I've become so numb ... von ChogaRamirez (The Dark Knight) ================================================================================ Kapitel 4: Musiktherapie ------------------------ Nun, einige Tage später, stand der Joker unter Beaufsichtigung in einen leeren Raum. Nichts weiter vor ihm, alles karg und trist, eine Melodie jedoch im Raum. Sie entstammte ihm selbst. Eine Violine am Kinn, das Streichinstrument in seiner Hand, den Rücken zu dem verspiegeltem Fenster, während die Melodie spielte. Eine sanfte, edle Musik, mit Höhen und Tiefen, etwas hektisch und doch vollkommen ruhig. So sanftmütig und doch unheimliche Musik. Es war so als würde die Melodie von seinem Leben erzählen. Das Leben auf der Straße. Kämpfe, Schüsse, Flucht, Angst, Panik, Furcht. Ruhe, tiefe stille, erdrückende Gelassenheit, keineswegs erholsam, nur verschnaufend. Kampf um den Verstand, Kampf um die Existenz. Neue Richtung und neues Denken. Neue Orientierung. Nicht länger Flucht und Furcht, Teil des Kampfes und dominierendes Glied der Einschüchterung mit erhobenem Haupt. Und plötzlich - schiefe Töne! Angestrengt riss Joker die Augen auf und vor ihm spielte sich der Kampf mit Batman ab. Die Arme verkrampften und der Violinenbogen in seinen Händen zerbrach. Die Violine hätte ihre letzten Töne gespielt. Er warf sie wutentbrannt an die nächste Wand, während er aufschrie. Wild atmend starrte er die zersplitterten Holzstücke an und schrie immer wieder kurz auf. Er brüllte die zerstörte Violine immer wieder an, so als ob sie an seinem Schicksal Schuld wäre. Er trat nach dem Musikinstrument und kickte kleine Holzteile durch den Raum, während sich seine Hände in den Haaren verkrallten und er seine Stirn an die kühle Wand presste. Es war einer der Anfälle, die immer mal wieder aus ihm heraus brachen, wenn ihn unbemerkt Erinnerungen heimsuchten und er sie nicht mehr rechtzeitig genug unterdrückten konnte. Es waren diese Art Anfälle, wenn er um sich herum nichts mehr wahrnahm und nur noch Bilder vor seinem inneren Auge ablaufen sah. Es dauerte einige Minuten bis er sich beruhigt hatte und sich letztendlich auf den Boden kniete und diese verdammte Violine anstarrte. Angespannt biss sich Harleen auf die Unterlippe und starrte durch die bruchfeste Scheibe des einseitigen Spiegels. Der Joker war allein in dem angrenzenden Raum, in dem normalerweise die Musiktherapie durchgeführt wurde. Heute jedoch nicht. Ihr Patient war allein mit den verschiedenen Instrumenten. Sie hatte ihn quasi vor vollendete Tatsachen gestellt, als sie mit Sicherheitspersonal in seiner Zelle aufgetaucht war und ihm mitgeteilt hatte, dass er sich heute für einige Zeit mit Musik beschäftigen sollte. Sein Gesicht sprach natürlich Bände und er hatte Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. Letztendlich hatte er sich ihrem Wunsch gebeugt, da die Wärter in dieser Hinsicht nicht mit sich reden ließen. Mürrisch folgte der Joker in Handschellen seiner Ärztin, die nur so viele Worte mit ihm sprach, wie es unbedingt nötig war. Sie sagte kein Wort zu ihm auf dem Weg durch die schier endlosen Gänge der Nervenheilanstalt. Sie ging ein paar Schritte vor ihm und hielt fast krampfhaft einen Sicherheitsabstand aufrecht. Auch als die Gruppe im Raum der Musiktherapie ankam, teilte sie ihm mit wenigen Worten mit, dass er sich für einige Zeit alleine beschäftigten sollte, da sie sich noch um etwas Anderes kümmern musste. Vermutlich war dem Joker klar, dass das nicht der Realität entsprach, denn für dumm hielt sie ihn nicht. Er wusste mit Sicherheit, dass der große Spiegel neben der Tür zur Beobachtung der Patienten diente und sich Harleen dahinter befand, um ihn zu beobachten. Ob der Ansatz der Musiktherapie wirklich sinnvoll war, musste sich erst noch herausstellen. Diese Art der Therapie diente der Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung seelischer, körperlicher und geistiger Gesundheit. Noch wusste Harleen nicht, ob es auch dem Joker funktionieren würde, aber sie war sich sicher, dass er auf jeden Fall Beschäftigung brauchte. