Never a Hero von cork-tip (FF VII CC / Timetravel / Rebirth) ================================================================================ Kapitel 17: repetition I. ------------------------- Alles im Leben war eine Sache der Abwägung. Man musste nüchtern feststellen, welche Optionen einem offen standen und letzten Endes diejenige wählen, die die wenigsten Risiken und Nebenwirkungen auf dem Beipackzettel hatte. Folgende Optionen hatte Genesis: Er konnte erneut versuchen, Tseng zu ignorieren und ein normales Leben zu Leben, bis der Ruf der Arbeit seinen „Gast“ davon abbrachte, es sich in fremden Wohnungen gemütlich zu machen. Allerdings ließ sich nicht ausschließen, dass Tseng nach Feierabend einfach wieder zurückkehrte. Genesis konnte auch zu Angeal gehen und sich dort verstecken. Allerdings würde er sich dann endlos mit der leidigen Zack Fair-Problematik auseinandersetzen müssen. Vielleicht würde er sich sogar entschuldigen müssen. Die dritte und letzte Option schließlich bestand darin, die Dinge zu nehmen wie sie waren. Vorteile und versprochener Behandlungserfolg? Tseng wusste, dass sein Körper nicht richtig funktionierte. Tseng war der Einzige, den er nicht auf Abstand halten musste, um die zahllosen Unpässlichkeiten geheim zu halten und lästige Besuche im Labor zu vermeiden. Außerdem hatte er schon ein Mal mit Tseng geschlafen und konnte ziemlich sicher davon ausgehen, dass er nicht mit negativen Konsequenzen zu rechnen haben würde. Wenn man davon absah, dass Tseng jetzt – fünf Jahre später – plötzlich und unangemeldet in seiner Wohnung stand, waren die Folgen jener ersten Eskapade alles in allem gleich Null gewesen. Damit erübrigte sich auch die Frage nach Risiken und Nebenwirkungen. Tseng war nicht Sephiroth, aber er war gut genug, entschied Genesis und besiegelte den einmal gefassten Beschluss, indem er ein paar entschlossene Schritte vorwärts tat und Tseng wie im Vorbeigehen einen Arm um die Schultern legte. Zufrieden stellte er fest, dass die Geste Tseng erschreckte; er wirkte angespannt, zur Flucht bereit. Wahrscheinlich hatte er nicht mit Entgegenkommen gerechnet. Um seine Revanche in Sachen Unberechenbarkeit voll auszukosten, hob Genesis die Hand und packte ihn unnötig fest im Nacken, revidierte die stumme Drohung jedoch sofort, indem er den Kopf in seine Halsbeuge schmiegte und mit einem leisen Seufzen den fremden, lang vergessenen Geruch seiner Haut einsog. „Ich nehme nicht an, dass du heute noch nach Hause willst“, bemerkte er und lockerte beschwichtigend seinen Griff. „Aber ich bin müde. Lass uns ins Bett gehen.“ Als Tseng zunächst nicht reagierte, begann Genesis zu zweifeln, ob er seine Motivation tatsächlich korrekt erraten hatte und erst als die Angst, sich blamiert zu haben, schon fast greifbar wurde, kam das Nicken. Die Erleichterung ließ den klebrigen Nebel in seinem Kopf nur dichter und schwerer werden und er schob Tseng von sich, um seinen Worten Taten folgen zu lassen. Er hoffte, er würde schlafen können, auch mit einem verhältnismäßig fremden Mann im Bett, denn andernfalls würde der nächste Tag nicht viel von ihm zu Gesicht bekommen. Um keine wertvolle Zeit zu verlieren, warf er den Großteil seiner Straßenkleidung schon im Flur von sich und musste nur noch seine Hose loswerden, als er sein Schlafzimmer erreichte. Tseng fasste ihn nicht an, mischte sich nicht ein. Er verzichtete auch darauf, das Licht anzumachen und doch bewegte er sich mit einer derart traumwandlerischen Sicherheit, dass es geradezu unheimlich war. Turks bekamen keine Makobehandlungen. Turks konnten im Dunkeln nicht sehen. Turks sollten im Dunkeln nicht sehen können. Es gab so viel, was er nicht wusste, stellte Genesis erstaunt fest, während er sich bis auf die Shorts auszog und die Bettdecke zurückschlug. Er hatte nie Veranlassung gehabt, sich für die Abteilung für Öffentliche Sicherheit zu interessieren. Turks waren eine Lebensform, mit der der durchschnittliche SOLDAT nicht mehr zu tun haben wollte als unbedingt notwendig. „Ratten“ wurden sie von den SOLDAT-Kadetten üblicherweise genannt. Für alle anderen waren sie nur schwarze Anzüge. Das war schon immer so gewesen. Ratten in schwarzen Anzügen, die die Leichen aus dem Firmenkeller verschwinden ließen. Aber das stimmte nicht. „Giftschlangen“ wäre ein passenderer Spitzname gewesen. Schwach, aber gefährlich, heimtückisch und unberechenbar. SOLDAT wandte sich nicht gegen Shinra-Personal, aber Turks konnten als interner Geheimdienst aus dem Weg schaffen, wen sie wollten. Genesis hatte nichts dergleichen persönlich erlebt, aber er glaubte so gut wie jede Geschichte, die ihm zu Ohren kam. Er sah, wie sorgfältig Tseng Hemd und Hose zusammenlegte und auf einem Stuhl plazierte, den er in der vollkommenen Schwärze der Nacht eigentlich nicht sehen konnte. Was für ein Pedant! Er musste wahnsinnig sein, eine Ratte in sein Bett zu lassen; was er hier tat, war blanker Wahnsinn. Welches Recht hatte er, Angeal für seine Obsession zu tadeln? Genesis drehte sich auf den Bauch und vergrub das Gesicht in den Kissen, um nichts mehr sehen zu müssen. Seine Ohren verrieten ihm, dass Tseng um das Bett herum ging; die Decke raschelte und ein kühler Luftzug streifte seinen nackten Rücken. Mit der linken Hand drückte er sein Kissen flach, um einen Blick den Radiowecker auf dem Nachttisch werfen zu können. 