Wie schwarze Wolken am Himmel [MMFF] von Reeney ================================================================================ Kapitel 1: Feuer ---------------- Am Samstag schien die Sonne genauso erbarmungslos vom Himmel wie schon die Tage zuvor. Der Hitze nach konnte man vermuten, dass es schon Mittag war, wenn die Sonne am höchsten Stand und damit der Tag seine Höchsttemperatur erreicht hatte. Die Wirklichkeit sah jedoch etwas anders aus, es war gerade einmal neun Uhr morgens. Zu dieser Zeit waren zwei Grundschüler, ein Mädchen und ein Junge, in der Hauptstadt Japans unterwegs. Sie waren auf dem Weg von der Detektei, bei dessen Inhaber der Junge zurzeit lebte, zu dem Haus, dass sich das Mädchen mit einem Professor teilte. Auf die wenigen Passanten, denen die beiden auf den Straßen begegneten, wirkten sie wie gewöhnliche Kinder, die sich weder von Sturm und Hagel noch von dem heißen Wetter ihren Spaß nehmen ließen. Würde man allerdings mit anhören, worüber die Kinder redeten, würde man sich schnell bewusst werden, dass diese beiden, Haibara Ai und Edogawa Conan, alles andere als gewöhnliche Grundschüler waren "Wie kommst du mit dem Gegengift voran?", fragte Conan. Ai schüttelte seufzend den Kopf. "Es wird noch dauern, bis ich einen neuen Prototyp fertig habe. Ich habe immer noch nichts Passendes finden können, wogegen der Körper nicht nach einer bestimmten Zeit wieder Antikörper entwickeln würde." Etwas enttäuscht nickte ihr Gesprächspartner. Er wusste, was das zu bedeuten hatte. Sein Körper würde das Gegengift wieder abstoßen, er würde früher oder später wieder zu dem Zwerg werden, der er im Moment war, und dann mussten sie sich ein anderes Mittel suchen, dass sie in ihren Ursprungszustand zurück verwandeln würde. Sie beide teilten dasselbe Schicksal. Das Apoptoxin 4869, an dessen Entwicklung Ai - oder viel eher Sherry - beteiligt gewesen war, hatte bei ihnen beiden eine Nebenwirkung ausgelöst. Anstelle einen Tod zu sterben, bei dem sich das Gift nicht nachweisen ließ, steckten sie nun in den Körpern ihres siebenjährigen Selbst, obwohl sie beide eigentlich schon fast erwachsen waren. Etwas unzufrieden presste der Junge die Lippen zusammen. Er wollte wieder er selbst sein, Kudo Shinichi, und als dieser Ran, dem Mädchen, das er liebte, gegenüber stehen. Aus den Augenwinkeln heraus betrachtete Ai ihn. Sie konnte ihm ansehen, woran er dachte, und das löste in ihr ein leichtes Gefühl von Mitleid aus. Durch ihr Gift hatte er, ein Unschuldiger, so viele Probleme. Sie hätte ihm gerne ein funktionierendes Gegengift geliefert, doch war es um einiges schwerer, dieses zu erstellen, als wenn man die eigentliche Wirkung einer Substanz aufheben wollte. Wäre der geschrumpfte Körper nicht eine Nebenwirkung sondern der erwünschte Effekt gewesen, dann wäre sie mit ihren Forschungen vielleicht schon ein Stück weiter. Dennoch sollte man ebenso nicht vergessen, dass sie beide nur dank dieser Nebenwirkung überhaupt noch am Leben waren. „Hab einfach noch etwas Geduld, irgendwann werde ich schon ein Gegengift finden", äußerte sie sich erneut. Es war ein Versuch, ihn aufzumuntern, auch wenn sie nicht wusste, wie lange es dauern würde, bis ihre Forschungen Früchte tragen. Vielleicht war das auch erst in fünf Jahren. Ihr war das relativ gleich, für sie sah die Welt in ihrem alten Körper nicht viel besser aus. Zudem wollte ein Teil von ihr auch gar nicht, dass Conan wieder zu Kudo Shinichi wurde, dass er wieder bei Ran sein