Schwarze Märchen von mikanseimago ================================================================================ Kapitel 1: Phineas und Ferb --------------------------- Candace blinzelte gegen das energische Sonnenlicht an. Es war Samstag morgen. Sie mochte es, wenn die warmen Sonnenstrahlen sie weckten. Sie stand auf und schlürfte ins Bad, sie duschte und putzte ihre Zähne. Sie hörte ihre Mutter nach ihr rufen. Das Frühstück war fertig. Sie trank einen Schluck aus ihrer Wasserflasche und blinzelte auf ihren Schreibtisch. Da lagen ihre Tabletten. Hatte sie heute morgen schon eine genommen? Bestimmt. Das tat sie meistens vor dem Duschen. Was machten schon ein zwei vergessene Tabletten aus. Zufrieden und ausgeschlafen schlenderte sie die Treppe hinunter in den Essbereich, ihre Eltern und Brüder saßen bereits am Tisch und lächelten Candace entgegen. "Guten Morgen, Liebling. Hast du gut geschlafen?" "Ja! Ich bin vollkommen ausgeschlafen, ich freue mich auf den Ausflug heute!" Gestern hatten ihre Eltern spontan einen Ausflug zu ihren Großeltern geplant. Für Candace und ihre Mutter sprang ein Wellnessnachmittag dabei raus. Was gab es schöneres? "Ja... wir müssen euch was sagen, Kinder. Wir müssen den Termin vorerst auf nächsten Samstag verschieben. Euer Vater muss heute doch in die Firma und ich wurde gebeten in der Botique auszuhelfen. Das ist doch inordnung für euch?" Phineas und Ferb, Candace' jüngere Brüder nickten eifrig. "Wir wollten Perry heute ein neues Fressnapf basteln und ihn baden!" Ihre Brüder waren immer voller Elan. Niemals beschwerten sie sich über die ständigen Ausfälle ihrer gemeinsamen Ausflugsplanung mit ihren Eltern. Es ist schon sehr lange her, dass ein Termin wirklich am ausgemachten Tag stattfand. "Danke, Jungs. Candace hast du bitte ein Auge auf deine Brüder? Ich bin um die Mittagszeit wieder da." "Sicher.", es lohnte sich nicht zu protestieren. Sie hatte eh nichts anderes zu tun. Von der Schule war sie vorerst befreit. Seit drei Monaten wurde es schlimmer. Ihre Krankheit beherrschte zur Zeit ihr Leben. Und sie konnte froh sein, dass sie noch zuhause war und in keiner Klinik. Da wollte sie nicht hin. Was sollte sie da mit 16? Diese Tabletten sollten doch helfen, das taten sie aber nicht! Ihre Eltern verabschiedeten sich und verließen die Wohnung, Candace verkroch sich in ihr Zimmer. Sie konnte ihre Brüder vom Fenster aus im Auge behalten. Wenn sie wollte. Ab uns zu blickte sie hinunter in den Garten und sah den beiden dabei zu, wie sie verrückte Pläne ausheckten und diese nachbauten, von Achterbahn und Swimmingpool bis Riesen-Spa und Zeitmaschine. Natürlich brachten sie es fertig all diese Dinge wieder abzubauen oder zu verstecken ehe sie ihren Eltern zeigen konnte, dass ihre Vermutungen stimmten. Die beiden waren nicht ihre Brüder. Sie waren ihre Feinde. Wegen ihnen nahm sie diese dämlichen Tabletten, wegen ihnen hielten sie alle für verrückt und krank. Sie war sicher nicht krank. Zu Anfang versuchte Candace ihre Brüder immer auffliegen zu lassen und aus Schutz vor Gefahren erzählte sie ihrer Mutter, was die beiden den ganzen Tag, die ganze Woche anstellten. Natürlich belächelte diese das immer, und ihr Stiefvater hörte erst gar nicht zu. Sie war ein pubertäres Mächen mit viel Fantasie und einer rosaroten Brille auf der Nase. Vor 10 Jahren hat sich Candace' und Phineas' leiblicher Vater einfach abgesetzt, das Leben mit Kindern und einer Frau und