Besitzansprüche von ZerosWolf ================================================================================ Kapitel 4: Levys Beichte ------------------------ Kopfschmerzen. Unerträgliche Kopfschmerzen. So schlimme Kopfschmerzen, dass Natsu davon aufwachte. Kopfschmerzen, die ihm Übelkeit brachten. Jedoch befand sich nichts in seinem Verdauungstrakt, das hätte herauskommen können. Erst ein einziges Mal in seinem Leben hatte Natsu so einen Kater gehabt. Damals, als Makarov meinte, dass er wahrscheinlich fünfzehn wäre und ihm gestattete, Alkohol zu trinken. Was hatte er natürlich getan? Die damals bereits trinkfeste Cana zu einem Trinkwettkampf herausgefordert, den er noch heute bitter bereute. Er mochte Alkohol, er trank auch gerne Mal einen über den Durst, aber seit diesem Wetttrinken hatte er keinen solchen Absturz mehr erlebt. Bis heute. Am Vorabend war es Natsu egal gewesen, wie viel er in sich hinein kippte. Er war dafür dankbar, dass Alkohol die Sinne vernebelte und hatte gehofft, dass er durch seine Wirkung Lucy vergessen könnte. Ob das für den Abend geklappt hatte wusste Natsu nicht, dafür hatte er den Abend vergessen. Wie war er eigentlich nach Hause gekommen? Ach, egal, was würde ihm das wissen bringen? Auf jeden Fall nicht Lucy zurück. Natsu war zu spät gewesen. Er hatte zu lange gewartet, ihr seine Gefühle zu gestehen. Nun hatte sie sich schon einem anderen versprochen, diesem Gillian, und ein Stellargeistmagier hielt immer zu seinem Wort, wie sie ihm schon so oft beteuert hatte. Aber warum mussten darunter auch Eheversprechen fallen? Aber man heiratete doch eigentlich nur den, den man wirklich liebte, nicht wahr? So hatte Natsu das zumindest bisher verstanden. Also musste Lucy diesen Gillian wirklich lieben. Gillian und nicht Natsu. Das war eine sehr unangenehme Erkenntnis. Dabei hatte Lucy gar nicht so glücklich ausgesehen, als sie ihm von der Verlobung erzählt hatte. Was also, wenn Lucy diesen Gillian nicht liebte? Warum heiratete sie ihn dann? Ach, nachgrübeln brachte doch eh nichts. Lucy würde Gillian heiraten. Punkt. Natsu hatte seine Chance verpasst. Er zwang sich aufzustehen. Er brauchte ganz dringen eine Kopfschmerztablette. Hatte er soetwas im Haus? Nein, natürlich nicht. Und selbst wenn, dann musste es abgelaufen sein. Natsu hatte für gewöhnlich keine Kopfschmerzen. Er war ja auch nie krank. Deswegen enthielt sein Medizinschrank lediglich einen Mammutvorrat an Verbänden und Salben gegen die Verletzungen, die er sich gelegentlich zuzog. Kratzer, Wunden und blaue Flecken, mehr nicht. Seine Widerstandsfähigkeit hatte ihn bisher oft leichtsinnig werden lassen. Vielleicht sollte er damit aufhören und seine Besonderheiten geplanter einsetzen? Aber das beinhaltet Planen und das konnte er nicht. Natsu konnte zuschlagen, ja, aber er besaß keine Technik, keine Pläne. Für Pläne brauchte er Lucy, doch sie war nicht mehr an seiner Seite und würde dort nie wieder sein. Nicht, nachdem er auch jede Hoffnung auf ein freundschaftliches Verhältnis durch sein Geständnis zunichte gemacht hatte. Kopfschmerzen. Er musste jetzt ersteinmal etwas gegen diese verdammten Kopfschmerzen machen. Alles andere hatte Zeit. Wo waren seine Klamotten? Verschwommen nahm Natsu wahr, dass diese den Weg von der Haustür zum Bett säumten. Hatte er grade was an? Nur seine Unterhose. Vermutlich war es ihm zu anstrengend gewesen, sich T-Shirt und Jogginghose anzuziehen. Schwankend verfolgte Natsu die Spur aus Kleidern und zog diese dabei an. Das stellte sich als schwierig heraus, da er gar nicht richtig erkennen konnte, ob die Sachen auf links oder auf rechts gedreht waren. Er wollte ja nicht wie der letzte Penner zur Apotheke stiefeln. Natsu war gerade in Begriff, seine Haustür zu öffnen, als es klopfte. Wer kam ihn denn um diese Zeit besuchen? Wie spät war es eigentlich? Langsam öffnete er die Tür und erblickte Levy und neben ihr Happy. „Du siehst schlimmer aus als nach einer Bahnfahrt.