Ich warte auf dich von LenjaKa ================================================================================ Kapitel 16: Von Schankstuben und ihren Gästen --------------------------------------------- Lenjas Herz hämmerte wild in ihrer Brust als sie sich mit vorsichtigen Schritten der Schankstube näherte. Wie Balin ihr befohlen hatte, befand sie sich nun auf dem Weg Dwalin von seinem Stelldichein in der Schenke abzuholen. Doch wie würde er reagieren? Ahnte er, dass man ihm seine Nichte zum Abholen hinterher schicken würde? Und wenn dem nicht so war, würde er einfach so, ohne große Umschweife, mit ihr zusammen die Heimreise antreten? Sie konnte sich nicht erinnern, jemals in einem solchen Etablissement gewesen zu sein. Sie kannte einen solchen Ort immer nur aus den wildesten Erzählungen ihres Onkels oder aus den Geschichten von betrunkenen Gatten, die den Umlauf machten, wenn sie ihre Wäsche zusammen mit anderen Zwerginnen an der großen Bleichstelle machte. Lenja wusste nicht, inwieweit sie diesen Schilderungen Glauben schenken sollte. Im Normalfall wäre ihr dies auch egal gewesen, wenn sie nun nicht in eine solche Stube eintreten müsste. Hoffentlich würde es nicht unnötig lang dauern, dachte sich die Frau und war in Gedanken bei Ári, der bis eben selig in seinem Bett geschlafen hatte. Dennoch kannte sie ihren kleinen Bruder, was ihr leichte Kopfschmerzen bescherte. Sie wusste, dass er etwas beleidigt war sie nicht auf ihrem Weg begleiten zu dürfen. Und das wiederum könnte dafür sorgen, dass er schon sehnsüchtig und hellwach auf seine Schwester und ihren gemeinsamen Onkel im Bett wartete. Lenja atmete tief ein und aus. Die rechte Hand war nur noch wenige Zentimeter von dem Riegel zur Schenke entfernt. Auf einem Schild las sie „Zum tollkühnen Mundschenk“ und schüttelte den Kopf. Zwerge. Ein seltsames, aber lustiges Volk. Wie der Name vermuten ließ, hörte sie schon vor der Tür ein heiteres Durcheinander von Stimmen aus dem Inneren kommen. Es brachte ja alles nichts. Sie musste nun endlich die Pforten öffnen, auf dem schnellsten Weg Dwalin finden, ihn unterhaken und dann schnurstracks aus der Schenke verschwinden. So sah ihr Plan aus, den sie in Gedanken schon mehrere Male durchgespielt hatte. Also gut. Ihre Zeit war gekommen. Ihre Hand drückte viel schneller als gedacht den Türriemen herunter und mit einem beherzten Schritt nach vorn befand sie sich nun an einem unbekannten Ort. Lenja musste zu Beginn erst einmal blinzeln. Nicht nur das Licht war anders als sie es sich vorgestellt hatte, sondern auch die schwere Luft, welche zwischen den einzelnen Tischen hing, machte ihr im ersten Moment zu schaffen. Es war schwummerig und durch den erhöhten Tabakkonsum wurde dieser Effekt auch noch verstärkt. Zum Pfeifengeruch gesellte sich ebenfalls ein etwas süßlicher, nicht minder schwerer Geruch. Sie kannte ihn, wenn aber nur sehr flüchtig. Es war der Geruch nach Alkohol; nach Met, nach Apfelwein und nach Starkbier. Ihr war nicht nachvollziehbar, wie man an einem solchen Ort mehr Zeit als nötig verbringen konnte oder wollte. Lenja blickte suchend durch die Schenke. Sie konnte Dwalin nirgends in dem Halbdunkel erblicken. Auch schien hier keiner von ihrer Anwesenheit Notiz genommen zu haben. Fragend wandte sie ihren Blick nach vorn zur Theke hinter der fünf Zwerginnen fleißig ihrer Arbeit nachgingen. Sie würde dort fragen müssen. Also dann. Die Frau schritt auf die anderen Frauen zu, von denen die ein oder andere ihr einen interessierten Blick zuwarfen. Die Älteste unter ihnen, Lenja nahm an, dass es sich bei ihr um die Wirtin handeln musste, nickte ihr freundlich zu. „Wie kann ich dir helfen, Liebchen? Suchst du deinen Gatten? Ich habe dich hier noch nie gesehen“, bemerkte sie herzlich. Lenja schüttelte den Kopf. „Nein, nein. Ich suche meinen Onkel Dwalin. Ich sollte ihn hier abholen.