paar seiner Freunde auf seinem Weg getötet und sich damit ganz offensichtlich sehr unbeliebt gemacht. Andrew Preston würde gewiss nichts unversucht lassen, um Loki in ein schlechtes Licht bei Gwendolyn zu rücken, damit auch der letzte Strang dieses Bandes zwischen ihnen in Flammen aufgehen würde - diese unsichtbare Verbindung lag bereits zerrissen, der Magier konnte es spüren. Über die gewaltige Distanz hinweg zwischen Gwen und ihm war das Band zerstört wurden und doch fühlte er dieses Ziehen an seinem Leib, als wolle sich sein Ende dieses Seiles wieder mit dem der Menschenfrau verknüpfen… Loki musste sie vergessen. Es gab wichtigeres zu tun. Gwendolyn war wieder in ihrer Welt - dort, wo sie hingehörte. Und er war in Asgard, wo sein Schicksal lag. Es war besser so. Das alles war nur ein seltener, verheißungsvoller Traum gewesen, der nun in der kalten Realität des Morgens zerplatzte wie eine fragile Seifenblase; das Einzige, was er bedauern konnte und sollte war die Tatsache, dass Gwendolyns Macht nun außerhalb seiner Reichweite weilte. Mehr nicht. Niemals mehr. Er hätte doch wissen können, dass für Sünder wie ihn keine Vergebung vorgesehen war - er hatte seinen Weg bewusst selbst gewählt, war sich aller Konsequenzen bewusst gewesen. Er konnte nun nicht nach etwas sehnen, dass ihm auf immer versagt bleiben würde… Die Vanen und Alben würden bald in Asgard zu einer Konferenz eintreffen und Loki sollte Ergebnisse vorweisen können; er musste sich wieder auf seine Arbeit konzentrieren, musste in seine alte Form zurückfinden. Er war Loki - der Gott des Unfugs, der Lügen und der Illusionen - und eine sterbliche Frau sollte ihm einfach den Kopf nicht so verdrehen. Er war mehr als sie und stand weit über ihr; sie konnte keine Macht über ihn haben. Sie durfte es einfach nicht. Das Geräusch der Tür ließ Loki aufblicken. Ohne Klopfen oder Ankündigung trat Thor ein, gefolgt von der Königin, die mit wehender Robe hinter dem Donnergott hereilte. Die Tür fiel hinter beiden wieder ins Schloss. Der Magier sah seinem Bruder und seiner Mutter irritiert und fragend entgegen; Thor trug einen fast tödlich entschlossenen Gesichtsausdruck zur Schau, während Frigga hinter ihm dem kaum in etwas nachstand; ihre Züge waren hoheitlich stolz und entschieden, wobei in ihren klaren Augen auch eine Sorge lag, die Loki blinzeln und sich gewarnt aufrichten ließ. Die Königin führte einen länglichen Gegenstand bei sich, der in dunkle Stoffbahnen eingewickelt und so dem Auge des Magiers entzogen war; Macht pulsierte in kraftvollen Schüben von diesem Gegenstand aus wellenartig durch den Raum - eine Resonanz, die Loki seltsam bekannt vorkam. Er sah den beiden abwartend entgegen, verschränkte die Hände hinter dem Rücken, während Thor das ungewohnte Chaos um Lokis Schreibtisch verwirrt in Augenschein nahm. »Was ist passiert, Bruder…? Hier sieht es aus, als wäre ein Wirbelsturm durch deine Gemächer gezogen…« »Ich habe umdekoriert. Die Einrichtung hat mir nicht mehr gefallen.« erwiderte der Magier mit kühler Gelassenheit und hob fragend eine Braue, als Frigga und der Donnergott vor seinem Schreibtisch stehen blieben. »Was beschert mir die Ehre Eures so seltenen Besuches?« »Heimdall hat uns eben darüber in Kenntnis gesetzt, dass Garm die Grenzen Helheims überschritten hat und sich auf der Jagd befindet. Seine Spur verliert sich auf dem Weg nach Midgard…« tönte Thors unheilvoll schwere Stimme durch den Raum; die blauen Augen des Donnergottes suchten die kritisch verengten Grünen seines Bruders. Lokis Verstand schaltete sich erschreckend schnell ein und die Worte formten sogleich einen Sinn, dessen Bedeutung er nie angezweifelt hätte. Garm - der Helhund, Kreatur der Todesgöttin - wurde normalerweise nur ausgeschickt, wenn Seelen der Unterwelt entflohen waren, um diese zurückzubringen. Der Magier wusste sofort, auf wessen Fährte Hel ihre Schöpfung angesetzt hatte. »Denkst du wirklich, du kannst mich mit deinen Listen hereinlegen? Mich?! Für diese Anmaßung wirst du büßen, Loki Odinson!