“, grinste der Kater. Er fühlte sich ja auch schlimmer. Aber sein Mund wollte nicht schnell genug reagieren, um Happy das ins Gesicht zu sagen. Stattdessen hielt ihm Levy eine kleine Papiertüte entgegen. „Ich glaube, das kannst du brauchen.“, meinte sie. Natsu nahm den Beutel entgegen und sah hinein. Kopfschmerztabletten. Oh ja, genau das, was er brauchte. „Darf ich reinkommen?“ Levy machte einen ungewöhnlichen Eindruck. Sie trat von einem Bein aufs andere und sah sich ab und zu über die Schulter. Es war schon ungewöhnlich genug, dass sie ihn besuchte. Woher wusste sie überhaupt, wo er wohnte? Und warum zum Kuckuck hatte sie ihm Kopfschmerztabletten gebracht? Ach, egal, Natsu war dankbar, da durfte sie auch sein Reich betreten. „Darfst du.“, murmelte Natsu und ging zuerst hinein. Manieren von wegen Frauen den vortritt lassen hin oder her, Natsu brauchte jetzt ganz dringend die Tabletten. Er hörte Levys zögerliche Schritte hinter sich und wie sie leise die Tür schloss. „Wow, was für ein Chaos.“, meinte sie. Sagte man sowas beim ersten Besuch? Eigentlich verkniff man sich laut Juvia solche Kommentare. Aber Levy war ja auch nur in der Gilde aufgewachsen. „Sah schon schlimmer aus.“, bemerkte Natsu und schleppte sich zum Wasserhahn in der Küche. Ja, sein Haus hatte schon sehr viel schlimmer ausgesehen. Irgendwie hatte er es nicht geschafft, die Ordnung, die Lucy geschaffen hatte, beizubehalten. Manchmal war er ganz schön faul, das musste er sich selbst eingestehen. Natsu warf sich eine Tablette in den Hals und kippte ein ganzes Glas kaltes Wasser in einem Zug hinterher. Das tat gut! Jetzt musste nur noch die Tablette endlich wirken! Levy hatte sich Platz auf seinem selten genutzten Sofa geschaffen und sich dort niedergelassen. Sie wirkte noch immer so nervös. Pausenlos tippte sie mit ihrem rechten Zeigefinger auf ihr Knie, sah sich um und schwitzte sogar ein bisschen. „Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“, fragte Natsu neugierig und Levy zuckte zusammen. Schuldbewusst sah sie zu Boden. „Ich sollte nicht hier sein.“ Die Blauhaarige stockte kurz, dann schüttelte den Kopf. „Aber ich kann auch nicht zusehen, wie Lucy sich in ihr Unglück stürzt!“ Sie sah Natsu mit so festem Blick an, wie dieser ihn noch nie bei der kleinen Magierin gesehen hatte. Oder doch, ein Mal, als diese komische Runenbarriere von Fried ihn und Gajil nicht durchlassen wollte. Damals war sie fest entschlossen gewesen. Hieß das, dass Levy jetzt gerade auch fest entschlossen war? Aber wozu? Was brachte sie her und, verdammt nochmal, was hatte das mit Lucys Glück zu tun? Lucy war eigentlich das Thema, das Natsu ganz und gar nicht ansprechen wollte. Eigentlich wünschte er sich gerade nur, in Ruhe leiden zu dürfen. Seine Hängematte baumelte so verlockend neben ihm! Aber Levys fest entschlossener Blick ließ ihn nicht los. Er war eben doch sehr neugierig. „Lucy liebt Gillian nicht.“, sagte Levy gerade heraus. „Sie liebt dich.“ „Ja, sicher.“, entgegnete Natsu ironisch. „Sie heiraten ja auch mich und nicht den Schönling.