konnte. Conan öffnete gerade den Mund, um noch etwas zu entgegnen, als einige Meter neben ihnen ein lauter Knall zu hören war. Ungewollt zuckten die Kinder zusammen, drehten sich zu der Seite, von der der Knall gekommen war. Sie starrten auf das Grundstück, das ihnen gegenüber auf der anderen Straßenseite lag. Das Gebäude auf diesem, eine private Mädchenschule, stand komplett in Flammen. Kein einziger Teil schien von dem Feuer verschont zu sein. Ein Anblick der selbst diese beiden dazu brachte, die Augen vor Schock zu weiten. "Denk nicht daran!", rief Ai ihrem Begleiter zu, als der kurze, regungslose Moment der Überraschung vorbei war. Sie ahnte schon, mit welchen Gedanken der eigentliche Schülerdetektiv spielte. Im nächsten Moment fasste sie ihn am Handgelenk, bevor er wagemutig in die Flammen rennen konnte. Tatsächlich war genau dies die Absicht des Jungen gewesen. "Lass mich los, Haibara! Da drinnen sind vielleicht noch Menschen!" Ai lachte bitter auf, während sich ihr Griff verstärkte. "Das ist Selbstmord. Darin findest du keine Lebenden mehr." Keine Minute war seit der Explosion vergangen. Die Flammen hatten noch keine Zeit gehabt, sich wirklich auszubreiten, was heißen musste, dass es nicht nur eine einzige Quelle für das Feuer gab. Das Mädchen vermutete einen geplanten Anschlag, bei dem keine Überlebenden eingeplant worden waren. So wie es aussah, hatten die Täter damit Erfolg. Der Meinung war Conan allerdings nicht. Entschlossen sah er Ai in die Augen, bevor er sich aus ihrem Griff löste und dem brennenden Gebäude entgegen lief. Der Brünetten blieb nicht viel mehr übrig, als ihm lediglich hinterher zu sehen. Sie seufzte innerlich und bezeichnete ihn in ihren Gedanken als Narren, musste er doch ähnliche Schlüsse wie sie gezogen haben. Schnell zog sie ihr Handy aus ihrer Hosentasche. Sie informierte die Polizei sowie die Feuerwehr, ehe sie weiter auf die Flammen starrte, bereits ungeduldig auf die Wiederkehr Conans wartend. Die Hitze der letzten Tage hatte einige Bäume und Sträucher in trockenes Gestrüpp verwandelt. Sie gaben ein perfektes Brennmaterial ab. Demnach war es wenig überraschend, dass die Flammen von der Lehranstalt auf das Gebüsch übersprangen und sich so zu den anderen Grundstücken hin rasch ausbreiteten. Immer mehr Bewohner der Gegend strömten aus ihren Häusern zu Ai auf die Straße, sahen staunend und schockiert auf die brennende Schule. Ein paar schienen ebenso die Polizei zu informieren wie es Ai bereits getan hatte, doch keiner von ihnen war genauso lebensmüde wie der junge Schülerdetektiv. "Selbstmord", murmelte das Mädchen zu sich selbst. Ihr Blick hing weiterhin in dem Rot und Gelb der riesigen Feuersäulen. Sie hoffte, dass Shinichi bald wieder auftauchen würde, dass ihm nichts passiert sei, doch daran glauben konnte sie nicht wirklich. Es war einfach unmöglich, da drinnen zu überleben. Es vergingen ein paar Minuten. Die Straße füllte sich immer mehr. Inzwischen waren nicht nur Bewohner und Passanten vor Ort, sondern auch Schaulustige, die entweder den Knall gehört, die tiefgrauen Rauchwolken, die zum Himmel aufstiegen, gesehen oder von der Nachricht gehört hatten. Die Ausbreitung von Gerüchten musste nach Schall und Licht wohl das Schnellste sein, was es in dieser Welt gab. Ein zweites Gebäude, ein Einfamilienhaus, stand schon in Flammen. Die Besitzer waren am Leben, standen ebenso auf der Straße, wenngleich sie vollkommen fassungslos und verzweifelt waren. Weitere Minuten