Götterherz von Jadis ================================================================================ Kapitel 4: Badaboom ------------------- 4 ¨¯¯¨˜“ª¤.¸°¸.¤ª“˜¨¨¯¯¨ Badaboom »Wollen Sie mir nicht auch gleich noch Handschellen anlegen?«, frage ich und versuche Agent Hills Blick im Rückspiegel aufzufangen. Es misslingt mir, aber ich sehe sie dennoch lächeln. »Das wird nicht nötig sein«, versichert sie. »Aber wenn Sie möchten, erteilt Ihnen Agent Coleman Sprechverbot.« Der Gorilla zu meiner Rechten rutscht auf seiner Sitzfläche gefährlich nah an mich heran und lässt seine Handgelenke knacken. Ein Hauch von Panik schleicht sich bei mir ein, aber als Coleman grinst wird mir klar, dass Hill wohl einen Scherz gemacht hat. Hoffe ich. Vorsichtshalber rücke ich ein Stückchen von Coleman weg, wo ich prompt gegen den Oberschenkel des Agenten zu meiner Linken stoße. Man! Man sollte echt meinen, dass in solchen schicken Fahrzeugen mit hellen Ledersitzen mehr Platz ist. »Das wird nicht nötig sein«, imitiere ich Agent Hill, werde mutiger und langsam auch ungeduldig. »Wenn Sie mich umbringen wollen, dann tun Sie es bitte gleich.« Diese Langeweile ertrage ich nun wirklich nicht viel länger. Keiner der Agenten reagiert auf meine Bitte, also werde ich wohl noch ein Weilchen weiterleben, denke ich. Mein Blick gleitet aus dem Seitenfenster. Seit etlichen Meilen fahren wir nun bereits über Wüstenstraßen und die monotone Landschaft rast an uns vorbei, während wir bei der Geschwindigkeit eine Staubwolke hinter uns herziehen, die wohl noch auf den Osterinseln zu sehen ist. Das Holpern des Geländewagens macht mich ganz schläfrig, aber noch bevor ich mich erkundigen kann, ob meine Entführer unter Umständen ein Nackenkissen griffbereit haben, vollführt der Wagen eine große Linkskurve und verschwindet in einem Canyon. Meine Neugier wird zu neuem Leben erweckt und meine Müdigkeit verabschiedet sich für den Moment. Was bleibt, ist das dringende Bedürfnis nach einem Softeis mit Schokoladenstreuseln. »Sie wissen nicht zufällig, wo man hier in der Gegend ein Eis kaufen kann, oder? Nein? Dachte ich es mir doch.« Wieder keinerlei Reaktion. Nur der Fahrer hält das Lenkrad einen ticken fester. Ich kann schon das Weiß an seinen Knöchel sehen. Die schmale Straße des Canyon öffnet sich kurz darauf in ein Tal, welches so groß ist wie... wie... Scheiße. Hier würde sogar die verfluchte Enterprise reinpassen. Doch als der Wagen hält und der aufgewirbelte Staub sich um uns legt, sehe ich keine Enterprise, sondern einen Helikopter. Augenblicklich werden meine Knie ganz weich. Ich komme mit allem klar, was zwei Tragflächen hat, aber derartige Fluggeräte sind mir äußerst suspekt. »Ich muss mal«, sage ich nach dem Aussteigen und schiebe es auf meine Nervosität, gleich mit... so etwas... fliegen zu müssen. »Wir sind gleich da«, versichert Agent Hill und erteilt Anweisungen an die Agenten, während Coleman mich vorwärts schuppst und der Helikopter bereits seinen Motor startet. An der Seite der Maschine prangt das Logo irgend so einer Organisation. Ich will den Namen lesen, aber die Buchstaben tanzen plötzlich vor meinen Augen herum, was mein Schaudern irgendwie nicht besser macht. Und diese Hitze. Ich fächere mir mit den Händen Luft zu und bemerke, dass sich Schweiß zwischen meinen Brüsten sammelt. Lokis Klimaanlage scheint hier nicht mehr zu funktionieren. Ob er bemerkt, dass ich außerhalb seiner Reichweite bin? Wird er jetzt nach mir suchen? Unauffällig befingere ich mein Armband. Das könnte eine äußerst unangenehme Situation werden. Nicht für mich, aber- »Geht es Ihnen gut?