“ „Ich meine es ernst, Natsu!“, rief Levy aufgewühlt. Ihre Lautstärke tat Natsus Kopfschmerzen gerade gar nicht gut. „Lucy hat es mir selbst gesagt, mir und Mira. Aber wir mussten ihr auch versprechen, es nicht weiter zu erzählen, obwohl das offensichtlich war!“ Konnte sie ihm das nicht leiser sagen? Natsus Kopf brummte so heftig, dass er ersteinmal kurz überdenken musste, was Levy da eigentlich gesagt hatte. Also, Lucy liebte ihn und es war den anderen genauso offensichtlich erschienen wie ihm, bevor er entdecken musste, dass sie mit Gillian zusammen war. „Warum ist sie dann mit Gillian zusammengekommen?“, überlegte Natsu laut. Levy seufzte und holte tief Luft. Oh nein, hoffentlich wurde das jetzt keine Erklärung von den Ausmaßen, die Lucy von sich gab! Alles bloß das nicht! Das würde sein kranker Kopf gerade gar nicht vertragen! Aber Levy ließ sich nicht aufhalten: „Lucy war sich zwar ihrer Gefühle sicher, aber nicht deiner. Auch wenn uns allen klar war, dass Lucy für dich jemand ganz besonderes ist. Sie kennt dich aber auch noch nicht so lange wie wir. Für keinen von uns hättest du manche der Dinge getan, die du für Lucy angestellt hast. Die beste Aktion war die mit dem entwurzelten Kirschbaum.“ Das einfach jeder wusste, dass er das damals war! Wenigstens gab es keine Beweise, sonst hätte er ein gesetzliches Problem gehabt. Es war ja nicht so, dass er den Baum beschädigt hätte. Natsu hatte sich den Baum doch nur ausgeliehen, weil Lucy ihn so gerne sehen wollte und wegen einer dummen Erkältung nicht konnte. Damals hatte er noch gar nicht begriffen, warum es ihm so wichtig war, das Lucy glücklich lächelte oder warum er sich so gerne in ihrer Nähe befand oder warum er sie nicht weinen sehen mochte. Liebe war etwas schleichendes. Levy räusperte sich und holte Natsus Gedanken wieder in die Gegenwart. Sie war noch nicht fertig mit ihren Erläuterungen. „Lucy war auf jeden Fall der festen Überzeugung, dass du sie nur als Freundin siehst und war sich nicht einmal sicher, ob du überhaupt Interesse an Frauen hättest, immerhin könntest du sie nackt sehen und ihre Brüste anfassen, ohne dabei rot zu werden.“ Frauenkörper waren für ihn ja auch nichts neues, immerhin zeigte Erza so gar keine Scham Natsu und Gray gegenüber. Manchmal nervte es Natsu schon, dass die alte Ziege ihn wohl nicht als richtigen Mann wahrnahm. „Und du hättest irgendetwas von 'du hättest wohl keine andere Wahl gehabt' gefaselt, als du Lucys Brüste angefasst hast.“ „Keine andere Wahl, als die Situation auszunutzen!“, erklärte Natsu. „Immerhin befanden wir uns mitten im Krieg mit den Drachen und ich hatte kurz zuvor ihr zukünftiges Selbst sterben sehen. Lucy hat das mal wieder falsch aufgefasst und gedacht, ich würde ihre Brüste verdecken wollen oder sowas. Ganz ehrlich, wäre Happy nicht aufgetaucht, hätte dieser Zwischenfall anders geendet.“ „Vielleicht hätten wir dann das aktuelle Dilemma nicht.“, meinte Levy mit einem traurigen Lächeln. „Lucy hat auf jeden Fall zufällig Gillian in der Stadt kennengelernt. Er ist hilfsbereit, höflich, zuvorkommend und sieht obendrein auch noch gut aus. Er ist so perfekt, dass es schon fast gruselig ist.“ Perfekt war jawohl Ansichtssache! „Auf jeden Fall zeigte er ernsthaftes Interesse an Lucy. Deswegen dachte sie sich, bevor sie ihr Leben lang darauf wartet, klare Worte von dir zu hören und sie sich selbst dadurch unglücklich macht, sucht sie sich einen anderen Mann.