später vernahm Ai Polizeisirenen. Endlich. Daraufhin kamen ein paar Autos mit quietschenden Reifen zu stehen, Türen wurden geöffnet und wieder zu geschlagen, während sich ein Weg für die Beamten durch die Menschenansammlung bildete. Nur langsam, wollte doch keiner seinen guten Schauplatz verlieren. Letztendlich dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis die Polizisten die Menge durchqueren und zu den Toren der Schule durchdringen konnten. Von Conan war bislang noch nichts zu sehen. Das Bild musste für die Beamten genauso unglaublich sein. Wäre es nur ein Gemälde, man würde es für den starken Ausdruck der Macht des Feuers bestaunen. Es wirkte faszinierend und nicht zu bändigen, doch gerade dies war wohl eher ein Fakt, weswegen sich selbst die Beamten nicht beruhigen konnten. Sie waren nur Polizisten, ihre Aufgabe war es, Kriminelle zu stellen und für Ordnung zu sorgen. Gegen Naturgewalten kamen sie nicht an. "Wo bleibt nur die Feuerwehr?", gab ein Polizist von sich, dessen Stimme Ai in der letzten Zeit sehr oft gehört hatte. Sie ging auf den Beamten zu, fragte sich unterdessen, was dieser hier zu suchen hatte, war er doch eigentlich Mitglied der Mordkommission, womit ein Brand nicht in seinen Aufgabenbereich zählte. Letztendlich war das aber nicht weiter relevant. Sie war froh, dass er hier war, konnte sie sich doch wegen Conan an ihn wenden und wusste, dass er ihr glauben würde. "Takagi-keiji!", rief sie ihm zu, worauf er sich zu ihr drehte. Er schien sie begrüßen zu wollen, doch Ai ließ ihn nicht zu Wort kommen. "Conan-kun ist im Gebäude. Er wollte nach Überlebenden suchen." Der Polizist sah sie einen Moment fassungslos an. "Was?! Er ist da rein gerannt?" Sie nickte. Ihrem Gegenüber war es anzumerken, dass er sich ebenfalls Sorgen um den wagemutigen Schüler machte. Takagi Wataru warf einen Blick auf die Flammen, die sich immer weiter ausbreiteten. Seufzend fuhr er mit einer Hand durch sein kurzes Haar, schien zu überlegen und Ai hatte kein besonders gutes Gefühl. Sie kannte den Inspektor, in einer gewissen Hinsicht war er dem Schülerdetektiv sehr ähnlich. Er drehte sich wieder zu ihr, lächelte sie zuversichtlich an. "Die Feuerwehr wird sicher gleich da sein. Aber mach dir keine Sorgen, Conan-kun wird schon nicht sterben." Mit diesen Worten drehte er sich wieder der Schule zu, rannte über den Hof wie es Conan vor einigen Minuten getan hatte. Seine Kollegen schienen davon nicht begeistert zu sein, riefen ihm nach, er solle keine Dummheit begehen und wieder zurück kommen, doch hörte Wataru nicht auf sie, stattdessen verschwand er in den lodernden Flammen. Die übrigen Beamten begannen die Menschenmenge weiter zurück zu drängen. Sie errichteten eine Absperrung, damit Feuerwehr und auch Krankenwagen ankommen und agieren konnten ohne dass ihnen jemand im Weg stand. Das Ganze war allerdings schwieriger als man es erwarten würde. Einige Bewohner der Gegend redeten auf die Polizisten ein, wollten, dass sie dafür sorgten, dass ihre Häuser nicht von den Flammen erobert werden würden. Eltern waren eingetroffen, die sich um ihre Töchter, die die Schule besuchten, Sorgen machten, verlangten, dass man ihre Kinder rettete. Sie alle verstanden nicht, dass sie mit ihrer aufdringlichen Art nur hinauszögerten, dass die Feuerwehr die Flammen löschen konnte. Jedoch war das für Ai nichts Neues. Die meisten waren in ihrer Panik nicht fähig, solche Zusammenhänge zu erkennen. Weitere Sirenen waren zu