Never a Hero von cork-tip (FF VII CC / Timetravel / Rebirth) ================================================================================ Kapitel 14: recognition II. --------------------------- „General … Sephiroth“, sagte Cloud, leise, vorsichtig, als wollte er versuchen, wie der Name schmeckte. „Sephiroth …“ Ein grüner Schatten legte sich über seine Augen und ihm wurde schwindlig. Er verstand, was geschah und versuchte, dagegen anzukämpfen. Seit dem Tod von Tifas Mutter war es nicht mehr passiert und nur deshalb hatte seine Mutter nach langem Hin und Her darauf verzichtet, ihn zu einem Arzt zu zwingen. Warum jetzt? Das Grün fraß sich immer tiefer in ihn hinein, er musste die Zeitung loslassen, fiel auf die Knie. Das Foto stand noch immer klar in seinem Sichtfeld. Farben tropften hinein und die grünen Augen eines Raubtiers fixierten ihn. Cloud gab sich selbst eine Ohrfeige, um wieder klar zu werden, hielt sich den dröhnenden Kopf, vergeblich. Flammen fraßen die Bildränder, fraßen die Stadt und der General trat aus dem Rahmen. Er tat nichts, deutete nur stumm mit einem Schwert auf Cloud, das aussah wie Metall gewordener Tod. Sein Blick war unbeschreiblich, unerträglich, kalt. Panik ergriff Cloud und er musste den Widerstand aufgeben. Grüne Schlieren waberten zäh im Feuer. Er sah Menschen, die litten, die sich in Schmerzen wanden, Menschen, die starben. Leichen. Die Bilder wechselten schnell, wie in einem Dia-Projektor. Er sah Tifa bewusstlos am Boden liegen, dann einen jungen Mann mit tiefschwarzem Haar und Blut, Blut, Blut und wollte schreien, aber jeder Laut blieb ihm im Halse stecken. Bald war da ein dicker Klumpen, an dem er zu ersticken drohte. Schmerz brannte heiß in seiner Schulter, als plötzlich die Spitze eines Schwertes darin steckte. Der General hielt das andere Ende und sagte etwas, das Cloud nicht verstand. Blut rauschte in seinen Ohren und fassungsloses Entsetzen lähmte seine Glieder. Er musste etwas tun, er konnte nichts tun, er … musste etwas getan haben, denn mit einem Mal lag er selbst auf dem Boden, nein, auf steilen Treppen, den Kopf nach unten, dem schwarzhaarigen Fremden zugewandt. Ein zartes, warmes Gefühl breitete sich in seinem Magen aus und betäubte Angst und Schmerz. Vielleicht war es jetzt vorbei, vielleicht war es jetzt wieder gut. Es war gut. Grün. Undurchdringlich, unbesiegbar. Der Fremde lag sterbend auf dem Boden. Es regnete. Cloud zitterte. Ihm war unbeschreiblich kalt. Er streckte taube Finger nach dem Gesicht des Fremden aus. Ein Name lag ihm auf der Zunge, aber er konnte ihn nicht fassen. Ihm war unsagbar übel. Nicht einmal der Regen konnte das viele Blut wegwaschen. Cloud hatte das Gefühl zu fallen, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen, aber das Bild verschwand nicht, es blieb eine Ewigkeit. Eine Ewigkeit im strömenden Regen mit einem sterbenden, lächelnden Gesicht, das er nicht gehen lassen konnte. Dann hörte er Stimmen aus dem Nichts und froh über die Ablenkung versuchte er, sie zu verstehen. Die Worte entzogen sich lange seinem Zugriff und manchmal verlor er die Konzentration, weil er sich unfähig fand, den Blickkontakt mit dem Sterbenden zu brechen. Ihm wurde immer klarer, dass er träumte, dass er aufwachen musste. Und plötzlich starrte er in das grelle, weiße Licht einer Deckenlampe, spürte einen sanften Druck auf seiner Hand. „Minerva sei Dank!“, seufzte jemand neben ihm und es dauerte eine Weile, bis Cloud die Stimme seiner Mutter zuordnen konnte. Irgendwie passte sie nicht ins Bild. Nicht nach dem, was er gesehen hatte. Vielleicht hatte er einen anderen erwartet. Einen sterbenden Fremden. „Schwester! Schwester! Kommen Sie schnell! Er ist endlich aufgewacht!