Mental Disorder von SeiKaze (Do you trust your mind?) ================================================================================ Kapitel 1: Weiß --------------- Schritte und Stimmen außerhalb der weißen Türe des weißen, weich bepolsterten Raumes ließen den Mann in der weißen Kleidung auf der ebenfalls weißen, gepolsterten Pritsche aufblicken. Es war selten, dass jemand den Gang vor der klinisch reinen und unangenehm nach Zitrone duftenden Zelle entlang kam. Das hatte der Mann in den letzten Tagen - oder waren es schon Wochen? Selbst der Blick aus dem vergitterten Fenster zeigte immer den gleichen trüben Himmel, als wäre die Zeit stehen geblieben - schon festgestellt. Wenn, dann kam nur jemand, der ihm durch eine Klappe am unteren Rand der weißen Türe ein Tablett mit Essen hindurch schob und das alte Tablett mit nahm. Und auch das passierte in unregelmäßigen Abständen und nutzte ihm darum nichts bezüglich dem einschätzen von Tagen und Stunden. Zumindest kamen ihm die Abstände zwischen seinen Essenslieferungen unregelmäßig vor. Genau sagen konnte er es allerdings nicht, denn sein Zeitgefühl ließ ihn seit er hier war völlig im Stich. Gleiches galt auch für sein Erinnerungsvermögen, das ihm einfach nicht verraten wollte, wie er hierher gekommen war. Das Letzte an das er sich erinnerte, bevor er in dieser weißen Hölle aufgewacht war, war der Duft eines süß-herben Eau de Toilettes in der Dunkelheit. Es hatte frisch und blumig gerochen und gleichzeitig samtig-warm und holzig. Und der markante Geruch von Moschus war für seine feine Nase ebenso kaum zu ignorieren gewesen. Er kannte diesen Geruch, das wusste er. Dieser Geruch erinnerte ihn an jemanden. Doch er konnte partout nicht sagen, an w e n es ihn erinnerte. Das quietschen des Türriegels ließ ihn aus seinen Gedanken schrecken und aufblicken. Es war seines Wissens nach das erste Mal, dass sich die Türe öffnete seit er hier war. Anscheinend war das vorher nie nötig gewesen, hatte er doch in einer etwas abgetrennten Nische gegenüber seines Bettes sogar eine Plastiktoilette, sowie eine Dusche, welche allerdings nur aus einem sehr hoch angebrachten Duschkopf, einem Abflussgitter im Boden und einem Sensor an der Wand bestand. Selbst das Essen wurde auf Plastiktabletts in Plastikschüsseln und mit einem Plastiklöffel serviert. Somit wurden zwar die nötigsten Bedürfnisse des Menschen abgedeckt, es wirkte allerdings fast so, als wolle man verhindern, dass sich in diesem Raum jemand verletzte. Möglicherweise, damit es keine Notwendigkeit gab öfter nach ihm zu sehen. Doch diesmal schien es einen Grund zu geben. "Guten Tag, Mr. Lupin." Remus kannte die schnarrende dunkle Stimme, die ertönte, nachdem die Türe nach außen hin gerade weit genug geöffnet worden war, damit eine einzelne, dunkelhaarige Person in schwarzer Kleidung und weißem Kittel ohne Probleme seinen Raum betreten konnte. Remus kannte die Stimme, die schwarzen Haare, die stechenden Augen und die auffallend große Nase. Nur der weiße Kittel irritierte ihn, war er es doch gewohnt, dass der Tränkemeister ihm gegenüber sich gänzlich in schwarz hüllte. "Severus! Was machen Sie denn hier?", entkam es dem Werwolf überrascht, ehe er nach einem kurzen Blick hinter Severus Snape, zu dem Pfleger im Gang hinter der Türe, etwas leiser hinzufügte: "Und wo ist dieses 'hier' überhaupt?" Das enttäuschte Seufzen, dass über die Lippen seines Gegenübers kam trug nicht dazu bei Remus Verwirrung zu lösen. Eher das Gegenteil war der Fall. "Mr. Lupin, ich dachte, das hätten wir das letzte Mal geklärt, als ich hier war...", setzte nun der Tränkemeister ein Gespräch fort, an dass sich Remus anscheinend nicht erinnern konnte. "Ja, mein Name ist Severus Snape. D o k t o r Severus Snape. Und nein, ich bin kein Tränke mischender, Zauberstab schwingender, Lehrer in einer Zaubererschule. Und ich gehöre auch keiner Sekte an, die einen 'dunklen Lord' anhimmelt!" Die Worte ließen Remus sprachlos zurück. Anscheinend gab es noch wesentlich mehr, an das er sich nicht erinnern konnte. "Ich bin Arzt, Mr. Lupin. IHR Arzt.", sprach Dr. Severus-Ich-Bin-Kein-Tränkemeister Snape weiter und blickte eindringlich in die Augen seines Gegenübers. "Erinnern Sie sich nicht an unser Gespräch vorgestern?" Vorgestern. Zwei Tage saß er also schon hier. Oder doch erst? Remus versuchte sich daran zu erinnern, wie oft der Mann mit dem Essen zu ihm gekommen war, seit er in diesem weißen Raum erwacht war. Oder wie oft er sich in dieser Zeit erleichtert oder geduscht hatte. Er konnte es nicht sagen. Ihm war es wie eine Ewigkeit vorgekommen, die er alleine in diesen weißen, nach Zitrone riechenden Wänden verbracht hatte. Doch es waren offensichtlich nur zwei Tage gewesen. Remus schüttelte mit einem dumpfen Gefühl in der Brust den Kopf und starrte hinab auf seine Hände, die locker auf seinen Oberschenkeln ruhten. Er erinnerte sich nicht an das Gespräch. Und er verstand auch nicht, was hier los war. Als sein Gegenüber erneut seufzte, blickte Remus auf und sah, wie sich Dr. Snape mit Daumen und Zeigefinger bei geschlossenen Augen über die Nasenwurzel fuhr. Die Geste sprach für die geringe Geduld gegenüber lebenden Wesen, die Remus von dem anderen Mann gewohnt war. Der Severus Snape den er kannte, hatte seine Geduld immer für wichtigeres reserviert als Gespräche mit anderen Leuten: Für das Brauen seiner Tränke. "Mr. Lupin", begann Dr. Snape nach einem kurzen Moment des Schweigens, während er aus der Brusttasche seines Laborkittels eine Brille mit kleinen schmalen Gläsern holte und sich diese auf die Nase setzte. "Ich muss zugeben, ich bin enttäuscht. Nach unserem letzten Gespräch war ich frohen Mutes Sie vielleicht bald wieder in die offene Station verlegen zu können, doch wie es aussieht haben wir nach wie vor einen langen Weg vor uns. Ich werde mir Ihre Medikation noch einmal ansehen, vielleicht erzielen wir mit einer Umstellung auf andere Neuroleptika ja eine bessere Wirkung." Wieder das Seufzen, dann zog sich der Arzt den Plastikstuhl neben Remus Pritsche heran und ließ sich auf diesen sinken. Remus hörte noch, wie die Zellentüre mit einem leisen Quietschen geschlossen wurde, doch die Schritte des Pflegers entfernten sich vorerst nicht. Wahrscheinlich wollte man einen Arzt nicht mit einem Patienten wie Remus es war, alleine lassen. Es wunderte ihn nicht. Immerhin war er ein Werwolf. "Mr. Lupin, was ist das letzte woran Sie sich erinnern?" Zu dem dumpfen Gefühl der Unsicherheit in seiner Brust, gesellte sich ein Déjà-vu, dass er diese Frage bereits gehört und beantwortet hatte. "Dunkelheit. Und der Geruch eines Eau de Toilettes" "Und vor dieser Dunkelheit?" Das Gefühl verschwand nicht. "...Ich laufe durch einen Wald. Es ist Abend, der Tag des Vollmonds. Ich habe meine Mitstreiter verlassen, um sie vor dem Wolf zu schützen. Wir hatten keinen Wolfsbanntrank mehr und ich wollte kein Risiko eingehen." "Von welchem Wolf reden Sie?" Remus Hände begannen zu zittern. "...Severus, das wissen Sie. Ich spreche von mir. Von der Bestie, die sich zeigt, sobald der Vollmond aufgeht. Von dem Wolf, der dann von mir Besitz ergreift. Oder haben Sie vergessen, dass ich ein Werwolf bin??" "Es gibt keine Werwölfe, Mr. Lupin." Die wenigen, ruhig gesprochenen Wörter brachten Remus aus dem Konzept. 'Es gibt keine Werwölfe, Mr. Lupin.' Ein bitteres, ungläubiges Lachen entrang sich Remus Kehle und seine Hände ballten sich zu Fäusten. "Natürlich gibt es Werwölfe! Ich sitze immerhin direkt vor Ihnen!" Es sollte keine Werwölfe geben? Er konnte nicht glauben, dass Severus das behauptete! Was war dann er? Was hatte er dann all die Jahre durchgestanden?! In was hatte er sich sonst jeden Monat zu jedem Vollmond verwandelt?! Wenn er kein Werwolf war, was war er denn dann?! Verrückt. Eine kleine Stimme in Remus Hinterkopf ließ ihn zusammenzucken. Der Knoten aus Unsicherheit und Angst in seiner Brust zog sich stärker zusammen und er spürte, wie sein Puls anstieg. Wurde er verrückt? War er es vielleicht schon? Das würde zumindest seine Umgebung erklären. Und die Worte von Severus - seinem Arzt? - über die offene Station. "Mr. Lupin." Erneut riss die Nennung seines Namens ihn aus seinen Gedanken. Erst jetzt bemerkte Remus, dass er die Hände geballt hatte, dass seine Fingernägel sich in seine Handballen gruben und er zitterte. "Mr. Lupin, beruhigen Sie sich und hören sie mir zu! Reißen sie sich zusammen und atmen sie tief durch." Automatisch schloss Remus die Augen und lauschte auf seinen Herzschlag, während er den harschen Worten des Tränkemeisters - oder doch Arztes? - Folge leistete und tief ein und aus atmete. Er durfte seine Kontrolle nicht verlieren, das wusste er. Ohne Kontrolle stellte er eine Gefahr dar. Er musste sich beruhigen! Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Langsam spürte er, wie sich seine Hände lockerten, wie der leichte Schmerz in seinen Handballen verging und sein Herzschlag sich allmählich beruhigte. "Gut gemacht, Mr. Lupin. Und jetzt sehen sie mich an." Wie befohlen öffnete Remus die Augen und erwiderte den ernsten Blick seines Gegenübers. Etwas lag in Severus' Blick, doch Remus war zu durcheinander, um zu verstehen, was es bedeutete. Zudem ließen seine sonst so scharfen Sinne ihn heute offensichtlich im Stich. Außer diesem penetranten Geruch nach Zitrone konnte er nichts wahrnehmen. "Mr. Lupin, wissen sie wo sie sich befinden?" Automatisch schüttelte Remus den Kopf. "Mr. Lupin, sie befinden sich im Bethlam Royal Asylum in London. Sie befinden sich in einer psychiatrischen Anstalt. Sie wurden vor ca. einer Woche auf die geschlossene Station und in diesen Raum verlegt als sich Ihr mentaler Zustand durch einen psychotischen Schub plötzlich massiv verschlechterte. Aber in dieser Anstalt leben sie mittlerweile seit beinahe dreißig Jahren." Kapitel 2: Zitrone ------------------ Remus fühlte sich, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weg gezogen. Seit dreißig Jahren sollte er bereits in einer psychiatrischen Anstalt wohnen?! Das konnte doch gar nicht sein! Vor dreißig Jahren hatte er noch bei seinen Eltern gewohnt! Vor dreißig Jahren, hatte er sich darauf gefreut bald nach Hogwarts zu kommen. Vor dreißig Jahren hatte ihn Fenrir Greyback gebissen und - Remus stockte und er spürte, wie sich sein Mund, den er geöffnet hatte, um Dr. Snape zu widersprechen langsam wieder schloss. Er starrte dem Arzt fassungslos ins Gesicht, doch dieser begann nur zu nicken. "Ich sehe Sie verstehen.", sprach der schwarzhaarige Mann ruhig und erhob sich langsam von dem Plastikstuhl, auf welchem er die ganze Zeit gesessen hatte. "Erinnern Sie sich an den Begriff der klinischen Lykanthropie, Mr. Lupin? Nein? Nagut, dann erkläre ich es Ihnen noch einmal." Dr. Snape trat langsam tiefer in den