hören, gefolgt von einem Schwung mehr Polizisten, die für Ordnung sorgen sollten, ehe endlich einige Autos der Feuerwehr und des Krankenhauses eintrafen. Sofort begann man, das Feuer daran zu hindern, sich weiter auszubreiten. Erfolgreich schien man am Anfang nicht zu sein, doch nach und nach gelang es immer mehr, die unbeugsamen Flammen zu bekämpfen. Das Mädchen, das inzwischen hinter einer Absperrung neben all den anderen, panischen Menschen stand, sah weiterhin zum Eingang der Lehranstalt. Sie wollte, dass der Inspektor mit Conan endlich aus dem Gebäude kam, dass Letzterer überlebt hatte und es ihm nicht allzu schlecht ging. Je mehr Zeit verging, umso schneller schlug der Muskel in ihrer Brust. Auch wenn sie sonst eher ruhig und gelassen war, im Vergleich zu vielen Erwachsenen hier keineswegs panisch wirkte, machte sie sich doch große Sorgen um den Gleichaltrigen. Diese Sorge ließ sie an nichts anderes mehr denken. All die Rufe der unruhigen Meute gingen an ihr vorbei, ihre ganze Aufmerksamkeit lag in dem rot-gelben Farbenspiel. Es kam ihr vor, wie eine Ewigkeit, da trat ein schwarzer Punkt in den sonst so hellen Farben hervor. Er wurde immer größer, bis man schließlich zwei Personen erkennen konnte, die aus den Flammen rannten. Es waren der Inspektor und auf seinen Armen der Junge, um den Ai besorgt war. Es erleichterte sie, dass Conan dem Feuer entkommen war, auch wenn sie nicht sagen konnte, ob er in einem passablen Zustand befand. Sie kam nicht an der Absperrung vorbei und damit nicht zu den Ärzten vor, die sich sogleich um die beiden kümmerten. Jemand anderes hatte da einen Vorteil. Ai sah, wie Sato Miwako zu Wataru rannte, ihm um den Hals fiel und vermutlich warf sie ihm irgendwelche Worte an den Kopf, wie er nur so töricht sein konnte, in ein brennendes Haus zu rennen. Etwas beneidete die Grundschülerin die Polizistin schon darum, dass diese nicht warten musste, um Auskunft über den Zustand ihres Geliebten zu bekommen, sowie dass es diesem besser zu gehen schien als Conan. Die Feuerwehrmänner schafften es, die Flammen weiter zurückzudrängen. Es würde wohl nicht mehr lange dauern, bis die Mädchenschule von diesen befreit sein würde, auch wenn sie dann wohl nur noch aus Ruß und Asche bestand. Ai sah wieder zu dem Krankenwagen, in dem der waghalsige Schüler versorgt wurde. Ein Arzt bat Wataru zu einer genaueren Untersuchung, worauf dieser ebenso in den Wagen einstieg. Etwas später wurde der Motor gestartet und das Auto rollte über die Straßen, entfernte sich von der Schule. Seufzend zwängte sich Ai durch die Menge. Für sie gab es hier nichts mehr, weswegen sie bleiben sollte. Später würde sie sich wohl bei Ran erkundigen, wie es um Conan stand, doch jetzt ging sie erst einmal nach Hause. Das Feuer, bei dem die Privatschule bis auf das Gerüst abgebrannt war, bildete das Hauptthema des Tages sowie des ganzen Wochenendes. Der Grund für den Brand war bislang nicht bekannt. Es gab Gerüchte, dass veraltete Gasleitungen unter Einwirkung der Hitze die Ursache waren, dass es ein Anschlag einer frauenfeindlichen Gruppierung oder von Terroristen war. Letztendlich konnte die Polizei zu keinem dieser Vermutungen Beweise liefern. Wie Ai es vermutet hatte, gab es keine Überlebenden. Man hatte nicht eine Leiche bergen können, die in einem Zustand war, in dem sie leicht zu identifizieren war. Hätte Conan auf sie gehört, dann würde er nun nicht im Krankenhaus liegen müssen. Er hatte Glück, dass er weder verbrannt noch