Mental Disorder von SeiKaze (Do you trust your mind?) ================================================================================ Kapitel 9: Orange ----------------- Remus blickte in die Dunkelheit und starrte den Mond an, von dem wohl doch nicht mehr sein Leben abhing. Es hatte ihn gänzlich verwirrt, als er festgestellt hatte, dass er tatsächlich nur ein psychisches Problem hatte, dass er tatsächlich vielleicht nicht verrückt, doch aber mental geschädigt war. Er war kein Werwolf. Doktor Snape hatte ihm das eindrucksvoll bewiesen und doch war es schwer los zu lassen. Er hatte sich nicht mehr verwandelt, seit dieser Nacht. Der Schmerz war wie fortgeblasen gewesen, er hatte einfach nur in sich geruht, hatte sogar etwas schlafen können und am Morgen hatte er gerade mal etwas Kopfschmerzen gehabt. Zwar spürte er den Mond noch immer, wenn er über den Horizont stieg und sein mattes Licht die Dunkelheit erhellte, doch es war nicht mehr das Gleiche wie zuvor. Es war, als würde er dauernd auf die Uhr sehen, konnte er doch genau sagen, wie spät es war, wie weit der Mond schon gewandert war. Doch die Angst war verschwunden. Er war kein Monster. Er war nur jemand mit psychischen Problemen. Leise begann er zu lachen, ein kehliger, rauer Laut, der in seiner Kehle kratzte. Sicher, der Mond hatte noch irgendwie seine Wirkung auf ihn, doch es war bei weitem nicht mehr so schlimm wie zuvor. Statt Krämpfen, Gedächtnisschwund und einem Fellmantel hatte er nur ab und an eine trockene Kehle, seine Nase juckte wegen des steten Zitronendufts, an welchen er sich mittlerweile schon beinahe gewöhnt hatte und eine innere Unruhe ließ ihn auf und ab laufen. Es war, als wäre die Kraft, die er gebraucht hatte um das eingebildete Biest im Zaum zu halten nun in seinen Gliedern und wollte hinaus, wollte, dass er sich bewegte, vor Freude lief und sprang. In diesen Nächten wurde seine kleine Zelle zu dem, was es leider auch war: ein Gefängnis, welchem er entfliehen wollte. Er wünschte sich doch nur eine Wiese, einen Wald, irgendetwas, wo er laufen konnte! Unruhig streckte er seine Glieder und begann in seinem Raum auf und ab zu tigern. Er streckte sich dem Licht des Mondes entgegen, hob den Kopf und dann hörte er in der Ferne ein Heulen. Es klang wehmütig und einsam. Er holte tief Luft und auch das Heulen erstarb einen Moment, ehe es wieder erklang und ihm bestätigte: Dem Wolf dort draußen – denn hier drinnen konnte er ja nicht sein – dem ging es wie ihm: Er war eingesperrt und wollte hinaus. Es machte ihn unglaublich traurig. Erneut atmete er tief durch und das Heulen erklang ein letztes Mal in seinen Ohren, als er sich schließlich ab wandte und zu seinem Bett wankte. Mit einem Mal fühlte er sich träge und erschöpft und er wollte schlafen. Es war spät in der Nacht, bald würde die Sonne aufgehen, also war es vermutlich nur natürlich. Mit einem leisen Seufzen vergrub er seine Schnauze im Kissen seiner Liege und war binnen Sekunden eingeschlafen. Draußen vor der Zimmertüre hatte Lucius den unruhigen Wolf im Raum beobachtet, jedoch ohne ihm die Chance zu geben, ihn zu entdecken. So massiv die Türen von innen wirkten, so durchsichtig waren sie dank eines Zaubers von außen, wenn man es wollte. Und Lucius wollte es. Seit Severus ihm von der ungewöhnlichen Reaktion des Werwolfs berichtet hatte, hatte er es mit eigenen Augen sehen müssen. Und was sich ihm hier hinter verschlossenen Türen offenbarte war erstaunlicher, als er es gedacht hätte. Seit der so genannten Therapie, die Severus testweise angesetzt hatte, um Lupin davon zu überzeugen, dass seine Halluzinationen wahr waren, hatte sich der Werwolf