Der Heilmagier von akamaru-kun ================================================================================ Kapitel 1: 1 ------------ Meine Decke glitt von meinen Beinen herunter… Decke? Eigentlich schlief ich mit einem einfachen Stofffetzen auf einem Bett aus Stroh, so wie es bei den armen Familien bei uns der Fall war. Mein Vater war nur ein einfacher Fischer und davon gab es leider genügend in unserer Stadt. Nur mein Bruder hatte es geschafft, dass aus ihm etwas wird. Sein Weg führte ihn zur Stadtmiliz und so wurde im Laufe der Jahre ein angesehener Ritter aus ihm. Das gleiche hatten nun auch meine Eltern mit mir vor und schickten mich zu der städtischen Schule der Milizen, welche ich aber mit eher wenig Interesse befolgte. Als ich nun mich langsam aufrichtete, hörte ich schon die ersten Schritte in die Richtung meines Zimmers kommen. Das muss meine Mutter sein, dachte ich mir. „Rhodan! Aufstehen!“ Das waren die Worte, die mich jeden Morgen weckten. Nur an diesem Morgen war ich schon früher wach, als es normalerweise der Fall war. Ich hatte so ein ungutes Gefühl im Magen, was den Tag betraf, als irgendetwas nicht stimmen würde. „Ja, ich komm gleich“, rief ich ihr gefolgt mit einem lauten Gähnen zu. Ich war noch sehr müde, musste aber aufstehen um nicht meinen Unterricht zu verpassen. Als ich mein Zimmer, ein ziemlich kleines mit einem Bett, einem Schrank ohne Türen und einen kleinen Tisch mit einem Hocker, verließ, sah ich schon meinen Vater am Tisch sitzen, wo er, wie jeden Morgen sein Brot ohne irgendwelche Aufstriche aß. Seiner Meinung nach verdarb Butter und Käse den doch so herrlichen Geschmack von seinem ach so geliebten Brot, was an manchen Tagen zu vielen Streitigkeiten zwischen meinen Eltern führen konnte. „Rhodan! Du bist spät dran“, sagte dieser zu mir, als er mich sah. „Deine Mutter hat heute auch verschlafen und daher musst du dich beeilen, wenn du nicht zu spät kommen willst. Ein echter Ritter darf nicht zu spät kommen und du willst doch ein echter Ritter werden, oder etwa nicht?“ Er sah mich erwartungsvoll an und schmatzte dabei. Ich konnte förmlich die zerkauten Brotteile in seinem Mund erkennen. Was die Tischmanieren anging, so hielt er nicht viel davon. Mir blieb in solchen Augenblicken nichts anderes übrig als zu nicken. Immerhin wollte ich ihn ja nicht enttäuschen, denn ich wusste, dass wir das Geld dringend gebrauchen könnten, da mein Bruder seine eigene Familie zu versorgen hatte. Ich saß mich ohne weitere Worte hin und aß langsam mein Frühstück, ein kleines Brot – nichts zu vergleichen mit dem meines Vaters – mit etwas Bienenhonig darauf. Als ich nun anfing zu essen wurde es sehr still am Tisch, da niemand ein weiteres Wort sagen wollte. Und so ging ich dann auch wortlos aus dem Haus. Nur ein „Auf Wiedersehen“ brachte ich über meinen Lippen, worauf ich aber nie eine wirkliche Antwort bekam. Am Nachmittag war ich nun auf dem Weg zu meinem Meister, dem Heiler der Stadt. Neben meiner Ausbildung in der Stadtmiliz befolgte ich eine zweite Ausbildung bei ihm, welche mich äußerst interessierte. Mein Meister brachte mir alle Möglichkeiten der Heilung bei, durch Kräuter und auf anderen Wegen. Darüber war speziell mein Vater nicht sehr erfreut, hatte aber nicht den Mut es mir zu verbieten, da ich unter dem Schutz eines Heilers stand. Und niemand würde es jemals wagen einem Heiler zu wiedersprechen, da alle von seinen Künsten abhängig waren, wenn es ihnen einmal nicht gut ging. „Ah, Rhodan, schön dich endlich zu sehen“, begrüßte er mich, als ich zur Tür hineinkam. „Ich brauche jetzt wirklich deine Hilfe.