seiner Arbeit war ihm wohl zu viel. Ein Jahr später lernte ihre Mutter ihren jetzigen Mann kennen, er brachte Ferb mit in die Beziehung und adoptierte die beiden Geschwister. In den ersten Jahren war alles ganz friedlich und Candace hatte so ziemlich eine normale Kindheit. Sie fühlte sich zwar oft außenvor, weil sie älter als ihre Brüder war und andere Interessen hatte und damit allein war, aber es gab kein Streit in der Familie. Ihr Stiefvater hatte nur immer und immer mehr Arbeit und das schien sein einziger Lebensinhalt zu sein. Natürlich kannte auch niemand Jeremy. Jeremy war der einzige, der ihr interessiert zuhörte, wenn sie ihm am Telefon von dem anstrengendem Tag erzählte. Ab und zu traf sie ihn und er sang von seiner Lieblingsmusik für sie vor. Er war wirklich sehr nett, und nahm niemals das Wort verrückt oder krank in den Mund. Er fand sie war was besonderes. Vor zwei Wochen dann wurde es schlimmer. Sie dachte erst ihre Brüder würden wieder Unfug machen, aber sie bekamen davon gar nichts mit. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, Pläne gegen Candace auf Papier zu bringen. Das Haustier ihrer Brüder, ein Schnabeltier namens Perry, lief auf einmal auf den Hinterbeinen. Es lief, als hätte es eine dringende Angelegenheit, wo es hin musste. Einen anderen Tag sah sie Perry mit einem Hut hinter dem Busch verschwinden, sie lief so schnell sie konnte runter in den Garten, aber hinter dem Busch war nichts zu sehen. Sie beobachtete das Tier immer mehr und war sich sicher, dass dieser ein Agent war. Es hörte sich so albern an, das wusste sie selbst, aber es wirkte doch so real, nur abends trafen sie Perry in der Wohnung an, unschuldig auf der Couch liegend und schnurrend, während Phineas und Ferb ihn kraulten. Den ganzen Tag über war er aber nicht aufzufinden, ab und zu sah Candace ihn, wenn sie aufpasste, aber es war auch nicht ganz so einfach, den ganzen Tag am Fenster zu sitzen. Niemand glaubte ihr. Ihre Eltern fanden, dass die "Fantasie" etwas krankhaft wirkte und schleppten Candace zum Arzt, dem sollte sie dasselbe erzählen, was sie ihren Eltern jeden Tag versuchte zu erklären. Er schickte sie an den nächsten Therapeuten, dieser dann direkt zum Psychiater und dieser verschrieb ihr nach einem langen Gespräch ihre jetzigen Tabletten. Es sollte besser werden meinte die Ärtzin. "Besser". Candace schmunzelte und stellte sich ans Fenster. Phineas nahm eine Lieferung großer Holzbretter entgegen und unterschrieb das Protokoll des Lieferanten. "Unglaublich, das bilde ich mir doch nicht ein. Ich sehe es doch!" Candace wendete sich dem Fenster ab, es tat zu sehr weh. Wenn sie ihre Brüder darauf ansprach was sie taten, beteuerten sie ihr, mit ihren Freunden im Garten zu spielen und sie planschten auch nur in einem Planschbecken statt in einem selbstgebauten Luxus-Swimmingpool. Candace wollte das nicht glauben. Sie sah etwas anderes als hr jeder erzählen wollte. Das konnten doch nur Lügen von ihren Brüdern sein. Okay, es ist schon schwer zu glauben, dass ein 10- und 11-jähriger Schüler große Lieferungen Baumaterial bestellte und damit durch kam und dann natürlich auch noch Arbeiten von ein zwei Tagen von ausgebildeten Bauarbeitern zu zwei und vermutlich ohne Ausbildung in ein paar Stunden erledigten und diese dann am selben Tag noch wieder abbauten. Das war so absurd. An einem Tag war sie dann auf die unschlagbare Idee gekommen, das Geschehen zu filmen! Was