0014 Uhr. „Beeil dich, es ist verdammt spät“, beschwerte er sich. Er musste sich keine Mühe geben, müde zu klingen, im Gegenteil: Es fiel ihm schwer, die Augen offen zu halten. Die tägliche Überdosis Schmerztabletten wirkte wunderbar, genau so wie sie sollte, doch ein letzter Teil von Genesis‘ Verstand, der nicht in Watte gepackt war, wünschte, er hätte nicht so furchtbar viele davon genommen. Die Droge machte ihn schwach und er wagte kaum, auf sein eigenes Urteil zu vertrauen. Von diesem Punkt an würde das Mako in ihm gut eine Stunde brauchen, um seinen Körper von der schädlichen Substanz zu reinigen. Bis dahin musste er eingeschlafen sein. Er konnte nicht schlafen, wenn er Schmerzen hatte. 0015 Uhr, sagte der Wecker. Um Sieben musste er aufstehen. Sechs Stunden, fünfundvierzig Minuten. Das reichte nie. „Weißt du überhaupt, was man unter der Platte in diese Tabletten mischt?“, fragte Tseng und auf der anderen Seite des Bettes senkte sich die Matratze. Genesis verstand die Worte kaum und antwortete etwas Unverständliches, von dem er selbst nicht wusste, was es bedeuten sollte. Die Bilder vor seinen Augen verschwammen. Er bemerkte gerade noch, dass Tseng näher rutschte, um ein Stück Bettdecke für sich zu beanspruchen. Ein Arm lag lose über seiner Hüfte; vielleicht hörte er ein Seufzen. Dann schlief er ein. Gegen 0400 Uhr weckte ihn das beklemmende Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Sein Kopf tat weh und seine Nase blutete. Spontan konnte er sich nicht erinnern, warum er das Kopfkissen umgedreht hatte. Es wäre sinnvoller gewesen, eine Plastiktüte darüber zu stülpen. Er stand auf, ging ins Bad und schluckte eine fünffache Dosis Schmerztabletten. Dann wusch er sein Gesicht und wartete, bis die Blutung stoppte, bevor er zurück ins Bett stieg und Tsengs Arm wieder über sich legte. Es war gemütlich, dachte er. Sicher. Auf die Decke konnte er verzichten. Um 0657 Uhr erwachte er ein zweites Mal und schaltete den Wecker aus, bevor er klingeln konnte, wie jeden Morgen. Er lag auf der Seite und seine Nase blutete nicht. Tsengs Arm war von seiner Hüfte gerutscht und nur ein Finger berührte kaum merklich den oberen Rand seiner Shorts. Genesis überlegte, ob er liegen bleiben sollte. Es war ein Samstagmorgen und er hatte nichts weiter zu tun als ins Büro zu gehen und Papierkram zu wälzen. Später würde er trainieren gehen, erst alleine, dann vielleicht mit Sephiroth. Er war nicht sicher, ob Angeal sich sehen lassen würde. Was sie gestern zu ihm gesagt hatten, war zu viel gewesen. Er würde sich wirklich entschuldigen müssen. Irgendwann. Also: Sollte er liegen bleiben? Er fühlte sich verhältnismäßig gut, die Kopfschmerzen beschränkten sich auf ein dumpfes Pochen und sein Kopf war klar. Es wäre angenehm, noch ein bisschen zu schlafen, zumal Tseng noch da war. Es überraschte ihn, wie angenehm ihm die Gesellschaft war und noch mehr überraschte ihn, wie gerne er sich in die fremden Arme gelegt und das Gefühl genossen hätte, nicht alleine zu sein. Er war geradezu dankbar, dass Tseng da war. Und sein Kopf war klar. Was bei allen Göttern war nur mit ihm los? Sorgsam darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen, richtete er sich auf und schob die Füße über die Bettkante. Liegen bleiben war keine Option, wenn es mit dermaßen seltsamen Wünschen und Bedürfnissen einherging. Er war doch kein kleines Mädchen. Außerdem war Tseng immer noch ein Turk, ein Wachhund, ein Killer; er hatte einen Killer in sein Bett gelassen. Und plötzlich war da der Wunsch, ihn einfach an Ort und Stelle zu behalten. Wenn nicht für immer, dann doch wenigstens für die nächste halbe Stunde. Genesis lauschte auf Tsengs Atem und entschied, dass er wahrscheinlich noch schlief. Komisch. Wie auch immer er sich den Tagesablauf eines Turks vorgestellt hatte, er hätte sicher nicht gedacht, dass er Ausschlafen bis nach sieben Uhr involvierte. Tsengs Haare waren länger geworden, seit er ihn zum letzten Mal gesehen hatte und weil er nachts auf den üblichen Pferdeschwanz zu verzichten schien, lagen sie schwarz und weich über das Kissen gebreitet wie ein neuer Bezug. Im Kontrast dazu schien seine Haut gespenstisch weiß. Für einen Mann war Tseng sehr schön, bemerkte Genesis und erschrak. Egal, welche Sicherung in ihm durchgebrannt war: Das konnte beim besten Willen kein Dauerzustand werden. Höchste Zeit, aufzustehen. Aber… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)