«, höre ich Hill über den Lärm der Rotorblätter hinweg fragen. Wieso, will ich fragen, sehe ich so mitgenommen aus? »Nein«, sage ich und beobachte, wie die beiden anderen Agenten wieder in den Wagen steigen und den Canyon verlassen. »Ich will immer noch ein Eis, mir ist heiß, meine Periode macht komische Sachen, meine Fußsohle juckt ganz schrecklich, aber es ist ein Kampf diese Sandalen an- und auszuziehen, mein Urlaub geht gerade den Bach runter und ich will zu meinem Freund.« Coleman sieht irgendwie verlegen aus, wechselt schnell einen Blick mit Hill und drückt dann meinen Kopf nach unten, während wir uns dem Helikopter noch weiter nähern, Wind an Kleidern und Haaren zerrt und scharfer Sand durch die Luft fliegt. Ich kneife die Augen zusammen, dann sitzen wir endlich in der Maschine, der fürchterliche Wind ist verschwunden und ich habe so einen schicken Helm auf dem Kopf, der auch den schlimmsten Lärm verschwinden lässt. Aber die Hitze bleibt. Seufz. Ich kralle mich irgendwo fest, als ein Ruck durch den Helikopter geht und bin peinlich berührt als ich merke, dass es Agent Colemans Knie ist, an das ich mich gerade klammere. Schnell ziehe ich meine Hand zurück und beschließe, dass es besser ist, den Rest des Fluges Nägel kauend zu verbringen. Die Kufen der Maschine lösen sich vom Canyongrund und wir steigen langsam empor. Rotes Gestein zieht an uns vorbei, dann sehe ich Wüste, den Colorado River und noch mehr Wüste. Ich falle in meinen Gurt, als der Hubschrauber sich nach vorn beugt und der Sonne entgegen fliegt. Über Bordfunk höre ich die belanglosen Gespräche der Agenten mit, mische mich jedoch nicht ein. Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, mich nicht zu übergeben. Ich will in meine Taube. Und zwar sofort. »Wir sind da«, rauscht Agent Hills Stimme plötzlich in meinem Ohr. »Das sollten Sie sich ansehen.« Ich sehe aus dem Seitenfenster in die Richtung in die sie zeigt und wundere mich. Dann bittet der Pilot um Landeerlaubnis und ich wundere mich noch mehr, denn ich sehe rein gar nichts und fühle mich verarscht. Wir befinden uns hunderte von Metern über der Wüste und vor uns liegt nichts, als flimmernde Luft. Moment... Ich blinzele, weil ich denke, dass meine Augen mir einen Streich spielen. Dann ziehe ich lautstark die Luft ein, als eine schwebende Festung wie aus dem Nichts auftaucht. »Retroreflexionspaneele vollständig deaktiviert«, teilt Hill mit und die Maschine setzt zur Landung auf einem riesigen, fliegenden Flugzeugträger an. Meine Nase klebt förmlich an der Scheibe, als ich versuche jedes Detail des fliegenden Monstrums aufzunehmen. Hubschrauber, Jets und anderes Gefährt wartet neben einer Landebahn auf Einsatz, Menschen verrichten ihre Arbeit und ich habe immer noch absolut keine Ahnung, was hier eigentlich vor sich geht. »Für gewöhnlich sagen die Menschen so etwas wie 'Wow', wenn sie den Helicarrier zum ersten Mal sehen«, sagt Hill milde grinsend. »Das«, beginne ich staunend, »trifft es nicht ansatzweise.« Und ich dachte, dass mich nichts mehr schocken kann, seit ich in Asgard war. Ein Lachen folgt und der Sinkflug beginnt. Keine Minute später reiße ich mir den Helm vom Kopf und springe hinter Coleman aus der Maschine. Ich bin froh, dass ich wieder festen Boden unter den Füßen habe, auch wenn dieses Gefühl trügerisch ist. Staunend stehe ich nah am Rand des Helicarrier und spähe nach unten. Ach du Scheiße! Das mit meinem Toilettengang hat sich gerade erledigt, glaube ich. »Miss Parker!