“ Er saß wie immer auf seinem kleinen Stuhl vor dem Kamin und entspannte sich ein wenig von den ganzen Anstrengungen, die ihm am Vormittag wiederfahren waren. Da er schon ein etwas älterer Mann mit vielen grauen Haaren – sogar einige weiße darunter – und einem Vollbart, wodurch er eine etwas strengere Gestalt zu sein schien, war, hatte er nicht mehr die Energie, um den ganzen Tag zu arbeiten. Meine Ausbildung fand in seinem eigenen Haus statt, wo es aber außer mir keinen anderen Lehrling gab. Er sagte mir immer, dass zu viele Lehrlinge ihn nur stören würden. Wie genau gerade ich zu dieser Ausbildung gekommen war, erinnerte ich mich aber nicht mehr genau, weil es schon drei Jahre her war, dass ich sie begonnen hatte. Aber das war das Beste, was mir je passieren hätte können. Mein Meister stand von seinem Stuhl auf und ging dann auf mich zu, sah mir dabei mit seinen schimmernd blauen Augen tief in meine. „Rhodan! Wie du ja weißt, wird deine Ausbildung bald zu Ende sein. Hast du dir schon Gedanken gemacht, was du danach anstellen willst?“ Ich schüttelte darauf nur den Kopf: Eine genaue Ahnung hatte ich wirklich nicht. Nicht einmal einen müden Gedanken hatte ich daran verschwendet, da für mich irgendwie feststand, dass ich nach meiner Ausbildung meinem Meister weiterhelfen könnte. Aber diese Frage ließ in mir Zweifel aufkommen, ob mein Meister dies überhaupt wollte. Wollte er mit einem anderen Heiler, der ausgelernt hatte, zusammenarbeiten? Hatte er vielleicht Angst, dass ich ihn seinen Posten streitig machen könnte? Immerhin war er der beste Heiler der Stadt. Und dann war da noch meine Ausbildung bei der Stadtmiliz. Mein Vater würde mir auch nie erlauben, dass ich als ausgelernter Heiler selbstständig arbeiten würde. Seiner Meinung nach könnte ich wohl mit meiner Heilerausbildung eine gute Möglichkeit haben, in einem Kampf als Ritter meine Kameraden bzw. auch mich selber helfen zu können ohne auf die Hilfe eines Heilers warten zu müssen. Aber als selbstständiger Heiler außerhalb der Miliz kam für ihn nicht in Frage. „Mein lieber Rhodan! Du bist ein sehr talentierter junger Mann. Ich weiß aber, dass deine Eltern dich lieber in der Miliz sehen wollen, was ich sehr schade fände.“ „Wollen Sie mich nicht mehr weiter unterrichten?“, brachte ich darauf empört ein. „Ich bin fast neunzehn Jahre alt. Meine Eltern können mich doch nicht zu allem zwingen.“ „Oh doch, das können sie! Und das weißt du genauso gut wie ich.“ In diesem Augenblick kam es mir so vor, als könnte er Gedanken lesen, was natürlich absurd war. Aber insgeheim hoffte ich jeden Tag darauf, dass eventuell einer der Ritter käme, um meinen Eltern sowas zu sagen wie: „Es tut mir leid Ihnen das mitteilen zu müssen, aber Ihr Sohn wird es nie in die Miliz schaffen. Damit müssen Sie sich abfinden.“ Aber das wird wohl immer ein Traum bleiben. Außer den Rittern könnte nur der Bürgermeister, der König – wovon ich nicht ausging, da ich dachte, dass diese beiden Personen nicht einmal wüssten, dass ich existiere – oder einer der Magier aus dem Kloster mich ‚befreien‘. Aber auch was die Magier angeht, hatte ich so meine Zweifel. Was hätte denn schon ein Magier davon, mich von der Miliz freistellen zu lassen? Die Magier waren unsere geistlichen Oberhäupter – obwohl ich noch nie einen persönlich gesehen hatte – und ich gehörte nun mal zu einer weltlichen Familie. Nur wenigen Leuten meines Standes war es wirklich bestimmt Magier zu werden. Und dazu werde ich wohl nie gehören. „Überleg dir gut, was du in Zukunft machen wirst“, fuhr er dann fort. „Was das Schicksal für dich bereithält, kannst nur du erfahren.