Glowing in the dark von Jilienemily ================================================================================ Kapitel 1: Drifting ------------------- Ich spürte seinen Blick auf mir als ich im Garten in der Sonne stand. Es war das erste Mal das ich hier draußen war seit er die Primeln gepflanzt hatte. Ihre Primeln. Wieder schnürte es mir die Kehle zu, ich sah die Flammen vor meinen Augen tanzen und musste sie schließen. Flammen werden heller in der Dunkelheit, weshalb ich die Augen sofort wieder aufriss. Ein Zittern durchlief mich und ich versuchte mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Der Wind in meinem Haar, der Geruch nach frischem Gras und Frühling. Und Peeta. Ich wusste dass er nur wenige Meter hinter mir stand, konnte sein Zögern förmlich hören. Endlich raschelte das Gras unter seinen Füßen. Er machte noch immer Krach für drei und ein trauriges Lächeln hob meine Mundwinkel. Beinahe wünschte ich mir er würde seine Arme um mich legen. Vor ein paar Nächten war ich schreiend aus einem Traum erwacht in dem Prim zu einem Mutt geworden war und ich hatte eine so tiefe Sehnsucht nach Peetas Armen empfunden das ich mich weinend zusammen gerollt hatte. Mein ganzer Körper war von dieser Sehnsucht zerrissen worden und dem Wissen das ich ihn für immer verloren hatte. Denn auch wenn er wieder hier war, wenn er nur wenige cm neben mir stand.. er war nicht mehr mein Peeta. Nicht Vollständig. Das Schlucken fiel mir schwer und ich widerstand dem Drang ihm den Kopf zu zudrehen. Wie gerne hätte ich seine leuchtend blauen Augen betrachtet, das Sonnenlicht das goldene Sprenkel in sein blondes Haar zauberte. Aber ich traute mich nicht. Ich war doch im Grunde immer schon unsicher, ja fast feige gewesen wenn es um meine Gefühle ging und wenn es um Peeta ging sowieso. Es war in dieser Nacht vor ein paar Tagen als mir mit der vollen Wucht der Erkenntnis und mit all den verbundenen Schmerzen klar wurde das ich ihn liebte. Das er es immer war. Nicht Gale. Ich musste meine Arme vor der Brust verschränken um mich aufrecht zu halten. Ein klaffendes Loch war in meine Brust gerissen dort wo ich sonst Peeta in mir gespürt hatte. Seine Wärme, seine Sicherheit. Ich erinnerte mich, dass er mir damals erzählt hatte seine Alpträume würden davon handeln mich zu verlieren. Der bloße Gedanke wovon sie jetzt handeln könnten lähmte mich. „Sie werden wunderschön.“ Seine Stimme riss weitere Stücke aus meiner Brust und ich wollte mich nur noch auf dem Boden zusammen rollen und weinen bis er wieder da war, bis er mich hoch hob und ins Bett trug, sich zu mir legte und ich mich endlich wieder sicher fühlen konnte. Aber er blieb stehen. Und ich sah weiter stumm auf den Horizont, den Wald, die Berge. Meine Sicht verschwamm und er schien zu bemerken dass es mir nicht gut ging. Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr. Er hatte die Hand gehoben, um mich zu berühren? Mich zu trösten? Doch sie sank unverrichteter Dinge wieder an seine Seite und eine unbeschreibliche Kälte überrollte mich. Er konnte mich nicht einmal mehr berühren. Was für ein grauenhaftes Wesen musste ich in seinem Kopf geworden sein. Mechanisch nickte ich um ihn nicht völlig auflaufen zu lassen doch wie immer erkannte er die tiefere Bedeutung. Das hatte sich nicht verändert. Er sah noch immer mehr als andere. Ohne ein weiteres Wort verließ er mich. Ich konnte hören wie er vom Gras auf den Kiesweg wechselte, wie er sein Bein noch immer leicht mühsam anhob, wie er über die staubige Straße ging und dann wie seine Haustür auf und wieder zuging. Erst als ich sicher war das er mich nicht mehr hören konnte, gaben meine Beine nach und ich sackte schluchzend in die Knie. Ich bekam kaum noch Luft und musste meine Hand fest auf meine Brust pressen um nicht auseinander zu brechen. Das ich Schrie wurde mir erst bewusst als Haymitch seine Hand beruhigend auf meinen Rücken legte. Ich hatte ihn nicht einmal kommen hören. Haymitch kniete neben mir, der Geruch nach Alkohol war nicht mehr ganz so penetrant und als ich mit verquollenen Augen den Blick hob sah er mich aus beinahe nüchternen Augen an. „Ich weiß es ist hart Sweetheart. Aber gib ihm Zeit. Er wird wieder.“ Auch wenn es tröstend gemeint war seine Worte rissen nur weiter an dem Loch in mir. Ohne widerstand ließ ich ihn mir auf die Beine helfen und mich ins Haus führen. Er setzte mich auf den Sessel beim Kamin und verschwand für einen Moment aus meinem Sichtfeld. Dann hielt er mir ein Glas Wasser entgegen. Wasser. So viele meiner Alpträume drehten sich um Wasser. Darum das ich verdurstete, ertrank, das ich mit ansehen musste wie Peeta ertrank oder wie ein Meer aus Mutts Finnick in Stücke riss. Nur vage erinnerte ich mich an das Mädchen das ich einmal gewesen war, das furchtlos durch den Wald gewandert war, das keine Angst vor so etwas simplen wie einem Glas Wasser hatte. Ich zwang mich mühsam ein paar Schlucke zu nehmen ehe ich es beiseite stellte. Haymitch saß mir gegenüber, die Ellenbogen auf den Knien, die Hände verschränkt. Er musterte mich wie er mich damals bei unserer ersten wirklichen Begegnung gemustert hatte. Mit dieser Mischung aus Neugierde und Faszination die ich als Missachtung und Hochmut interpretiert hatte. Denn after all, wir waren uns viel zu ähnlich um uns nicht zu mögen und jetzt wo es praktisch nur noch Peeta, Haymitch und mich gab waren wir beinahe so was wie Freunde geworden. „Weißt du Katniss, er wird nicht von alleine wiederkommen.“ Sagte er und wartete bis ich ihn ansah. „Ich weiß dass es dir schwer fällt, aber ohne deine Hilfe wird er nicht zurück finden.“ Sicher, diese Gedanken hatte ich seit Peeta damals ins Rebellencamp vor der Hauptstadt gekommen war. Bilder von uns beiden im Keller überrollten mich. Wie ich seine Haare streichelte und seine leise Stimme die fragte ob ich ihn noch immer beschützen wolle. Real or not real. Tick tock. Ich atmete bebend durch und nahm doch noch einen tiefen Schluck Wasser. „Ich weiß nicht was ich tun soll.“ Flüsterte ich mit rauer, gebrochener Stimme. Wann hatte ich das letzte Mal gesprochen? Vor ein paar Tagen? Wochen? Meine Stirn legte sich in Falten. Ich wusste es nicht mehr. „Doch Sweetheart. Du weißt was du tun musst. Du traust dich nur nicht.