« Oh ja, Hel wollte ihn für seinen Betrug büßen lassen, allerdings auf anderem Wege, als er anfänglich gedacht und erwartet hatte - sie wollte sich die Seele holen, die Loki ihr vorenthalten hatte. Der Magier zuckte gleichgültig mit den Schultern und begann in betonter Ruhe die Blätter seiner Notizen vom Boden aufzulesen. »Schön. Und? Sollte mich das jetzt kümmern? Wir haben wirklich gerade andere Probleme als einen entlaufenen Köter.« antwortete Loki ungerührt, wobei seine verfluchten Finger ihn verrieten, die merklich zitterten, als er einen Stapel Pergamente auf seinem Schreibtisch ablegte und jene sorgfältig und unnötigerweise penibel zurechtrückte. »Loki!« begehrte die Königin fassungslos auf; ein zurechtweisend gesprochenes Wort. In ihren Augen schimmerte schmerzliches Unverständnis. Thor trat um den Schreibtisch des Magiers herum und packte seinen Bruder an den Aufschlägen von dessen Robe, um ihn so gegen das Holz im Rücken zu drängen. Loki blickte auf die geballten Fäuste des Donnergottes herab, bevor er ein amüsiertes Grinsen zeigte und sich von der knisternd bedrohlichen Präsenz seines Bruders weder einschüchtern noch beeindrucken ließ. »Willst du wieder Fäuste sprechen lassen, Thor? Ich meine mich zu erinnern, dass du das am besten kannst, mein Bruder.« säuselte Loki geringschätzig; genoss den Schmerz in Thors Gesicht, die Enttäuschung in dessen Augen, wenngleich er seine eigenen Empfindungen wie gebändigte Löwen im Käfig seiner Selbstbeherrschung hielt, die sich wie von Sinnen bereits gegen die Gitterstäbe warfen. Der Magier war innerlich rasend vor Sorge. »Mach mir nichts vor, Bruder.« grollte Thor warnend. »Tu nicht so, als würde dich diese Offenbarung kalt lassen. Du weißt wie ich ganz genau, was das bedeutet. Du weißt, wen Garm sucht. Spiel mir nicht den Unbeteiligten vor. Ich weiß, dass sie dir nicht egal ist…« »Und ich weiß wirklich nicht, von wem du sprichst…« begann Loki gelangweilt und tonlos, bevor ihn die Königin unterbrach, die näher getreten war. Ihre Worte ließen das Grinsen auf seinen Lippen steif wirken. »Heimdall sieht sie jetzt, Loki. Heimdall kann Gwendolyn Lewis jetzt auf Midgard sehen. Was auch immer sie zuvor von seinem Blick abschirmte, es ist weg. Und das bedeutet-« »-dass auch andere sie sehen können. Jeder kann ihrer Spur folgen und ihre Aura ausfindig machen.« beendete Loki den Satz seiner Mutter; Frigga nickte bekräftigend, Sorge in ihren edlen Zügen. Die Erkenntnis sickerte wie eisige Tropfen durch seine Venen; seine beherrschte Fassade begann zu bröckeln, das Grinsen auf seinen schmalen Lippen zu verrutschen. Gwendolyn war schutzlos auf Midgard. Weder S.H.I.E.L.D noch irgendjemand anders konnte sie vor dem beschützen, was sich dort auf die Suche nach ihr gemacht hatte; die Menschen würden gar nicht wissen, was dort über sie kam. Wahrscheinlich war es nur eine Frage der Zeit, bis Malekiths Elfen der Fährte des Helhundes ebenfalls folgen würden… »Willst du dich wirklich weiter selbst belügen, Bruder?« fuhr Thor den Magier aufgebracht an und schüttelte ihn am Stoff seiner Robe. »Willst du sie ihrem Schicksal überlassen? Willst du, dass Gwen stirbt, Loki?!« schrie der Donnergott nun fast, versuchte durch pure Gewalt und forsches Auftreten in den verstockten Geist des Magiers zu dringen, wie er sonst Konflikte zu lösen pflegte. Und das funktionierte sogar; Loki zuckte unmerklich getroffen zusammen und schlug den Blick für einen Wimpernschlag reumütig nieder. Er schob die Fäuste seines Bruders von seiner Robe, bevor er sich in resignierter Gelassenheit gegen den Schreibtisch lehnte und die Hände mit seinen verfluchten Fesseln anhob. »Thor, selbst wenn ich wollte, von hier aus kann ich wirklich wenig ausrichten. Was erwartest du von mir? Vielleicht könnte ich sie mit Magie abschirmen und vor Garms Spürsinn verbergen, doch dafür ist sie zu weit weg. Und man wird mir wohl kaum einen kleinen Ausflug nach Midgard gestatten-« Der Magier hielt irritiert in seinem Redeschwall inne, als Thor vortrat und seine Handgelenke packte; die Fesseln öffneten sich leise klirrend, bevor der Donnergott sie seinem Bruder bestimmt abnahm. Loki starrte ungläubig zuerst auf seine Hände, bevor er Thor völlig perplex ansah. »Was-?