ist eindeutiger als eine Videoaufnahme außer es selbst zu sehen?! Candace filmte ganze zwei Stunden wie ihre Brüder eine Achterbahn bauten. Sie brauchten nur zwei Stunden!!! Candace war so stolz auf das Video und präsentierte es am Abend ihren Eltern. Sie sah alles, alles was sie gefilmt hatte, sie wusste dass ihre Eltern ihr jetzt glauben würden. Sie mussten! Diese beteuerten ihr, dass sie Phineas und Ferb mit Spielzeugautos und Achterbahnen aus kleinen Bausteinen im Garten sahen. Candace schaute genauer hin. Nein, das war eine echte Achtrerbahn, sie war so riesig, sie hatte sie angefasst, sie stand davor!!! Waren jetzt alle gegen sie? Candace gab sich immer weniger die Mühe ihren Eltern zu erzählen, was sich den ganzen Tag hier abspielte. Sie hörte manchmal, wie ihre Eltern von einer guten privat Psychiatrie sprachen, die sehr professionell sein sollte. Sie überlegten, mit ihrer Tochter ein Aufnahmegespräch zu vereinbaren. Candace versuchte sehr natürlich zu wirken und gab sich sehr fröhlich und zufrieden. Ihre Eltern sprachen die Klinik nicht mehr an. Wieso wollten ihre Eltern sie weggeben? Dabei waren doch ihre Brüder, die Rebellen. Nicht sie. Sie war immer eine gute Tochter. Aber jetzt, wo sie vermutlich krank ist, wollten sie sie abschieben. Das konnten sie doch nicht tun. Eine Familie hält doch zusammen. Candace unterdrückte ihren Schmerz und die Tränen und setzte sich mit einem Buch auf die Fensterbank. Die Sonne schien angenehm warm herein und wärmte ihre Haut. Sie blinzelte raus in den Garten, in der Hoffnung, ihre Brüder würden brav herumspielen und keine außergewöhnlichen Experiemente bauen. Sie sah genauer hin. Saßen da Hunde, Katzen, Tiger, Bären und Vögel in einer Reihe und warteten vor dem Gerät, dass ihre Brüder bauten? Was...war das? Sie legte ihr Buch zur Seite und lief hinaus. Das war zu viel. Ihre Brüder brachten sich doch ingefahr, da konnten doch keine Tiger in ihrem Garten sitzen, was sollte das alles? Candace liefen die Tränen ununterbrochen. Sie erreichte den Garten und sah verzweifelt auf ihre Brüder. "Candace! Wir haben ein Gerät gebaut, mit dem wir mit unseren Lieblingskuscheltieren reden können! Willst du dich zu uns setzten?", Phineas lächelte seiner Schwester entgegen. Jede große Schwester wäre bei diesen lieben Brüdern schwach geworden und würde sie bedingungslos lieben. Das könnte sie auch. Aber diese Lügen. "Phineas... Das sind echte Tiere in unserem Garten, was ist hier los?" "Du hast recht, sie wirken wirklich echt. Komm her, du musst hören, was für Sorgen und Wünsche sie haben. Das ist so spannend." Candace blieb an der Tür stehen. Ferb nahm ein Mikro, das mit der Pappschachtel verbunden war. Das war ja wirklich nur eine einfache Pappschachtel, kein Gerät aus Metall und Holz. Dann waren das doch Kuscheltiere? Ferb hielt dem großen Bären das Mikro hin. "Was bedrügt dich, Mr. Brown?", fragte Phineas und hielt Papier und Stift bereit. "Also... meine Kinder. Ich liebe sie, aber sie essen mir den ganzen Honig weg. Ich hab abends immer einen bärenhunger, dass ich gar nicht schlafen kann." "Mehr Honig...", notierte Phineas auf seinem Block. "Wird erledigt! Der nächste!" Der Bär stellte sich zu dem Kanninchen auf die andere Seite und ein kleiner wuscheliger Hund trat als nächstes vor. "Das,... glaube ich nicht.", Candace' Herz schlug schneller. Ihr Mund war trocken, sie wollte gerade ihr Handy aus ihrer Rocktasche ziehen als neben ihr im