“ Ouch. Wieder hatte er recht und wieder fühlte ich mich mehr als schuldig. Peeta war in einer Welt gefangen in der er Realität und Wahn nicht mehr unterscheiden konnte. In der er nie sicher sein konnte was wirklich passiert war und was nicht. Und ich konnte ihn daraus befreien. Ich wusste dass ich es konnte. Genauso wie ich wusste was das für mich bedeuten würde. Unbewusst fuhr meine Hand über meinen Hals. Über die Stellen an denen Peetas Finger mich beinahe erstickt hätten. Ich spürte ein leichtes prickeln unter den Fingerspitzen so als wären die Male noch immer da. Haymitch schien meine Bewegung richtig zu interpretieren und riss mich aus meinen Gedanken. „Das war er nicht. Vergiss das nicht Katniss.“ Seine Stimme war warm. Etwas das ich von Haymitch nicht kannte. Hazelle war vor ein paar Tagen wieder gekommen und hatte es erneut übernommen Haymitchs Haus in Stand zu halten. Offenbar tat sie ihm gut. „Aber wie denn.. wie..“ meine Stimme versagte und ich spürte erneut Tränen in mir aufsteigen. Meine Arme schlossen sich enger um die klaffende Wunde in meiner Brust, so als wolle ich sie vor weiterem Schaden beschützen. „Das findest du schon raus Sweetheart.“ Da war er wieder, der alte, neckende Haymitch der mir keine Hilfe zukommen ließ weil er wusste dass ich alleine darauf kommen würde. Er stand auf und war schon halb aus der Tür als er noch mal zu mir zurück kam und mir etwas unbeholfen über die Wange streichelte. Sein Blick sprach aus was er nicht sagen konnte und ich nickte nur. Wir verstanden uns noch immer ohne Worte. Diese Nacht verbrachte ich schreiend und weinend. Ich schlief nicht. Es war zu unerträglich und so vergrub ich mein Gesicht im Kissen und schrie mir die Seele aus dem Leib. Da gab es niemanden mehr den ich dafür umbringen könnte, dem ich die Schuld an all dem geben konnte. Niemanden außer mir selbst. Und das machte es noch viel schlimmer. Als die Sonne morgens um vier aufging fühlte ich mich als wären alle Tränen die ich jemals würde weinen können in dieser einen Nacht verbraucht worden. Meine Augen brannten und meine Lippen waren rot und geschwollen. Jedes Schlucken kratzte über meinen rauen Hals und ich zwang mich aufzustehen. Das Haus lag vollkommen verlassen und totenstill da. Buttercup schien draußen auf Wanderschaft zu sein, vielleicht hatte er mein Schreien auch nicht länger ertragen. Barfuß und nur in meinem Nachthemd tappte ich die Treppe runter und zog mir eine Strickjacke meiner Mutter vom Haken an der Tür. Wir waren uns nicht sehr nahe aber wir hatten einander verziehen und ihre Jacke war überraschend tröstend. Ich zog die weiche Wolle eng um mich und öffnete die Tür. Feiner Nebel hing über der Straße, den Wiesen und den Bäumen. Es war ein wunderschöner Sommermorgen und früher hätte mich nichts hier gehalten. Ich hätte mich angezogen und wäre zu Gale in den Wald gerannt. Aber es gab keinen Gale mehr und ohne Gale war der Wald nicht mehr was ich brauchte. Nur eine weitere, dunkle, schmerzhafte Erinnerung. Ich wappnete mich gegen die Schmerzwelle die mich überrollen würde doch sie blieb aus. Erstaunt holte ich tief Luft. In den Duft aus Nebel, Morgentau und Wald mischte sich etwas anderes. Etwas Vertrautes. Ich musste mich konzentrieren um mich auf meine Gedanken fokussieren zu können. Was roch ich da? Mein Kopf drehte sich leicht und ich wusste es bevor ich es sah. In Peetas Haus brannte Licht. Rauch stieg aus dem Schornstein. Er backte. Es war der Geruch von frischen Brötchen. Käsebrötchen. Uff. Ich krümmte mich und musste mich gegen den Türrahmen lehnen um der Welle aus Sehnsucht und Schmerz standzuhalten. Langsam atmete ich gegen die Panik an bis mein Blick sich wieder klärte und das reißen in meiner Brust mich nicht mehr lähmte. Meine Haare waren offen, wirr von meiner schlaflosen Nacht. Ich musste wirklich aussehen als wäre ich nicht mehr ganz dicht. Barfuß, im Nachthemd mit wirrem Haar morgens um Nebel. Gerade als mir dieser Gedanke kam sah ich sein Gesicht. Direkt am Küchenfenster, er musste mich gesehen haben oder hatte ich irgendein Geräusch gemacht? Manchmal bemerkte ich es nicht mehr wenn ich wimmerte oder schrie. Mein Körper war so gewöhnt daran, dass ich es ausblendete. Peeta und ich sahen uns über die Straße hinweg an. Seine Scheiben waren leicht beschlagen und immer wieder hob er die Hand um die feinen Tropfen vom Glas zu wischen. Ich weiß nicht wie lange ich so da stand und zu ihm rüber sah, festgewurzelt von meiner eigenen Angst vor dem was mich erwartete. Doch schließlich wagte ich den ersten Schritt. Ich stieg die wenigen Stufen herunter und lief langsam über den Sand und die Steine. Ich spürte sie lebendig, feucht und frisch unter keinen nackten Füßen. Peetas Gesicht verschwand vom Fenster und wenige Augenblicke später öffnete sich seine Haustür und er war es, der sich an den Türrahmen lehnte. Sein Anblick war ein Schock. Er trug das exakt gleiche Outfit das er getragen hatte als er mir das Brot zugeworfen hatte. Grauweiße Stoffhose, weißes T-Shirt und weiße Schürze. Seine Hände, das blonde Haar und Teile seines Gesichts waren mit Mehl bedeckt. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt aber nicht abweisend, eher in einer abwartenden Haltung. Seine hellen Augen musterten mich. „Hey.“ sagte ich leise und fühlte mich schlagartig in das Krankenzimmer in Distrikt 13 zurückversetzt. Sofort verschränkte auch ich die Arme vor der Brust nur das es eher eine Art hilflose Umarmung war. Ich musste mich daran hintern auseinander zu fallen. „Hey.“ Antwortete er zu meinem Entsetzen in demselben neutralen Ton wie damals. Ob auch er sich gerade an unsere erste wirkliche Begegnung nach seiner Befreiung erinnerte? Unsicher versuchte ich in seinem Gesicht zu lesen. Zu deuten was das leichte heben seines Mundwinkels zu bedeuten hatte, wieso seine Augen diesen Ausdruck aufwiesen. „Du backst?“ gut gemacht Katniss, als wäre das nicht offensichtlich. Aber ich fühlte mich so wehrlos und Verwundbar, dass ich nicht wusste was ich sonst hätte sagen sollen. Was war nur in mich gefahren hier so aufzutauchen? Mich ihm so zu stellen? Ich hätte mich anziehen müssen, meine sicheren Stiefel und Dads Jacke tragen sollen. Mein Haar müsste fest geflochten auf meinem Rücken liegen. Stattdessen wurden meine Füße langsam kalt, mein Haar wurde mir von der leichten Morgenbrise ins Gesicht geweht und ich begann zu zittern. Minutenlang sah Peeta mich einfach nur an. Ließ seinen Blick über mein Gesicht wandern, meine Schultern, den Saum meines Nachthemdes und meine nackten Füße. „Dir ist kalt.