“ Was konnte Natsu denn dafür, dass Lucy nur Klartext verstand? Und da behaupteten Frauen, Männer würden Anzeichen nicht deuten können! Aber Natsu ging dieses Gespräch auf die Nerven, auch wenn seine Kopfschmerzen dank Tablette endlich nachließen. „Und warum erzählst du mir das alles? Es ist zu spät, Lucy wird Gillian heiraten. Sie hat es ihm versprochen und als Stellargeistmagierin wird sie ihr Wort nicht brechen.“ „Aber Lucy ist ganz unglücklich.“, mischte sich nun Happy zum ersten Mal in das Gespräch ein. „Ich habe sie beobachtet. Sie hat die ganze Nacht in ihrem Bett gelegen und geweint und dabei immer wieder gefragt, warum du ihr das jetzt sagen musstest, wo es zu spät ist.“ Der Kater ließ die Ohren hängen. „Und sie hat laut überlegt, ob sie die Gilde verlassen soll. Sie führt ja manchmal so seltsame Selbstgespräche.“ „Hört auf!“, rief Natsu wütend und Levy und Happy fuhren zusammen. Wollten sie, dass er sich noch schlechter fühlte, als er es eh schon tat? Herzlichen Glückwunsch, das hatten sie geschafft! „Lucy hat sich den Mist selbst eingebrockt! Wenn sie der Meinung ist, dass sie unbedingt mit knappen achtzehn schon einen Mann braucht und nicht warten kann, bis die Dinge zwischen uns klar sind und sich und mich dadurch ins Unglück stürzt, hat sie selber Schuld!“ Sein Gewissen schrie, dass er mit schuld war, aber das ignorierte er fürs Erste. „Was geht euch das überhaupt an? Das ist ein Problem zwischen Lucy und mir! Mit euch hat das rein gar nichts zu tun!“ Mit einer ruckartigen Bewegung stand Levy plötzlich. „Ich will nicht, dass meine Freunde sich ins Unglück stürzen!“, schrie sie mit Tränen in den Augen. „Aber ihr seid beide so verdammt stur!“ Dann rauschte sie aus dem Haus und knallte die Haustür hinter sich zu. Ein solches Temperament kannte Natsu von dem Bücherwurm noch nicht und es verwunderte ihn doch sehr. Ja, sie waren Freunde. Ja, Natsu wollte auch nicht, dass Lucy sich ins Unglück stürzte. Ja, Natsu war stur, aber Lucy auch. Vor allem dann, wenn es um Versprechen ging. Dieser verfluchte Stellargeistmagier-Kodex! „Natsu.“ Happy stand auf dem Wohnzimmertisch und sah seinen Freund mit besorgten Augen an. „Wird Lucy uns verlassen?“ Natsu kniete sich nieder und tätschelte Happy den Kopf. „Natürlich nicht.“, versuchte er dem Kater Mut zu machen. „Sie wird nicht mehr so viel Zeit für uns haben und nicht mehr in die Gilde kommen, aber sie bleibt unsere Freundin, egal wen sie heiratet.“ Auch wenn die Beziehung zwischen Natsu und Lucy nie wieder so natürlich sein würde, wie vorher, vor Natsus Geständnis. Mit diesem quälenden Wissen schleppte Natsu sich durch die folgenden Wochen. Lucy tauche nur noch alle paar Tage mal für ein paar Minuten in der Gilde auf, eigentlich nur, um einen kleinen Job anzunehmen. Nie etwas großes, für das sie mehrere Tage fort wäre. Sie behauptete, sie hätte nebenbei so viel mit den Hochzeitsvorbereitungen zu tun. Ihre Freunde vermuteten eher, dass Gillian jetzt, nach der Verlobung, sein wahres Gesicht zeigte und Lucy an der kurzen Leine hielt. Am liebsten hätte Natsu das überprüft, aber sein Verhältnis zu seiner früheren Partnerin war eh schon gespannt genug. Er wollte es nicht riskieren, die wenigen, kurzen Gespräche die sie führten, auch noch missen zu müssen. Ob Gillian wohl inzwischen Lucys heimische Seite kannte? Spätestens nach der Hochzeit würde Lucy diese nicht mehr verbergen können. Bisher war das Wissen, dass Lucy nur ihm die ungeschminkte Wahrheit zeigte, ohne dass es ihr etwas ausmachte, sein einziger