Busch ein rascheln ertönte. Sie blickte sich erschrocken um. Perry sprang heraus. Er stand vor Candace und zuckte zusammen, schnell nahm er den Hut ab, den er trug und ließ sich auf alle Viere fallen. Dann tapste er unauffälig zu Phineas und Ferb herüber, diese freuten sich einen nächsten Patienten nach seinen Sorgen zu befragen. "Ich glaube das nicht!", Candace riss ihr Handy aus ihrer Tasche, wählte die Nummer ihrer Mutter und lief ins Haus hinein. "Candace, ich hab gerad keine Zeit, gleich fängt eine wichtige Besprechung an.", ihre Mutter schien gestresst und wollte sie abwürgen. "Mom!!! Du musst sofort herkommen, es ist kein Scherz! Phineas und Ferb haben Tiger und Bären und Hunde in unserem Garten und reden mit ihnen! Der Bär hat ihnen gesagt, dass er unter Hunger leidet, weil seine Kinder ihm den ganzen Honig weg essen. Ich habe es gehört, wirklich! Und Perry! Ich habe ihn wieder erwischt mit seinem Hut und er kann wirklich auf zwei Beinen gehen, er hat ein Gerät indem er Geheimcodes eintippt, er ist ein Spion, ich weiß es genau, ich-" "Candace, bitte! Nicht jetzt!" "Aber Mom, bitte! Du musst sofort hier her kommen!" "Candace, das geht nicht! Leg dich schlafen und ruh dich aus, ich habe in drei Stunden schluss, dann komm ich nachhause. Ich muss los." "Aber-" Ihre Mutter legte auf. Candace sank zu Boden. Das konnte nicht wahr sein. Das konnte nicht....wahr sein.... Sie weinte. Sie weinte immer mehr. Irgendwann schlief sie auf dem Boden im Flur ein. Ihr Schluchzen wurde immer leiser und wiegte sie in den Schlaf. "-andace!" "Candace!" "Candace, wach auf!" Ein kräftiges Rückeln holte Candace aus dem Schlaf. Ihre Mutter hockte vor ihr. Sie sah besorgt aus. Oder tat so, als wäre sie besorgt. "Candace, gehts dir gut?" "Ja. Ich bin nur eingeschlafen." Phineas stand besorgt neben seiner Mutter und hielt einen Plüschbären in der Hand und drückte diesen fest an sich. Er sah genau aus, wie dieser Mr. Brown. Nur etwas kleiner. Und nicht lebendig. Dieser Bär erinnerte sie an den Tag. Hatte ihre Mutter es auch gesehen? "Phineas, hast du Mom das Gerät gezeigt, mit dem du mit deinen Tieren gesprochen hast?" Phineas nickte. Endlich! Candace sah erwartungsvoll zu ihrer Mutter. "Candace. Es war eine alte Müslischachtel und ein Mikrofon, das nicht mal angeschlossen war. Und das hier, ist der Bär.", sie zeigte auf Phineas' Plüschbären. "Aber, nein! Phineas, sag ihr die Wahrheit! Er hat doch geredet! Ich habe diesen Bären reden hören! Er will mehr Honig, gibt ihm Honig!!!!", Candace schlug ihre Hände vors Gesicht und fing stark zu Schluchzen an. Phineas weinte ebenfalls. Er drückte sich an seine Mutter und sah geschockt aus. Er legte seinen Bären neben Candace. "I- Ich, wollte nicht, da- dass du weinst, Candace.", schluchzte ihr Bruder. Candace blinzelte durch ihre Finger auf ihren Bruder. Das war alles ein Traum. Ein böser Traum. Sie weinte. Sie sprang auf und lief in ihr Zimmer. Sie schloss die Tür hinter sich ab. "Candace mach dir Tür bitte wieder auf." "Nein! Lass mich in Ruhe!" "Candace...", ihre Mutter ließ von der Tür ab. Eine Stunde später musste Candace auf Toilette und spähte vorsichtig in den Flur. Sie wollte niemanden sehen. Der Flur schien leer. Sie schlich ihn entlang und steurte aufs Klo zu als sie die halb geöffnete Tür des Elternschlafzimmers bemerkte. Ihre Eltern stritten leise. Sie lauschte. "-andace... nicht mehr... stressig..." Sie hörte nicht viel und presste