“ ‚Schwester‘ klang nach Krankenhaus, dachte Cloud und als er sich umblickte, um diese Hypothese zu prüfen, war das erste, was er sah, tatsächlich eine Infusion. Wie war er hierher gekommen? Und vor allem: Wie lange hatte er geträumt? In der Umgebung von Nibelheim gab es weit und breit kein Krankenhaus. Die Sache war ihm nicht geheuer. Er wusste nicht, was mit ihm geschehen war, aber ihm war klar, dass es nicht normal sein konnte. Das erste Mal hatte er geträumt, dass Tifas Mutter gestorben war und Tifas Mutter war tatsächlich gestorben. Das konnte ein Zufall sein. Doch was, wenn es kein Zufall war? Was, wenn der Traum, den er heute gehabt hatte, Wirklichkeit wurde? Der Gedanke war entsetzlich, zumal er nicht verstand, was genau er gesehen hatte. Er verstand Leid und Tod und wusste, dass er so etwas niemals sehen wollte, aber ihm war unklar, wie es jemals dazu kommen könnte. Was konnte jemand, der so unbedeutend und schwach war wie er, tun, um einen berühmten General gegen sich aufzubringen? Was konnte Tifa damit zu haben? Wer war der Fremde, den er sterben gesehen hatte? Und warum hatte es ihn so tief getroffen? Zur Antwort auf all die vielen Fragen bekam er Kopfschmerzen. Eine Schwester kam, maß seine Temperatur und seinen Blutdruck und machte fleißig Notizen. Während der ganzen Prozedur ließ seine Mutter seine Hand nicht los. „Minerva sei Dank, Cloud“, wiederholte sie etwas ruhiger und etwas leiser. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, was für einen Schreck du mir eingejagt hast, einfach so umzukippen. Und erzähl mir jetzt bloß nicht, dass es an der Sonne lag! Ich hab in meinem Leben schon den ein oder anderen Sonnenstich gesehen, und das war keiner!“ Auf die Idee, seine seltsame Vision als Sonnenstich auszugeben, wäre Cloud überhaupt nicht gekommen, doch die Wahrheit sagen wollte er auch nicht, weil er befürchtete, dass er damit nur den kürzesten Weg ins Irrenhaus einschlagen würde. Er wusste doch selbst nicht, woran er war. Er wusste nur, dass dieser zweite Traum niemals und unter keinen Umständen wahr werden durfte. „Wo bin ich?“, fragte er, um seine Mutter wenigstens kurzzeitig von dem prekären Thema abzulenken. „Im Krankenhaus“, erwiderte sie. Es klang müde und kraftlos. „Der Mann, dem du beim Abladen geholfen hast, hat uns mitgenommen. Ich hätte sonst nicht gewusst, was ich machen soll …“ Sie driftete ab. „Er hat sowas auch noch nicht gesehen, hat er gesagt. Du warst ganz blass und kalt und deine Augen haben so komisch geglüht. Minerva sei Dank, dass du wieder aufgewacht bist. Kannst du dich an nichts erinnern?“ Cloud bejahte, weil es so am einfachsten war und wartete ab, was sie noch zu sagen hatte, während er krampfhaft versuchte, weder an das blutige Gesicht des sterbenden Fremden, noch an die Schande zu denken, die es bedeutete, am hellichten Tag mitten auf dem Marktplatz von Nibelheim zusammenzubrechen, wo ihn bestimmt jeder hatte sehen können. Sein Ruf war schon schlecht genug. Wenn ihn jetzt auch noch alle für krank hielten, würde er endgültig keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen. Und er war nicht krank. Nun, nachdem der Traum vorüber war, fühlte er sich so frisch und gesund wie eh und je. Er hätte den Zugang aus seinem Handrücken ziehen und aufstehen können, doch ihm war klar, dass das weder seine Mutter, noch die Krankenschwester zulassen würden. „Du warst fast drei Tage lang nicht ansprechbar“, erklärte seine Mutter. „Ich hab mir solche Sorgen gemacht!“ Ihre Stimme klang erstickt und Cloud hatte Angst, sie könnte anfangen zu weinen. Wie sollte er sie trösten? „Die Ärzte haben nichts gefunden, aber sie meinen, dass es vielleicht ein bislang unbekannter Defekt im Gehirn ist. Bis sie genaueres wissen, wollen sie dich zur Beobachtung hier behalten. Ich hab mir ein Zimmer in der Stadt genommen und werde bei dir bleiben, bis es dir wieder gut geht. Mach dir keine Gedanken, mein Schatz. Zusammen bekommen wir das schon wieder hin.