von irgendwas erschlagen worden war. Auch der Rauch hatte ihn nicht umbringen können, sondern lediglich in die Bewusstlosigkeit versetzt. Inzwischen war Montag. Die Nachrichten berichteten immer noch über den Brand, Neuigkeiten gab es diesbezüglich nicht. Dem geschrumpften Schülerdetektiv ging es soweit wieder ganz gut. Er beklagte sich bereits, dass man ihn noch zur Beobachtung im Krankenhaus behielt, glaubte er doch ebenso, dass es sich um vorsätzliche Brandstiftung handelte, womit es einen Täter gab, den er schnappen wollte. Das Wetter hatte sich ebenso geändert. Regen war in den letzten Tagen zwar immer noch nicht gefallen, doch waren die Temperaturen gesunken und ein kalter Wind wehte am frühen Morgen über die Hauptstadt Japans. Von diesem bekam man in dem Gebäude der Teitan Grundschule allerdings nur wenig mit. Kaum eines der Kinder schenkte dem Wetter große Beachtung. Für die jungen Schüler war der Brand ein viel aufregenderes Thema. Aufregend und beängstigend. Die Mädchen, die bei dem Feuer ums Leben gekommen waren, mussten alle in ihrem Alter gewesen sein. Es hatte sich um eine Grundschule gehandelt, wie Ai erfahren hatte. Die Brünette fand es etwas sinnlos, bei Grundschülern schon private Mädchenschulen zu errichten, doch hatte die Schule einen guten Ruf genossen. Gerade für Kinder von Immigranten sollte es eine gute Einrichtung gewesen sein, die die Mädchen erfolgreich in die Gesellschaft einzugliedern wusste, sie mit Kultur und Sprache vertraut machte sowie ihren Schülerinnen Respekt und Anstand lehrte. Zusammen mit Yoshida Ayumi, einer relativ gewöhnlichen Grundschülerin, die den Detective Boys, einer kleinen Gruppe von Möchtegern-Kinderdetektiven, angehörte, war Ai auf dem Weg zu ihrem Klassenzimmer. Die beiden Mädchen verstanden sich eigentlich ganz gut, auch wenn Ayumi im Gegensatz zu Conan nicht um die Geheimnisse ihrer Mitschülerin wusste. Auch Ayumi redete unaufhörlich über das Gesprächsthema Nummer eins. Ai hörte ihr zu, gab nur selten ein Kommentar ab, doch bemühte sie sich darum, das Mädchen zu beruhigen. Die andere hatte tatsächlich Sorgen, dass ihre Schule ebenso in die Luft gehen könnte. Allerdings machte sie sich auch einige Sorgen um ihren Mitschüler, der im Krankenhaus lag. "Was hältst du davon, wenn wir nach der Schule Conan-kun zusammen mit Genta-kun und Mitsuhiko-kun besuchen gehen?", wandte sich Ayumi an Ai. Diese antwortete mit einem zustimmenden Nicken. Sie wollte noch verbal etwas hinzufügen, doch vernahm sie in diesem Moment eine Präsenz, die ihr einen Schauder über den Rücken jagte. Es war, als würde sich plötzlich eine unheilvolle Kälte um sie herum bilden. Ein Gefühl blanker Angst, die sie meist nur empfand, wenn sich Mitglieder der schwarzen Organisation in unmittelbarer Nähe befanden. Hektisch sah sie sich um, wollte die Quelle für dieses Gefühl ausmachen, doch außer Kindern befand sich momentan niemand auf diesem Gang. Ihr Blick blieb an einem Mädchen hängen, von dem sie nicht glaubte, es hier schon einmal gesehen zu haben. Allerdings konnte sie von ihr auch nur noch den Rücken und die langen schwarzen Haare erkennen, während sich diese immer mehr von Ai und Ayumi entfernte. Ein Gedanke keimte in ihr auf, doch das konnte nicht sein. Es war unmöglich, dass sich ein weiteres Mitglied der Organisation hier befand, noch dazu in der Gestalt eines Kindes. Ayumi hatte bemerkt, dass mit ihrer Freundin etwas nicht stimmte. Besorgt musterte sie Ai, folgte ihrem Blick