kleinen Raum und an das vergitterte Fenster gegenüber der Türe. Remus beobachtete ihn dabei, ohne ihn auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Noch immer fühlte er sich, als würde er fallen, als wäre da nichts mehr was ihn hielt. Was waren diese ganzen Erinnerungen in seinem Kopf, wenn sie nicht real waren? Was war mit seiner Familie, seinen Freunden, seinen Mitstreitern gegen den Dunklen Lord? Wie sollten die letzten dreißig Jahre, ja sein ganzen Leben, an welches er sich erinnerte, plötzlich nicht mehr sein, als ein psychotischer Schub, eine lang andauernde Wahnvorstellung? Er konnte es einfach nicht glauben. "Klinische Lykanthropie", begann Dr. Snape zu erklären und lenkte damit Remus Aufmerksamkeit gänzlich auf sich. "Dieser Ausdruck bezeichnet ein seltenes psychiatrisches Syndrom, welches beinhaltet, dass der Erkrankte die Wahnvorstellung hat, sich in ein Tier verwandeln zu können, sich verwandelt zu haben oder ein Tier zu sein." Der Arzt wandte sich um und blickte Remus direkt an. "Ich vermute, das kommt Ihnen bekannt vor?" Wieder wollte Remus widersprechen, er wollte schreien, er wollte Snape an den Schultern packen und ihn schütteln, ihm sagen, dass er keine Wahnvorstellungen hatte, dass der einzige Wahn hier dieser grässlich weiße, nach Zitrone stinkende Raum war und dass er gefälligst hier raus wollte, seinen Zauberstab wiederhaben wollte und zurück in die relative Sicherheit des Grimmauldplatzes wollte. Zurück zu seinen Freunden, zu den Menschen die ihm so unglaublich wichtig waren. Und doch war er wie gelähmt. Denn noch immer gab es da diese kleine Stimme in seinem Hinterkopf, die ihm zuflüsterte, dass die Erklärung, die ihm Snape hier gab durchaus plausibel war. Er hatte früher viel mit Muggelkindern gespielt, bevor er gebissen worden war. Sie hatten in einem einfachen nichtmagischen Vorort gelebt, da sein Vater selbst kein Zauberer gewesen war. Erst nach dem Biss hatte er mehr von der magischen Welt gesehen. Die Notfallstation von St. Mungos, die Winkelgasse, Hogwarts. Hatte die Magie möglicherweise von Anfang an nur in seinem Kopf existiert hatte, um etwas ganz Anderes erträglicher für ihn zu machen? War wirklich alles nur ein Traum gewesen? Eine Wahnvorstellung? Was war dann mit seinen Freunden? Mit James und Lily? Mit Sirius, mit Arthur und Molly, mit Harry, Ron und Hermine, mit Fred und George, Charly, Bill, mit Tonks, mit Moody, mit all den Anderen? Hatte er sie alle nur erträumt? Oder gab es sie wirklich? Aber wenn es sie wirklich gab, war dann dieser Raum nur ein Traum? War es vielleicht ein Trick der Todesser? Gab es die Todesser überhaupt? Und den Dunklen Lord? Die große Gefahr, in der die ganze Welt schwebte? Er spürte, dass er langsam Kopfschmerzen bekam und hielt sich den Kopf. Snape hatte er mittlerweile völlig ausgeblendet, war er doch mit der Masse an Gedanken beschäftigt, der in seinem Kopf umher kreiste und ihn wahrscheinlich wirklich bald in den Wahnsinn treiben würde, wenn er nicht schon längst wahnsinnig war! Auch dass Snape an die Türe klopfte, welche geöffnet wurde, damit der Tränkemeister, Arzt, Ränkeschmieder, was auch immer nach draußen gelangen konnte, entging Remus völlig. Erst als er erneut angesprochen wurde, hob er den Kopf, um Snapes Blick ein letztes Mal zu begegnen. "Ruhen sie sich etwas aus, Mr. Lupin. Ich sehe später noch einmal nach Ihnen." Mit diesen Worten verließ Severus Snape Remus private Hölle. Hinter ihm schloss sich die Türe quietschend und das letzte, was Remus hörte, war, wie der Riegel vor geschoben wurde und sich die Schritte von zwei Personen sowie zwei Paar leise Stimmen entfernten. Dann herrschte um ihn herum wieder Stille. In seinem Kopf allerdings schrieen die Stimmen durcheinander, wollten Aufmerksamkeit, Anerkennung, wollten gehört und bedacht werden. Aber Remus wollte nicht mehr zuhören. Er wollte Ruhe. Er brauchte Ruhe um wieder klar denken zu können! Langsam ließ sich Remus auf seine Pritsche sinken und zog die dünne Decke über sich. Er brauchte Schlaf. Wenn er aufwachte, sah bestimmt alles wieder besser aus. Und vielleicht war diese weiße Hölle auch nur ein Alptraum und wenn er die Augen wieder aufschlug, lag er nackt auf einer Lichtung und spürte jeden Muskel, jeden Knochen in seinem Leib nach einer viel zu langen Vollmondnacht. Er hoffte es. Er betete dafür. Er bettelte gedanklich regelrecht darum. Zumindest, bis ihn der Schlaf gnädiger Weise mit sich nahm. Kapitel 3: Muskat ----------------- Das Weiß stach in seinen Augen, als Remus sie das nächste Mal öffnete. Er starrte gegen die grellweiße Decke und sah für einen Moment die dunkle Gestalt, die er gerade eben noch in seinen Träumen gesehen hatte. Doch schnell verblasste sie gegen das helle Licht und war schließlich verschwunden. Es war ein seltsamer Traum den er gehabt hatte und mit jeder Sekunde die verging, verblasste die Erinnerung, bis es nur noch eine dunkle Ahnung war, dass etwas so gar nicht stimmte. Etwas hatte Remus geweckt, das wurde ihm nun nach einem Moment des Überlegens klar. Ein Geräusch vielleicht. Oder ein Geruch. Er atmete einmal tief ein, und tatsächlich: er nahm schwach den salzigen Geruch von Schweiß wahr. Auch meinte er Kräuter zu riechen, ein herbes Gemisch aus Schafswurz, etwas, was er nicht ganz definieren konnte, und Muskat. Als er erneut tief durchatmete, wurde allerdings alles was er wahrgenommen hatte wieder von dem allgegenwärtigen penetranten Zitrusgeruch überdeckt. Remus rümpfte die Nase. Wenn er irgendwann hier raus kam, würde er nie wieder Zitronen auch nur ansehen können. "Mr. Lupin." Es war die gleiche Stimme, die er zuletzt gehört hatte: 'Doktor' Severus Snape. Dann war es also das Quietschen der Tür gewesen, welche ihn geweckt hatte. Es erstaunte Remus, wie gelassen er in diesem Moment den Fakt hin nahm, dass hier nichts mehr war wie er es kannte. Er war in einer Anstalt gefangen, Severus Snape betitelte sich als sein Doktor und sein geistiger Zustand wurde bezweifelt. Und dennoch fühlte er sich in diesem Augenblick völlig ruhig. Vermutlich war es zuvor einfach der erste Schock gewesen, der ihn so in Panik hatte verfallen lassen. Und vermutlich war es der gleiche Schock, der ihn nun so ruhig sein ließ. "Doktor." Remus richtete sich langsam in eine sitzende Position auf und rutschte so auf seine Pritsche, dass er den Rücken an der Wand an lehnen und den Mann ihm gegenüber ansehen konnte. Es war das gleiche Bild wie zuvor: schwarze einfache Kleidung sowie ein weißer Kittel und eine Brille, die das ganze etwas ins Absurde verzogen. Er hatte Severus noch nie mit weißem Kittel und Brille gesehen. "Ah, sie erinnern sich dieses Mal. Das freut mich." "Nun, es ist erst wenige Stunden her, dass wir miteinander gesprochen haben, Severus..." "Ich bevorzuge 'Doktor'." "Ich nicht." Der säuerliche Gesichtsausdruck, der bei Remus Worten auf Severus Snapes Gesicht trat, ließ den Werwolf schmunzeln. Vielleicht hatte sich der 'Doktor' die Arbeit mit ihm einfacher vorgestellt, doch Remus hatte sich gefasst, er war wieder in sich ruhig, wenn auch noch nicht gänzlich ausgeglichen, und somit nicht mehr so leicht aus der Fassung zu bringen. Zumindest hoffte er das. Und jetzt da er wieder gefasst war, konnte er sich mit seinem eigenen unklaren Geisteszustand befassen, um heraus zu finden, ob er wirklich nicht mehr alles Tassen im Schrank hatte. "Severus, warum sind Sie hier? Wenn ich mich recht erinnere, wollten Sie zuletzt mit mir reden, bis ich... die Fassung verloren habe. Also worum geht es?" Der ernste Gesichtsausdruck in Doktor Snapes Gesicht, ließ Remus nun doch leicht unruhig auf seinem Platz hin und her rutschen. Er konnte sich nicht daran erinnern je solch einen Ausdruck im Gesicht des Anderen gesehen zu haben. Konzentriert, ja. Kühl fixierend, sicherlich. Aber Doktor Snapes Gesichtsausdruck ließ ihn sich unwillkürlich fragen, wie schlecht es wirklich um ihn stand. Es machte ihn nervös. "Ich habe einen neuerlichen Blick in Ihre Akte geworfen, Mr. Lupin. Bevor sich Ihr Zustand verschlimmert hat, hatten Sie zwischenzeitlich Kontakt mit einigen anderen Patienten dieser Einrichtung. Sagen Ihnen die Namen Lily Evans, James Potter, Sirius Black und Peter Pettigrew etwas?" Vielleicht hätte ihm der ernste Gesichtsausdruck eine Warnung sein sollen, doch egal, was Remus erwartet hatte, diese vier Namen waren es nicht gewesen. Mit einem Mal hatte sich ein Kloß in seinem Hals gebildet und er musste schwer Schlucken, um sich wieder einigermaßen zu fangen. Diese Namen... "Sicher. Sie sind... waren... meine besten Freunde" "Gibt es einen besonderen Grund, warum sie die Freundschaft zu diesen Personen abgebrochen haben, Mr. Lupin?" Die Absurdität dieser Frage entlockte Remus ein Lachen. Er wusste ganz klar, dass seine Freunde tot waren - von Peter, dem Verräter, einmal abgesehen - und wenn dem Herrn Doktor dieser Fakt nicht bekannt war, sollte er ganz schnell seine Akten aktualisieren lassen! Doch mitten in diesem Gedankengang stockte Remus, als eine weitere, in seinen Augen ebenfalls absurde, Überlegung in seinem Kopf auftauchte: Wenn er wirklich verrückt war, konnte das dann bedeuten, dass seine Freunde alle noch am Leben waren...? "S-sie sind tot?", fragte er viel zu verspätet, viel zu zweifelnd an seinen eigenen Worten. Sirius, James und Lily... Wie gerne würde er sie wiedersehen. "Tot?" Die skeptische Miene des Doktors ließ Remus Magen ganz flau werden. Dieser Blick, der ihn erst musterte und dann in die Akte wanderte, die der Doktor auf dem Schoß hatte, musste einfach bedeuten, dass sie noch am Leben waren! "J-ja, tot. Oder sind sie es nicht?" Er schaffte es nicht das leichte Zittern aus seiner Stimme zu verbannen, als er angespannt auf eine Antwort wartete. Der Krieg hatte so viele gute Seelen dahin gerafft. Harrys Eltern waren weder die ersten gewesen, noch die letzten. Doch ihr Tod hatte ihn zusammen mit Sirius' Verlust am meisten getroffen. Er hatte die Freunde verloren, die ihn akzeptierten und liebten, wie er war, trotz des Monsters in seinem Inneren. Die Hoffnung sie wiedersehen zu können, schnürte ihm darum regelrecht die Brust zusammen. "Nein. Sie sind sogar recht quietschfide-" "Kann ich sie sehen?!" Remus blieb in diesem Moment vor Hoffnung beinahe die Luft weg. Noch während er seinem schnellen Herzschlag lauschte, lehnte er sich erwartungsvoll nach vorne, doch als der Druck auf seine Brust zu stark wurde, ließ er sich leicht zitternd wieder zurück gegen die Wand sinken. Dort fiel ihm das Atmen wesentlich leichter. "Nicht in diesem Moment. Mr. Lupin. Zuerst steht für sie eine Sitzung mit einem unserer Therapeuten an. Wenn Sie diese und weitere Sitzungen erfolgreich absolvieren, können wir Sie möglicherweise zurück auf die offene Station verlegen." Wieder