Trost. Manchmal hielt Natsu sein eigenes Trübsalblasen nicht mehr aus. Dann wollte er alleine sein, ganz alleine. Auch Happy durfte dann nicht an seiner Seite sein, keiner seiner Freunde durfte ihn so sehen. Wenn es ihn wieder packte, wanderte er rastlos umher. Meistens am Tage, manchmal mitten in der Nacht. Die Träume von Lucy ließen ihn noch immer nicht los, jedoch hatten sie sich nun zu Albträumen entwickelt. Er träumte, dass er zusehen musste, wie Gillian Lucy wehtat, sie zu Dingen zwang, die sie absolut nicht wollte. Es raubte Natsu einfach den Schlaf! Auf einer dieser unruhigen Wanderungen machte Natsu irgendwann am Morgen am Marktplatz halt. Hier, an diesem Ort, an dem das ganze Übel seinen Lauf genommen hatte. Natsu hätte Lucy damals sagen sollen, dass er wollte, dass sie ihm gehörte. Das er sie liebte und sie nicht bei diesem bescheuerten Kerl bleiben solle. Dann wäre sie vermutlich jetzt bei ihm, nicht bei dem Schönling. Bei Natsu und nicht in weite Ferne gerückt. Manchmal war er so erbärmlich. Außer ihm befand sich nur eine fremde Frau auf dem Platz. Sie stand vor den Toren der Kathedrale und betete. Vielleicht sollte Natsu das auch mal versuchen. Er glaubte nicht an Götter, aber vielleicht gab es sie ja und sie konnten ihm Lucy zurückbringen? Ach, was war absurd. Aber das Bild der betenden Frau hatte etwas beruhigendes. Sie stand einfach nur so da, die Hände gefaltet, in ihre Gedanken vertieft. Reedus hätte mit Sicherheit diese Szene gezeichnet, wenn er sie gesehen hätte. Plötzlich hob die Frau den Kopf und seufzte. Ein sehr schwerer Seufzer, tief aus ihrer Seele. Sie wandte sich zum Gehen und erschrak, als sie Natsu erblickte. „'tschuldigung, ich wollte sie nicht erschrecken.“, sagte Natsu schnell. Die Frau schüttelte den Kopf. „Es ist gut, dass sie da sind. Die Götter müssen meine Gebete erhört haben.“ Was faselte die da? „Sie sind Fairy Tail's Salamander Natsu, nicht wahr?“ Natsu nickte langsam. Sein Ruf eilte ihm ja voraus, so viel hatte er begriffen. Außerdem, in Magnolia kannte ihn eh jeder. „Sie sind gut mit Lucy Heartfilia bekannt, nicht wahr?“ Natsu sah zur Seite. „Sie ist mir sehr wichtig.“ Warum erzählte er das dieser Fremden? Was interessierte die das überhaupt, was er mit Lucy zu schaffen hatte? Er war doch unterwegs, um Lucy zu vergessen und zur Ruhe zu kommen! Die Frau lächelte wissend. „Das habe ich mit gedacht.“ Na toll, sogar die Stadtbewohner wussten über seine Gefühle Bescheid! „Ich habe gehört, dass Lucy heiraten will, ist das wahr?“ „Ja.“ „Einen gut aussehenden jungen Mann, mit schulterlangen braunen Locken, der ihr jeden Wunsch von den Lippen abliest?“ „Gillian.“ „So nennt er sich jetzt also.“, murmelte die Frau und legte nachdenklich die Hand ans Kinn. Natsu zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Nennt er sich?“ War das denn nicht sein richtiger Name? „Sie sollten ihre Freundin möglichst schnell von diesem Mann wegholen.“, sagte die Frau und ihr Gesicht war so ernst, als würde sie eine Kriegserklärung überbringen. „Dieser Mann ist ein Betrüger, ein Perverser. Ein Jungfrauenjäger.“ „Jungfrauenjäger?“, wiederholte Natsu. Er hatte keine Ahnung, was er sich darunter vorstellen musste. Frauen die noch keinen Sex hatten wurden so betitelt, aber wie konnte man die denn jagen? Erschoss der Kerl die Frauen wie Wild und sammelte so Trophäen? „Er sucht sich Jungfrauen, holt ihnen die Sterne vom Himmel, nur damit sie mit ihm schlafen. Anschließend verschwindet er dann auf nimmer Wiedersehen.