« Ich drehe mich um, immer noch staunend, mit offenem Mund. »Huh?«, mache ich daher nur und ernte Hills verstehenden Gesichtsausdruck. »Folgen Sie mir. Hier draußen dürfte das Atmen gleich ziemlich schwer fallen.« Ich beeile mich zu ihr aufzuschließen, als sie durch eine Schleuse tritt und auch alle anderen Arbeiter so schnell wie möglich den Außenbereich verlassen. »Bleiben Sie dicht bei mir. Sonst verlaufen Sie sich noch.« Wir gehen durch lange, teilweise sterile Gänge, vorbei an Labors, eiserne Treppen hinunter und wieder hinauf, durchschreiten weitere Schleusen und begeben uns in Bereiche, in die man nur mit einer Schlüsselkarte Zugang hat. Okay, ich gebe es zu. Ich habe mich schon jetzt hoffnungslos verlaufen. Das ist hier ist ein verfluchtes fliegendes – aber wenigstens klimatisiertes – Labyrinth. Und die Enterprise ist ein Dreck dagegen. Schnell schließe ich zu Hill auf. Seit wir durch die letzte Schleuse gegangen sind, dreht sich sich gar nicht mehr um, um sich zu vergewissern, dass ich ihr auch folge, was mir irgendwie ein bisschen Sorgen macht. Ab und an begegnen wir... Technikern? Agenten? Wissenschaftlern? Ich habe keine Ahnung. Ich habe ja nicht einmal bemerkt, dass wir Coleman in dem Gängewirrwarr verloren haben. Verdammt! Er hat doch noch mein Mobiltelefon. Egal. Ich bin ja jetzt vermögend und kann mir ein Besseres kaufen, thehe. Vor uns öffnet sich erneut wie von Geisterhand eine große Tür und wir betreten das Allerheiligste. »Die Brücke«, sage ich flüsternd und trete hinter Hill auf die Kommandostation, wo wir direkt auf einen runden Tisch zusteuern, an dem Individuen sitzen, von denen ich unter Umständen schon einmal etwas gehört habe. Aus Tageszeitungen oder so. Hill bleibt vor mir stehen und nimmt Haltung an. Sie will etwas sagen, doch ich tippe ihr vorher vorsichtig auf die Schulter und sie dreht sich fragend zu mir. »Was denn?«, flüstert sie, während am großen Tisch vor uns eine Besprechung stattzufinden scheint. »Das sind die Avengers!«, quietsche ich aufgeregt und kann dem Drang in die Hände zu klatschen nur schwer widerstehen. »Ja, ich weiß«, sagt sie nur unbeeindruckt und wendet sich wieder dem Geschehen zu, während mein Blick über die Helden der Nation gleitet. Captain America, Hawkeye, Black Widow, Dr. Banner. Alle da. Bis auf einer. Iron Man fehlt. Hill räuspert sich lautstark und die Aufmerksamkeit aller richtet sich auf uns. Nicht winken, Riley, nicht winken, sage ich mir im Stillen, als ich bemerke, dass ich gemustert werde. Aber nur eine Sekunde lang. Vermutlich gelte ich nicht als Bedrohung und bin somit uninteressant. »Sir«, beginnt Hill und ein ganz in schwarz gekleideter Mann schaut von einem Tablet PC zu uns auf. Und wenn ich sage »ganz in schwarz«, dann meine ich damit sogar seine Hautfarbe. »Ah, Agent Hill«, sagt er. Ich bemerke seine Augenklappe und identifiziere ihn aufgrund seiner Stimme sofort als Direktor Fury. Der Kerl hat Loki also einmal in einem Glaskasten gefangen gehalten? Interessant. Ich mag ihn schon jetzt nicht. »Miss Parker befindet sich nun in unserer Obhut«, sagt Hill und tritt zur Seite, damit man mich noch besser sehen kann. Obhut? Das klingt, als müsse man mich vor irgendetwas beschützen. Ich fühle mich unwohl. Jetzt sehen mich wieder alle an. Diesmal länger als nur eine Sekunde. Sie starren regelrecht, besonders dieser Hawkeye. Der hat vielleicht einen Blick drauf. Schnell sehe ich woanders hin und fange Furys Blick auf. Auch nicht besser, wie ich feststellen muss. »Gute Arbeit«, sagt der Direktor unterdessen. »Sie dürfen wieder übernehmen.