“ Stellte er leise fest und trat einen Schritt zurück um mich ins Haus zu lassen. Zaghaft setzte ich einen Fuß auf die erste Stufe. „Komm rein Katniss.“ Bat er und ich hörte eine Spur des alten Peetas. Seine Stimme hatte diesen warmen Unterton von dem ich dachte ich würde ihn nie wieder hören. Langsam stieg ich die Stufen hinauf und trat neben ihm ins Haus. Mir fiel auf das ich seit über einem Jahr nicht mehr in seinem Haus gewesen war, nicht seit wir erneut für die Hungergames ausgewählt worden waren. Es hatte sich kaum etwas verändert. Bis auf die Bilder. Überall waren Bilder. Eine lachende Rue die uns im Training folgte, Finnick und Annies Hochzeit, Prim mit Buttercup. Nur ich fehlte. Die Erinnerung daran dass ich früher auf beinahe allen seiner Bilder war und es jetzt kein einziges mehr zu geben schien durchbohrte mich wie ein Speer. Die scharfe Klinge durchdrang mein Fleisch und riss ein weiteres, großes Stück aus meinem Herzen. Peeta ging an mir vorbei in die Küche und öffnete den Backofen, sofort wurde alles durchdrungen von warmer Luft die nach geschmolzenem Käse und frischen Brötchen duftete. Ich lehnte mich an den Türrahmen zur Küche und erlaubte mir für einen Moment die Wärme und trügerische Geborgenheit zu genießen. Die warme Ofenluft umspielte meine Knöchel und kroch mir unter die kalte Haut. Draußen vertrieben die ersten Sonnenstrahlen den Nebel langsam und Minutenlang sah ich Peeta zu wie er die frischen Brötchen aus dem Ofen holte, neue nach schob und dann seine Arbeitsplatte reinigte. Mehlsack und Backpulverschachtel verschwanden zusammen mit dem Zucker und Salz Beutelchen. Danach fegte er das Mehl von der Arbeitsfläche, siebte die wenigen Teigklümpchen daraus um das Mehl noch weiter benutzen zu können. Dann begann er mit ruhigen, kreisenden Bewegungen über die Tischplatte zu wischen. Das feuchte Tuch hinterließ tiefbraunes Holz. Mein Magen knurrte leise, ich hatte gestern nichts essen können und die Brötchen dufteten verlockend. Offenbar hatte er es gehört und hielt inne. Sein Blick fing meinen ein. „Nimm dir ruhig eins. Es sind deine Lieblingsbrötchen.. oder?“ Ich nickte und griff nach einem der perfekten, runden Brötchen. Der Käse darauf glänzte und wurde langsam erst hart. Ich schloss die Augen und atmete tief den herrlichen Duft ein. Eine neue Welle schmerzlicher Sehnsucht überrollte mich, doch ich hielt ihr stand und hoffte das er es nicht bemerkte. Als meine Augen sich öffneten erkannte ich, das ich genauso gut hätte hoffen können das Prim gleich durch die Tür kam. Peetas Gesicht war ein Spiegelbild meines Ausdrucks. Ob ihn dieselbe Welle erfasst hatte? Aber nein. Er liebte mich nicht mehr. Er mochte mich vermutlich nicht mal. Das war es jedenfalls was ich mir einredete und woran ich mich klammerte. Denn alles andere wäre um so vieles schlimmer. Wenn er mich noch liebte aber nicht berühren konnte, ein Monster sah und nicht begriff wie er mich lieben konnte. Wie hätte ich das je wieder gut machen können? Ihn jemals erreichen sollen? Aber wenn er mich nicht mochte, damit konnte ich leben. Dagegen konnte ich kämpfen. Hoffte ich jedenfalls. Ich biss ins Brötchen um nichts sagen zu müssen und konzentrierte mich darauf das Muster der Tischplatte zu ergründen als er plötzlich vor mir stand. Ich erschrak so sehr das ich nach hinten auswich und fast stolperte. Wäre da nicht der Türrahmen in meinem Rücken gewesen, ich wäre der Länge nach hingeschlagen. Mit rasendem Herzen begegnete ich seinem forschenden Blick. So nah waren wir uns ewig nicht mehr gekommen. Mir war das Brötchen aus der Hand gefallen und ich stand einfach nur starr da und versuchte nicht zu zittern. Ich hatte keine Angst vor ihm. Das hatte ich nie. Nicht einmal als er von Snow zu meinem persönlichen Mörder gemacht worden war. Ich konnte keine Angst vor ihm haben. Wie sollte ich. Er war Peeta. Mein Freund und wie ich jetzt wusste so vieles mehr. Meine Brust hob und senkte sich unter meinen bebenden Atemzügen. Unser letzter Kuss war Monate her. Im Capitol. Wie von selbst öffneten meine Lippen sich, von einer Sehnsucht getrieben die ich nicht erklären konnte und von der ich niemals erwartet hätte sie empfinden zu können. Meine Gedanken wanderten zurück zu diesen kurzen, magischen Stunden am Strand. Als wir von einem unstillbaren Hunger getrieben die Welt um uns vergessen hatten. Als es nur uns beide gab. Ich spürte seine Nähe, seinen starken Körper so dicht vor mir. Wir berührten uns nicht. Seine Lippen schwebten nur cm vor meinen, sein Blick war in meine Augen gerichtet. Wir beide suchten etwas. Etwas woran wir uns festhalten konnten. Ich konnte die Verwirrung in seinem Blick lesen, die Fragen und ich sah wie viel Kraft es ihn kostete mir so nah zu sein. „Du stehst vor mir. Real or not real?“ fragte er leise und sein Atem strich über meine geöffneten Lippen. Ich bebte und hielt mühsam seinem Blick stand. „Real.“ Flüsterte ich. Sein Kopf nickte sachte dann machte er einen Schritt zurück und was immer uns gerade noch verbunden hatte sprang zurück wie eine reißende Bogensehne. Es riss mich von den Füßen. Nur das ich nicht fallen konnte. Ich hätte nicht her kommen sollen. Die Panik kroch erneut in mir hoch, schloss sich eisern und bitter um meinen Hals. Ich bückte mich nach dem Brötchen das meinen Händen entglitten war und hob es auf. Peeta war inzwischen auf der anderen Seite der Küche, er schob Holz in den Ofen nach. Einen Moment ließ ich zu das mein Blick den Sehnen an seinem muskulösen Arm folgte, wie sie sich unter der Haut spannten und bewegten während er Holzscheit um Holzscheit in die Flammen schob. Flammen. Ich gab einen erstickten Laut von mir, drehte mich um und rannte. „Katniss!