“ Die Ältere musterte sie interessiert. „Ach du bist das! Lenja, nicht wahr? Er erzählt immer sehr viel von dir, wenn er zu mir kommt. Und ich muss bemerken, dass er nicht untertrieben hat. Du bist wirklich ein Prachtweib, weißt du das Liebchen? Falls es vielleicht einmal nicht mehr mit der Schmiederei klappen sollte, könnte ich mir dich sehr gut hinter der Theke vorstellen. Der ein oder andere Zwerg würde bei deinem Anblick bestimmt auch mehr bestellen. Und das nur, damit du so oft wie möglich an seinen Tisch kommst“, bemerkte die Wirtin und zwinkerte Lenja schelmisch zu. Die junge Frau schluckte bei dem Gedanken. „Also gut. Dann bringe ich dich nun auf schnellstem Wege zu unserem Geburtstagskind. Mal gucken, wie er reagiert, wenn ich ihm dich als Überraschung mitbringe“, sprach sie, kam hinter der Theke hervor und hakte Lenja unter ihrem Arm ein. Gemeinsam schritten sie zwischen den Tischen entlang immer weiter in die Schankstube hinein. Lenja hätte sich niemals erträumen können, dass die Schenke doch so groß war. Allein hätte sie den Weg zu Dwalin bestimmt nicht gefunden. Sie hatte das Gefühl, dass sie sich einem der abgelegensten Stellen in der Wirtschaft näherten. Und so war dem auch. Hinter einer hölzernen Schiebetür versteckt, befand sich die Geburtstagsgesellschaft. An der langen Tafel saß Dwalin zusammen mit einer Hand voll anderen Zwergen. Lenja kannte sie alle vom Sehen her, doch bis auf den Prinzen konnte sie keinem einen Namen zuordnen. Keiner der anwesenden Männer schien die beiden Frauen in der offenen Tür bemerkt zu haben. Alle hatten sie Krüge vor sich stehen und diskutierten mal mehr, mal weniger wild gestikulierend mit einander. Lenja holte neben der Wirtin tief Luft. Wieder überkam sie der Gedanke, wieso sie dies eigentlich über sich ergehen lassen musste. Die Wirtin nahm ihre Unsicherheit wahr. Sie nickte ihr aufmuntert zu und flüsterte ihr etwas ins Ohr: „Keine Angst, Liebes. Die Zwerge hier sind alle harmlos. Sie werden dir schon keine schlüpfrigen Dinge entgegen säuseln. Obwohl es eigentlich schade ist, bei dem Körper, der sich unter deinem Kleid zu verstecken versucht.“ Ihre Stimme durchbrach die Männergespräche: „Schau doch mal, mein lieber Dwalin, wen ich dir als Überraschung hier mitgebracht habe. Du hättest mir aber ruhig verraten können, dass deine Nichte so ein hübsches Weibsbild ist. Dann hätte sie sofort bei mir ihre Lehre beginnen können.“ Na Wunderbar. Alle Gesichter drehten sich zu den beiden Frauen. Hoffentlich würde Dwalin jetzt nicht wütend werden. Er blinzelte kurz, stand dann etwas schwankend auf und trat auf Lenja zu. Strahlend nahm er sie in seine Arme. „Das Leute, ist meine Nichte Lenja. Sie ist die Beste, die man sich überhaupt wünschen kann. Und nun kommt sie auch noch hierher, um mit uns allen auf meinen Geburtstag anzustoßen. Was für ein wunderbares Weib, nicht wahr? Ufindá, sei ein Schatz und bring meiner Kurzen hier einen Krug voll Met. Sie braucht nun schließlich auch etwas zum Heben.“ Die Wirtin nickte und verließ den Raum. Lenja wusste nicht, ob sie diese Szenerie nun lustig oder eher traurig finden sollte. Sie hätte niemals gedacht, dass ihr Onkel nach so viel Alkohol intus immer noch derart normal sprechen konnte. Balin hatte Recht behalten als er meinte, dass sein Bruder einiges vertragen könne. Zaghaft versuchte sie Dwalin ihre eigentliche Anwesenheit so leise wie möglich zu zu raunen: „Dwalin, das geht nicht. Ári ist allein zu Hause und Balin wird es gar nicht gut heißen, wenn ich hier mit euch Männern trinkend in der Schenke sitze.“ „Balin, dieser alte Spielverderber“, bemerkte Dwalin trocken und zog seine Nichte mit sich zu seinem vorherigen Platz. Mit einem beherzten Ruck saß Lenja ohne es zu wollen neben ihrem Onkel und einem älteren Zwerg, der ihr freundlich zunickte. „So, Kurze. Dann stell ich dir mal meine Kumpanen hier vor: Der Kerl da neben dir ist Óin. Daneben sitzt sein Bruder Glóin. Die anderen beiden gegenüber von uns sind Dori und Thorin.