« »Danke, Sir.« Während ich noch überlege, was daran gute Arbeit ist, eine unschuldige Zivilperson klammheimlich aus der Wüste Arizonas zu entführen, nickt Hill übertrieben und begibt sich auf eine weiter unten liegende Ebene der Brücke. Ich sehe meine Gelegenheit gekommen, nun endlich zu erfahren, was ich hier eigentlich soll, setze an etwas zu sagen und werde von Fury barsch unterbrochen. »Hinsetzen und Klappe halten«, sagt er und ich bin so perplex, dass ich für den Moment nichts anderes tue, als zu starren. Dann folge ich seinem Blick und sehe ganz am Rand der Besprechungszone einen Klappsitz an der Wand. Das ist doch nicht sein Ernst? Ich will schon wieder etwas sagen, bin durch seinen Blick jedoch derart eingeschüchtert, dass ich gehorche. Schnell watschele ich zu der Ecke, wo Geländer und Wand sich treffen und klappe den Sitz herunter. Der Stahl ist kalt, als ich mich darauf niederlasse, was mir aber egal ist, solange ich nur hier sitzen und vor mich hin existieren kann und Fury mich nicht mehr länger mit Blicken malträtiert. Er kommt meinem Wunsch nach, sieht auf seine Armbanduhr, ebenfalls schwarz, und knirscht mit den Zähnen. Ich weiß nicht, auf was er wartet, jedoch fängt er mit dem, was er machen will an, was er dann auch sagt. »Fangen wir an.« Er wendet sich zu einem transparenten Monitor, der aus der Decke gefahren kommt und sein langer Ledermantel weht ihm dabei um die Beine. Weiter unten hallen Stimmen durch die Brücke, was mich kurzzeitig ablenkt. »Triebwerke sind auf voller Leistung«, ruft ein Offizier, was mich kurz über das Geländer hinweg blicken und das rege Treiben der vielen Offiziere beobachten lässt. Auf einem der Anzeigen lese ich »S.H.I.E.L.D. - Strategische Heimat Interventions-, Einsatz- und Logistik-Division.« Jetzt, da ich es lese anstatt nur höre, macht es irgendwie gleich viel mehr Sinn. »Bereit zum Start«, teilt ein weiterer Offizier mit und betrachtet dabei aufmerksam eine Grafik auf einem Bildschirm. »Alle Maschinen laufen. S.H.I.E.L.D.-Einsatzprotokoll 315.9 in Kraft. Wir sind startbereit, Kommandeur.« »Gut«, lässt Agent Hill verlauten. »Dann verschwinden wir. Retroreflexionspaneele aktivieren.« »Der Grund weshalb Sie alle hier sind«, beginnt Fury und ich schenke meine Aufmerksamkeit wieder dem Geschehen neben mir, während er wie wild auf seinem Tablet herum tippt. »Ist folgender.« Auf dem transparenten Schirm erscheint eine Videoaufnahme. Sie zeigt Eis, viel Eis. Da ich das eher mäßig interessant finde, beobachte ich lieber wieder, wie unten einer heimlich ein Ballerspiel spielt. Er ist kurz davor den Highscore zu knacken. Furys Stimme rieselt wie nebenbei auf mich ein, Captain America wirft eine Frage in den Raum und eine Diskussion beginnt. Mein Blick gleitet zum Bildschirm, der immer noch das Video zeigt. Nur ganz kurz sehe ich etwas kolossal großes. Irgendetwas ist da im Eis eingeschlossen. Ein Dinosaurier vielleicht, denke ich und muss selber darüber schmunzeln. Das Video wird von Satellitenaufnahmen und Koordinaten abgelöst. Ich muss mich zusammenreißen, um nicht zu gähnen. Das erinnert