“ hörte ich ihn noch hinter mir rufen, doch ich war schon über die Straße, rannte in mein Haus und kletterte zitternd in meinen Kleiderschrank der noch immer voll war von Cinnas wunderschönen Kleidern. Niemand hatte je wirklich herausfinden können was mit ihm passiert war. Aber wir alle wussten dass er tot sein musste. Ich rollte mich zwischen all dem Samt und der Seide ein, vergrub die Nase in dem Stoff der noch leicht nach ihm roch und weinte mich in den Schlaf. Gegen Mittag wachte ich auf weil mich jemand rief. Ich antwortete nicht. Es klang nach Hazelle. Ich wollte und konnte jetzt mit niemandem sprechen und vergrub mich tiefer. Ein paar Stunden später weckte mich erneut etwas. Ein leises kratzen an der Schranktür, ich schob sie ein Stück auf und Buttercup kletterte zu mir in den Schrank. Wir waren tatsächlich Freunde geworden, denn wir beide hatten Prim unser Leben gewidmet und sie verloren. Wir beide hatten sie nicht beschützen können. Meine Arme schoben sich um das weiche Fell und Buttercup rollte sich an meiner Brust zusammen. Ich wachte in völliger Dunkelheit auf und ein erstickter Schrei entwich mir. Ich war in irgendetwas gefangen, etwas Schweres, Warmes lag auf meiner Brust und ich musste Augenblicklich an Mutts denken. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, ich versuchte mich zu befreien bis ein erschrockenes Maunzen mich innehalten ließ. Buttercup. Richtig. Ich zwang mich ruhig zu atmen und tastete nach der Schranktür. Vorsichtig schob ich sie auf und Buttercup hüpfte von meiner Brust. Ich kämpfte gegen die Wellen der Panik an als ich mich Stück für Stück aus den Kleidern befreite. Ich sollte mir dringend andere Verstecke suchen. Wackelig und seltsam erschöpft stieg ich aus dem Schrank und ging direkt zum Fenster. Ich stieß es auf und atmete gierig die frische Nachtluft ein. Meine Hände gruben sich in das vom Tag noch warme Holz des Fensterbretts. Tief sog ich den Sauerstoff in meine Lungen, als könne ich mit jedem Atemzug die Bilder meines letzten Traumes verdrängen. Es war keiner meiner üblichen Alpträume. Dieser war schlimmer. Denn es war eigentlich ein schöner Traum. Ich hatte von Peeta geträumt, meinem Peeta, der mich hielt und küsste und mit diesem Blick ansah der mir versprach dass er niemals jemanden so lieben würde wie mich. Ich lehnte meine glühende Stirn an den Fensterrahmen, meine Haare und mein Nachthemd waren Schweißdurchtränkt und klebten an meinem Körper. Mit fahrigen Bewegungen zerrte ich an dem feuchten Stoff, zog ihn mir über den Kopf und ließ ihn achtlos fallen. Meine Haare schob ich in meinem Nacken zusammen und rollte sie in einem losen Dutt zusammen. Die warmen Dielen unter meinen Füßen knarrten leise als ich zu meiner Kommode ging und ein Band hervorzog. Jemand hatte frisches Wasser in einer Kanne neben mein Bett gestellt, zusammen mit einem Glas und einem Teller Kartoffeln an dem sich Buttercup gerade bediente. Ich zog eines der Stofftaschentücher meiner Mutter aus der Schublade und tauchte es in das kühle Wasser. Seufzend fuhr ich mir damit über den glühenden Nacken und schloss die Augen. „Mhmm.“ drang ein unbekannt wohltuender Laut über meine Lippen. Das Wasser lief in feinen Perlen aus dem Tuch über meinen nackten Rücken. Es machte mir nichts mehr aus nackt zu sein. Mein Prep Team hatte mich so oft aus und angezogen das es mich nicht mehr störte. Abgesehen davon, wer sollte mich schon sehen. Immer wieder tauchte ich das Tuch in die Kanne, ließ das Wasser über meine Schultern, die Arme und Hände laufen, beobachtete wie die Tropfen im Mondlicht schimmerten. Meine Gedanken kreisten noch immer um Peeta. Um die Küsse aus meinem Traum. Echte Küsse wie ich sie nur zweimal mit Peeta getauscht hatte. Ohne es wirklich zu merken begann ich zu summen. Ein uraltes Lied das meine Mutter gesungen hatte bevor mein Vater starb. Es war traurig und ein Überbleibsel aus der Welt vor Panem. Jetzt schien es seltsam passend. Geräuschlos ging ich zum offenen Fenster und sah zum Mond auf. Von weitem musste ich mit meiner blassen Haut wie ein Gespenst wirken. Es brauchte einen Moment ehe ich mir in Erinnerung rief dass mich auch von weitem niemand sehen würde weil dort einfach niemand war. Stumm lief eine Träne über meine Wange und ich versuchte mich an den Text des Liedes zu erinnern. „Turn down the lights, turn down the bed. Turn down these voices inside my head.” begann ich leise zu singen und versuchte das Beben in meiner Stimme zu kontrollieren.“ Lay down with me, tell me no lies, just hold me closely..” Ich zitterte. ”Don't patronize, don't patronize me 'Cause I can't make you love me, when you don't..” Ich atmete bebend ein. “ I'll close my eyes, 'cause then I won't see.. The love you don't feel when.. when..” Ich musste mir eine Hand vor den Mund pressen um mein Schluchzen zu ersticken.”When.. you're holding me. Morning will come and I'll do what's right, just give me 'til then to give up this fight and I will give up this fight..” Die Bedeutung der Worte durchfuhr mich schmerzhaft. Meine Stimme zitterte. “'Cause I can't make you love me if you don't. You can't make your heart feel something that it won't. And here in the dark, in these final hours I will lay down my heart and I will feel the power. But you won't, no, you won't.. Make you love me.. make your heart feel here in the dark...” Ich rutschte weinend an der Wand zu Boden, rollte mich ein und fragte mich stumm was der Person wohl passiert war die dieses Lied vor über hundert Jahren geschrieben hatte. Und dann traf es mich wie ein Vorschlaghammer. Das war es was Peeta all die Zeit gefühlt haben musste, als er mich im Zug im Arm gehalten hatte, wissend das ich seine Liebe nicht erwiderte. Im Garten löste sich Peeta aus seiner Starre. Er hatte nur nach den Primeln sehen wollen weil er nicht schlafen konnte. Wie so oft. Seine Begegnung mit Katniss vom Morgen hatte vieles in ihm aufgewühlt. Wie sie da vor ihm gestanden hatte, die offenen Haare, das Nachthemd, die vollen, geröteten Lippen und dieser verletzliche Ausdruck in ihren schönen Augen. Sie wusste bis heute nicht welche Wirkung sie auf Menschen haben konnte. Nach einem rastlosen Tag weil Katniss offenbar wieder mal verschwunden war hatte er versucht zu schlafen. Natürlich vergeblich. Da er nicht zu weit herum wandern wollte hatten seine Beine ihn in ihren Garten getragen. Vielleicht hatte er gehofft irgendwann Licht in ihrem Haus zu sehen, zu wissen dass sie wieder da war. Auch wenn niemand sie hatte weggehen sehen. Peeta lehnte an einem der wenigen Bäume im