“ Alle nickten ihr freundlich zu. Lenja hatte keine Idee, wie sie ihre Anwesenheit beurteilten. Immerhin war sie ja eine Frau und sollte sich an einem Ort wie diesem hier nicht aufhalten. Sie wurde aus ihrer Starre gerissen als Ufindá ihr einen großen Metkrug vor die Nase stellte. Dwalin neben ihr hob seinen Krug in die Höhe. Er prostete allen Anwesenden zu: „Auf uns! Mögen wir nicht eher von unseren Stühlen kippen bis draußen der Hahn den Tag ankündigt.“ Kaum hatte er seinen Satz beendet, stürzten alle Männer ihre bis dato reichlich gefüllten Krüge hinunter. Lenja wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Unsicher blickte sie über den Rand ihres Metkrugs und nippte an dem Honigwein. Glóin war der Erste, der seine Sprache wiederfand: „Also Dwalin, wenn deine Nichte schon des Nachts durch die Finsternis zur Schenke schleicht und sich wenig fraulich mit an unseren Tisch setzt, dann muss sie sich jetzt aber auch wie ein richtiger Zwerg verhalten. Wir müssen ihr noch den richtigen Zug beibringen, wie mir scheint.“ Gespannt blickten alle zu der jungen Frau. Hatte sie das jetzt richtig verstanden? Verlangten sie alle von ihr, dass sie ebenfalls ihren Krug in einem Zug leeren sollte? Wie viel hatten sie bereits getrunken, dass sie so etwas von ihr erwarteten? „Also, bist du nun so ein Hausmütterchen, wie alle anderen Frauen oder steckt mehr in dir als deinem Zukünftigen lieb sein sollte? Wo steckt die Kampfesslust, die dein Onkel uns immer weiß machen will, wenn er zu viele Krüge gehoben hat?“, sprach der rothaarige Zwerg mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen. Er forderte sie heraus. Das war eindeutig. Sie war gleichzeitig schockiert und amüsiert von der Vorstellung, dass man sie prüfen wollte. Was Dwalin auch immer ihnen erzählt haben mochte, es muss auf jeden Fall interessant genug gewesen sein. Wollte man seine Geschichten prüfen oder sich einfach nur einen dummen Scherz mit ihr erlauben? Lenja schloss kurz die Augen, blickte Glóin dann direkt ins Gesicht, lächelte ihn provokativ an, nahm mit ihrer Rechten den Metkrug, führte das Getränk zu ihren Lippen und stürzte es mit einem Ruck ihre Kehle hinunter. Sie hatte Mühe sich nicht zu verschlucken. Aber sie wollte die Provokation des Zwergen nicht auf sich sitzen lassen. Mit einem dumpfen Ton stellte sie das leere Gefäß wieder auf den schweren Holztisch. Keiner sprach. Alles schaute mit großen Augen auf die junge Frau. Plötzlich fühlte sie ein anerkennendes Klopfen auf ihrer Schulter. „Un isch dachte imma, daz de kessen Bienschen, di us Kärle untern Tisch saufn kön scho alle Reißaus jenomn habn“, lallte Óin ihr strahlend entgegen. Schallendes Gelächter brach am Tisch aus. Auch Lenja konnte sich nicht mehr halten. So ein Kompliment hatte sie in ihren wildesten Träumen sich nie vorgestellt. Um ehrlich zu sein, wäre sie auch nie auf die Idee gekommen in eine Schenke zu gehen und dort zusammen mit ihrem Onkel und anderen Zwergen Krüge zu stemmen. „Was für ein Mordsweib“, nickte Glóin anerkennend und orderte eine neue Fuhre an Krügen. Und so begannen die Gespräche wie einst vor ihrer Ankunft von Neuem. Es wurde über Tabak, Wein, Waffen und Frauen gesprochen. Lenja wusste schon bald nicht mehr wie viele Krüge sie hatte leeren müssen. Immer wieder wurden neue Wünsche mit ihnen hinunter gespült. Mal sollten keinem am Tisch die Haare ausfallen, dann sollte Lenja auch kinderreich die hübschesten Zwerge gebären und am Ende wünschte Óin allen, dass sie auch ihren richtigen Heimweg wiederfanden. Lenja hätte sich niemals erträumt in dieser Runde so viel Spaß zu haben. Auch wenn sie zusehends immer betrunkener wurde, so fühlte sie sich unter den Männern sehr wohl. Zwar sprach sie wenig und lauschte meistens den Gesprächen, gab aber ausführliche Beratung bei Glóin, der sich für ein „kesses