war es der ernste Blick des Arztes, der Remus, wenn auch zurückhaltend, einwilligen ließ, an der Therapie teilzunehmen. Nicht, dass er seine Freunde nicht wiedersehen wollte, doch er war nach wie vor skeptisch, was das anging, was hier und jetzt war - oder zumindest zu sein schien. Er konnte Severus' Verhalten nicht einordnen, außer dass dieser ihm tatsächlich wie ein sich sorgender Arzt vorkam, er konnte den Raum nicht einordnen, dessen Eigenduft seinen Geruchssinn irritierte. Er konnte das ewig-diesige Licht außerhalb der Zelle nicht einordnen, ebensowenig, wie den leichten Druck, den er im Moment an seinen Gelenken spürte und welcher ihn immer wieder unruhig hin und her rutschen ließ. Vielleicht hatte er ja Glück und die Sitzung mit dem Therapeuten würde ihm tatsächlich etwas helfen und Klarheit in sein momentan so seltsames Leben bringen. Kapitel 4: Schwarz ------------------ Severus Snape ging den dunklen, teilweise moosbewachsenen Gang entlang in Richtung der Treppen, die ihn wieder an die frische Luft führen würden, fort von dem muffigen, erdigen und urinhaltigen Gestank, der ihn umgab. Der Kerker des Dunklen Lords lag gut versteckt ähnlich Askaban auf einer kleinen Insel mitten im Meer, doch anders als das aurorenbewehrte Gefängnis streckte sich dieser Kerker nicht auf den Klippen in die Höhe, nein, er grub sich tiefer und immer tiefer in sie hinein, so dass an der Oberfläche nur eine kleine, unscheinbare Hütte anzeigte, wo der Eingang zum Gewölbe war. Innerhalb der Hütte befand sich ein Wachposten, sowie ein Kamin, der mit einer Handvoll anderer Kamine über ein privates Flohnetzwerk verbunden war. Tief in Gedanken griff der Tränkemeister, nachdem er endlich eine Treppe hinauf und durch eine Falltür in den kleinen Wachraum gestiegen war, nach einem Topf auf dem Kaminsims, stellte sich in den Kamin und warf eine Hand voll Pulver in die Flammen. "Malfoy Manor." Das Feuer loderte in giftgrüner Farbe auf und als die Flammen erstarben, war er verschwunden. Die gleiche Prozedur wiederholte sich in umgekehrter Reihenfolge in der Eingangshalle von Lucius Malfoys Heimstatt. Kaum waren die Flammen versiegt, trat Severus aus dem Kamin und fand sich einer kleinen Hauselfe gegenüber, die ihn mit großen Augen an blickte. "Hilly wird dem Master augenblicklich Bescheid geben, dass Sie da sind!", fiepste das magische Wesen sofort als sie den Gast erkannte und war mit einem 'Plopp' verschwunden. Ein süffisantes Lächeln erschien auf Severus Lippen, hatte er doch nicht ein Wort an die Hauselfe verschwenden müssen. Sie kannte ihn zur Genüge, was allerdings auch kein Wunder war, so oft, wie er Lucius besuchte. Mittlerweile war er beinahe täglich hier im Herrenhaus der Malfoys, um sich mit seinem alten Freund abzustimmen. Das Wissen um ihre Strategien hatte ihm allerdings noch nicht dabei geholfen herauszufinden, wie er die Angelegenheit mit Remus regeln konnte. "Severus, mein Freund. Lass uns nicht hier im Gang herum stehen, sondern in mein Arbeitszimmer gehen." Es waren fast die gleichen Worte wie die letzten Male, als er Lucius aufgesucht hatte. Der blonde Mann schritt wie eh und je stolz und elegant auf ihn zu, legte eine Hand auf seine Schulter und dirigierte ihn in die Richtung, die Severus schon aus reiner Gewohnheit eingeschlagen hätte. Doch die Höflichkeit hatte es geboten auf den Hausherren zu warten. Es war das gleiche Spiel wie jedes Mal. Die Etikette war nun einmal ein Spiel, das gespielt werden wollte. "Lucius.", grüßte er den Anderen knapp mit einem Nicken und betrat mit ihm das Arbeitszimmer, wo er sich in den angebotenen Sessel sinken ließ und sich zurück lehnte. Wie jedes Mal bot ihm Lucius ein Glas Wein an, wie jedes Mal nahm er es an. Wie jedes Mal reichte ihm Lucius ein Glas, nachdem er sich selbst Wein eingeschenkt hatte und ließ sich anschließend mit dem eigenen Glas gegenüber von Severus auf den zweiten Sessel im Raum sinken. "Hat sich Lupin überzeugen lassen, dass er ein Muggel ist?" Die Neugier in Lucius Frage war ehrlich. Seine Neugierde nach effektiven Methoden zur Informationsgewinnung war eines der wenigen Dinge, die Lucius immer ehrlich meinte. Gut, wahrscheinlich war es weniger Neugierde, als schlicht und einfach die Berechnung möglichst viele Methoden zu beherrschen, um am Ende jede Information ergattern zu können, die einem nützlich sein konnte. Doch Severus ließ sich davon nicht stören. Jeder hatte seine eigenen Methoden zu überleben. "Er ist noch nicht vollständig überzeugt. Oder zumindest will er nicht überzeugt sein, aber er hat schon begonnen an sich zu zweifeln. Ich habe es in seinem Blick gesehen. Sein Gesicht war wie ein offenes Buch." Er schwenkte sein Glas Rotwein, betrachtete den Inhalt einen Moment und nahm einen Schluck, ehe er leicht schmunzelte. "Ich werde ihm später noch einmal auf den Zahn fühlen. Dann solltest du Morgen kein Problem mehr damit haben, ihn davon zu überzeugen, dass er dir alles erzählen kann und soll." Ihr Plan war schlicht und damit gleichzeitig perfekt. Es war faszinierend gewesen mit anzuhören, wie sich Lupin, nachdem er erwacht war, in seiner neuen, von seinem eigenen Verstand geschaffenen Umgebung umgesehen hatte. Die Zelle, in der der Werwolf tatsächlich eingesperrt war, war amüsanter Weise beinahe das Gegenteil von dem, was Lupin zu sehen glaubte. Sie war schmutzig, stank unglaublich und starrte vor Dreck. Doch trotz seiner empfindlichen Nase schien Lupin sich an dem ekelhaften Geruch nicht zu stören. Der Trank erzeugte wohl nicht nur optische und auditive, sondern auch olfaktorische und gustatorische Halluzinationen. Severus fragte sich, welche Auswirkungen der Trank wohl noch haben würde und ob er je alle erforschen konnte. Und er fragte sich, ob Remus stark genug war, um trotz des Tranks bei Verstand zu bleiben, oder ob er wie die anderen Testsubjekte am Ende nicht mehr sein würde, als ein bibberndes Häufchen Elend. Nun, er würde es offensichtlich herausfinden. *** Nachdem Severus ihn wieder verlassen hatte, schenkte sich Lucius ein zweites Glas Wein ein und starrte in die Flammen des Kamins seines Arbeitszimmers. Sie hatten entschlossen dem Werwolf nur wenige Stunden Ruhe zu gönnen, um ihn durch Schlafmangel zusätzlich zu schwächen. So würde seine 'Sitzung' mitten in der Nacht stattfinden, während sie ihm vorgaukelten, dass es Tag war. Für Lucius würde das ebenfalls wenig Schlaf bedeuten, doch im Gegensatz zu Lupin hatte er Ressourcen, die er anzapfen konnte. Die Stunden vergingen schneller als erwartet, doch Lucius hatte genug Zeit gehabt, sich zurecht zu legen, was er den Wolf fragen wollte. Tatsächlich gab es vor allem eine Information, die sie dem Wolf entlocken würden, so dieser sie denn wusste: Der Dunkle Lord wollte den Aufenthaltsort von Potter wissen, damit er ihn endgültig vernichten konnte. Und was der Dunkle Lord wünschte, verwehrte man ihm nicht. Lucius hatte schon einmal zu oft die Konsequenzen von Fehlschlägen spüren müssen. Ein weiteres Mal wollte er sie nicht ertragen müssen! Die Befragung würde in Lupins Zelle stattfinden. Damit der Werwolf allerdings das Gefühl bekam tatsächlich in einer Anstalt zu sein - Lucius musste zugeben, dass er sich wunderte, dass Lupin solcher Art Halluzinationen hatte - hatten sie beschlossen ihn einmal im Kreis und anschließend wieder zurück in seine Zelle zu führen. Ob diese Maßnahme den gewünschten Effekt haben würde, blieb abzuwarten. Kurz bevor er sich zu ihrem Gefangenen auf machte, um diesem die gewollten Informationen zu entlocken, trat er noch einmal in sein Bad, um sich frisch zu machen. Etwas kaltes Wasser, ein Rasurzauber und etwas Eau de Cologne und schon war er bereit zu gehen. Einem Feind würde er sich niemals anders als perfekt präsentieren, egal wie sehr äußere und innere Umstände an ihm zehren mochten. Eine solche Blöße könnte er sich niemals verzeihen. Kapitel 5: Grau --------------- Das Lächeln seines Therapeuten irritierte Remus, ebenso wie dessen Blick, der langsam über seine Gestalt glitt und in Remus den Wunsch hervor rief sein Oberteil zurecht zu zupfen. Unter dem prüfenden, arroganten Blick kam er sich mit einem Mal reichlich zerzaust vor. Doch diesen Effekt hatte Lucius Malfoy schon immer auf ihn gehabt. "Sie sehen ein wenig... übernächtigt aus, Remus. Wollen Sie mir nicht erzählen, warum?" Remus nickte kurz, auch wenn er sich immer noch nicht sicher darüber war, was er Malfoy erzählen sollte oder ob er ihm überhaupt irgend etwas erzählen wollte. Es war eine komplizierte Frage, die sich nicht so einfach beantworten ließ. Denn entweder hatte er seinen Therapeuten, oder seinen größten Feind vor sich. Während er mit ersterem durchaus reden wollte, konnte letzterer seinetwegen auf der Stelle tot umfallen. Remus atmete tief durch. "Gestern wurde mir gesagt, dass meine besten Freunde, von denen ich dachte, dass sie tot wären, nach wie vor am Leben sind. Allerdings wurde mir nicht erlaubt sie zu sehen" "Also haben sie schlecht geschlafen, weil sie sich Sorgen machen, ob sie von mir das OK dafür bekommen?" "Ja." "Und Sie sind sich im klaren darüber, dass ich mein OK nicht geben werde, solange-" "Solange ich nicht mit Ihnen über alles geredet habe, ja." Einen Moment herrschte Stille. "Sie wollen mir nichts erzählen, oder?", fragte Malfoy mit ruhiger Stimme, doch seine Augen funkelten leicht verärgert. Remus konnte es sehen. Er hatte Malfoy - den Zauberer Malfoy - mehr als einmal verärgert. Und jedes Mal hatte er es geliebt. Er erkannte, wenn Malfoy sauer war, egal ob dieser ihn das sehen lassen wollte, oder nicht. "Exakt.", antwortete Remus nach einem kurzen Moment. "Ich traue Ihnen nicht. Dem Malfoy in meinem Kopf." Malfoy nickte verstehend und faltete seine Hände vor seinem Gesicht. "Sie sind sich im klaren darüber, dass der Lucius Malfoy in ihrem Kopf nur eine Halluzination ist? Ein Traum, den ihre Krankheit erzeugt hat?" Remus schluckte bei diesen Worten. Ihm war bewusst, dass seine Antwort auf diese Fragen das Fenster schließen könnten, welches ihm erlauben würde, seine Freunde zumindest für eine kleine Weile wieder zu sehen. "Ich bin noch nicht davon überzeugt, dass alles Einbildung war. Vielleicht ist diese Welt ja die Fantasie und alles was ich kenne ist real!" Wieder konnte er den Zorn in Lucius Augen glitzern sehen, doch dann lächelte der Mann gegenüber Remus plötzlich. Remus hatte mit einem Mal das Gefühl dem Anderen in die Falle gegangen zu sein. "Wenn ich Einbildung bin, eine Illusion, die durch ihre Gedanken erzeugt wurde... warum sollte es Ihnen dann schaden, wenn Sie mir etwas erzählen? Entweder bin ich ein Teil ihrer Gedanken oder ich bin Ihr tatsächlich Psychiater. In keinem Fall würde es sie verletzen mit mir zu reden, oder nicht?" Sprachlos starrte Remus den