Garten mit Blick auf die Primeln und die Rückseite ihres Hauses, als er eine Bewegung am Fenster sah. Zuerst hatte er sich irgendwie bemerkbar machen wollen. Doch stattdessen blieb er stumm und unbewegt sitzen, starrte gebannt zu ihrem Fenster, wo sie zuerst nur mit feuchtem Nachthemd gestanden hatte. Erinnerungsfetzen drangen in ihm hoch. Inzwischen konnte er sie etwas besser auseinander halten. Das was wirklich passiert war und dass was das Trackerjackergift angerichtet hatte. Katniss Lippen, ihre Augen, ihre Haare. Katniss die durch den Regen rannte, mit vielleicht 13 Jahren, ihr Kleid klebte an ihrem Körper genau wie das Nachthemd jetzt. Wie schön sie war. Ihre Zöpfe ganz aufgelöst, die Wangen ganz rot vom Laufen. Sie war an der Bäckerei vorbei gerannt, direkt nach der Schule. Es war einer dieser Festtage gewesen und ihre Mutter musste sie irgendwie dazu gebracht haben ein Kleid anzuziehen. Peeta erinnerte sich das Katniss Kleider hasste. Dann tauchten Bilder von ihr in schimmernden Kleidern auf, die in Flammen aufgingen. Real or not real? Das Mondlicht schimmerte auf ihren blassen Wangen und ließ sie unwirklich aussehen. War sie real? Stand sie wirklich über ihm am Fenster oder spielte ihm seine Fantasie erneut einen Streich. Sie verschwand und Peeta fand sich damit ab das er sie sich nur eingebildet hatte. Tonlos seufzend lehnte er sich wieder zurück, spürte die raue Rinde in seinem Rücken, das feuchte Gras das langsam durch den Stoff seiner Hose drang. Aber er wollte sich nicht bewegen. Immer wieder glaubte er Bewegungen in ihrem Zimmer zu sehen. Einen Schatten, einen Arm der sich hob, blasse Haut. Mit dem was folgte hatte er nicht gerechnet und es überrollte ihn schlichtweg. Peeta starrte mit großen Augen und fassungslos auf das Bild das sich ihm bot. Katniss stand nackt am Fenster. Er konnte ihren Oberkörper bis zu den Hüftknochen sehen. Ihre Haare waren zurück gebunden und ihre blasse Haut schimmerte feucht. Das konnte nicht wirklich sein. Nur ein weiterer Traum den er nicht verstand und nicht einordnen konnte, ein Traum der ihn wenn er aufwachte nur noch mehr verwirren würde. Und dann begann sie zu singen. Das Blut gefror in seinen Adern und sein Herz begann heftig zu schlagen. Er hörte jedes Wort. Klar und deutlich. Sein Herz setzte bei jeder Pause aus. Als ihre Hand sich blass und schlank auf ihre Lippen presste bekam er kaum noch Luft. Unendlich viele Erinnerungen brachen über ihm zusammen. Bilder von gemeinsam verbrachten Nächten. Geflüsterten Unterhaltungen. Davon wie er sie fest gehalten hatte wenn sie schreiend aus ihren Alpträumen aufgewacht war. Ihre Stimme löste etwas aus, das Snow ihm nicht hatte nehmen können. Ihre Stimme wurde lauter und er konnte all den Schmerz darin hören. So after all.. she finally did love him. Peeta wagte es nicht sich zu bewegen. Sah hilflos mit an wie sie zu zittern begann und schließlich verschwand. Für einen Moment verspürte er den Impuls zu ihr gehen zu wollen, sie zu trösten. Aber er war sich selber viel zu Unsicher über das was er spürte und empfand als das er ihr irgendwie hätte helfen können. Minuten lang saß er noch da, wartete ob sie wieder auftauchen würde. Doch am Fenster rührte sich nichts mehr und als seine Hose schließlich vom Tau völlig durchnässt war stand er leise auf und bemühte sich wirklich keine Geräusche zu machen. Er wusste nicht das Katniss längst in ihrem Bett lag und schlief, sich tief unter der Decke vergraben hatte. Die nächsten Tage vergrub ich mich in meinem Zimmer. Greasy und Hazelle wechselten sich ab. Sie brachten mir Wasser, Saft, was zu essen. Sogar Haymitch kam mich besuchen und ich erzählte ihm von meinem missglückten Versuch mit Peeta zu sprechen. Alles was ich erntete war ein Blick und sein demonstratives Verlassen meines Zimmers. Ich fühlte mich miserabel und wenn ich in Distrikt 13 etwas gelernt hatte, dann das ich ruhig zulassen durfte mich so zu fühlen. Ich musste mir nicht länger Mühe geben die Starke zu spielen. Meine Mom und Prim waren nicht mehr da. Es gab niemanden mehr für den ich hätte stark sein müssen. Meinen Stolz hatte ich vor Monaten begraben, als man mich in meinem alten Tributzimmer im Capitol eingesperrt hatte nach meinem Mord an Coin. Noch immer nackt wickelte ich mir eines der frisch gewaschenen Laken um, die Hazelle neben mein Bett gelegt hatte. Leise rief ich nach ihr und sie kam sofort zu mir und half mir ein Bad vorzubereiten. Der Anblick von fließendem Wasser war noch immer irgendwie ungewohnt und ich ließ es Minuten lang einfach nur über meine Finger laufen bis die Wanne überlief und ich es abdrehen musste. Draußen wartete ein warmer Sommertag und nach meinem Bad und einem dickbelegten Brot fühlte ich mich endlich wieder menschlich. Inzwischen funktionierte die Versorgung zwischen den Distrikten besser denn je. Auch weil Gale in vielem zusammen mit Beetee seine Finger im Spiel hatte. Ich wusste er würde nie aufhören sich um mich und um Distrikt 12 zu kümmern, auch wenn ich es vermied jemals nach ihm zu fragen. Ich konnte nicht abschätzen was es mit mir machen würde wenn ich die Bestätigung bekäme das er tatsächlich jemand anderen liebte. Das war selbstsüchtig und niemand verdiente es so sehr geliebt zu werden wie Gale, aber er war doch immer noch mein Gale und ich liebte ihn auf eine Art wie ich nie wieder jemand anderen lieben würde. Nur war das eben nicht genug. Ich konnte ihn nicht so lieben wie er es brauchte und er mich nicht so wie es ich es brauchte. Es gab nur einen Menschen der das konnte und der wusste momentan noch nicht mal ob er mich überhaupt ausstehen konnte, geschweige denn was ihn jemals zu mir hingezogen hatte. Ich entschied das es mir nicht half in Selbstmitleid zu versinken und entschloss meinen Wald ein für alle Mal für mich zurück zu erobern. Das war mein Wald. Mein zuhause und ich wollte es wieder haben. Zum ersten Mal seit langer Zeit spürte ich so etwas wie Entschlossenheit und wollte sie nutzen. Ich zog mich an, Hose, T-Shirt und meine geliebten Lederstiefel. Ich schnappte mir die Jacke meines Vaters und trippelte die Treppe runter. Das Geräusch schien Greasy zu irritieren und sie steckte ihren Kopf aus der Küchentür. „Katniss Kleines, was hast du denn vor?