verändert. Was zuvor eher die Karikatur eines stolzen Waldtieres gewesen war, eine Mischung aus Mensch und Wolf, mit gekrümmtem Körper und wildem Blick hatte sich in ein starkes, wunderschönes Tier verwandelt. Lupin war zum Wolf geworden, nachdem er das Monster unwissentlich akzeptiert hatte, indem er es einfach zugelassen hatte, da es ja seiner Meinung nicht mehr da war. Es wunderte Lucius schon gar nicht mehr, dass das starke Tier mit dem weich schimmernden Fell in der Zelle unruhig wurde, gehörte doch ein Wesen wie dieses mehr in den Wald oder auf das freie Feld, doch beides war nicht möglich. Er bedauerte es regelrecht und doch hatte er nicht die Möglichkeit es zu ändern. Remus Lupin würde in dieser Zelle sterben, das wusste er. Sobald er die Geheimnisse preisgegeben hatte, die der dunkle Lord von ihm haben wollte. Leicht schüttelte Lucius den Kopf und löste den Zauber von der Türe, ehe er sich ab wandte und nur einen Moment später Auge in Auge mit Severus Snape stand. Seine Augen weiteten sich überrascht, doch ansonsten blieb seine Miene ruhig, als wäre nichts gewesen. Die Meisten ließen sich davon täuschen, doch Severus kannte ihn schon zu lange, um nicht die Überraschung, ja das ertappt sein in seinem Blick zu erkennen. Severus wusste, dass er hier nichts zu suchen hatte. „Du beobachtest Lupin?“, fragte Severus das offensichtliche mit sichtlicher Irritation in der Stimme. Ja, der Tränkemeister kannte ihn, doch Lucius wusste, dass er sich in einigen Dingen aktuell nicht wie er selbst benahm. Wobei, es waren nicht „einige Dinge“. Es war einfach nur das, was Remus Lupin betraf. „Ich wollte mir selbst ein Bild machen. Immerhin soll meine Illusion ihm gegenüber ebenso perfekt sein wie deine“, gab er zur Antwort, der Tatsache gewahr, dass Severus ihn durchschauen und ihm nicht glauben würde. Perfektionismus hin oder her, das wäre Lupin ihm unter normalen Umständen nicht wert gewesen. Doch für Lucius waren die Umstände nicht mehr normal. „Sicher“ Lucius Auge zuckte ob der trockenen Antwort seines, ja Lucius würde ihn tatsächlich als Freund beschreiben. Severus war sogar der Einzige, der für ihn auch nur annähernd in diese Kategorie fiel. Freunde waren eine Schwachstelle, die sich Lucius nicht erlaubte, die er nicht gebrauchen konnte, zwangen ihm doch seine sozialen Verpflichtungen schon genug Schwachstellen auf. Von daher konnte Severus sich geehrt fühlen, auch wenn Lucius sich recht sicher war, dass sein Freund nicht einmal annähernd in diese Richtung dachte. „Und was führt dich hierher?“, fragte er nun seinerseits den Tränkemeister, dessen Lippen sich nun amüsiert zu kräuseln begannen. „Du wirst defensiv, Lucius… Das kenne ich ja so gar nicht von dir. Sag bloß unser Wölfchen hier interessiert dich tatsächlich…“ Erneut überraschte ihn Severus mit seiner Beobachtung. Lucius hatte nicht erwartet, dass es tatsächlich jemanden gab, der ihn trotz seiner Masken so gut lesen konnte und er wusste nicht, ob es ihm Angst machen, oder ob er sich geschmeichelt fühlen sollte. Es kostete harte Arbeit hinter seine Masken zu blicken und zu sehen, was niemand sehen sollte. So viel war klar. „Nun, natürlich interessiert mich der Wolf. Es ist das erste Mal, dass ich einen Werwolf sehe, der eine solche Gestalt angenommen hat. Selbst Greyback hat sich immer nur in diese haarige Ratte verwandelt. Er war wohl nie so sehr mit seinem Wolf verbunden, wie er immer behauptet hat, der Gute.