Bienschen“, wie Óin sie nannte, interessierte und ihr den Hof machen wollte und kommentierte hier und da mit ein paar Worten die Männergespräche. Keiner schien sich an ihrer Präsenz zu stören. Doch auch die schönste Zeit musste schließlich ihr Ende finden. Nachdem Lenja ihren gefühlt siebten Krug geleert hatte, berührten langsam aber sicher die ersten Sonnenstrahlen die Konturen des Erebor. Hoffentlich würde es keinen großen Ärger von Balin geben, wenn sie nun erst mit Dwalin zusammen nach Hause stolperte, dachte sich die junge Frau mit einem Grinsen. Die Gruppe schien sich nun aufzulösen und Lenja erhob sich von ihren Platz. So dachte sie jedenfalls bis sie zu straucheln begann und heftig schwankend fast zu Boden viel. „Immer vorsichtig, Kurze“, grinste Dwalin sie an und hielt sie an ihrem rechten Arm aufrecht. „Wa wohl dochn wenich su vil“, hauchte Lenja ihrem Onkel entgegen. „Schätzchen, du hast ordentlich gebechert. Wir sollten schauen, dass du so schnell wie möglich ins Bett kommst.“ „Hm“, war alles, was Lenja im Moment noch von sich geben konnte. Zusammen mit Dwalin und Thorin ging die Frau zusammen heimwärts. Die anderen hatten unterschiedliche Wege in ihrem Zustand zu bestreiten. Wenigstens war Lenja nicht allein. Bei Dwalin und Thorin untergehakt schwankte sie zwischen den Männern über die schweren Steinböden. Das ein oder andere Mal mussten sie aufpassen, dass Lenja sie nicht umriss. Langsam aber sicher näherten sie sich ihrem Ziel. Plötzlich überkam Dwalin ein natürliches Bedürfnis. „Thorin, schleif die Kurze schon weiter mit dir mit. Das viele Bier verlangt seinen Tribut und möchte in die Freiheit entlassen werden“, sprach er an den anderen Zwerg gewandt und verschwand nachdem dieser mit einem Kopfnicken geantwortet hatte. Lenja sah ihren Begleiter von der Seite her an. Die ganze Nacht hatte er nicht viel gesprochen, ähnlich wie sie. Aber doch war sie sich sicher, dass auch er die Zwergenrunde sehr zu schätzen gewusst hat. „Oire Majestet, s tu mir leid“, meinte Lenja in ihrem desolaten Zustand zu ihm als beide versuchten gemeinsam die Steinstufen einer imposanten Treppe zu erklimmen. „Was tut dir Leid?“, fragte der Zwerg sichtlich bemüht, die Frau nicht auf halber Strecke zu verlieren. „Dasich so bin wi ich bin“, nuschelte sie. „I glaup ich braauch ne Pause." Vorsichtig ließ Thorin Lenja sich auf eine Stufe setzen. Er setzte sich neben sie. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass sie zur Seite kippen könnte, überkam sie der Gedanke. „Ihr habt sooo schöne Aujen“, fing die Frau ohne Zusammenhang neben dem Prinzen sitzend das Gespräch an. „Deine sind auch ganz bezaubernd“, entgegnete der Zwerg ohne so Recht zu wissen, was Lenja ihm eigentlich mit diesem Kommentar sagen wollte. „Aba nich so schöön widi oiren, meyn Prints“, flüsterte sie und ließ ohne ihr direktes Zutun ihren Kopf auf seine Schulter sinken. Die Schwerkraft zollte Lenja ihren Tribut. „Thorin, nicht Prinz oder Majestät“, sagte der Zwerg leise. „Hm, was is?“, fragte Lenja in ihrer Erschöpfung an ihn gelehnt. „Mein Name ist Thorin.“ „Is doch nich schlimm. Nen schööna Name“, entstieg es ihren Lippen als ihr auch schon die Augen zufielen. Das war das Letzte an das sich Lenja noch halbwegs erinnern konnte als sie mit einem hämmernden Schmerz in den Schläfen am Mittag in ihrem Bett erwachte. Wie sie da hingekommen ist, wusste sie nicht. Wahrscheinlich hatte Dwalin sie und Thorin doch wieder eingeholt und sie dann in ihr Bett verfrachtet. Ihr war auch nicht danach großartige Fragen zu stellen. Ihr Verhalten aus der gestrigen Nacht war ihr mittlerweile peinlich. Hoffentlich hatte sie nicht noch irgendwem auf die Stiefel erbrochen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog sie sich ihr Bettdeck über den Kopf. Nie wieder würde sie auch nur in die Nähe einer Schenke gehen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)