“ fragte sie und ihre Augen leuchteten weil sie einen Funken meiner selbst wieder erkannte. „Ich gehe in den Wald, soll ich dir etwas mitbringen?“ fragte ich gut gelaunt. Ich fühlte mich so leicht wie seit langem nicht mehr. „Erdbeeren liebes. Wenn du welche findest kann Peeta sicher einen schönen Kuchen daraus machen.“ Ich wurde langsamer und kämpfte gegen das klaffende Loch in meiner Brust. Peeta. „Sicher, wenn ich welche finde.“ Lächelte ich und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Dann schnappte ich mir zwei dicke Brotscheiben und eine Flasche Wasser, die ich beide in meinen Jagdbeutel stopfte. An der Garderobe hielt ich inne und hob meinen Bogen vom Haken. Er wurde surrend lebendig und fast klang es als freue er sich über unser Wiedersehen. Liebevoll strich ich über das glatte Material und schlang ihn mir über die Schulter. Dann hob ich meinen Köcher auf und zählte die Pfeile. 13. Es war albern und abergläubisch, aber ich zog die 13ten Pfeil heraus und legte ihn an der Garderobe ab. Mit zwölf Pfeilen im Köcher fühlte ich mich sehr viel wohler. Ich vermied es zu Peetas Haus zu sehen und lief stattdessen im Laufschritt die Straße runter, nahm Gassen und lief durch Gärten zum Zaun. Distrikt Zwölf war dabei wieder zum Leben zu erwachen. Immer mehr Familien kamen zurück. Überraschenderweise kamen auch Menschen aus anderen Distrikten. Langsam aber stetig entstand unsere Stadt neu. Ich lächelte, grüßte hier und da jemanden, was die meisten jedoch eher irritierte. Ob sie in mir immer noch das verrückte Mädchen sahen? In einer Schublade in meinem Zimmer lag noch das Band aus Distrikt 13. Mentally Disordered. Wie von selbst trugen meine Füße mich zum Zaun, ich stieg darunter hindurch und lief über die satte, grüne Sommerwiese, unter der die meisten Bewohner von Distrikt 12 begraben waren. Sommerblumen wuchsen und wilde Kräuter. Die Natur hatte sie unter sich verborgen. Ich fand mich erstaunlich gut zurecht, auch wenn ich mehr Pausen einlegen musste als früher. Ich mied den See, schließlich hatte ich Wasser mitgenommen und schoss mir zwei Eichhörnchen und ein Kaninchen. Gegen Mittag suchte ich mir eine Lichtung um etwas zu essen. Auf einer kleinen Waldwiese fand ich Wilde Erdbeeren und sammelte so viele ich finden konnte. Ich vermied es an Plätze zu gehen die mich an Gale erinnerten. Das hatte ich einmal getan und ich wollte dieses dumpfe Gefühl nicht wieder spüren. Denn zu meiner Überraschung ging es mir gerade so gut wie seit langem nicht mehr. Es war mir egal ob ich Spuren hinterließ. Wer würde mich schon verfolgen? Ich wich ein paar wilden Hunden aus und ging einfach immer weiter. Es war Sommer, die Sonne würde erst in einigen Stunden untergehen. An solchen Tagen war es sonst Gale der mich erinnerte das ein Rückweg genauso lang war wie ein Hinweg und das wir besser nicht nachts im Wald bleiben sollten. Aber Gale war nicht hier und es war mir ehrlich gesagt egal. Ich hatte schlimmeres gesehen und erlebt. Außerdem gab es hier mehr als genug Bäume auf die ich klettern konnte. Das gleichbleibende Grün des Blätterdachs, das schummrige Licht und meine abwesenden Gedanken hatten den Tag sehr viel schneller verstreichen lassen als mir bewusst war und so wurde es doch recht schnell dunkel und ich war noch wenigstens zwei Meilen vom Zaun entfernt, wenn nicht mehr. Ich entschied, dass mich eine Nacht im Wald nicht umbringen würde und machte ein Feuer. Nachdem die Eichhörnchen und das Kaninchen gehäutet und ausgenommen waren ließ ich sie über den Flammen garen und genoss mein Abendbrot aus frischem Eichhörnchen, einem Rest Brot und ein paar Erdbeeren zum Nachtisch. Ich ließ das Feuer brennen um wilde Hunde und andere Tiere fern zu halten, dann kletterte ich auf einen nahen Baum mit breiten Ästen und suchte mir eine sichere Gabel. Das alles war mir wie eine gute Idee vorgekommen bis ich die Augen schloss und tatsächlich einschlief. Etwas schlich unter mir ums Feuer ich hörte die Tatzen. Schwere, große Tatzen. Dann spürte ich das Rütteln am Baum als würde etwas dagegen stoßen. Ich war wie gelähmt, konnte mich nicht bewegen. Um mich herum war schwärze und ich war allein auf mein Gehör beschränkt. Ich war wieder in den Hungergames. Starr vor Angst presste ich mich an den Baum, versuchte die Augen zu öffnen oder waren sie schon offen? Aber der Wald wurde niemals völlig schwarz. Und plötzlich tauchte etwas vor mir auf dem Ast auf. Etwas Menschenähnliches mit langen graubraunen, haarigen Fingern. Ich sah dunkle Augen vor mir aufblitzen und die Hand die es nach mir Ausstreckte. Ich stieß einen gellenden, panischen Schrei aus, riss die Augen auf und fiel vom Baum. Die Luft wurde mir aus den Lungen gepresst, ich starrte auf den Baum hoch, alles war viel heller, da waren die normalen Geräusche des Waldes und ein verschrecktes Kaninchen hoppelte davon. Doch ich spürte noch immer die dunklen Augen aus meinem Alptraum auf mich gerichtet, irgendein grauenhafter Mutant der mich umbringen würde. Schreiend begann ich zu rennen. Ich musste aus dem Wald, sofort. Ich stolperte, blieb hängen, zerschrammte mir Hände, Knie und Gesicht während ich panisch versuchte meinen Weg zurück zum Zaun zu finden. Wo war ich?! Was hatte mich nur geritten so tief in den Wald hinein zu gehen? Ich rannte um mein Leben und hinterließ eine deutliche Schneise aus zertrampeltem Gestrüpp und zerbrochenen Ästen. Und dann war der Boden unter meinen Füßen plötzlich weg. Ich schrie doch mein Schrei blieb mir in der Kehle stecken als ich fiel. Ich schlug hart auf und rollte einen Hang hinab. Ich hörte ein grauenhaftes Knacken ehe ich es spürte und schrie erstickt. Mein Fuß war an einer Wurzel hängen geblieben und meine Wucht vom Fall hatte ihn gebrochen. Das war mein Todesurteil. Ich lag mit wild rasendem Herzen auf dem Waldboden am Fuß eines kleinen Abhangs, verdreht und mit grauenhaft abstehendem Fuß. Meine Beine waren in ungesundem Winkel abgeknickt und ich spürte wie mein Köcher sich in meinen Rücken bohrte. Mein Bogen erdrosselte mich fast. Dennoch konnte ich mich nicht bewegen. Ich verbrachte meine Nacht hellwach und von Halluzinationen geplagt. Nichts davon konnte real sein und als die Sonne endlich den Wald erhellte erkannte ich wo ich gelandet war. Ich lag in einer Wiese aus