ihr Ohr dichter an den Türspalt. "Ich weiß nicht, was wir noch tun sollen. Ich habe das Gefühl, es wird immer schlimmer. Candace ist krank! Sie muss behandelt werden!" "Ich rufe morgen früh bei der Privatklinik an. Dort kann sie einwandfrei behandelt werden, ich werde gleich nach dem Telefonat mit ihr hinfahren und sie absetzen. Eine Stunde später kann ich bestimmt auf der Arbeit erscheinen.", ihr Stiefvater tippte auf der Computer Tastatur rum. Er konnte sich nicht mal mit seiner Frau unterhalten, ohne auf seinen PC zu starren und seiner Arbeit nach zu gehen. Er interessierte sich doch als letzte für Candace. Und sie war auch noch daran schuld, dass er eine Stunde zu spät zur Arbeit kommen würde und er diese drauf hängen musste... Candace schlich weiter auf die Toilette. Sie lehnte sich von innen an die Tür und sank auf dem Boden zusammen. Das wars also. Jetzt war sie zu weit gegangen. Sie wollten sie in die Psychiatrie stecken. Da würde sie versauern. Es war wie ein Gefängnis. Sie hatte sich vor einigen Tagen im Internet über solche Kliniken informiert. Sie wollte da nicht hin. Sie glaubte nicht, dass ihr jemand helfen konnte. Was konnten sie schon tun? Ihre Augen rausnehmen, damit sie nicht das sah, was sie so 'verrückt' machte? Das ist doch absurd! Sie zitterte leicht. Es ging ihr nicht gut. Ihr war schwindelig und übel. Wie sollte es jetzt weitergehen? Sie konnte ihre Eltern sicher nicht mehr überreden, ihr noch eine Chance zu geben. Aber sie wollte nicht weg. Sie wollte gar nichts mehr. Es konnte nicht so weiter gehen, sie wusste selbst, dass es immer schlimmer wurde. Was sollte sie nur machen? Es gab keinen Ausweg, kein Heilmittel... Sie durchsuchte alle Schubladen und Wandschränke in der Toilette. Sie suchte. Sie wusste nicht nach was, aber irgendwas würde sie schon finden. Irgendwas... Irgendwas. Sie öffnete die unterste Schublade und sah die Rasierutensilien ihrer Mutter. Rasierer. Rasier...klinge... Sie schluckte. Sowas hatte sie noch nie gemacht. Sie nahm einen Einwegrasierer aus der geöffneten Packung und schlich wieder in ihr Zimmer. Sie schloss ab. Am liebsten würde sie es so machen, dass es niemand sehen oder mitbekommen würde. Einfach vom Erdboden verschwinden. Einfach weg sein. Wie eine Seifenblase zerspringen und unsichtbar sein. Doch wie sollte man das schon anstellen. Sie hatte keine Zeit, Pläne zu schmieden. Es musste sofort sein. Jetzt hatte sie die Gelegenheit. Diese Gelegenheit wird so schnell nicht wieder kommen. Das wusste sie. Da war sie sich sicher! Überzeugt! Wer schaffte es schon, in einer geschlossenen und überwachten Klinik, allem ein Ende zu bereiten. Sie zog die Vorhänge vor ihren Fenstern zu. Sie überprüfte nochmal, ob die Tür fest verschlossen war. Dann machte sie leise Musik an. Sie stand vor ihrem Spiegel und sah sich noch einmal an. Sie kämmte ihr Haar und steckte sich ihre Lieblingsspange ins Haar. Sie lächelte unglücklich. Sie setzte sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken gegen ihren Schrank. Sie wiegte sich ein bisschen hin und her. Sie versuchte sich zu beruhigen und die letzten Minuten zu entspannen. Schluss mit dem stressigen, verrückten und kranken Leben. Sie brach die einzelnen Rasierklingen aus dem Rasierer und beäugte jede einzelne genaustens. Sie nahm eine fest in die rechte Hand und starrte wie gebannt auf ihren Arm. Was jetzt? Vorsichtig zog sie eine Linie auf ihrem Arm. Ein leichter Schmerz und