“, erklärte die Frau. Ach, so meinte sie das. Das klang aber gar nicht nach einem Gentleman, wie ihn die Frauen in der Gilde in Gillian sahen. „Es ist mir unangenehm, es zuzugeben, aber auch ich bin eines seiner Opfer.“, fuhr die Fremde fort und errötete leicht. „Vor drei Monaten sollte unsere Hochzeit sein. Ich hatte mir das feste Ziel gesetzt, dass ich vor der Hochzeit keinen Geschlechtsverkehr haben wollte.“ Ah ja, Lucy dachte ähnlich. Das hatte sie ihm im Suff während ihrer Trainingsreise um die Ohren gehauen, als er sie zufällig nackt gesehen hatte, weil sie über ihre eigenen Füße gestolpert war. Sein kleiner Tollpatsch. Aber so gerne er auch in der Erinnerung schwelgen wollte, die Frau sprach weiter. „Wenige Tage vor der Hochzeit kam er an und meinte, er würde es nicht mehr aushalten. Wir würden doch eh heiraten, die paar Tage wären doch auch egal. Ich war dumm genug, mich darauf einzulassen. Am nächsten Morgen war er spurlos verschwunden.“ Sie sah Natsu eindringlich an. „Sie müssen Lucy warnen! Ich habe mit weiteren Opfern gesprochen, dieser Mann ist unverbesserlich! Er wird sie nur enttäuschen, wie er jede andere bisher enttäuscht hat.“ „Ich hatte von Anfang an kein gutes Gefühl bei dem!“, rief Natsu und lief los, in Richtung Lucys Wohnung. Das der Kerl schmierig war, hatte Natsu gleich gerochen. Perfekte Menschen, soetwas gibt es nicht! Lucy war ja auch nicht perfekt, sie könnte ruhig beim Schreien zehn Dezibel runter gehen. Aber das war ein Problem, mit dem konnte Natsu leben. Genauso wie mit ihren unzähligen anderen Macken. Natsu liebte sie eben. Und Lucy liebte ihn, das war trotz ihres widersprüchlichen Verhaltens endgültig klar. Genau deswegen musste Natsu sie jetzt vor diesem Gillian retten. Lucy gehörte einfach zu Natsu. Er könnte jetzt gedanklich tausend Vergleiche anstellen, aber zum Glück kam er an. Schwer atmend stand er vor Lucys Haustür. Es war noch früh, die Sonne stand gerade erst seit einer Stunde am Himmel. Ob sie schon wach war? Wahrscheinlich, sie brauchte ja immer ewig im Bad. Was Natsu störte war, dass Gillians Geruch an der Haustür klebte. War der Kerl etwa auch hier? Wenn ja, dann würde Lucy ihm richtig eins verpassen! Kerle wie der gehörten hinter Gitter! Aber erst, nachdem Natsu ihm eine kostenlose Schönheitsoperation gegeben hatte. Natsu hob den Arm, um die Türglocke zu betätigen, hielt jedoch inne, als seine feinen Ohren die Stimme seiner Partnerin im ersten Stock hörte. Sie sprach nicht, es waren eher erstickte Laute, die sie von sich gab. Panische erstickte Laute! Scheiß auf Türglocke! Natsu sah nach oben, die Fenster waren geschlossen, aber die Vorhänge nicht zu gezogen. Ersteinmal die Lage klären! Mit einem kräftigen Sprung hängte er sich an die Regenrinne und hangelte sich an dieser entlang, bis er durch das Fenster neben Lucys Bett sehen konnte, und was er da erblickte, machte ihn fuchsteufelswild! Lucy lag in ihrem Bett und wenn sie gekonnt hätte, sie hätte mit Sicherheit geschrien, aber ein dicker Knebel in ihrem Mund verhinderte das. Ihre Arme waren an den Handgelenken zusammengebunden und an den Bettpfosten befestigt worden. Über ihr kniete Gillian und zeigte sein wahres Gesicht: Er begrapschte Lucys Körper und besonders ihre Oberweite mit seinen dreckigen Fingern, wobei er die Versuche Lucys, sich zu befreien oder wegzudrehen, allesamt immer wieder konterte. Sah so aus, als wäre Natsu gerade noch rechtzeitig gekommen. Er holte Schwung, viel Schwung, und