Primeln. Primrose. Prim. Sie war hier. Sie hatte mich die ganze Nacht beschützt. Tränen schnürten mir die Kehle zu und ich wagte es endlich mich zu bewegen. Vorsichtig setzte ich mich auf und befreite meinen heftig pochenden Fuß. Er war dick geschwollen und ich wusste, würde ich den Stiefel ausziehen würde ich ihn nie wieder drüber bekommen. Mein Kopf dröhnte und ich brauchte einen ganzen Moment ehe ich mich orientiert hatte. Ich kannte diese Wiese. Hier hatten Gale und ich die Primeln damals gefunden. Und vermutlich war Gale der einzige der von diesem Ort wusste. Selbst wenn man mich suchen würde, was sicher Tage dauern würde weil ich ja dauernd verschwand, würden sie mich hier nicht finden. Ich atmete tief durch. Mein Beutel war noch da und ich zog die Wasserflasche hervor, nahm mehrere tiefe Schlucke. Ich würde meinen Weg irgendwie alleine Zurückfinden müssen. Es dauerte über eine Stunde bis ich es geschafft hatte aufzustehen. Von einem nahen Baum brach ich einen Stabil aussehenden Ast ab und nutzte ihn als Gehhilfe während ich mir angestrengt einen Weg über den unebenen Waldboden suchte. Ich kam nur langsam voran und musste regelmäßig Pausen einlegen weil mein Fuß mich zu bringen drohte. Irgendwo bog ich falsch ab und musste ein gutes Stück zurück humpeln um nicht zu weit abzukommen. Ich orientierte mich am Stand der Sonne soweit ich sie sehen konnte und an den wenigen Punkten die ich wieder erkannte. Trotzdem lief die Zeit gegen mich und es begann zu dämmern ehe ich auch nur in der Nähe des Zaunes war. Ich war unendlich müde, erschöpft, durstig und mein Bein brachte mich um. Mir blieb wohl nichts anderes übrig als eine weitere Nacht alleine im Wald zu verbringen. Allein mit meinen Alpträumen, Ängsten und Halluzinationen. Da ich mit meinem Fuß unmöglich auf einen Baum würde klettern können suchte ich mir einen Felsübersprung unter dem ich mich verkroch. Ich machte ein übertrieben großes Feuer in der irrationalen Hoffnung dass es jemand sehen und mich finden würde. Wie ich die Nacht durchgestanden habe weiß ich nicht. Irgendwann bin ich wohl eingeschlafen denn als ich die Augen aufschlug war mein Feuer runter gebrannt und die Sonne stand schon am Himmel. Mein Fuß war zu doppelter Größe geschwollen und ich musste die Schnürung meines Stiefels lösen, wodurch ich noch langsamer vorankam. Ich wusste dass ich ihn hätte kühlen und hochlegen müssen, dass ich mit einem gebrochenen Knöchel nicht durch den Wald klettern sollte. Und ich wollte hier nicht sterben. Aber das würde ich. Ich konnte so nicht jagen, war nicht mal in der Nähe des Sees. Meine einzige Hoffnung war es endlich den Zaun zu erreichen und das mich jemand finden würde. Also kämpfte ich weiter bis ich mit dem Stock irgendwo hängenblieb, der Länge nach hinschlug und mein Fuß auf einem der größeren Steine aufschlug. Mein Schrei gellte durch den Wald, Vögel flatterten erschrocken auf und mir jagten Tränen in die Augen. Ich blieb wimmernd liegen und versuchte wieder zu Atem zu kommen aber der Schmerz war einfach unbeschreiblich. Minutenlang blieb ich zitternd liegen ehe ich es auch nur wagte mich zu Bewegen. Ich rutschte vorsichtig hoch bis ich an einem Baum lehnte. Meine Flasche war fast leer und mich trennten noch immer über anderthalb Meilen vom Zaun. Dichter, undurchdringlicher Wald. Und garantiert gab es Niemanden der nach mir suchte. Peeta sicher nicht. Haymitch machte sich bestimmt keine Sorgen, er wusste dass ich ganz gut alleine zurechtkam. Hazelle vielleicht. Aber Haymitch würde sie beruhigen und ihr erklären wie wunderbar ich allein im Wald klar kam. Es war kein wirklicher Schock als mir klar wurde das es niemanden gab der mich suchen würde. Eher eine nüchterne Feststellung. Etwas das mir irgendwie die ganze Zeit klar gewesen war und das ich mich nur scheute auszusprechen. So würde ich also enden. Mit gebrochenem Flügel und angesengten Federn. Der Mockingjay hat seinen Zweck mehr als erfüllt und kann auf dem Waldboden sterben. Plötzlich schien nicht mal der Gedanke von wilden Hunden zerrissen zu werden mehr beängstigend. Das war nur eine von weiteren Möglichkeiten mein Leben hier im Wald zu beenden. Dehydration war dabei die wahrscheinlichste. Verhungern würde ich nicht. Dafür würde ich gar nicht lange genug leben. Tief atmete ich den vertrauten Geruch von Erde und Moos und Wald ein. Alles hier war mir vertraut. Die Vogelstimmen, das leise Rascheln. Über mir entdeckte ich einen Mockingjay in einem der Äste. Ich verzog die Lippen zu einem halben Lächeln und sang ihm Rues kleine Melodie vor. Er lauschte aufmerksam und schon bald war ich umgeben von Mockingjays die mir Rues Lied vorsangen. Mein Lächeln wurde breiter. Bald würde ich sie wiedersehen. Rue, Prim, Finnick, Cinna.. all die Menschen die ich geliebt und verloren hatte. Meinen Dad. Gegen Nachmittag begann es leicht zu regnen. Ich fing ein wenig Wasser mit meiner Flasche auf und aß ein paar Erdbeeren aus meinem Beutel. Der Baum an dem ich lehnte war schön. Eine wunderschöne Eiche. Ich beobachtete wie die Tropfen zwischen den Blättern hindurch fielen. Bald war ich nass bis auf die Haut aber mein Bein tat nicht mehr so sehr weh. Ich schloss die Augen und summte das Lied das ich vor ein paar Nächten gesungen hatte. Peeta würde frei sein. Vielleicht würden seine Alpträume ja nachlassen. Er könnte eines der neuen Mädchen heiraten und die Familie haben die er sich immer gewünscht hatte. Und ich würde ihn nicht mehr vermissen. Müsste nicht mehr damit leben zu wissen das ich ihn verloren hatte und nie wiederbekommen würde. Irgendwie schien der Gedanke endlich zu sterben fast tröstend. Was hielt mich hier schon? Ich machte es mir unter meiner Eiche bequemer, wünschte meinem Bogen gute Nacht und umarmte meinen alten Jagdbeutel. Ich wünschte ich hätte noch etwas von dem Morphium um mich traumlos davon zu stehlen. Der Regen wurden stärker und ich rutschte seitlich weg bis ich lag. Ich rollte sich soweit es mit meinem gebrochenen Knöchel ging zusammen und blieb so in fötaler Stellung auf dem nassen Waldboden liegen. Blätter wehten mir sacht gegen die Wange, blieben in meinen Haaren hängen und bedeckten mich. Es war mir egal. Ich würde eines mit dem Wald werden, endlich ein wirklicher Teil davon. Meine Augen drifteten immer wieder zu auch wenn ich nicht wirklich einschlief. Und dann hörte ich meinen Namen. Ich konnte nicht ausmachen aus welcher Richtung oder ob ich es geträumt hatte. Dann hörte ich ihn erneut. Jemand rief mich. Suchend. Das konnte nur ein Traum sein also blieb ich einfach liegen wo ich war und rührte mich nicht. Ich wollte dem letzten grausamen Trick den mein Verstand mir spielte nicht nachgeben. „KATNISS!