« Die Königin trat nun vor und legte ihr Bündel auf dem Schreibtisch ab, bevor sie begann die Stoffbahnen zu lösen und den verborgenen Gegenstand zu enthüllen - das Zepter des Tesserakts, welches Thanos einst extra für Loki angefertigt hatte. Das konnte ja nur ein Scherz sein. Sollten sie wirklich so gutgläubig, so närrisch sein und ihn in die Freiheit entlassen, noch dazu mit seiner größten Waffe in der Hand!? Ein ungläubig aufgeregtes Kribbeln kroch durch seine Adern. »Loki…« begann Frigga nun eindringlich, suchte den Blick ihres Sohnes über das blaue Leuchten des Zepters hinweg. »Diese Sache ist größer als wir alle hier. Wir können deren Ausmaße noch nicht begreifen, doch ich weiß, dass Gwendolyn Lewis noch wichtig für uns sein wird. Du erzähltest mir, dass Skuld sie besucht hat. Sie ihr Licht nannte. Ich hatte ebenfalls Besuch von Skuld; schon vor einigen Monden suchte sie mich auf und brachte mir eine Prophezeiung. Sie sagte, dass ich das Licht niemals von deiner Seite weichen lassen dürfte, sonst wäre es dein Ende - das Ende für uns alle. Ich hielt das damals für eine Metapher für die Hoffnung, die ich in dich setzen sollte, doch jetzt glaube ich, dass Skuld ein wesentlich gestaltlicheres Licht gemeint hat. Sie sprach von Gwendolyn Lewis.« Die Königin schob das goldene Zepter über den Tisch näher zu Loki, der verwirrt mit gefurchter Stirn und zusammengezogene Brauen zwischen seinem Bruder und seiner Mutter hin und her sah. »Ich weiß nicht, welche Rolle die Sterbliche noch spielen wird, doch ich weiß mit Sicherheit, dass sie nicht sterben darf. Sie ist wichtig und es ist zwingend notwendig, dass du sie beschützt, Loki. Wir müssen endlich ihr Geheimnis lüften.« Der Magier barg das Gesicht kurz in einer Hand zwischen gespreizten Fingern, während ein manisches Kichern in seiner Kehle nach oben kroch; diese Narren. Diese gutgläubigen Narren. Waren sie wirklich so dumm all ihre Hoffnungen in ihn setzen zu wollen?! »Was sagt der Allvater denn zu eurem geistreichen Plan? Ich bin sicher, er ist wenig begeistert-« »Er weiß es nicht, Loki.« unterbrach ihn Thor. »Vater weiß nicht, dass wir jetzt bei dir sind. Bis er es erfährt, musst du bereits auf Midgard sein. Du kennst die geheimen Pfade zwischen den Welten, kannst dich vor Heimdalls Blick verbergen, der dem Allvater sonst Bericht erstatten muss. Du musst ungesehen nach Midgard gelangen.« »Ich werde es ihm erklären. Ich werde zur rechten Zeit mit Odin reden.« sprach die Königin leise, wenngleich auf ihrem Gesicht die Gewissheit stand, dass dieses Gespräch alles andere als einfach und angenehm werden würde. Zu oft hatte sich Frigga in der Vergangenheit schon für Loki eingesetzt, um noch Verständnis dafür von Odin erwarten zu können. Sie hatte Angst vor der Enttäuschung ihres Mannes. Loki wies fast anklagend auf das verführerisch daliegende Zepter, während sich die Verbindungen seiner Magie zu den Energien umher wieder herstellten, nachdem er die Fesseln endlich losgeworden war. »Haltet ihr das wirklich für klug mich nach Midgard zu schicken!? Seid ihr wirklich so närrisch zu glauben, dass ich mit dieser Macht nicht das Falsche anfangen könnte?! Denkt ihr wirklich, ich ändere mich, nur weil ihr mir plötzlich so viel Vertrauen entgegen bringt?!« stieß er in süffisantem Unverständnis aus; ein fast wahnsinniges Grinsen tanzte über sein Gesicht, das die Gutgläubigkeit seines Bruders und seiner Mutter verspottete. Von einem Moment auf den anderen erlangte er alles zurück; seine Macht, seine Freiheit, die Aussicht auf seine Rache und sein Verlangen, etwas Größeres - einen Platz - für sich zu schaffen. Und diese beiden Augenpaare, die da auf ihm ruhten, glaubten tatsächlich, dass er sich jetzt wandeln und seine Macht für die gute Sache einsetzen würde? »Nein, Loki. Du wirst nicht das Richtige tun, weil wir dir vertrauen…« begann die Königin sachlich und doch so bestimmt und ruhig, dass es dem Magier bei ihren nächsten Worten die Luft aus den Lungen trieb und das Grinsen auf seinen Lippen gefror. Er konnte ihrem wissenden Blick nur stumm begegnen. »…sondern weil du etwas für die Sterbliche empfindest. Du wirst ihr und uns allen helfen, weil sie dir wichtig ist.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)