blonden Mann an, während er sich dessen Worte immer wieder durch den Kopf gehen ließ. Er hatte gewusst, dass Malfoy hinterlistig wie eine Schlange war. Aber er konnte auch nicht behaupten, dass der Andere falsch lag! Denn auch nach reiflicher Überlegung fand er keinen Fehler in dessen Logik Remus seufzte und strich sich mit der Hand über den Nacken. Er wollte seine Freunde wiedersehen und da Malfo wohl recht hatte, konnte er ihm doch etwas erzählen, oder? Es würde nichts aus machen. Entweder er redete nur mit sich selbst, oder mit seinem Therapeuten. Also war alles okay... Oder? "Na gut... na gut, ich werde mit Ihnen reden...", gab er schließlich nach und überlegte, wo er beginnen sollte. Vielleicht am Anfang... --- Das Verhör hatte weitaus länger gedauert, als Lucius es gedacht hätte. Und er hatte weitaus mehr gehört, als er sich je vorgestellt hätte. Remus hatte ihm alles erzählt. Und damit meinte Lucius wirklich alles. Er hatte von seiner Kindheit erzählt, ab dem Punkt an dem er von dem Werwolf, Greyback, gebissen worden war. Er hatte von seiner Schulzeit erzählt, von seinen Freunden, von Voldemorts erstem Aufstieg, von der Stille nach dessen Sturz und dann, endlich, von Voldemorts zweitem Aufstieg, von Remus Arbeit mit dem Orden des Phönixs, von Missionen und Undercover Aktionen. Zu Lucius Ärger war Remus nicht näher auf Details eingegangen, selbst wenn er ihn direkt gefragt hatte. Remus war nicht der Meinung gewesen, dass Codes, Daten oder Ähnliches notwendig waren, damit er gesund werden würde. Und Lucius hatte es nicht geschafft ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Er hatte zudem vorsichtig vorgehen müssen, damit er Remus nicht auf den einen Fehler in seiner Logik stieß: Nur weil Lucius keine Halluzination war, bedeutete das nicht, dass er war, was er vorgab zu sein. Neben Halluzination und Realität existierte eben noch mindestens eine dritte Möglichkeit: Nämlich, dass Lucius wirklich der war, den Remus in ihm sah. Dennoch hatte Lupin ihm mehr als genug Informationen geliefert. Das Problem war nur, dass es nicht die Informationen waren, die er im Moment brauchte und dass es momentan keine Möglichkeit gab, das was er erhalten hatte zu nutzen. Doch Lucius wusste, dass die Zeit kommen würde, in der ihm genau diese Informationen nützlich sein würden. Es war immer so. Man musste nur den richtigen Augenblick abwarten. --- Nachdem Remus erneut aus seiner Zelle heraus geführt worden war, um eben jenes Spielchen des Raumwechsels zu wiederholen, hatte sich Severus aus dem Schatten unweit der Türe gelöst und hatte sich auf den Weg gemacht. Er hatte nicht vor zu warten, bis ihn Lucius oder jemand anderer entdeckte und fragte, warum er das Verhör belauscht hatte. Es hatte ihn selbst nur mäßig überrascht, dass Lucius Remus komplette Lebensgeschichte erzählt bekommen hatte, hatte er doch schon bei vorherigen Testsubjekten feststellen können, wie sein Trank deren Wahrnehmung manipulierte. Dennoch war er sichtlich erleichtert, dass Remus dennoch keine vitalen Informationen über den Orden Preis gegeben hatte - auch wenn der Werwolf offensichtlich an seiner eigentlichen Welt zu zweifeln begann. Severus hatte Remus Psyche eigentlich als gefestigter, stärker eingeschätzt. Doch nach dem was er gehört hatte, war ihm klar geworden, dass sie ihn mit Leichtigkeit brechen konnten und würden, wenn er jetzt nichts unternahm. Es war wie eine Fügung des Schicksals, dass gerade an diesem Abend ein Treffen des Ordens angesetzt war, zu welchem Severus sich nun auf den Weg machte. Er musste seinen Mitstreitern deutlich machen, wie wichtig es war, dass sie Remus befreiten, bevor er ihre Welt gänzlich für Fantasie zu halten begann. Denn dann würde er Informationen frei geben die er ansonsten selbst unter Folter niemals weiter gegeben hätte. Und das schlicht aus dem einen Grund, dass er glaubte, dass eben jene Informationen unwichtig waren. Denn wie sollten Informationen aus einer halluzinierten Welt denn in der Realität irgend eine Relevanz haben? Ein weiterer Grund, warum Severus wollte, dass der Orden handelte, war, dass er Remus trotz allem respektierte und nicht mit ansehen wollte, wie der starke Werwolf sich in ein wimmerndes Häufchen Elend verwandelte, so wie es mit seinen Vorgängern geschehen war. Er hatte etwas besseres verdient. Einige Stunden später hatte Severus endlich das Versteck des Ordens erreicht und trat in das Black'sche Wohnzimmer, in welchem sich die anderen Mitglieder bereits befanden. Sein Blick glitt über die Anwesenden - er grüßte Dumbledore mit einem kurzen Nicken - ehe er bei einer Gestalt hängen blieb, die ihn überraschte, ja regelrecht schockierte. "Black..." Für einen Moment fragte Severus sich, ob ihm möglicherweise jemand etwas untergejubelt hatte, doch schob er diesen Gedanken recht schnell beiseite. Sein Blick huschte von Sirius zu Dumbledore, doch dieser lächelte ihn nur mit funkelnden Augen an. Gut, es war nicht das erste Mal, dass Dumbledore etwas geschafft hatte, was eigentlich unmöglich schien, doch dieses Mal hatte selbst Severus ihm nicht zugetraut etwas unternehmen zu können. Offensichtlich hatte Severus sich getäuscht. Denn Sirius Black sah zwar blass und kränklich aus, doch war er immerhin eindeutig am Leben. "Sniffelus~" Severus verzog das Gesicht und verengte die Augen, als er den alten Spitznamen hörte. Das regelrecht schadenfrohe Grinsen auf Blacks Lippen, fachte seinen Hass auf den anderen Mann nur noch weiter an. "Meine Herren, bitte bleiben sie doch ruhig. Severus, setz dich und berichte, was du uns zu berichten hast. Deine Zeilen haben mir Sorgen bereitet." Natürlich unterband Albus sofort einen Streit noch bevor er richtig ausbrechen konnte. Severus musste sich dennoch zurück halten, um nicht sofort mit stichelnden Kommentaren anzufangen. Es beruhigte ihn zu wissen, dass die Nachrichten über Remus Black treffen würden. Diesem Kerl würde sein Grinsen schon noch vergehen! "Lupin wurde geschnappt." Severus hörte wie von mehreren Personen um ihn herum erschrocken die Luft eingezogen wurde. Und er sah, mit einer gewissen Befriedigung, wie Sirius Augen vor Entsetzen groß und er noch ein Stückchen blasser wurde. Es tat Severus etwas Leid, dass es auf Remus kosten war, doch den geschockten Gesichtsausdruck von Black genoss er. "Remus ist stark - egal was sie ihm antun werden, er wird uns nicht verraten!", brauste Sirius auf, kaum dass er sich gefasst hatte. Wieder empfand es Severus als schade, dass es auf Remus Kosten war, doch huschte für einen kurzen Moment sogar ein Lächeln über seine Lippen, als er sich vorstellte, wie Sirius nächste Reaktion ausfallen würde. "Das hat er schon" Dieses Mal waren die erschrockenen Laute der Anwesenden lauter und Sirius ballte seine Hände zu Fäusten. "Das ist eine Lüge, Sniffelus! Remus würde uns niemals verraten, das weißt du genau!" Das süffisante Lächeln auf Severus Lippen mochte für die Situation unpassend sein, doch es gefiel ihm schlicht seinen Erzfeind in die Schranken zu weisen. "Er hat keine genauen Angaben gemacht was Codes oder Daten angeht... Aber er hat Lucius Malfoy seine gesamte Lebensgeschichte erzählt." Dieses Mal wandte er sich an Albus, welcher mit ernster, besorgter Mine Severus Worten gelauscht hatte. "Albus, du erinnerst dich an den Trank, von dem ich dir erzählt habe? Ich dachte ehrlich gesagt, dass Lupin stark genug wäre trotz des Trankes und der daraus resultierenden Halluzinationen bei Verstand zu bleiben, doch es hat sich gezeigt, dass es einen großen Schwachpunkt gibt, der mittels des Trankes ausgenutzt werden kann: Seine toten Freunde. Er ist mehr oder weniger davon überzeugt, dass er in einer Muggelanstalt sitzt und dass die Realität eine Halluzination ist. Was ihn in seinem Wahn festigt, ist, dass er überzeugt davon ist, dass dort seine besten Freunde noch am Leben sind. Anders als in der Realität, wo seines Wissens nach die Menschen die ihm immer am wichtigsten waren alle tot sind..." Für einen Moment glitt Severus Blick zu Sirius, welcher der Erklärung mit einem stumpfen Blick lauschte. Er war offensichtlich völlig überfahren von dem was er da hörte. "Da Black allerdings offensichtlich mehr oder weniger quietschfidel ist, habe ich die Hoffnung, dass Lupin nicht ganz in seinen Halluzinationen versinken wird. Zumindest, wenn wir schnell genug sind." "Wir müssen Remus da sofort raus holen, Albus!" Severus war sich sicher, dass das das erste Mal war, dass Sirius und er sich tatsächlich in etwas einig waren. Er war sich nicht sicher, ob ihn das freute. "Der gleichen Meinung bin ich auch. Und ebenso bin ich der Meinung, dass es Black sein sollte, welcher diese Mission durchführt. Ich bin davon überzeugt, dass er der Einzige ist, der Lupin klar machen kann, dass diese Welt die Realität ist und nicht die Muggelwelt, welche er nun für sich als Realität entdeckt." Er ignorierte Sirius misstrauischen Blick und sah stattdessen Albus an, dessen Wort für ihn das Einzige war, welches wirklich zählte. Als Albus schließlich nach einem langen Moment des Schweigens nickte, war Sirius schon fast auf den Beinen. "Ganz ruhig Sirius... Ohne entsprechende Vorbereitung wirst du es wohl kaum bis zu Remus schaffen. Severus, Sirius, kommt bitte mit mir in die Bibliothek." Severus erhob sich direkt auf Albus' Bitte und folgte dem alten Mann in Richtung black'sche Bibliothek. Es wurde Zeit, dass sie einen Plan entwarfen, um Remus zu retten! Kapitel 6: Erde --------------- Er hatte die Stunden und Minuten bis zu diesem Moment ungeduldig herunter gezählt. Zumindest glaubte er, dass er das getan hatte, auch wenn er sich wohl verzählt haben musste. Denn als ein Pfleger seine kleine Einzelzelle betreten hatte, kam es Remus eigentlich viel zu früh vor. Aber beschweren würde er sich eindeutig nicht. Wieder war er durch Gänge geführt worden, wieder hatte er trotz seines eigentlich sehr gut ausgeprägten Orientierungssinns die Orientierung verloren als sie schließlich ihr Ziel erreicht hatten. Doch wieder hatte Remus nicht vor, sich zu beschweren. Zumindest nicht, wenn dieser kleine Ausflug seine Erwartungen erfüllen würde. Nun saß er in einer Art Gemeinschaftsraum auf einem Sofa und starrte die gegenüber liegende Türe an. Er saß schon wieder eine gefühlte Ewigkeit hier und rutschte immer wieder ein wenig hin und her, was definitiv auf seine Nervosität zurück zu führen war. Er hatte beinahe einen Luftsprung gemacht, als er keine zwei Tage nach seinem Gespräch mit Malfoy tatsächlich dessen Erlaubnis dafür bekommen hatte, seine Freunde sehen zu dürfen. Er hatte sie alle so sehr vermisst! Seine Erinnerungen an die Tode seiner besten Freunde und an den Verrat durch Peter hatten ihm ungemein zugesetzt. Mehr sogar noch, als er es selbst erwartet hatte. Und nun