zu der Schülerin. "Kennst du die?", fragte sie, da sie selbst sich nicht an eine solche Mitschülerin erinnern konnte. Ai schüttelte den Kopf. Im Moment gelang es ihr nicht, auch nur einen Laut von sich zu geben. Sie fühlte sich ein wenig wie in Trance. "Hm", entgegnete Ayumi, "vielleicht ist sie eine der neuen Schülerinnen." Darüber war Ai noch nicht informiert worden und so wandte sie ihren Blick etwas verwirrt der anderen zu. "Das hat mir Genta-kun zumindest erzählt. Es heißt, dass es ein paar Mädchen gibt, die auch auf die Mädchenschule gegangen sind, am Samstag allerdings krank waren und deswegen noch am Leben sind. Sie sollen jetzt auf unsere Schule gehen", erklärte Ayumi, während Ai sich dazu zwang, sich zu beruhigen, was ihr auch langsam gelang. Noch immer mit einem gewissen Gefühl der Starre, der Schutzlosigkeit, setzte sie ihren Weg zum Klassenzimmer in Begleitung von Ayumi fort. "Ob sie wohl eine von ihnen ist?" Ai entgegnete nichts darauf. Sie überlegte, warum sie die Präsenz eines Organisationsmitgliedes gespürt hatte und ob dieses Mädchen von vorhin wirklich etwas damit zu tun haben konnte. Sie bezweifelte es, allerdings wäre es nicht beruhigender, wenn sie sicher sagen könnte, dass beides mit einander zusammenhing. Kaum hatten die beiden das Klassenzimmer erreicht, kamen ihnen die beiden weiteren Mitglieder der Detective Boys, Kojima Genta und Tsubaraya Mitsuhiko, entgegen. "Habt ihr schon gehört, dass zwei Neue in unsere Klasse kommen?", begann Mitsuhiko sogleich und Genta setzte seine Rede fort. "Sie sind von der Mädchenschule, die am Samstag abgebrannt ist! Die wissen sicher, was da los war. Dann können wir, die Detective Boys, herausfinden, warum ein Feuer überhaupt ausgebrochen ist!" "Genta-kun, ich glaube nicht, dass die wirklich darüber reden wollen...", mischte sich Ayumi ein. Der Angesprochene starrte sie nur verständnislos an. "Hä, warum denn nicht? Die wollen doch sicher auch wissen, warum die Schule Feuer fing." "Mensch, Genta! Die haben sicher auch Freunde verloren", fuhr Mitsuhiko ihn an. "Achso, stimmt ja..." Viel weiter konnten sie ihre Unterhaltung nicht fortführen, da in diesem Augenblick die Schulglocke den Beginn der ersten Unterrichtsstunde ankündigte. Schnell setzte sich jeder auf seinen Platz, ehe der Lehrer gefolgt von zwei Mädchen das Klassenzimmer betrat. Die eine von ihnen hatte schwarz-blaues, gelocktes Haar, das ihr bis zur Brust ging. Ihre grünen Augen wirkten stechend wie die einer Katze, allerdings schien sie mit ihrer Stupsnase und dem Lächeln, das sie auf ihren vollen Lippen trug, ein ganz normales, fröhliches Mädchen zu sein, auch wenn sie von dem jüngsten Vorfall betroffen zu sein schien. Die andere machte einen ruhigeren Eindruck und auch ihre Augen besaßen einen gewöhnlichen, dunklen Braunton. Dennoch gab es auch an ihr etwas, das sie nicht ganz ins Bild passen ließ. Ihre Haare, die sie zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden hatte, waren strohblond. Sie musste Verwandte im Ausland haben. "Das sind Yamakoto Kira und Monet Kari. Ihr könnt euch sicher denken, von welcher Schule die beiden kommen. Nehmt sie bitte gut in die Klassengemeinschaft auf.", stellte der Lehrer die beiden Schülerinnen der Klasse vor. Ai musterte die beiden. Sie mochten etwas ungewöhnlich erscheinen, doch schienen beide relativ normal zu sein. Zumindest hatte sie ihnen gegenüber kein beunruhigendes Gefühl. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)