durchbrach das Fenster, das ihn vom Geschehen trennte. Mit seinen Füßen zielte er auf Gillians Kopf und warf diesen so von Lucy herunter, während Natsu übers Bett hinweg sprang und zwischen dem am Boden liegenden Mann und Lucy stehen blieb. Natsu spürte das Feuer auf seine Haut. Er war wütend, sehr wütend. Mit seiner brennenden Hand packte er den Kerl am Hals, während dieser versuchte, sich wieder aufzurappeln. Die Schmerzensschreie waren Musik in Natsus Ohren. Er wollte ihn nicht umbringen, aber leiden lassen. Und vor allen Dingen dieses verfluchte Gesicht zerstören, auf das Lucy hereingefallen war. Blitzschnell wechselte Natsu seine Griffposition vom Hals zum Gesicht des Schönlings. Das würde ein paar schöne Brandnarben geben! Als Natsu der Ansicht war, dass der Kerl auf ewig markiert war, ließ er ihn einfach fallen, in den Scherbenhaufen, der noch von Lucys Fenster übrig war. Lucy, das war jetzt das Wichtigste! Natsu wandte sich zu seiner Freundin, die noch immer gefesselt auf dem Bett lag. Ersteinmal die Hände lösen, das sah nicht bequem aus! Natsu beugte sich über Lucy und brannte das Seil durch, mit dem sie gefesselt war. Er konnte dafür sorgen, dass seine Flammen ihr nichts taten. Als Lucys Hände frei waren, löste er auf die gleiche Weise den Knebel und warf ihn so weit in den Raum wie möglich, weg von ihr. Lucy lag wie erstarrt da. Natsu bemerkte, dass ein paar Glassplitter neben und auf ihr im Bett lagen, die er nun vorsichtig beseitigte. Sie sollte nicht seinetwegen eine Schnittwunde bekommen, die eine Narbe auf ihrer makellosen Haut hinterlassen könnte! Er warf gerade eine große Scherbe nach Gillian, als er plötzlich Lucys weichen Körper an seiner Brust spürte. Sie zitterte, nein, sie bebte und schluchzte. Lucy klammerte sich an Natsu und weinte dabei. Natsu legte seine Arme um ihren Rücken und zog sie vorsichtig auf seinen Schoß, während er sich auf der Bettkante niederließ. Er konnte nichts sagen, nicht nachempfinden, war sie gerade durchgemacht hatte. Er konnte ihr nur Halt geben, zumindest so lange, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Irgendwann hörte Lucy auf zu weinen, klammerte sich jedoch noch immer an Natsu. Ganz still lag sie in seinen Armen. Natsu fand, dass es Zeit war, ihr das zu sagen, was die Frau auf dem Marktplatz ihm erzählt hatte. Er sprach ganz ruhig und langsam, auch wenn ihn der Gedanke an den Kerl, der sich nun vor Schmerz wimmernd auf dem Boden zusammen gerollt hatte, wieder zur Weißglut brachte. Er sollte den Widerling so schnell wie möglich vor Gericht bringen! „Ich hätte auf mein Herz hören sollen.“, sagte Lucy plötzlich. Natsu sagte dazu besser nichts. Er streichelte ihr nur vorsichtig über den Kopf und zog sie noch ein bisschen enger an sich. Es wäre wohl nicht so gut, ihr zu sagen, dass Levy ihn längst über Lucys wahre Gefühle aufgeklärt hatte. Vorallem wollte er es aus Lucys eigenem Mund hören. „Was wäre denn jetzt, wenn du auf dein Herz gehört hättest?