sollte er sie alle wiedersehen. Er konnte es noch nicht fassen und bis die vier nicht leibhaftig vor ihm stehen würden, würde er es auch nicht glauben. Dennoch hoffte er mehr als er je gehofft hatte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis er sie endlich wiedersehen würde. Und dann war der Moment gekommen. Er hörte Stimmen, richtete sich etwas auf und spitzte die Ohren. Für seine übernatürlichen Sinne - halt, angeblich war er ja kein Werwolf. Also hatte er nur ein überdurchschnittlich gutes Gehör? - war es kein Problem sogar schon Stimmen zu erhaschen, die sich noch ein gutes Stück weit den Gang hinab befanden. Doch anscheinend hatten die vier eine ganze Weile im Gang geschwiegen. Er hatte sie nämlich erst gehört, als sie kurz vor der Türe begonnen hatten zu reden. Remus richtete sich etwas auf, als die Schritte vor der Tür inne hielten und sich schließlich erst ein Schlüssel im Schloss und dann endlich die Türklinke bewegte. Die Türe wurde von einem Pfleger aufgeschoben und keinen Moment später stürzte ein schwarzhaariger Mann in den Raum und auf Remus zu, um diesen in eine kräftige Umarmung zu ziehen. "Man, Moony, ist es schön dich zu sehen! Wir haben uns vielleicht Sorgen um dich gemacht, kann ich dir sagen! Wie geht es dir? Alles okay? Bist du wieder unter den Lebenden, oder siehst du mich jetzt in Sternchenroben und mit Zaubererhut?" Die plötzliche Umarmung presste Remus regelrecht die Luft aus den Lungen, doch das war nicht der einzige Grund, aus welchem er Sirius, welcher derjenige war, der ihn so fest im Arm hielt, nicht antworten konnte. Remus spürte, wie sich ein großer Kloß in seinem Hals bildete, der partout nicht verschwinden wollte, als er versuchte sich zu sammeln. Doch das Sammeln war alles andere als einfach in Sirius Armen, in welchen er sich immer geborgen gefühlt hatte. Es dauerte nicht lange, bis er den Anderen selbst umarmte, dabei den starken Zitronenduft ignorierend, der in dieser Anstalt überall zu sein schien. "...Gott, ich hab dich so vermisst, Pad... Euch alle..." Remus Stimme war belegt, als er schließlich den Kopf hob und sich etwas aus Sirius Armen löste, um auch nach den anderen dreien zu sehen. Da standen sie alle, nicht weit hinter Sirius, mit strahlenden Augen, lächelnd, gepflegt, so wie er es sich vorgestellt hatte. Wieder musste Remus schlucken und fuhr sich schließlich sogar mit dem Handrücken über die Augen, als die Tränen hochzusteigen drohten. "James... Lily... Schön euch zu sehen... ihr habt mir furchtbar gefehlt, wisst ihr das?... Peter..." Remus spürte wie seine Stimme versagte, als nun auch James und Lily auf ihn zu kamen, ihn umarmten und begrüßten. Und Peter hielt sich zwar etwas zurück, kam aber recht schnell näher, als James ihn heran winkte. Remus fühlte sich wie in einer glücklichen Wolke. Seine Familie - denn nichts anderes waren seine besten Freunde - war wieder bei ihm, war eigentlich nie weg gewesen. Warum hatte er nur zugelassen, dass sie verschwanden? Wie hatte er das tun können, seine Chancen verspielen, die ihm die Gelegenheit gegeben hatten sich mit diesen wundervollen Menschen zu treffen? Er versuchte gar nicht zu verhindern, dass ihm die Tränen kamen, als er sich an Sirius klammerte und dessen warme Arme, die ihn noch immer fest hielten und stützten, genoss. Sicher, es hatte ihn schwer getroffen, als er gedacht hatte, dass Lily und James tot waren. Ebenso hatte es ihn getroffen, als er gedacht hatte, dass Peter sie alle verraten hätte. Doch das was ihn endgültig den Halt hatte verlieren lassen nach all dem Leid an das er sich erinnern konnte, war Sirius Tod. Dieser sinnlose, viel zu plötzliche Tod, als er hinter den Schleier gefallen und von einem Moment auf den Anderen einfach nicht mehr da gewesen war. Es dauerte etwas, bis sich Remus wieder gefasst hatte, die sanften Worte seiner Freunde im Ohr, die ihn zu beruhigen versuchten. Erst jetzt erkannte er, dass Sirius Arme mittlerweile nur noch locker um ihn lagen und dass er es selbst war, der sich an seinen Freund klammerte. Allerdings konnte er Sirius Hand auf seinem Rücken spürte, wie sie diesen beruhigend hinauf und hinab glitt. Er atmete tief durch und schloss die Augen, wollte sich auf das konzentrieren, was er roch, so wie er es seit Jahren aus Gewohnheit tat, um sich selbst zu beruhigen. Dieses Mal stach ihm jedoch nur dieser elendige Zitronengeruch in die Nase und er verzog leicht das Gesicht. Alles in dieser vermaledeiten Irrenanstallt roch noch Zitrone, alles wurde von diesem Geruch überdeckt und wenn er nicht gewusst hätte, dass er nicht zumindest Malfoys Eau de Toilette gerochen hätte, als er ihn das letzte Mal gesehen hatte, hätte er schwören können, dass ihm der Zitronengeruch mittlerweile seine Geruchsrezeptoren verätzt hätte! Doch diesen Gedanken verdrängte er recht schnell, als er die Augen öffnete und in Sirius besorgtes Gesicht sah, der sein Mienenspiel verfolgt hatte. "Hey, Moony... Alles okay bei dir?" Leicht nickte Remus und lockerte schließlich seinen Griff um Sirius, ehe er langsam seine Hände zurück zog und sich die Tränen aus den Augen wischte. "Alles okay... ich... ihr habt mir nur alle so ungemein gefehlt..." Einen Moment schwieg er, dann hob er den Blick wieder und sah seine Freunde einen nach dem Anderen an. "Ich... ich dachte ihr wäret alle tot... warum auch immer mir mein Kopf das angetan hat, er hat mir vorgegaukelt, ich hätte jeden von euch für immer verloren..." Seine Stimme versagte und wie von selbst griff seine Hand nach der von Sirius, hielt sie trostsuchend fest. Einen Moment wurde seine eigene Hand gedrückt, doch dann spürte er, wie Sirius seine Hand zurück zog und Remus bekam das Gefühl, dass Sirius die Geste unangenehm gewesen war. Ein Blick zu seinem Freund zeigte einen verwirrten, aber eher ablehnenden Ausdruck auf Sirius Gesicht und Remus spürte einen Stich in der Brust. Nur einen kurzen Moment später kam ihm ein schrecklicher Gedanke und er musste schwer schlucken. Wie viel von dem, was er als Erinnerung, als Wahrheit kannte, war in der Realität gar nicht passiert? Wenn Sirius schon so auf eine schlichte Berührung reagierte, dann war es unwahrscheinlich, dass das, an was er sich erinnerte, auch nur ansatzweise passiert war. Remus fühlte sich, als hätte man ihn geschlagen. Er hatte erhalten was er wollte, hatte seine Freunde wiedergefunden doch gleichzeitig hatte er erneut etwas verloren, was ihm wichtiger als alles andere gewesen war. Und dieses Mal war er sich sicher, dass er es nicht wieder bekommen würde. "Ich werde sehen, ob wir etwas zu trinken bekommen können", meldete sich plötzlich Lily, die offensichtlich gemerkt hatte, dass etwas nicht ganz so in Ordnung war, und setzte sich in Richtung Türe in Bewegung. Remus konnte hören, wie es quietschte und sie um Tee bat, während seine Freunde um ihn herum sich schließlich auf die restlichen Möbel verteilten und Remus alleine auf dem Sofa zurück blieb. Erneut versuchte er es mit tief durchatmen um sich zu sammeln. Erneut schlug es fehl, als er nur Zitrone roch und nicht den fernen, leicht herben, erdigen Geruch, den Sirius sonst sein eigen nannte. Oder den frischen blumigen Duft, den er von Lily und in etwas flüchtigerer Form auch von James kannte. Und auch Peters Geruch blieb ihm verborgen, was ihn allerdings weniger störte. Auch wenn Peter sie offensichtlich nie verraten hatte, er konnte seine schmerzlichen Erinnerungen bei Peter nicht ganz so einfach beiseite schieben, auch wenn er hoffte, ihm irgendwann die Dinge verzeihen zu können, die er doch eigentlich gar nicht getan hatte. "Erzählt doch, wie ist es euch in all der Zeit ergangen, die wir uns nicht mehr gesehen haben...?", schaffte es Remus schließlich wieder das Wort an seine Freunde zur richten, auch wenn er sich nach wie vor gedämpft in seiner Freude fühlte. Was von dem an das er sich erinnerte war noch von seinen Träumen, seinem Verlangen beeinflusst gewesen? Was hatte nie stattgefunden in der ein oder anderen Art? Waren er und seine Freunde vielleicht gar nicht so gut befreundet, wie er es in Erinnerung hatte? Er schüttelte innerlich den Kopf. Die Umarmung hatte ihm gezeigt, dass sie ihn ebenso vermisst hatten, wie er sie vermisst hatte. Zumindest das, zumindest ihre Freundschaft schien kein Traum gewesen zu sein, welchen er in seinem Wahn gesponnen hatte so wie vieles Andere, an das er sich erinnerte. Während er seinen Freunden lauschte, die ihm erzählten, wie für sie die letzten Jahre vergangen waren, lag Remus Blick immer wieder auf Sirius. Bei allem was er erlebt hatte oder geglaubt hatte zu erleben, war seine Beziehung zu Sirius immer das Wichtigste für ihn gewesen. Schon in der Schule hatte sie ihm Stärke gegeben, noch viel mehr danach. Selbst als es hieß Sirius hätte seine Freunde verraten, hatte er trotz Zweifel darauf gehofft, dass alles nur ein Irrtum gewesen war und als sich die ersten Beweise zu dieser Theorie zeigten, war er der Erste gewesen, der sich wieder auf Sirius Seite gestellt und seine Nähe gesucht hatte. Eine Nähe, die ihm der Andere offensichtlich nie wirklich gewährt hatte. Remus hatte schon viel ertragen in seinem Wahn. Doch er war sich nicht sicher, ob er ertragen konnte, was ihm die Realität verwehrte. Kapitel 7: Bunt --------------- "Wie ist ihm der Besuch bekommen?" Es war mittlerweile Abend geworden und ein weiteres Mal in dieser Woche hatte sich Severus bei Lucius in Malfoy Manor eingefunden, um den momentanen Stand der Versuche rund um Remus Lupin zu besprechen. Da Lupin lange Zeit zum Kern des Ordens gehört hatte, hatte Lucius es sich offensichtlich zum Ziel gesetzt den Werwolf zu brechen, um an die wirklich wichtigen Informationen zu gelangen, die dieser noch immer nicht preis gegeben hatte. Ihm eine Illusion seiner Freunde vorzusetzen war dabei ein großer Schritt gewesen, der nötig geworden war, nachdem sie Lupin hatten glauben lassen, dass tatsächlich alle vier noch lebten. Dass zumindest einer tatsächlich noch lebte, wusste bisher nur Severus selbst und er würde sich hüten das Lucius gegenüber zu erwähnen. Noch immer war sich Severus nicht sicher, wie Albus es geschafft hatte Black hinter dem Schleier wieder hervor zu holen, doch war er ihm um Lupins Willen dankbar dafür. Von dem was er gesehen hatte, als er nach seiner Rückkehr kurz in die Zelle des Werwolfs geblickt hatte, war etwas geschehen, was den Wolf aus der Bahn geworfen hatte. Und nun hoffte er von Lucius zu erfahren, was passiert war. "Nun, das hängt davon ab, wie man 'bekommen' definiert", antwortete Lucius ruhig und nippte an seinem üblichen Glas Wein, welches er schließlich neben dem Schachbrett, das zwischen den beiden Männern stand, abstellte. Lucius betrachtete einen Moment die Figuren, griff sich dann einen Springer und