mich wieder an meine jetzige Situation. Und wo ist eigentlich mein Freund abgeblieben? Nick wird ihn doch wohl nicht auf seine Seite der Macht gezogen haben und mit ihm durchgebrannt sein? Die coole Tür öffnet sich erneut und ich blicke hoffnungsfroh auf. Das wurde aber auch Zeit. Ziemlich schnell bemerke ich, dass es nicht Loki ist, der die Brücke betritt. Ich werfe einen Blick auf mein Armband. Ob der Ortungszauber überhaupt noch funktioniert? »Sie sind spät, Stark«, unterbricht Fury die Besprechung und will den Neuankömmling wohl somit zurechtweisen. Dieser hebt nur lässig eine Hand und hält eine weiße Plastiktüte in die Höhe. »Ich habe Schawarma mitgebracht«, sagt er, als würde das alles entschuldigen und legt die Tüte mittig auf den Tisch. Was ist Schawarma? Dann sieht Stark kurz in meine Richtung und hebt erneut grüßend die Hand. »Riley«, sagt er und die Avengers werfen sich kurz Blicke zu. Vermutlich wundern sie sich, woher Stark und ich uns persönlich kennen. Mr. Stark setzt sich, mit dem Rücken zu mir, an den Tisch zu den anderen. »Greift zu, es ist genug für alle da. Also, was liegt an?« »Im Bezug auf unser Magieproblem sind wir noch kein bisschen weiter gekommen«, erklärt Fury in einer Seelenruhe, während Stark nach der Tüte greift und der Duft von etwas Essbarem zu mir herüber weht. »Aha«, macht Stark kauend und lehnt sich auf seinem Stuhl so weit zurück, dass er leise mit mir reden kann. »Schawarma?« »Nein, danke«, lehne ich ab. Ich warte immer noch auf mein Eis. »Was machst du eigentlich hier?«, will er weiter von mir wissen. »Ich-« »Stark!«, brüllt Fury und seine Stimme lässt mich zusammenzucken. »Wie in der Schule«, sagt Stark leise zu mir und rollt mit den Augen, bevor er sich wieder der Besprechung zuwendet. »Ich sehe das so. Wir verschwenden hier nur unsere Zeit. Keine uns bekannte Technologie kann die Barriere dieses Objektes durchdringen. Aber warum sollten wir das auch wollen? Es liegt seit tausenden von Jahren im arktischen Eis und stellt keine Bedrohung dar. Belassen wir es doch einfach dabei.« »Es könnte schnell zu einer Bedrohung werden«, mischt sich Captain America ein, der in »Eingesperrt im Eis«-Fragen quasi eine Koryphäe ist. »Mag sein«, tut Stark die Sache ab, dreht seinen kompletten Stuhl nun in meine Richtung und zeigt mit einem Finger auf mich. »Die Frage ist, was macht sie hier?« »Sie ist ein Köder«, gibt sich Fury schließlich geschlagen und beantwortet damit auch die Frage, die mir schon die ganze Zeit auf der Seele brennt. »Wenn wir eines in den letzten Monaten gelernt haben, dann die Tatsache, dass da wo sie ist, Laufeyson nicht weit ist.« Ich ziehe empört die Luft ein. Die haben uns beobachtet! Ich bin ein Lockvogel! Entführt, ausgeraubt und missbraucht! Wie erbärmlich. »Und Sie sind wirklich der Meinung, dass das eine so gute Idee ist?«, fragt Stark mit gerunzelter Stirn und schnalzt sogar mit der Zunge. Ich beobachte, wie sich die Köpfe der anderen Avengers zeitgleich zu Fury drehen. Sie warten auf eine Antwort. Fury kommt noch dazu Luft zu holen, dann zerreißt eine Explosion die Luft, deren Hitze meine Wange streift. Geistesgegenwärtig werfe ich mich auf den Boden und bedecke meinen Kopf mit den Armen. Der Tisch fliegt durch die Luft, Schreie werden laut und der ausgelöste Alarm lässt alles in einem roten Licht erstrahlen. In meinen Ohren hat sich ein unschönes Summen eingestellt und ich luge vorsichtig unter meinen Armen hindurch, um zu sehen, was eigentlich gerade passiert ist. Als erstes erblicke ich Stark, der am Boden liegt und von oben bis unten mit Schawarma bekleckert ist. Sein Blick sagt »Na toll!