“ Ausflüchte. Einfache, durchschaubare Ausflüchte. Das Schmunzeln, das nach wie vor auf Severus Lippen zu sehen war, zeigte Lucius, dass sich sein langjähriger Freund nicht von ihm täuschen ließ. Es war das erste Mal, dass sich Lucius so entblättert vor jemandem fühlte, der ihn offenbar durchschauen konnte, ob er wollte, oder nicht. Es machte ihm Angst. „Sicher“, hörte er noch einmal von seinem Freund – Lucius hoffte, dass Severus ihn zumindest wirklich ebenfalls als solchen sah, würde es ihm doch sonst sehr bald schlecht ergehen – ehe dieser selbst einen Blick hinter Lupins Türe warf, um den Wolf zu betrachten. „Es überrascht mich noch immer, dass mein Trank solch eine Wirkung auf ihn hat…“ „Ich dachte der Trank hatte auf alle die gleiche Wirkung? Immerhin glaubt er seine Halluzinationen, das war doch der Zweck des Ganzen – oder nicht?“ Der Themenwechsel irritiert Lucius, doch zeigte er es, wie so vieles Anderes, nicht. So wie er Severus kannte, nahm er es allerdings als gutes Zeichen. Das vorherige Thema war abgeschlossen, Severus stellte keine weiteren Fragen und wenn sie wirklich Freunde waren, würde Lucius auch nicht dem Zorn des dunklen Lords ausgesetzt werden. Er hoffte wirklich, dass er sich nicht irrte. „Ja, durchaus. Allerdings sind alle bisherigen Versuche daran gescheitert, dass die Patienten schlussendlich an ihren eigenen Halluzinationen zugrunde gegangen sind. Lupin… Lupin ist stärker. Sein Geist weigert sich zu brechen, was einerseits gut, andererseits schlecht für uns ist“, begann Severus zu erklären und blickte zu Lucius hinüber, dessen Blick sich wieder auf den großen Wolf gerichtet hatte, der mittlerweile schlafend auf seiner Liege lag. „Wäre er schwächer, kämen wir leichter an unsere Informationen. Oder möglicher Weise auch gar nicht. Immerhin hatten die Anderen… Patienten am Ende nicht mehr viel Informationen, die sie uns hätten geben können.“ „Also ist nicht klar, ob es für uns gut oder schlecht ist, dass er so stark ist…“, schlussfolgerte Lucius, ohne den Blick von der Liege zu nehmen, auf der sich der Körper des Wolfs im Takt seiner Atemzüge langsam hob und senkte. „Nun, er ist immer noch stark genug, um uns die Informationen zu verweigern. Immerhin hat er bisher zwar viel erzählt, aber nichts, das wir weiter verwerten oder gar dem dunklen Lord weiter tragen könnten. Die Frage ist, ob es uns überhaupt nützlich wäre, ihn so weit zu brechen, dass er uns ohne Probleme alles erzählt“, sprach Severus weiter, während Lucius die Stirn runzelte und nun doch wieder von dem Wolf zu dem anderen Mann sah. „Ich dachte, das wäre genau das, was wir wollen und was dein Trank bewirken sollte?“, fragte er skeptisch und blickte Severus an, welcher nun selbst den Wolf beobachtete, ehe er sich abwandte. „Wie ich bereits sagte, Lucius, wenn wir ihn so weit bekommen, hat er die Informationen, die wir wollen möglicherweise gar nicht mehr. Außerdem fändest du es doch sicherlich traurig, wenn der willensstarke Wolf sich in ein Häufchen Elend verwandeln würde, oder?“, entgegnete der Schwarzhaarige, welcher nun gelassen den Gang hinab in Richtung Ausgang schritt. Lucius biss sich bei diesem Seitenhieb auf die Unterlippe, ehe er Severus dann doch den Gang hinab folgte, dem Anderen allerdings eine Antwort schuldig blieb. „Was schlägst du also vor?“ „Deine Täuschung schlägt bei ihm offensichtlich an. Vielleicht kann ‚Sirius Black‘ ihn dazu bringen, zu erzählen, was er nicht Preis geben will. Du selbst wirst es sicher nicht können. Und ich auch nicht, auch wenn er mir seit dem letzten Vollmond offensichtlich mehr Vertrauen entgegen bringt, als zuvor.“ Severus hielt an und als Lucius das bemerkte, blieb auch er stehen und wandte sich seinem Freund wieder zu. „Gut, dann sind wir uns ja einig. Es wird Zeit Lupin endgültig zu brechen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)