setzte ihn einige Felder nach vorne. "Es war wohl nicht ganz das, was er sich erhofft hat. Dabei bin ich mir sicher, dass die Abbilder hundertprozentig seinen Freunden entsprachen." Ein unzufriedener Ausdruck erschien auf Lucius Gesicht als er an die verschiedenen Reaktionen dachte, die er bei Lupin hatte beobachten können. Irgend etwas hatte nicht gestimmt... nur was? Kurz nachdem das Abbild von Black Remus umarmt hatte, war die Stimmung plötzlich gekippt. Es war, als hätte Remus etwas in Blacks Blick gesucht, jedoch nicht gefunden... Lucius stockte leicht als ihm ein Gedanke kam. Langsam hob er den Kopf und blickte zu Severus, welcher nach Lucius Zug nun seinerseits nachdenklich die Spielfiguren betrachtete. "Hatten Lupin und Black eine Liebesbeziehung?" Severus hielt mitten in der Bewegung inne, mit welcher er gerade seinen Turm hatte setzen wollen, und blickte mit hochgezogener Augenbraue zu seinem alten Freund auf. "Bitte was?" "Ob Lupin und Black eine Liebesbeziehung hatten, habe ich gefragt. Black hatte immer diesen Ruf des Frauenhelden, doch was, wenn er hinter diesem Ruf etwas versteckt hat?" Severus blinzelte etwas und lehnte sich im Stuhl zurück, noch immer den Turm in seiner Hand, während er Lucius leicht perplex anstarrte. Die Schlussfolgerung des Anderen war durchaus logisch, doch Severus selbst hatte nie etwas von einer Beziehung dieser Art zwischen dem Werwolf und Black gesehen. Allerdings hieß das nicht unbedingt, dass da nichts gewesen war. In seiner Schulzeit hatte er nicht drauf geachtet, da er damit beschäftigt gewesen war dem Grüppchen aus dem Weg zu gehen. Und später im Orden hatte er beide Männer immer nur in der großen Gruppe und auch nur flüchtig gesehen. Allerdings wusste er, wie sehr Lupin gelitten hatte, als Black gestorben war. Ob das jedoch genug war, um eine Liebesbeziehung dahinter zu vermuten, das konnte er nicht sagen. "Ich habe nichts dergleichen bemerkt. Das muss aber nichts heißen. Black und Lupin sind nicht unbedingt das, was ich als Busenfreunde oder auch nur interessante Beobachtungsobjekte beschreiben würde." Er zuckte etwas mit den Schultern und erwiderte Lucius skeptischen Blick in aller Ruhe. Lucius mochte anderer Meinung sein, Severus allerdings tangierte das nicht. Er wollte gar nicht wissen, ob Lupin und Black eine Liebesbeziehung gehabt hatten auch wenn eine solche natürlich helfen würde Lupin wieder von der Wirkung des Trankes zu befreien. Oder aber sie würde Lucius das Werkzeug geben, welches er benötigte, um Remus endgültig in den Wahnsinn zu treiben. Endlich setzte er mit einem hölzernen Klicken seinen Turm zurück auf das Spielfeld und blickte Lucius an. "Schach." Noch war alles offen. --- Das Klopfen an seiner Zimmertüre ließ Remus verwirrt von dem Buch aufblicken, welches er von einem der Werter erbeten hatte um sich zu beschäftigen. Die plötzliche Unterbrechung seiner Gedanken brachte ihn etwas aus dem Konzept. Seiner Einschätzung nach war es mittlerweile ziemlich spät, so dass er keinen Besuch mehr erwartet hatte. "Herein...?", versuchte er es probehalber mit einer Höflichkeitsfloskel, als nach dem Klopfen die Türe seines Raumes nicht einfach geöffnet wurde. Normalerweise klopfte nur Snape an, um sich anzukündigen, trat danach aber dennoch direkt ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Dieser konnte es also wohl nicht sein. Als sich dann die schwere Türe seiner Zelle öffnete, stand Remus demnach eine Überraschung bevor, mit der er tatsächlich nicht gerechnet hatte. Seine Augen wurden groß. "Sirius!" Das Grinsen auf den Lippen seines Freundes wurde noch breiter, als dieser Remus Überraschung sah, war es doch anscheinend genau die Reaktion gewesen, die er sich erhofft hatte. "Ich hab den Doc überredet mich nochmal zu dir zu lassen. Weil du letztes Mal so geknickt warst, als wir alle wieder gegangen sind.", erklärte der Schwarzhaarige, zufrieden, dass seine Überraschung gelungen war, und betrat die kleine Zelle, während hinter ihm die Türe wieder quietschend ins Schloss fiel. Dann begann er sich in Remus kleinem Raum umzusehen, während Remus selbst nur langsam sein Buch fort stellte und noch immer zu begreifen versuchte, dass Sirius ihn tatsächlich besuchen gekommen war. Er konnte nicht verhindern, dass die Hoffnung erneut in ihm aufstieg. Auch nicht, als Sirius sich schließlich nahe neben ihn setzte und sich hinter ihm abstützte. Sirius war so nah, dass Remus schwach seinen süß-herben Duft wahrnehmen konnte, leicht blumig, aber gleichzeitig hölzern und mit einem Hauch von Moschus. Es war nicht ganz der Duft, den er von Sirius gewohnt war, doch da recht bald der Geruch nach Zitrone alles überlagerte, schob er diesen Gedanken einfach beiseite. Das hier war Sirius. Sein Sirius, welcher nahe genug saß, so dass er sich nur noch ein ganz klein wenig näher lehnen musste, um sich an ihn lehnen zu können... Gerade als er diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, spürte er, wie sich Sirius Hand hinter seinem Rücken langsam über seine Hüfte schob und er schließlich an den warmen Körper des Anderen gedrückt wurde. Wie von selbst schlossen sich Remus Augen, sein Kopf kam auf Sirius Schulter zu liegen und er seufzte mit einer Mischung aus Erleichterung und Zufriedenheit. Dann hatte er es also doch nicht geträumt. Sirius und er. Er und Sirius. Es war vielleicht nicht so fantastisch und zauberhaft wie er es in Erinnerung hatte, doch nichtsdestotrotz war es da. Das 'wir' das sie verband. "...Ich wusste nicht, wie du reagieren würdest, wenn ich das mache, während die Anderen da sind...", hörte er leise Sirius warme Stimme an seinem Ohr. "Wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen... Und du hattest deinen Rückfall... Ich... war mir nicht sicher, ob du uns nicht vielleicht vergessen oder verdrängt hast. Sowas passiert hier doch immer wieder, dass irgendwer irgend jemanden vergisst oder so..." Der leicht unsichere Ton in Sirius Stimme wärmte Remus das Herz, zeigte er ihm doch, dass sich Sirius ebenso wie er selbst Gedanken um sie gemacht hatte, dass er genau so wie er selbst Angst gehabt hatte abgewiesen zu werden, verloren zu haben, was zwischen ihnen gewesen war. "Wie könnte ich dich je vergessen?", antwortete Remus schließlich nur leise und öffnete langsam die Augen, ehe er den Kopf hob und Sirius erst sanft, dann, nach einem kurzen, glücklichen Seufzen deutlich leidenschaftlicher küsste. Er hatte Sirius wieder. Er hatte seine Freunde wieder. Er würde geheilt werden. Was auch immer seinen Rückfall in diese Krankheit verursacht hatte, er würde geheilt werden. Zwar traute er seinen Ärzten noch immer nicht und er war sich nicht sicher, ob er das je würde, aber er wusste, dass er es dennoch mit Hilfe von Sirius, James, Lily und Peter schaffen würde. Und wenn er diese Anstalt dann irgendwann verlassen konnte, würde er sich endlich gemeinsam mit Sirius ein Leben aufbauen. --- Als Lucius nach Hause zurück kehrte, war er tief in Gedanken versunken. Er musste nicht darüber nachdenken, damit seine Schritte ihn in sein Schlafzimmer führte, welches er sich mit Narzissa teilte. Wie immer um diese Uhrzeit schlief seine Gattin bereits und selbst wenn sie wach gewesen wäre, sie hatte gelernt ihn nicht danach zu fragen was in seinem Kopf vor sich ging, ohne dass er ihr nicht bestimmte Zeichen gab oder es ihr von selbst erzählte. Beides gehörte nicht zu den Dingen, die er in dieser Nacht getan hätte. Nachdem er sich umgezogen hatte, ließ er sich unter den fließenden Stoff seiner Bettdecke sinken und starrte gegen den Baldachin seines edlen Himmelbettes. Nach einem Moment der Stille, glitten seine Finger wie von selbst an seine Lippen, strichen über diese und zogen sich schließlich wieder zurück. Dann fiel sein Blick auf Narzissa und er gab ein lautloses Seufzen von sich. Narzissa und er hatten geheiratet, weil ihre Eltern es so gewollt hatten. Sie hatten sich nicht geliebt, waren aber am Ende Freunde geworden. Er wusste er konnte ihr alles anvertrauen, auch wenn er es selten tat - um sie zu beschützen. Ebenso wusste er allerdings, dass er Cissa, so sehr er sie auch als Freundin oder Schwester lieben mochte, nie so lieben würde, wie sie es eigentlich verdiente. Und er selbst hatte an diesem Abend begriffen, dass er wohl nie so geliebt hatte oder geliebt worden war, wie Remus Lupin Sirius Black liebte. Es hatte nur dieses einen Kusses bedurft, um ihm das begreiflich zu machen. Dieser eine Kuss, den er von Lupin erhalten hatte, als er seine Theorie um ihn und Black mit einem einfachen Illusionszauber ausgetestet hatte. Sie hatte sich offensichtlich bestätigt. Und gleichzeitig war er in ein Gefühlswirrwar gestürzt, welches er niemals erwartet hatte. Der Kuss hatte eine Begierde in ihm geweckt, die er als solche nie gekannt hatte. Er wollte diese Liebe, dieses uneingeschränkte Vertrauen, das Lupin Black entgegen brachte. Er wollte das Verlangen, das Begehren, wollte die liebevollen und gleichzeitig hungrigen Blicke. Er wollte all das, was Black hatte. Er wollte Remus Lupin. Kapitel 8: Zimt --------------- "Und welchen Zweck soll dieses Buch noch einmal haben?" Severus hielt das alte, abgegriffene und leicht zerfledderte Notizbuch hoch, das er gerade von Sirius Black - im Beisein von Dumbledore in der Black'schen Bibliothek - erhalten hatte. Der genervte Gesichtsausdruck seines verhassten Gegenübers spiegelte seinen Eigenen, als Black übertrieben die Augen rollte und seufzte. "Remus k e n n t das Buch! Wie oft soll ich das noch sagen?!" "Es ist leer!" "Es ist ein magisches Notizbuch, verdammt nochmal! Es aktiviert sich nur mit Passwort!" "Und wie sollte ich das Lupin unauffällig geben?!" "ER. KENNT. ES!" Wenn er selbst nicht so unglaublich genervt von Black gewesen wäre, hätte es Severus beinahe amüsiert, als der andere Mann sich regelrecht verzweifelt die Haare raufte. Doch sie beide hatten wohl nicht mehr die Gelassenheit sich zurück zu halten. Die hatte Black allerdings auch nie besessen! Gerade, als Severus die stetig steigende Lautstärke des Streits erneut hatte anheben wollen, bremste Albus Dumbledore sie aus. "Meine Herren", sprach er mit gehobenen Händen und blickte zwischen Severus und Black hin und her. "Gemach. Wir verfolgen doch alle das gleiche Ziel." Langsam senkte der alte Mann die Hände und richtete seinen ernsten Blick über den Rand seiner Brille hinweg auf Black. "Bist du dir sicher, dass er sich an das Passwort erinnern wird, Sirius?" "Hundertprozentig", nickte Black mit ernster Miene, ehe er einen neuen Versuch startete, Severus mit allem Hass, den er verspürte, nieder zu starren. "Remus und ich haben diese Bücher gemeinsam verhext und gemeinsam magisch gesichert. Er würde die richtigen Worte niemals vergessen!" "...Nicht nur ein PassWORT, sondern