« Dann sehe ich Loki. Mit dem Rücken zu mir, steht er breitbeinig zwischen mir und den Avengers. Er trägt seine coolen grün-schwarz-goldenen Klamotten, unter ihm ist ein dunkler Brandfleck auf dem Boden zu sehen und sein Umhang weht leicht im... äh... Wind? Seine Körperhaltung verrät nichts Gutes. Er wirkt sehr angespannt. Sofort bin ich wieder auf den Beinen und sehe, dass sowohl Black Widow als auch Hawkeye mit gezogenen Waffen auf Loki zielen, während Captain America Dr. Banner auf die Beine hilft und sich dann nach seinem Schild umsieht. »Geben Sie mir einen Grund, Fury«, sagt Loki gefährlich ruhig und ein Knistern erfüllt die Luft, welches meine Haare statisch auflädt. Ich sehe, dass Magie um Lokis Finger zischt und seine Handflächen nach außen zeigen. »Nur einen Grund.« Waffen werden noch höher gerissen und Sicherheitskräfte stürmen die Brücke, ebenfalls bewaffnet und auf alles gefasst. Ich verspüre den unnötigen Drang, mich zwischen Loki und die Soldaten zu werfen, als Furys Stimme alle zum Innehalten auffordert. »Waffen runter«, befielt er lautstark, rückt seine Augenklappe zurecht und hebt beschwichtigend die Hände. Jetzt hat er seinen Spezialisten in asischer Magie, denke ich gehässig und beobachte zufrieden, dass sein Befehl befolgt wird. Endlich verschwindet das Summen in meinen Ohren und irgendjemand hat auch den nervigen Alarm abgestellt. »Hören Sie mir zu, Laufeyson«, versucht Fury es und mir fällt auf, dass er es irgendwie mit Nachnamen hat. »Wir brauchen Ihre Hilfe.« »Meine Hilfe?«, spuckt Loki das letzte Wort förmlich aus und seine Magie wird stärker. Meine Haare beginnen zu fliegen. Ich habe Angst, dass hier gleich ein Unglück passiert, also erinnere ich Loki daran, dass es mir gut geht und spreche ihn an. »Loki«, sage ich sanft seinen Namen und nähere mich. Er reagiert nicht, seine Hände zittern und er hält den Kopf gesenkt. »Loki!« Wieder keine Reaktion. Ängstlich stelle ich fest, dass die Waffen wieder gehoben werden. Auch Fury macht keine Anstalten mehr, ein Gespräch starten zu wollen. Vielmehr sucht er sich unauffällig nach einer Deckung um. Ich stelle mich neben Loki und lege vorsichtig eine Hand auf seinen Arm. Sofort entspannt sich seine Haltung merklich. Er senkt die Arme, das Knistern in der Luft verschwindet und sein Kopf dreht sich langsam in meine Richtung, als Schusswaffen wieder gesichert werden. »Riley«, flüstert er erkennend und legt eine Hand gegen meine Wange. Ich lächele und aus Starks Richtung höre ich ein leises Räuspern. »Vielleicht«, sage ich und Loki kommt einen Schritt auf mich zu, um mich in die Arme zu schließen, »ist es besser, wenn du-« Phlump. Ich habe nur kurz geblinzelt und schon stehen wir nicht mehr auf der Brücke des Helicarrier, sondern befinden uns in einem... Motel? »-dir anhörst, was sie zu sagen haben«, beende ich meinen Satz, sehe mich noch einmal kurz um und boxe Loki dann so fest ich kann gegen den Oberarm. »Warum hat das so lange gedauert?« Loki schenkt mir einen entschuldigenden Blick und hat sogar den Anstand leicht beschämt nach unten zu blicken. »Der Helicarrier ist ein bewegliches Ziel und nicht so einfach zu treffen«, erklärt er und sein Finger fährt an der Naht meines Ausschnittes entlang. »Ich habe ein paar Anläufe gebraucht. Unschöne Sache, als ich die Landebahn verfehlt habe und unter mir viele tausend Fuß Nichts war.