“ Aber Cloud machte sich Gedanken. Nach allem, was er gesehen hatte, war es unmöglich, sich keine Gedanken zu machen. Defekt im Gehirn hin oder er – was ihn wirklich interessierte, war, ob ihm dieser Defekt irgendwelche prophetischen Fähigkeiten verliehen hatte. Das war alles, was zählte. Ein solches Blutbad musste er auf jeden Fall verhindern. Nach seinem Erlebnis mit Tifas Mutter, hielt Cloud es für das Beste, von der Wahrheit des Traumes auszugehen, bis er das Gegenteil beweisen konnte. So ging er kein Risiko ein, eine ungeheure Schuld auf sich zu laden. Er musste herausfinden, wann und wo es geschehen würde, falls es denn geschehen würde. Die Anwesenheit von Tifa sprach für Nibelheim, aber sie hatte etwas älter gewirkt. Wenn er Glück hatte, würde sich die Katastrophe erst in ein paar Jahren ereignen. Dem Zeitungsartikel nach zu schließen, hielt sich der General in Midgar auf und auch der sterbende Fremde schien SOLDAT zu sein. Wenn Cloud sich recht erinnerte, hatte er ein Schwert getragen. Damit war der Weg klar. So wie Cloud die Dinge sah, blieb ihm keine andere Wahl als nach Midgar zu gehen und zu versuchen, den seltsamen Traum mit realen Begebenheiten abzugleichen, um zu verhindern, was allem Anschein nach eine der größten Katastrophen des Jahrhunderts zu werden drohte. So viele Tote. Er hatte zu viele Tote gesehen, um stillschweigend nach Nibelheim zurückzukehren, sobald man ihn entließ. Überhaupt war Nibelheim kaum mehr eine Option. Auf den Hohn und den Spott, der ihn dort erwarten würde, konnte er gut verzichten. Die Hand seiner Mutter lastete schwer auf der Seinen, während er nachdachte. Er würde sie zurücklassen müssen, er würde weglaufen müssen, ohne ihr etwas zu sagen, weil sie ihn in seinem vermeintlich schwachen Zustand auf keinen Fall aus den Augen lassen würde und dabei fühlte er sich ziemlich schlecht. Fast noch schlimmer war, dass er Tifa verlassen musste, ohne ihr bewiesen zu haben, dass er mehr als ein bemitleidenswerter Versager war. Falls er denn mehr als ein bemitleidenswerter Versager war. Doch was er vorhatte, war ja für Tifa. Zumindest unter anderem. Das Gesicht des sterbenden Fremden verfolgte ihn den Tag hindurch und auch die halbe Nacht. Nachdem seine Mutter zum Ende der Besuchszeit hin gegangen war, lag er noch eine Weile still, den Blick an die Decke gerichtet, und verlor sich in Spekulationen darüber, wer dieser Mann sein mochte, der dort tödlich verwundet vor ihm im Regen gelegen hatte. Er fand keine Antwort und keinen Namen; immer nur dasselbe Gefühl tiefer Vertrautheit – so überwältigend stark, wie er es bisher nicht gekannt hatte. Gegen Mitternacht stieg er aus dem Bett und entfernte den Zugang aus seinem Handrücken. Es tat nicht sonderlich weh und er beschloss, das kleine bisschen Blut zu ignorieren, das die unsanfte Behandlung zum Fließen gebracht hatte. In einem Wandschrank fand er Kleidung und die nötigsten Kosmetika nebst Handtuch und Bürste. Seine Mutter hatte ihm eine Tasche gepackt, was ihm nun so gelegen kam, dass es ihm schwer fiel, nicht daran zu denken, wie sehr er ihre Liebe und Fürsorglichkeit missbrauchte. In seinen Hosentaschen klimperten noch immer die paar Münzen, die ihm der Fahrer gegeben hatte. Mehr Geld stand ihm nicht zur Verfügung. Und auch, wenn er noch nie zuvor in seinem Leben eine dermaßen weite Reise unternommen hatte, war er nicht weltfremd genug, anzunehmen, dass er damit auskommen würde. Was er hatte, reichte vielleicht für ein trockenes Brötchen, aber niemals für eine vollwertige Mahlzeit, ein Bett zum Schlafen oder einen Transport von A nach B. Hinzu kam erschwerend, dass ihm jegliche Ortskenntnis fehlte. Er wusste auch nicht, in welcher Richtung Midgar lag oder was genau er tun würde, wenn er einmal dort angekommen war. Während er durch die spärlich erleuchteten Gänge des Krankenhauses schlich – sorgsam darauf bedacht, die diensthabenden Schwestern nicht zu alarmieren – stellten sich ihm immer neue, immer drängendere Fragen und Probleme und als er dann auch noch den Haupteingang der Einrichtung verschlossen fand, war er nahe daran, aufzugeben. Aber dann erschien Tifa vor seinem inneren Auge, wie sie reglos auf dem Boden lag. Er spürte den Schmerz in seiner Schulter und versteinerte unter dem kalten Blick des Generals. Und dann der Fremde. Cloud kletterte durch ein Fenster im Erdgeschoss. So wie es aussah, würde er improvisieren müssen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)