gleich PassWÖRTER... ich bezweifle, dass sich Lupin auch nur noch ansatzweise an etwas so kompliziertes erinnern wird in seinem aktuellen Zustand!", schnarrte Severus und konnte regelrecht sehen, wie Black bei seinen Worten erstarrte. Wie jedes Mal, wenn er einen solchen Kommentar fallen ließ. Es quälte den Mistköter zu hören, wie sehr Lupin mittlerweile den benebelnden Tränken verfiel - und das, obwohl Severus sie ihm mittlerweile nur noch stark verdünnt verabreichte. Dieses Mal blieb, zu Severus Überraschung, allerdings das Gefühl der Schadenfreude aus, welches Severus ansonsten immer verspürte, wenn er sah, wie Black litt. Es machte ihm keinen Spaß mehr, das gequälte Gesicht des Mannes zu sehen, der ihn selbst jahrelang gequält hatte! Severus verzog etwas das Gesicht und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nasenwurzel, hinter der es allmählich wieder unangenehm zu Pochen begann. Er wurde langsam alt... "Lucius Malfoy setzt ihm immer wieder seine verlorenen Freunde vor, die sich darüber freuen, dass Lupin nun wieder in der 'Realität' ist. Und meine 'Behandlung' macht es auch nicht besser... Er fängt an zu glauben, dass der Wolf nicht existiert und nie existiert hat!" "Aber... vorgestern war Vollmond! Er hat sich doch verwandelt - oder nicht? Wie könnte er das ignorieren!", warf Black regelrecht fassungslos ein. Wieder verzog sich Severus Gesicht zu einem etwas bitteren Grinsen und nickte halb, ehe er den Kopf schüttelte. "Ganz einfach... Er hat sich zwar verwandelt, doch dank des Wolfsbanns ist er bei Verstand geblieben... Und die Wirkung meines Trankes hat ihm eingeredet, dass er im Spiegel keinen Wolf, sondern einen Menschen gesehen hat..." --- Remus wanderte seit geraumer Zeit unruhig in seinem Zimmer hin und her. Er wusste, dass heute Vollmond war, spürte es bis tief in seine Knochen. Selbst Doktor Snape hatte ihm bestätigt, dass es so war, als er danach gefragt hatte, doch anders als Remus hatte der Arzt es mit einem Winken abgetan, dass Remus den Mond regelrecht hervorkriechen spürte. 'Mondfühligkeit' hatte er es genannt. Das hatten viele Menschen, hatte er gesagt und es wäre 'ganz normal'. Um Remus das auch zu beweisen, hatte der Doktor zudem angekündigt, heute mitten in der Nacht in seine kleine Zelle zu kommen für irgend eine Form der Therapie. Und genau deswegen war Remus unruhig. Er hatte zwar Medikamente erhalten, doch nichts, was dem Wolfsbann, den er kannte, ähnelte. Der Mond kam unaufhörlich näher, ebenso wie der Wolf und Remus konnte nichts anderes tun als hoffen dass die Ärzte und Pfleger intelligent genug waren nicht herein zu kommen, wenn sie hier eine monströse, wölfische Bestie wüten sahen. Ansonsten würde das alles sehr unschön werden - für beide Seiten. Langsam kroch die Zeit voran und zum ersten Mal seit er hier war konnte Remus tatsächlich sehen, dass es draußen dunkel wurde. Er wunderte sich nicht einmal mehr. Er war eben doch immer zu früh ins Bett und zu spät wieder aufgewacht, so dass er die Nacht verschlafen hatte, ganz einfach. Egal, ob er sich eigentlich zu den Frühaufstehern zählte, oder nicht. Bestimmt waren es die Medikamente, die ihn so viel schlafen ließen. Vielleicht sollte er den Doktor mal darauf ansprechen? Es wurde immer später, doch als seine Muskeln unruhig zu zucken und zu krampfen begannen, wusste er, dass es so weit war: Der Mond ging auf. Er spürte, wie ihm pünktlich zu den ersten Mondstrahlen, die ihn erreichten der Schmerz in die Glieder fuhr, der ihn keuchen und in die Knie sacken ließ. Seine Hände ballten sich, als der Schmerz sich rasend schnell in seinem Innern ausbreitete. Er schrie auf, krümmte sich zusammen, während sein Schädel zu explodieren schien, als die Knochen begannen sich zu verformen und ihm nach und nach selbst das gequälte Kreischen versagten. Es war grell, es war heiß, es blendete, stach in und riss an ihm, hämmerte auf ihn ein, zerschmetterte und zerquetschte ihn. Es blendete alles andere aus und als dann für einen Moment alles schwarz um ihn herum wurde, war es schiere Erleichterung. Gerade als der Schmerz langsam verebbte, erwachte er wieder und öffnete langsam die Augen. Er fühlte sich völlig geplättet und blieb erschöpft am Boden liegen wie er war, er leckte sich über die etwas trockene Schnauze und schloss die Augen schließlich wieder, um noch einen Moment auszuruhen. Nur langsam begriff er, dass er tatsächlich noch bei Verstand und die Bestie nicht ausgebrochen war. Wie das ohne Wolfsbann möglich war, war ihm gänzlich schleierhaft, doch lang dachte er nicht darüber nach, ließ ihn doch das laute Quietschen seiner Zellentüre doch zusammen zucken und aufblicken. Wie angekündigt stand Doktor Snape in der Türe und musterte ihn aufmerksam, während Remus den Blick eher müde erwiderte. Hinter dem Doktor konnte Remus deutlich zwei bullige Pfleger ausmachen. Vermutlich für den Fall der Fälle, sollte Remus doch aggressiv werden und angreifen. Es ließ Remus nur belustigt schnauben. Wenn er wirklich aggressiv gewesen wäre - oder vielleicht noch werden würde - wären die beiden Pfleger keine große Hilfe... "Mr. Lupin? Alles ok mit Ihnen? Sie haben fürchterlich geschrien." Erneut schnaubte Remus nur und schüttelte sich etwas, ehe er seinen Kopf wieder auf den Boden sinken ließ. Was war das für eine Frage? Der Doktor hatte seinen Beweis doch schon! Er, Remus Lupin lag bei Vollmond in seiner Wolfsgestalt am Boden, deutlich sichtbar auch für den Herrn Doktor. Irritierender Weise schien den Arzt seine Wolfsgestalt in keinster Weise zu stören... "Kommen Sie, ich helfe Ihnen zurück auf das Bett. Der Boden ist doch kein Ort zum schlafen, so kalt und ungemütlich..." Ehe Remus es sich versah, befand er sich wieder auf dem Bett und starrte den Doktor argwöhnisch an. Er fragte sich noch immer, wie Doktor Snape so gelassen sein konnte, wenn er einem ausgewachsenen Werwolf so nahe kam und ihm sogar unter die Arme griff. Und dann begann der Arzt auch noch seine Stirn zu fühlen und ihm mit einem kleinen Lämpchen in die Augen zu leuchten! Selbst als Remus aufgrund des blendenden Lichts zurück zuckte und zu Knurren begann, schien das den Doktor nicht zu beeindrucken und er begann an Remus Vorderpfote - Arm...? - seinen Puls zu messen. "Mister Lupin, sie sind gerade nicht sehr hilfreich!", schnarrte der Doktor, als Remus seine Pfote - Hand? - zurück zog und sich auf seine Hinterbeine - Knie? - sinken ließ. Noch immer verwirrt beobachtete Remus, wie Snape die Pfleger heran winkte, die schließlich einen mannshohen Spiegel in sein Zimmerchen trugen, dessen Vorderseite allerdings vom Bett fort gewandt war. Was sollte denn das jetzt schon wieder werden? "Mister Lupin. Erinnern Sie sich noch an das, was ich gesagt habe? Ich möchte mit Ihnen heute eine Therapiesitzung durchführen. Ich weiß, dass Sie glauben in diesem Moment eine Wolfsgestallt zu haben, doch dieser Spiegel wird Ihnen zeigen, wer Sie tatsächlich sind." Die Worte des Arztes ließen Remus unruhig werden. Wenn sich der Arzt so sicher war, dass Remus ein Mensch war, würde er ihn wohl kaum diese Therapie machen lassen, wenn nicht das heraus kommen würde, was er wollte - oder? Wieder knurrte er leise, doch selbst für ihn hörte und fühlte es sich plötzlich irgendwie... unecht an. "Kommen sie, Mr. Lupin, schauen Sie in den Spiegel..." Remus wollte den Kopf schütteln, weg sehen, als die Männer den Spiegel herum drehten doch alles was er tun konnte, war gebant auf den Spiegel starren, bis ihm die ersten unklaren Reflexionen entgegen wippten. Braun. Er selbst hatte braune Haare - braunes Fell! - trug aber auch gerne braune Kleidung. Neben dem Braun war es weiß. Der Raum, das Bett, seine Gestalt in der klinischen Kleidung. Auf dem Bett saß nur noch er, mit den braunen Haaren, grünen Augen, die blasse Haut, die müden Gesichtszüge. Er hob die Hand - Pfote...? - und streckte sie nach der gläsernen Oberfläche aus. Sein Spiegelbild folgte ihm. Die Scheibe fühlte sich kühl an seinen Fingerspitzen, seiner Handfläche an. Er hörte den Arzt etwas sagen, doch er verstand es nicht, nahm es nur am Rande wahr, war er doch viel zu sehr von seinem Spiegelbild gebannt. Es war wahr: Er war ein Mensch. Das war alles, was er sah, ein kranker Mensch, doch ein Mensch nichtsdestotrotz. Er war nur ein Mensch... "Doktor..." --- "Er hat...was?!" Sirius starrte Snape fassungslos an. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Ausgerechnet sein Remus, eine der stärksten Persönlichkeiten, die er kannte, wurde unter Snapes Führung regelrecht spielend gebrochen - und er konnte nichts dagegen tun! "Gesprochen, Black. Ja, ich weiß, du hörst langsam nicht mehr so gut, aber hier hast du dich tatsächlich nicht verhört", blaffte Snape auf Sirius entgeisterte Frage hin und brachte den Black damit selbst zum Knurren. "Ich gebe zu, es hat mich selbst überrascht", fuhr Snape scheinbar unbeeindruckt von Sirius Gebaren fort. "Keiner der Werwölfe, die mir bisher als Testsubjekte gedient haben, konnte sich bisher so klar in ihrer Wolfsform artikulieren. Oder eher überhaupt artikulieren. Allerdings beweist das nur, was ich die ganze Zeit schon sage: Lupin verliert sich in seiner Halluzination. Es besteht keinerlei Garantie, dass er sich an das Passwort für diesen armseligen Papierwulst erinnern wird." Einen langen Moment herrschte Stille als Sirius sich erst einmal sammeln musste. Was er gehört hatte, war so ungeheuerlich gewesen, dass er gar nich wusste, wie er damit umgehen sollte, doch was er wusste, war vor allem eines: Er musste einfach darauf vertrauen, dass Remus sich erinnerte... Remus würde sich ganz sicher an das erinnern, was sie durch dieses Buch geteilt hatten, was sie einander erzählt und anvertraut hatten. Und damit würde er sich auch an die Passphrase erinnern, die so einfach und doch so schwer war. "Versuch es einfach. Es kann nichts passieren, auch wenn er sich nicht erinnert. Im schlimmsten Falle nutzt er es als normales Notizbuch..." Einen Moment stockte Sirius, kostete ihn das nächste Wort an Snape doch sichtliche Überwindung: "...Bitte." Wieder herrschte einen Moment Stille zwischen ihnen, dann beobachtete Sirius erleichtert, wie das Notizbuch plötzlich zwischen Snapes Roben verschwand. "Gut. Ich werde es ihm geben, auch wenn ich nicht glaube, dass es funktionieren wird." "Für diesen Fall, meine Herren, sollten wir unseren Plan besprechen.", schaltete sich in diesem Moment wieder Professor Dumbledore ein, der dem weiteren Gesprächsverlauf schweigend gefolgt war. Sirius atmete tief durch, wusste er doch, was Plan B war, würde er diesen doch am liebsten sofort in die Tat umsetzen! Er musste zu Remus... Er musste da rein und ihn verdammt nochmal wieder nach Hause holen! Kapitel 9: Orange ----------------- Remus blickte