wenig Blut kam zum Vorschein. Okay. Alles halb so schlimm. Das geht ganz schnell. Sie überlegte nicht mehr, mit voller Wucht rammte sie sich die Klinge in ihr linkes Handgelenk und zielte auf ihre Pulsader, die halbe Klinge verschwand in ihrem Arm und sie zog sie schnell wieder raus. Sie presste ihre Zähne fest aufeinander. Der Schmerz war das kleinste Übel in ihrem Leben, es interessierte sich nicht. Sie merkte es kaum. Sie zog um sich die Zeit schneller zu vertreiben noch mehr tiefe Schnitte über die große Wunde und reißte sich diese immer mehr auf. Sie legte ein rumliegendes Kleidungsstück auf ihre Beine und beobachtete, wie es sich mit dem ganzen Blut voll sog. Ihr wurde schwummrig. Sie beschloss sich hinzulegen, sie könnte versuchen einzuschlafen. Dann würde alles viel schneller gehen. Sie legte sich auf den Boden und drehte ihren Arm so, dass die Wunde nach unten zeigte und mehr Blut floß. Sie schloss die Augen. Sie wollte diese nie wieder öffnen. Sie nutzte ihre letzten Gedanken und dachte an ihre früheren Kindergeburtstagen. Bunte Luftschlangen, Luftballons. Eine große Torte mit rosa Kerzen und Marzipanblumen. Freunde, Familie, Spaß,... Musik... L... Liebe... Candace schlief ein. Sie wachte nie mehr auf. _______________________________________________________________ Ich freue mich sehr über jegliche Art von Kritik, Anregungen, Tipps, Meinungen und Wünsche bezüglich eines Märchens/Film über welches ihr die schwarze Seite lesen wollt. Vielen Dank fürs Lesen! Bis zum nächsten Kapitel! Kapitel 2: Rapunzel ------------------- Seufzend vergrub sie sich unter ihrer Haarpracht. Der Tag zog sich unheimlich in die Länge. Dieser Gedanke brachte sie zum verzweifelten Lachen. Jeder Tag war unendlich lang. Aber sie hatte das Gefühl, dass die kommenden 24 Stunden, die längsten in ihrem Leben sein werden. Und die letzten. In 24 Stunden sind es genau 10 Jahre. 10... Jahre... Weinen konnte sie nicht mehr. Das hörte schon nach 3 Jahren auf. Irgendwann geht es nicht mehr. Zumal es auch viel zu anstrengend war. Wenn man den ganzen Tag, das ganze Leben nichts tat. Wirklich gar nichts! Dann war etwas so banales wie Weinen schon unglaublich anstrengend und schwer. Vor fast 10 Jahren, sie war gerade 5 geworden, es war ihr Geburtstag, wurde sie entführt. Sie erinnert sich an diesen einen Tag so genau, als wäre es gestern gewesen. Ihre Mutter überreichte ihr ein Geschenk, verpackt in rosa Papier mit einer weißen Schleife. Sie wollte es gerade voller Vorfreude öffnen, als die Tür aufsprang. Drei große verdunkelte Personen liefen herein und zwei von ihnen stürzten sich auf meine Eltern. Der dritte griff nach mir und warf mich über seine Schulter. Das Geschenk fiel zu Boden. Ich weinte schrecklich. Die anderen zwei liefen mir und dem dritten hinterher, wir fuhren viele Stunden weit hinaus in eine dunkle, verlassene Gegend, dann kamen wir zu einem großen alten Gebäude, sie steckten mich in einen winzig kleinen Essensaufzug und ich landete in einem dunklen Raum, mit einem einzigen Ball-großen-Loch, das als Fenster diente. Sonst war nichts in dem Zimmer. Kalter Boden, kahle Wände, Holzbalken hoch oben an der Decke, die ich damals noch nicht erreichen konnte, mittlerweile konnte ich auf Zehenspitzen, mit den Fingern dort ankommen. Sehr selten bekam ich über den Aufzug, inden ich natürlich nicht mehr passte, unterschiedliche Dinge, wie eine Luftmatratze, Wolldecken, einmal am Tag etwas zu