« Bei dem Gedanken erschaudere ich, beobachte jedoch, wie Loki den Finger in mein Shirt steckt und interessiert in meinen Ausschnitt hinein lugt. »Was machst du denn da?«, frage ich und versuche ebenfalls einen Blick zu erhaschen. Er zuckt kurz mit den Schultern. »Ich wollte nur sehen, ob noch alles an Ort und Stelle ist.« Er grinst frech und ich ziehe eine Schnute, bevor ich seine Hand weg schlage und mein Shirt zurecht zupfe. Er zieht mich an sich und mein Gesicht landet an seiner Brust. Ich lege meine Hände gegen Lokis Rücken und spüre seine Lippen an meiner Stirn. »Ich hätte um ein Haar die ganze Besatzung gegrillt«, sagt er leise in mein Haar. »Das habe ich bemerkt«, nuschele ich gegen sein weiches Shirt. Wann hat er sich denn umgezogen? »Ich war nämlich dabei.« »Tut mir leid«, entschuldigt er sich genauso leise. »Ich war ein wenig, wie sagt man, neben der Spur.« Ich hebe meinen Kopf, um in seine grünen Augen sehen zu können. Dabei bemerke ich, dass sein Blick abwesend im Raum schwebt. »Wegen mir?«, frage ich langsam und sehe zu, wie er blinzelt und mich schließlich sein ungläubiger Blick trifft. »Natürlich«, gesteht er und streicht eine Haarsträhne aus meiner Stirn, was mich dazu bringt, selig zu lächeln. »Du bist doch mein liebstes Hobby.« Ich lache, eise mich von ihm los und umschließe den gesamten Raum in einer großen Geste, während ich rückwärts auf ein Bett zugehe. »Wo sind wir eigentlich?«, frage ich, als die Bettkante in meine Kniekehlen stößt und ich mich setze. Loki schnalzt mit der Zunge und setzt sich neben mich. »Wir sind in Tuba City. Ich dachte, dass du nach den heutigen Ereignissen ein wenig Ruhe vertragen könntest.« »Spitzenidee«, sage ich, lasse mich nach hinten fallen und zeige Loki meinen ausgestreckten Daumen. »Und wo sind Nick und Bob?« »Wenn alles gut gegangen ist, bereits am Monument Valley«, erklärt er und ich stütze mich auf meine Ellenbogen, um ihn besser betrachten zu können. »Mit dem Wohnmobil? Nick hat doch gar keinen Führerschein mehr.« »Dann sind sie hoffentlich in keine Verkehrskontrolle geraten«, sagt Loki und kleine Fältchen bilden sich um seine Augen, als er ein Lachen unterdrückt. Das hoffe ich auch, denn ich will nicht, dass Bob im Hundegefängnis landet. »Wann hast du eigentlich gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung ist?«, will ich wissen und richte mich wieder auf, um mein Gesicht gegen seine Schulter lehnen zu können. Meine Hände umschlingen dabei seinen Oberarm. »Ich fand es merkwürdig, dass du für die kurze Strecke zum Wagen so lange brauchst. Nick war der Meinung, dass du auf der Suche nach den Akkus vermutlich gerade das ganze Wohnmobil auf den Kopf stellst.« »Das stimmt nicht«, rechtfertige ich mich. »Ich meine, wenn ich es überhaupt bis zum Wohnmobil geschafft hätte, dann hätte ich sofort gewusst wo die Dinger sind. Ich schwöre.« Loki wirft mir, so gut es geht, einen amüsierten Blick zu. »In meiner Waschtasche, glaube ich.« »Ich wollte also nach dir sehen, als du plötzlich aus meiner Reichweite verschwunden warst. Der Ortungszauber hat mir dann verraten, dass du dich bereits ein paar Meilen weiter östlich aufhältst.« Loki dreht sich zu mir und umschließt mein Gesicht mit beiden Händen, zwingt mich, ihn anzusehen. »Ich hatte... Angst um dich.