“ Was er genau mit diesen Worten gemeint hatte, verstand ich nicht. Mein Meister sprach öfters in Rätseln zu mir. Am Abend musste ich – wie ja jeden Abend – mein Kampftraining in der Milizschule aufnehmen. Ich hasste das so sehr; morgens Theorie und abends die Praxis. Richtig wohl fühlte ich mich dort nie, speziell in den letzten Tagen, da ich mit Abstand der Älteste war. Die letzten aus meinem Jahrgang hatten im Frühjahr die Schule erfolgreich verlassen und kümmerten sich entweder um die Stadt oder machten in der Hauptstadt nun ihre Ritterausbildung. Die anderen aus meiner Schullaufbahn hatten einen Handwerksberuf gelernt. Soweit ich mich erinnern konnte, gab es aus meiner Klasse damals nur einen Jungen, der ins Kloster gegangen war, um dort als Novize anzufangen. Seine Eltern gehörten zu den reichen Leuten – man muss viel bezahlen um überhaupt als Novize aufgenommen zu werden – die in einem anderen Viertel wohnten, wo wirklich nur die Reichen hineinkamen. Aber ob er die Magierprüfung geschafft hatte, wusste ich nicht. Interessieren würde es mich aber sehr. Beim Training ging es in der Regel um das Kämpfen mit einhändigen Waffen, wofür ich aber wirklich kein Talent hatte. Das bemerkte mein Ausbilder jeden Abend aufs Neue. Leider war er nicht befugt mich wegzuschicken, da meine Eltern für diese Ausbildung bezahlten. Und so übte ich mit viel Mühe. Das Schwert in meiner Hand war ziemlich schwer, was aber nicht mein wirkliches Problem war. Meine Ungeschicklichkeit war so groß, dass ich mir öfters selber wehtat. Viele lachten nur über mich, nannten mich ‚einen Versager‘ und auch mein Ausbilder seufzte ständig, wenn er mir die Übungen zum tausendsten Mal erklären musste. Als der Abend dann langsam sich dem Ende zuneigte, durfte ich endlich nach Hause gehen, worüber ich extrem froh war. Jedes Mal zog ich mir neue blaue Flecken zu und das Gelächter meiner ‚Kollegen‘ brannte sich immer tiefer in meine Psyche. Wenn du erst einmal ein ausgelernter Heiler bist, so sagte ich mir, und sie dann deine Hilfe brauchen, wird es ihnen schon leidtun, wenn ich ihnen aus Bestrafung nicht helfen werde. Dass dies leider unmöglich war, wusste ich genau. Ein Heiler war dazu verpflichtet jeden verletzten zu helfen, egal ob Freund oder Feind. Es war schon spät. Ich musste rennen – meine Eltern wurden immer sauer, wenn ich zu spät kam – und daher achtete ich nicht genau auf meine Mitmenschen. Ein Fehler, wie ich es erst merkte, als ich plötzlich mit einer Person zusammenstieß. Der Stoß hatte eine so extreme Wucht, dass ich mit einem lauten Knall zu Boden ging. „Aua!“, schrie ich dabei. „Ist alles in Ordnung bei dir?“, sagte eine Mädchenstimme zu mir. Als ich dann meine Augen langsam öffnete, sah ich zuerst nur eine braune Lederhose. „Du musst wirklich aufpassen, wo du hinläufst.“ Ohne darauf zu reagieren gingen meine Blicke immer ein Stückchen höher. Langsam erblickte ich dabei eine braun-goldene Rüstung, welche aber nur den Oberkörper und ihre Schultern bedeckte. Ihre Arme waren hingegen vollkommen unbekleidet. „Komm, ich helf dir auf!“ Als sie mir ihre Hand hinstreckte, traute ich meinen Augen nicht. Ihre Finger sahen sehr komisch aus: Sie waren spitz und sie besaß keine Fingernägel! Hatte sie einen schrecklichen Unfall gehabt, wobei dann ihre Finger verkrüppelt wurden? Ja, das musste es sein. Sie tat mir bei diesem Gedanken ziemlich leid. „Was ist nun? Soll ich dir helfen, oder nicht?