in die Dunkelheit und starrte den Mond an, von dem wohl doch nicht mehr sein Leben abhing. Es hatte ihn gänzlich verwirrt, als er festgestellt hatte, dass er tatsächlich nur ein psychisches Problem hatte, dass er tatsächlich vielleicht nicht verrückt, doch aber mental geschädigt war. Er war kein Werwolf. Doktor Snape hatte ihm das eindrucksvoll bewiesen und doch war es schwer los zu lassen. Er hatte sich nicht mehr verwandelt, seit dieser Nacht. Der Schmerz war wie fortgeblasen gewesen, er hatte einfach nur in sich geruht, hatte sogar etwas schlafen können und am Morgen hatte er gerade mal etwas Kopfschmerzen gehabt. Zwar spürte er den Mond noch immer, wenn er über den Horizont stieg und sein mattes Licht die Dunkelheit erhellte, doch es war nicht mehr das Gleiche wie zuvor. Es war, als würde er dauernd auf die Uhr sehen, konnte er doch genau sagen, wie spät es war, wie weit der Mond schon gewandert war. Doch die Angst war verschwunden. Er war kein Monster. Er war nur jemand mit psychischen Problemen. Leise begann er zu lachen, ein kehliger, rauer Laut, der in seiner Kehle kratzte. Sicher, der Mond hatte noch irgendwie seine Wirkung auf ihn, doch es war bei weitem nicht mehr so schlimm wie zuvor. Statt Krämpfen, Gedächtnisschwund und einem Fellmantel hatte er nur ab und an eine trockene Kehle, seine Nase juckte wegen des steten Zitronendufts, an welchen er sich mittlerweile schon beinahe gewöhnt hatte und eine innere Unruhe ließ ihn auf und ab laufen. Es war, als wäre die Kraft, die er gebraucht hatte um das eingebildete Biest im Zaum zu halten nun in seinen Gliedern und wollte hinaus, wollte, dass er sich bewegte, vor Freude lief und sprang. In diesen Nächten wurde seine kleine Zelle zu dem, was es leider auch war: ein Gefängnis, welchem er entfliehen wollte. Er wünschte sich doch nur eine Wiese, einen Wald, irgendetwas, wo er laufen konnte! Unruhig streckte er seine Glieder und begann in seinem Raum auf und ab zu tigern. Er streckte sich dem Licht des Mondes entgegen, hob den Kopf und dann hörte er in der Ferne ein Heulen. Es klang wehmütig und einsam. Er holte tief Luft und auch das Heulen erstarb einen Moment, ehe es wieder erklang und ihm bestätigte: Dem Wolf dort draußen – denn hier drinnen konnte er ja nicht sein – dem ging es wie ihm: Er war eingesperrt und wollte hinaus. Es machte ihn unglaublich traurig. Erneut atmete er tief durch und das Heulen erklang ein letztes Mal in seinen Ohren, als er sich schließlich ab wandte und zu seinem Bett wankte. Mit einem Mal fühlte er sich träge und erschöpft und er wollte schlafen. Es war spät in der Nacht, bald würde die Sonne aufgehen, also war es vermutlich nur natürlich. Mit einem leisen Seufzen vergrub er seine Schnauze im Kissen seiner Liege und war binnen Sekunden eingeschlafen. Draußen vor der Zimmertüre hatte Lucius den unruhigen Wolf im Raum beobachtet, jedoch ohne ihm die Chance zu geben, ihn zu entdecken. So massiv die Türen von innen wirkten, so durchsichtig waren sie dank eines Zaubers von außen, wenn man es wollte. Und Lucius wollte es. Seit Severus ihm von der ungewöhnlichen Reaktion des Werwolfs berichtet hatte, hatte er es mit eigenen Augen sehen müssen. Und was sich ihm hier hinter verschlossenen Türen offenbarte war erstaunlicher, als er es gedacht hätte. Seit der so genannten Therapie, die Severus testweise angesetzt hatte, um Lupin davon zu überzeugen, dass seine Halluzinationen wahr waren, hatte sich der Werwolf verändert. Was zuvor eher die Karikatur eines stolzen Waldtieres gewesen war, eine Mischung aus Mensch und Wolf, mit gekrümmtem Körper und wildem Blick hatte sich in ein starkes, wunderschönes Tier verwandelt. Lupin war zum Wolf geworden, nachdem er das Monster unwissentlich akzeptiert hatte, indem er es einfach zugelassen hatte, da es ja seiner Meinung nicht mehr da war. Es wunderte Lucius schon gar nicht mehr, dass das starke Tier mit dem weich schimmernden Fell in der Zelle unruhig wurde, gehörte doch ein Wesen wie dieses mehr in den Wald oder auf das freie Feld, doch beides war nicht möglich. Er bedauerte es regelrecht und doch hatte er nicht die Möglichkeit es zu ändern. Remus Lupin würde in dieser Zelle sterben, das wusste er. Sobald er die Geheimnisse preisgegeben hatte, die der dunkle Lord von ihm haben wollte. Leicht schüttelte Lucius den Kopf und löste den Zauber von der Türe, ehe er sich ab wandte und nur einen Moment später Auge in Auge mit Severus Snape stand. Seine Augen weiteten sich überrascht, doch ansonsten blieb seine Miene ruhig, als wäre nichts gewesen. Die Meisten ließen sich davon täuschen, doch Severus kannte ihn schon zu lange, um nicht die Überraschung, ja das ertappt sein in seinem Blick zu erkennen. Severus wusste, dass er hier nichts zu suchen hatte. „Du beobachtest Lupin?“, fragte Severus das offensichtliche mit sichtlicher Irritation in der Stimme. Ja, der Tränkemeister kannte ihn, doch Lucius wusste, dass er sich in einigen Dingen aktuell nicht wie er selbst benahm. Wobei, es waren nicht „einige Dinge“. Es war einfach nur das, was Remus Lupin betraf. „Ich wollte mir selbst ein Bild machen. Immerhin soll meine Illusion ihm gegenüber ebenso perfekt sein wie deine“, gab er zur Antwort, der Tatsache gewahr, dass Severus ihn durchschauen und ihm nicht glauben würde. Perfektionismus hin oder her, das wäre Lupin ihm unter normalen Umständen nicht wert gewesen. Doch für Lucius waren die Umstände nicht mehr normal. „Sicher“ Lucius Auge zuckte ob der trockenen Antwort seines, ja Lucius würde ihn tatsächlich als Freund beschreiben. Severus war sogar der Einzige, der für ihn auch nur annähernd in diese Kategorie fiel. Freunde waren eine Schwachstelle, die sich Lucius nicht erlaubte, die er nicht gebrauchen konnte, zwangen ihm doch seine sozialen Verpflichtungen schon genug Schwachstellen auf. Von daher konnte Severus sich geehrt fühlen, auch wenn Lucius sich recht sicher war, dass sein Freund nicht einmal annähernd in diese Richtung dachte. „Und was führt dich hierher?“, fragte er nun seinerseits den Tränkemeister, dessen Lippen sich nun amüsiert zu kräuseln begannen. „Du wirst defensiv, Lucius… Das kenne ich ja so gar nicht von dir. Sag bloß unser Wölfchen hier interessiert dich tatsächlich…“ Erneut überraschte ihn Severus mit seiner Beobachtung. Lucius hatte nicht erwartet, dass es tatsächlich jemanden gab, der ihn trotz seiner Masken so gut lesen konnte und er wusste nicht, ob es ihm Angst machen, oder ob er sich geschmeichelt fühlen sollte. Es kostete harte Arbeit hinter seine Masken zu blicken und zu sehen, was niemand sehen sollte. So viel war klar. „Nun, natürlich interessiert mich der Wolf. Es ist das erste Mal, dass ich einen Werwolf sehe, der eine solche Gestalt angenommen hat. Selbst Greyback hat sich immer nur in diese haarige Ratte verwandelt. Er war wohl nie so sehr mit seinem Wolf verbunden, wie er immer behauptet hat, der Gute.“ Ausflüchte. Einfache, durchschaubare Ausflüchte. Das Schmunzeln, das nach wie vor auf Severus Lippen zu sehen war, zeigte Lucius, dass sich sein langjähriger Freund nicht von ihm täuschen ließ. Es war das erste Mal, dass sich Lucius so entblättert vor jemandem fühlte, der ihn offenbar durchschauen konnte, ob er wollte, oder nicht. Es machte ihm Angst. „Sicher“, hörte er noch einmal von seinem Freund – Lucius hoffte, dass Severus ihn zumindest wirklich ebenfalls als solchen sah, würde es ihm doch sonst sehr bald schlecht ergehen – ehe dieser selbst einen Blick hinter Lupins Türe warf, um den Wolf zu betrachten. „Es überrascht mich noch immer, dass mein Trank solch eine Wirkung auf ihn hat…“ „Ich dachte der Trank hatte auf alle die gleiche Wirkung? Immerhin glaubt er seine Halluzinationen, das war doch der Zweck des Ganzen – oder nicht?“ Der Themenwechsel irritiert Lucius, doch zeigte er es, wie so vieles Anderes, nicht. So wie er Severus kannte, nahm er es allerdings als gutes Zeichen. Das vorherige Thema war abgeschlossen, Severus stellte keine weiteren Fragen und wenn sie wirklich Freunde waren, würde Lucius auch nicht dem Zorn des dunklen Lords ausgesetzt werden. Er hoffte wirklich, dass er sich nicht irrte. „Ja, durchaus. Allerdings sind alle bisherigen Versuche daran gescheitert, dass die Patienten schlussendlich an ihren eigenen Halluzinationen zugrunde gegangen sind. Lupin… Lupin ist stärker. Sein Geist weigert sich zu brechen, was einerseits gut, andererseits schlecht für uns ist“, begann Severus zu erklären und blickte zu Lucius hinüber, dessen Blick sich wieder auf den großen Wolf gerichtet hatte, der mittlerweile schlafend auf seiner Liege lag. „Wäre er schwächer, kämen wir leichter an unsere Informationen. Oder möglicher Weise auch gar nicht. Immerhin hatten die Anderen… Patienten am Ende nicht mehr viel Informationen, die sie uns hätten geben können.“ „Also ist nicht klar, ob es für uns gut oder schlecht ist, dass er so stark ist…“, schlussfolgerte Lucius, ohne den Blick von der Liege zu nehmen, auf der sich der Körper des Wolfs im Takt seiner Atemzüge langsam hob und senkte. „Nun, er ist immer noch stark genug, um uns die Informationen zu verweigern. Immerhin hat er bisher zwar viel erzählt, aber nichts, das wir weiter verwerten oder gar dem dunklen Lord weiter tragen könnten. Die Frage ist, ob es uns überhaupt nützlich wäre, ihn so weit zu brechen, dass er uns ohne Probleme alles erzählt“, sprach Severus weiter, während Lucius die Stirn runzelte und nun doch wieder von dem Wolf zu dem anderen Mann sah. „Ich dachte, das wäre genau das, was wir wollen und was dein Trank bewirken sollte?“, fragte er skeptisch und blickte Severus an, welcher nun selbst den Wolf beobachtete, ehe er sich abwandte. „Wie ich bereits sagte, Lucius, wenn wir ihn so weit bekommen, hat er die Informationen, die wir wollen möglicherweise gar nicht mehr. Außerdem fändest du es doch sicherlich traurig, wenn der willensstarke Wolf sich in ein Häufchen Elend verwandeln würde, oder?“, entgegnete der Schwarzhaarige, welcher nun gelassen den Gang hinab in Richtung Ausgang schritt. Lucius biss sich bei diesem Seitenhieb auf die Unterlippe, ehe er Severus dann doch den Gang hinab folgte, dem Anderen allerdings eine Antwort schuldig blieb. „Was schlägst du also vor?“ „Deine Täuschung schlägt bei ihm offensichtlich an. Vielleicht kann ‚Sirius Black‘ ihn dazu bringen, zu erzählen, was er nicht Preis geben will. Du selbst wirst es sicher nicht können. Und ich auch nicht, auch wenn er mir seit dem letzten Vollmond offensichtlich mehr Vertrauen entgegen bringt, als zuvor.“ Severus hielt an und als Lucius das bemerkte, blieb auch er stehen und wandte sich seinem Freund wieder zu. „Gut, dann sind wir uns ja einig. Es wird Zeit Lupin endgültig zu brechen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)