« Ich presse meine Lippen fest aufeinander, um mich davor zu bewahren loszuheulen. »Nichts passiert«, sage ich gepresst und mit belegter Stimme. »Mein Held hat mich ja unter Zuhilfenahme eines ziemlich dramatischen Auftrittes gerettet.« Loki lacht kurz auf, dann küsst er mich. Lang. Behutsam. »Nick habe ich davon nichts erzählt«, flüstert Loki gegen meinen Mund. »Er denkt, dass du schlimmen Heißhunger auf Sushi hattest und wir ganz, ganz dringend nach Osaka verschwunden sind.« Ich wende mich prustend von ihm ab und lache laut auf. »Ernsthaft? Sushi?«, frage ich und Loki nickt bestätigend. Seine Augen leuchten, als er mich lächelnd beobachtet. »Hm... Sushi...« »Willst du Sushi?«, fragt er zuvorkommend und richtet sich auf. »Ich hole dir Sushi, wenn du magst.« »Nein, danke«, sage ich und meine es auch so. Ich will wirklich kein Sushi. Viel lieber will ich ein Eis, aber das sage ich nicht. Denn noch viel lieber will ich, dass er sich wieder über mich beugt und mich weiter küsst. Aber ich bin zu müde, um diesem Wunsch angemessenen Nachdruck verleihen zu können. Also lasse ich mich einfach wieder nach hinten fallen, schließe die Augen und frage mich, ob meine private Klimaanlage wieder in Betrieb ist. »Was für ein Tag«, murmele ich und bemerke, dass Loki sich neben mich legt. »Heute Morgen waren wir noch in Vegas. Dann am Grand Canyon. Dann hat man mich verschleppt. Die fliegende Festung. Irgendwo ist eine riesige Schlange im ewigen Eis gefangen. Ich habe die Avengers gesehen. Dann dein Badaboom-Auftritt und-« »Was sagst du?«, fragt Loki und seine alarmierte Stimme lässt mich die Augen aufreißen. Er steht wieder aufrecht vor dem Bett und sieht mich abwartend und ungläubig zugleich an. »Was hast du gesagt?« »Dein... Badaboom-Auftritt?«, frage ich verwirrt und er schüttelt unwirsch seinen Kopf. »Die Avengers?« »Die Schlange«, hilft Loki mir auf die Sprünge und wird langsam ungeduldig. »Ach die«, sage ich und winke ab. »Fury hat davon erzählt. Ich habe nicht richtig zugehört, weil irgend so ein Typ ein witziges Ballerspiel gespielt hat und ich-« »Riley!« »Ja, die Schlange. Sah zumindest nach einer aus. Groß. Hässlich. Im Eis eingeschlossen und von irgendeiner Barriere umgeben, die nicht zu durchdringen ist.« Lokis Augen weiten sich und ich bin mir nicht sicher, ob das ein so gutes Zeichen ist. »Was ist denn?«, will ich wissen, als er beginnt auf und ab zu schreiten. »Du machst mich ganz nervös.« Plötzlich hält er direkt vor mir, sieht mich an und scheint einen Entschluss gefasst zu haben. Er nimmt meine Hand, zieht mich auf die Beine und noch bevor ich einen festen Stand habe, sind wir mit einem »Phlump« verschwunden. Ich stolpere und falle hart gegen Loki, der wieder seine Rüstung trägt und mich entschuldigend ansieht. Ich keuche. Das ganze hin und her gebeame macht mich noch ganz kirre. Ich sehe mich um und bemerke, dass wir uns wieder auf der Brücke des Helicarriers befinden. Es hat sich nicht viel verändert. Der Tisch steht wieder und die Besprechung ist noch nicht vorüber. Die Avengers und Direktor Fury springen von Ihren Plätzen auf, als sie unser Erscheinen bemerken. Fury nickt uns kurz zu. »Laufeyson«, sagt er und wirkt zufrieden. Ja gut, er hat Loki zugenickt, nicht uns. Loki wirkt aufgebracht und wendet sich von mir ab. Dann sagt er etwas, was mein Gehirn erst einmal verarbeiten muss. »Sie werden meinem Kind nichts antun.« Ääähhh... was? ~ Ende des 4. Kapitels ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)