“ Ihre Worte klangen immer ungeduldiger. Ich war mir unsicher. Dann griff ich aber ihre Hand und sie zog mich mit einer gewaltigen Kraft nach oben. Noch nie hatte ich so ein starkes Mädchen gesehen, naja, jedenfalls fast nie. Erst in dem Augenblick, als ich wieder auf beiden Beinen stand und ihr Gesicht sah, realisierte ich mit einem Schrecken, welchen ich so gut wie es nur ging verbergen wollte, dass ihre Finger nicht das Einzigseltsame an ihr waren: Ihre Nase war genauso spitz, wie ihre Finger und ihre Augenbrauen gingen an den beiden Außenseiten nach oben. Ihre Haare waren lang und braun, wobei sie ein schmales, rotes Tuch auf dem Kopf gebunden hatte, welches hinter den spitzen Ohren verlief und wahrscheinlich am Nacken zusammengebunden war. Ich stellte mir nur zwei Fragen: Wer war sie und vor allem WAS war sie? Sie lächelte mich an „Du bist wohl nicht sehr gesprächig, oder?“ Ihr Lächeln und ihre Stimme brachten ein komisches Gefühl in meinem Körper hervor. Einerseits war ich entsetzt, wie sie aussah, aber andererseits interessierte mich das Mädchen doch ein wenig. „Ich bin übrigens Dana. Wie ist dein Name?“ Ich brachte kein Wort heraus. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Tausende von Emotionen schossen nur gerade so durch meinen Körper und ich wusste diese nicht zu verarbeiten. Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich einen Menschen wie sie gesehen. Aber war sie überhaupt ein Mensch? „Stellt man sich bei euch Menschen nicht auch mit dem Namen vor?“, fragte sie mich darauf verwundert. Sie sagte wirklich wortwörtlich ‚euch Menschen‘. Nun schoss mir wieder ein Gedanke ein. Meine Eltern haben manchmal von Kreaturen geredet, die außerhalb der Stadt wohnen sollten. Das war auch der Grund, warum ich nie die Stadt verlassen durfte. Mehr wollten sie mir aber nie erzählen, egal wie oft ich darüber nachfragte. Allgemein sprach kaum einer der Erwachsenen über diese anderen Lebewesen. Den Grund verstand ich nicht, da dieses Mädchen sympathisch zu sein schien. Oder war das nur ein Trick? „Na-na-na-natürlich“, stotterte ich als Antwort auf ihre Frage. Dabei wiederholte ich die erste Silbe mehrmals. „Mein Name ist Rhodan.“ „Rhodan? Das ist wirklich ein netter Name!“ Sie klopfte mir kurz auf die Schulter und ging dann langsam an mir vorbei. „Wir sehen uns sicherlich irgendwann mal wieder, Rhodan.“ Dabei betonte sie speziell meinen Namen. Nach ein paar Sekunden, in dem ich erst einmal realisieren musste, was überhaupt passiert war, drehte ich mich noch einmal zu diesem Mädchen um. Sie hatte ein langes, weißes Tuch – so sah es jedenfalls für mich aus – auf den Rücken, welches an den Schultern festgebunden war. Aber eine andere Sache schockierte mich abermals: Eine Sache, die mir vorher nicht aufgefallen war. Es war komisch und schockierend zu gleich. Ich wusste nicht genau, was damit anzufangen. Ich bemerkte nämlich, dass sie schwer bewaffnet war! An ihrer linken Hüfte trug sie ein langes Schwert und ein kleines Messer. An der rechten Hüfte war eine lange Zweihandaxt befestigt – war das Mädchen wirklich in der Lage damit umzugehen? Beim Abendbrot wollte ich meinen Eltern dann von dieser Begegnung erzählen, aber als ich auch nur ein Teil der Beschreibung vertrug, unterbrach mein Vater mich halblaut: „Dieses Mädchen hast du dir sicher nur eingebildet.“ Diese Worte meines Vaters verstand ich nicht wirklich. Das war sicher keine Einbildung. Oder etwa doch? Ich konnte aber hören, wie nervös meine Eltern wurden, nachdem ich das ausgesprochen hatte. Dieses fand ich äußerst merkwürdig. Mein Vater selber sah nur noch auf seine Suppe. Mich ignorierte er dabei vollkommen. „Ich habe keinen Hunger“, sagte ich nur noch, bevor ich dann in mein Zimmer ging und die Tür noch einen Spalt aufließ, um eventuell die kommenden Worte meiner Eltern belauschen zu können. Aber keine der beiden sprach auch nur ein Wort mehr und so schloss ich die Tür komplett und ging schlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)