“, fragte er und tat sein bestes, unbeteiligt zu klingen. Er hatte nur Angst, dass sein aufgeregt klopfendes Herz, das Lucy sicher gut hören konnte, ihn verraten würde. Aber ihres pochte gerade auch nicht langsamer oder leiser. Lucy zögerte mit ihrer Antwort. Wie schwer es fiel, diese Worte auszusprechen, wusste Natsu selbst. Aber Lucy war auch eine Frau, die ab und zu Taten sprechen ließ, so wie jetzt. Ehe Natsu sich versah hatte Lucy sein Gesicht in ihre schmalen Hände genommen und küsste ihn. Was für ein Freudenfeuer diese sanfte Berührung ihrer Lippen in ihm auslöste! Ein Sturm aus Gefühlen, die er nicht kannte, die aber alle das Verlangen nach Lucy und vorallem nach ihrem Körper verstärkten. Es war so verlockend, schwach zu werden! Aber dann wäre er noch schlimmer als Gillian! Also blieb Natsu nichts anderes übrig, als ihr lediglich durch eine Erwiderung des Kusses zu zeigen, dass er verstanden hatte, auch wenn sein Körper mehr wollte. Viel mehr. Sehr viel mehr. Schließlich saß sie auf seinem Schoß! „Was ist hier los?!“ Lucys wutschnaubende Vermieterin erschien in der Tür. Aufgebracht musterte sie das Chaos aus Glasscherben, den am Boden liegenden Gillian und das Pärchen, welches noch immer auf dem Bett saß. Ihr Kopf lief besonders beim Blick zur defekten Fensterscheibe puterrot an und Lucy duckte sich bereits in Erwartung der Schimpftirade. Das musste ja nun wirklich nicht auch noch sein, nach allem, was heute passiert ist. „Die Scheibe bezahle ich.“, merkte Natsu an. Die Vermieterin musterte ihn, wobei sie ihre Brille zurechtrückte, und nickte dann. „Und das Chaos beseitigen sie auch! Ebenso wie diesen Schleimhaufen!“ Sie deutete auf Gillian. Gut zu wissen, dass es auch Frauen gab, die dem Charme des Schönlings widerstehen konnten. „Und passen sie bloß auf, dass ihre Partnerin nicht wieder so einem auf den Leim geht!“ „Wird gemacht!“, grinste Natsu und salutierte, wobei er Lucy mit dem anderen Arm noch ein bisschen fester an sich zog. Die Vermieterin schnaubte zufrieden und rauschte wieder aus dem Zimmer, wobei sie die Tür zuknallte. Natsu war wieder allein mit Lucy. Nein, nicht ganz alleine. Dieses wimmernde Ekelpaket lag immernoch in seiner eigenen Blutlache auf dem Boden. So ungern er es tat, er hob Lucy vorsichtig von seinem Schoß und stand auf. „Warte!“, rief Lucy schon fast panisch und griff seinen Mantel. Natsu hob eine Augenbraue, beugte sich dann aber nochmal runter und gab ihr einen Kuss. Einen langen, liebevollen Kuss. Danach legte er seine Stirn an ihre und meinte: „Ich bin gleich wieder da. Ich bringe nur eben den Müll zur Entsorgungsstelle.“ Zu seiner Freude lächelte Lucy endlich. „Sorg' bloß dafür, dass er richtig entsorgt wird!“, mahnte sie. Aber sie ließ Natsu noch immer nicht los, als dieser sich an die Arbeit machen wollte. Sie sah ihn unsicher an. „Bist du mir nicht böse?“ „Weswegen sollte ich?“ „Wegen allem, was ich in den letzten Monaten gesagt und getan habe und...“ Natsu hielt ihr den Mund zu. „Das kannst du alles wiedergutmachen.“, grinste Natsu. „Die Backpfeife hast du gerade ausgeglichen, die Teamauflösung zahlst du, indem du mich heiratest und den Rest deines Lebens an meiner Seite bleibst und alles andere – mal schauen, wie viele Kinder du mir dafür schenkst.“ Lucy sah sprachlos aus. Das gefiel ihm, er hatte Lucy noch nie sprachlos den Mund auf und zu machen sehen, wie ein Fisch. Er hob sanft ihr Kinn hoch, so dass ihr Mund zu blieb und gab ihr noch einen kurzen Kuss, bevor er ihre Hand von seinem Mantel pflückte. „Und jetzt werde ich den Restmüll runter bringen.“ Er packte Gillian unsanft am Kragen und zog ihn hinter sich her aus der Wohnung. Er genoss das schmerzvolle Jammern, das die Treppenstufen aus dem Mund des Widerlings lockten. Genau das hatte der Typ verdient. Das und nicht mehr. Es würde ein amüsanter Weg zur nächsten Wachstation werden, auf dem Natsu sich sein Leben mit Lucy ausmalen konnte. Jetzt gehörte Lucy wirklich ihm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)