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn er sich langweilte oder sich unterfordert fühlte. In den Tagen, die seit der ersten Therapiesitzung vergangen waren, hatte sie sich nicht mehr bei ihrem Patienten blicken lassen. Sie beobachtete ihn natürlich beim Freigang oder im Speiseraum, aber sie brauchte selbst erst einmal Zeit, um das Geschehene zu verdauen. Der Joker hatte ihr Angst gemacht. Die Art, wie er über das Töten mit einem Messer sprach und ihr dabei so nahe gekommen war, dass sie seinen warmen Atem an ihrer Haut spüren konnte, hatte sie extrem verunsichert. Nachdem er sie losgelassen hatte, war Harleen fast panisch aufgesprungen, hatte ihre Unterlagen gegriffen und fluchtartig seine Zelle verlassen. Dass sie die Spritze mit dem Gegenmittel für das Valium in der Zelle hatte liegen lassen, bemerkte sie erst, als sie sich im Gang gegen die Zellentür lehnte und tief durch atmete. Vermutlich sah wirklich durch den Wind aus, den der Wärter, der zur Sicherheit immer in der Nähe war, wenn ein Therapeut bei einem Patienten in der Zelle war, fragte, ob ihr der Joker etwas getan hatte. Natürlich verneinte sie die Frage, denn es wäre sehr peinlich gewesen, wenn sie zugeben müsste, bei ihrer ersten Therapiesitzung schon versagt zu haben. Mit einem aufgesetzten Lächeln erklärte sie dem Wärter, der laut seinem Namensschild Miller hieß, dass sie etwas ganz wichtiges in ihrem Büro zu erledigen hatte und fragte gleichzeitig, ob er so nett wäre, die Spritze zu holen, bevor der Joker damit sich selbst oder Andere verletzen konnte. Anfangs sah sich der Joker nur gelangweilt in dem hellen, großzügig geschnittenen Raum um, ehe er anfing, herum zu gehen und sich die Instrumente anzusehen. Bei einem der Violinenkästen blieb er schließlich stehen und öffnete ihn. Harleen war angenehm überrascht, dass er sich ausgerechnet eine Violine ausgesucht hatte. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er sich eher zu dem Klavier im hinteren Bereich hingezogen fühlte. Der Joker war kein Mitläufer und hatte seinen eigenen Stil. Dadurch, dass er vermutlich auch sehr anspruchsvoll war, hätte Harleen auf das Klavier getippt. Im Umgang mit der Violine schien der Joker geübt zu sein. Er wirkte nicht wie Jemand, der das Streichinstrument zum ersten Mal in den Händen hielt. Routiniert klemmte er sich das Ende der Violine zwischen Kinn und Schulter und führte probeweise den Bogen über die Saiten. Den Hals des Instrumentes hielt er fest, aber trotzdem sanft in der Hand. Er stimmte nicht nach, was wohl bedeuten sollte, dass er zufrieden damit war und begann, eine Melodie zu spielen. Es war eine langsame, fast schon melancholische Melodie, die der Joker den Saiten entlockte. Es klang schwermütig und gedrückt, aber er spielte es fehlerfrei. Zumindest konnte Harleen keinen falschen Ton heraus hören. Beim Spiel hatte er die Augen geschlossen und wirkte versunken in dem, was die Melodie in ihm auslöste. Dann veränderte sich sein ruhiger Gesichtsausdruck schlagartig. Nur Sekundenbruchteile später gab die Violine schiefe Töne von sich. Der Joker verkrampfte sich und seiner Mimik zu folge, wurde er gerade von seinen inneren Dämonen heimgesucht. Im nächsten Moment brach der Bogen in seiner Hand entzwei und mit einem vor Wut verzerrten Gesicht warf er das Instrument gegen die Wand, wo sie in ihre Einzelteile zerfiel. Harleen erschrak bei dem Geräusch, was das zerberstende Holz verursachte und ihr Blick fiel automatisch auf den Joker, der sich seiner Wut ergab und sich frustriert die Haare raufte. Sie griff in die Tasche ihres Kittels und fühlte die glatte, kalte Oberfläche der Beruhigungsspritze in ihrer Hand, die ihr eine gewisse Sicherheit gab. Kurz schloss Harleen die Augen und atmete tief durch. Sie durfte sich nicht weiter von ihrer Angst lenken lassen. Sie war immerhin seine Therapeutin und sich musste sich jetzt ihrer Angst stellen. Denn wenn sie es nicht tat, könnte sie genauso gut ihren Job an den Nagel hängen und der Psychologie für immer den Rücken kehren. Was auch immer es war, was den Joker so aufgewühlt hatte, sie musste jetzt zu ihm und ihn beruhigen, bevor er sich so in seine Wut hinein steigerte, dass er wieder mit Valium vollgepumpt und in Zwangsjacke in seiner Zelle geschleift wurde. Äußerlich fest entschlossen verließ Harleen den Beobachtungsraum und betrat den Therapieraum. Als sie den Joker mit ausdruckslosen und leerem Blick die Überreste der Violine anstarren sah, eilte sie zu ihm, sank neben ihm auf den Boden konnte sich gerade noch selber daran hindern, mitfühlend nach seiner Hand zu greifen. Die Angst vor ihrem eigenen Patienten war in diesem Moment wie weggeblasen. Vordergründig war jetzt die Sorge, die man deutlich auf ihrem Gesicht sehen konnte. "Wie fühlen Sie sich?", fragte sie vorsichtig und unterdrückte das starke Bedürfnis, ihn einfach in den Arm zu nehmen und fest zu halten, bis seine Dämonen verschwanden. Sein Kopf neigte sich zu ihrem, doch er sagte nichts. Er schwieg beharrlich und ließ gerade mal seine Augen davon sprechen, wie sehr er diese Welt doch verabscheute. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)