essen und andere kleine Dinge. Ich habe die Personen, die mich hier einsperrten nie wieder gesehen, sie reden auch nicht mit mir, sie existieren quasi nicht. Ich habe geschrien, gegen die Wände geprügelt, nichts. Nie hat jemand geantwortet, nie habe ich was gehört. Das beste, was ich bekommen habe sind ein Allgemein-Lexikon und ein altes Geschichtsbuch. Ich habe die beiden Bücher sooft gelesen, ich weiß genau auf welcher Seite, was steht. Ich habe nach neuen Büchern gebettelt, ich wollte irgendwas haben zur Beschäftigung, aber ich habe nie mehr bekommen. Zur Pflege habe ich als einziges eine Bürste. Als Toilettenersatz dient mir ein Eimer, der einmal am Tag ausgetauscht wird. Es ist mehr als widerlich, aber nach 10 Jahren ist es das kleinste Übel, was mich beschäftigt. Ich habe mich jetzt eh entschlossen. Entschlossen, alles hinter mir zu lassen. Endlich weiß ich, wie ich es hoffentlich endgültig schaffe. Ich habe schon so viel probiert. Ich habe versucht mir so viele Schmerzen zuzufügen, dass ich daran sterbe. Aber das hat nicht funktioniert. Ich habe mich selbst geschlagen, immer wieder. Aber ich habe es immer überlebt. Ich habe versucht mir mit der Bürste meinen Körper aufzukratzen, um vielleicht zu verbluten. Aber ich habe nicht genug Kraft und Ausdauer, dass ich nie mehr als ein paar Kratzer davon trage, die niemals lebensgefährlich wären. Ich wollte mir die Augen auspieksen, aber es tat so weh und ich befürchtete, dass ich auch das überleben würde und dann niemehr lesen könnte. Das wäre noch schlimmer, als hier zu leben und das Elend sehen zu können. Das Lesen war das Interessanteste und Spannendste überhaupt für mich! Das alles war jetzt aber egal! Seit ein paar Tagen komme ich nämlich auf Zehenspitzen an die Holzbalken an der Decke an. Das bietet mir so viel neue Möglichkeiten, ich habe schon versucht auf die Balken zu klettern um kopfüber runter zu springen, aber ich habe es noch nicht geschafft. Dann kam mir eine viel bessere Idee. Ich plante sie ganz genau und überlegte mir aus welchem Grad es am besten passte. Ich war so aufgeregt und freute mich auf diesen Tag, wie auf eine Rückkehr zu meiner Familie. Da fiel mir ein, dass ich bald Geburtstag habe. Und ich wollte den Jahrestag abwarten. Den 10. Jahrestag. Dann war mein Tod nicht noch unbedeutender, als er es ohnehin war. Dann hatte er eine Bedeutung für mich. Er verband mich indirekt mit meiner Familie. Es war mein 15. Geburtstag. Ich war doppelt so lange hier, wie ich bei meiner Familie gelebt hatte. Der Gedanke schmerzte mich sehr. Aber ich hatte nur noch weniger als 24 Stunden zu warten. Ich wusste, dass ich immer dann, wenn das Licht am grellsten in den Raum durch das kleine Fenster schien, das Essen bekam. Und immer zu meinem Geburtstag bekam ich um 24 Uhr, genau um Mitternacht, eine Kleinigkeit über den Aufzug. Das wäre mein Zeichen. Dann ist der 10. Jahrestag erreicht. Der Tag, auf den ich warte. Der Tag, andem endlich alles ein Ende nahm. Der letzte Tag. Der Aufzug quietschte grausam. Als er oben ankam, nahm ich die Serviette auf der immer eine kleine Mahlzeit lag aus dem Aufzug. Ich schüttete alles in den Klo-Eimer und legte die Serviette in den Aufzug zurück, um die gräßlichen Wesen in dem Glauben zu lassen, ich hätte es mit Freude gegessen. Ich aß schon seit vielen Wochen nichts mehr. Ich hatte in dem Lexikon gelesen, dass Ernährung dafür steht, dem Menschenkörper alle Nährwerte und Vitamine zuzuführen, die er zum Leben braucht. Ich dachte, wenn ich die Ernährung auslasse, hat der Körper vielleicht bald keine Energie mehr und stirbt. Es war so schmerzhaft und ich litt jeden Tag unter starken Krämpfen. Es ging mir nicht schnell genug. Ich lebte schließlich immer noch! Ich wollte den Moment selbst bestimmen, und nicht abwarten bis mein Körper entschied zu sterben. Ich las meine beiden Bücher noch zweimal durch. Die Sonne war verschwunden und der Raum war dunkel. Ich wusste, wo alles war. Es gab ja nicht viel. Ich flechtete meine Haare zusammen. Ich hatte indem Geschichtsbuch eine Frau gesehen, die ihre Haare geflochten hatte und fand das damals so schön, dass ich alles ausprobiert hatte, um die Frisur genau so hinzubekommen wie sie. Ich liebte meine Haare damals. Sie waren so schön lang und ich brauchte so lange um sie zu kämmen oder eine Frisur zu formen, dass viel Zeit durch sie verstrich. Das war natürlich gut. Mittlerweile hasste ich meine Haare. Ich hasste alles an mir, weil ich das bin, was ich auf Grund dieser ekelhaften Wesen, die mich hier einsperrten, geworden bin. Sie hatten mich quasi zudem gemacht, was ich jetzt bin. Der Gedanke war ekelhaft. Meine Familie würde mich sicher niemals wieder erkennen. Ich sah fremd und unheimlich aus. Dreckig, schmutzig, unhygienisch, abgemagert. Das würde ich meinen Eltern nicht antun. Der Aufzug quietschte. Endlich! Ich wickelte eine Strähne zum fixieren des geflochtenen Zopfes ums Ende. Ich kroch zum Aufzug und nahm den Gegenstand heraus, der Aufzug wurde wieder runter gezogen. Es war ein Bleistift. Ein Stift. Sie dachten also ich hätte mit 15 durchaus interesse am Schreiben lernen. Tja, da habt ihr euch geirrt. Ich warf den Stift und alle Kleinigkeiten, die in dem Raum rumlagen außer den Büchern in den Klo-Eimer, es waren nur wenige Dinge. Dann kippte ich den Eimerinhalt in das kleine Loch, wo der Aufzug rauf und runter gezogen wurde. Die würden sich freuen! Ein schöner Geruch. Ich lächelte. Ich stellte den Eimer kopfüber auf den Boden und positionierte die beiden Bücher oben drauf. Ich stellte mich vorsichtig auf die Bücher. Es wackelte kaum, ich hatte guten Halt. Meine Haare waren schwer, ich zog sie hoch zu mir und warf sie mit einem Schwung über den Holzbalken, das wiederholte ich mehrmals, es sollte schön fest sein. Die restlichen Male wickelte ich den Zopf um meinen Hals und drehte mich so lange bis es drückte und keine Haare mehr zwischen Balken und meinem Kopf rumhangen. Ich atmete noch einmal tief durch. Ich hatte keine Angst. Das war gut. Ich wusste, dass jetzt alles besser werden würde. Ich würde vielleicht irgendwann im Himmel meine Familie sehen. Oder ich falle in einen wunderschönen Schlaf und träume von meinen Eltern und der Liebe, die ich von ihnen bekam. Ich war so glücklich, dass mir einige Tränen übers Gesicht liefen. Jetzt war es soweit. Ich war 15. Ich war genau seit 10 Jahren hier eingesperrt. Das war der letzte Tag. Ich umklammerte den Holzbalken mit meinen Armen und kickte mit dem Fuß gegen den Eimer, dieser fiel um und rollte zur Seite. Es wird alles besser, es wird alles besser, es wird alles besser. Die Worte beruhigten mich, ich dachte an meine Mutter und an meinen Vater, die Tränen wurden weniger und ein Lächeln bildete sich in meinem Gesicht. Ich wollte nicht mehr warten. Ich wollte nie mehr warten. Dann ließ ich den Balken los. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)