“ das war eindeutig viel zu nah. Ich schlug die Augen auf. Um mich herum war es dunkel und ich musste ein paar Blätter mit fahrigen Bewegungen von seinem Gesicht ziehen um etwas erkennen zu können. Da bewegte sich nur ein paar Meter von mir eine Gestalt mit Taschenlampe durch den Wald. Es war inzwischen dunkel und der Regen hatte aufgehört. „KATNISS!“ rief er erneut und ich blinzelte ungläubig. Er kam immer näher, offenbar hatte er gesehen wie ich den Arm bewegte, denn schon blendete mich der helle Strahl der Taschenlampe. Mühsam blinzelte ich gegen das grelle Licht. „Katniss.. was.. was machst du denn?!“ fragte Peeta fassungslos und begann die Blätter von meinem Gesicht und meinen Haaren zu pflücken. Okay, das war grausam. Mein Kopf ließ mich kurz vor meinem Tod von Peeta finden, das war mehr als bösartig. Seine warmen Finger strichen über meine eiskalte Wange und dann spürte ich wie er seine starken, warmen Arme unter mich schob und mich vorsichtig aufhob. „Haymitch! Ich hab sie!“ rief Peeta hinter sich und eine zweite Gestalt tauchte auf. „Sie sieht grauenhaft aus. Kannst du sie tragen?“ fragte Haymitch und Peeta nickte. „Ich gehe vor und du folgst mir.“ Und dann bewegte sich der Boden. Kraftlos ließ ich den Kopf gegen seine breite, sichere Schulter sinken. Vielleicht trug er mich ja zu Prim. Meine kalten Finger gruben sich in den Stoff seiner Jacke und ich schloss die Augen. Ich ließ zu das ich mich geborgen und sicher fühlte. Das ich in Peetas Armen in Sicherheit war und er mich wirklich gefunden hatte. Was natürlich nicht stimmte, weil das hier alles in meinem Kopf war. Vor uns tanzte das Licht von Haymitchs Taschenlampe und der Wald bewegte sich an mir vorbei. Ich konnte Peetas gleichmäßigen, festen Herzschlag spüren. Wie schön das war. Doch dann erreichten wir den Zaun, helles Licht blendete mich und lauter Stimmen drangen auf mich ein. „Oh dem Himmel sei Dank ihr habt sie gefunden!“ „Wo war sie denn?“ „Ist sie verletzt?“ lauter bekannte Stimmen. Aber die einzige die ich hören wollte hatte seit er mich aufgehoben hatte nichts mehr gesagt. Wir bewegten uns die Straße zu unseren Häusern entlang und obwohl mehrere fragten, gab Peeta mich nicht aus den Armen. Ich hob leicht den Kopf und flüsterte an seiner warmen Haut. „Du hast mich gefunden und trägst mich nachhause. Real or not real.“ Einen Moment war ich nicht sicher ob er es gehört hatte, dann blieb er stehe und drehte den Kopf um mich ansehen zu können. „Real.“ Flüsterte er und legte ganz sanft die Lippen auf meine. Mein Herz machte einen gewaltigen Satz und ich schloss die Augen. Spürte seine warmen, süßen Lippen auf meinen eiskalten. Er hatte mich wirklich gefunden. Es war kein Traum. In meinem Haus erwartete mich ein ganzer Menschentumult. Scheinbar hatten noch sehr viel mehr Menschen nach mir gesucht. Peeta trug mich die Treppe hoch in mein Zimmer und legte mich vorsichtig auf mein Bett. Sofort begannen Hazelle und Greasy mich zum Bearbeiten, doch meine kalte Hand streckte sich nach Peeta aus und ich formte mit den Lippen „Geh nicht.“ Und das tat er. Er nickte nur und setzte sich in den Sessel in der Ecke des Zimmers. Mein Blick war die ganze Zeit in seinen gerichtet während ich ausgezogen, umgezogen, untersucht und schließlich verarztet wurde. Mein Fuß wurde verbunden und gekühlt. Mir wurde Wasser eingeflößt und nach gut einer Stunde, die mir sehr viel länger vorkam, reichte mir Hazelle ein Glas Wasser und zwei Morphium Tabletten. Ich konnte den Blick noch immer nicht von Peeta wenden der sich in all der Zeit nicht bewegt hatte. Bildete ich ihn mir nur ein? Aber da drehte Hazelle sich zu ihm und fragte ob er auch etwas bräuchte. Peeta schüttelte nur den Kopf und sie ließ uns alleine. Wieder war ich die selbstsüchtige von uns beiden. Ich wollte diesen Peeta, meinen Peeta nicht wieder verlieren. „Bleibst du bei mir?“ fragte ich leise und nahm die Tabletten. Peeta stand aus dem Sessel auf und ging vor mir in die Hocke, strich mir die feuchten Strähnen aus dem Gesicht und sah mir in die Augen. „Always.“ raunte er und ich schlief mit einem Lächeln auf den Lippen ein. Kapitel 2: Falling ------------------ Peeta Meine Kiefermuskeln waren fest angespannt, nur mühsam konnte ich mein gesundes Bein daran hindern unruhig zu wippen. Sie war so blass. So unfassbar blass und ihre dunklen Augen waren die ganze Zeit in meine gerichtet. Ich wusste wonach sie suchte und konnte es ihr nicht geben. Das Bild ihres leblosen Körpers auf dem nassen Waldboden tauchte immer wieder vor mir auf. Sie war halbbedeckt von Blättern, nur ihre blasse Haut schimmerte dazwischen hervor. Wäre sie nicht so blass, ich hätte sie nie gefunden. Ich wäre vermutlich direkt an ihr vorbei gegangen. Der Gedanke hätte mich erschrecken oder doch wenigstens beunruhigen müssen. Aber da war nichts. Dumpfe Leere und diese pochenden Kopfschmerzen. Ein konstantes Hämmern in meinem Kopf das immer dann aufkam wenn ich zu angestrengt über sie nachdachte. Ich war seltsam zwiegespalten. Da gab es einen Teil in mir der sich bei ihrem Anblick zu Tode erschrocken hatte. Und dann war da der Teil, dem vollkommen egal war ob sie lebte oder auf dem Waldboden verrottete. Ob ihr klar war, das die wenigen Worte als ich sie nachhause getragen hatte die ersten waren die sie mit mir gewechselt hatte seit ich zurück war? Vermutlich nicht. Wenn ich eines gelernt hatte, dann das ich ihr keinen Vorwurf machen konnte. Sie war eben so. Sie verstand es nicht. Mein Ausdruck verhärtete sich und ich war froh im Schatten zu sitzen. Ich stützte nachdenklich, abwartend mein Kinn in eine Hand und musterte sie. Ihr feuchtes Haar klebte ihr in der von Schweißperlen bedeckten Stirn. Ihre sonst tiefroten Lippen waren blau und kalt. Der kurze Kuss war kaum der Rede wert. Ich hätte genauso gut einen Eiswürfel küssen können. Ich empfand absolut nichts dabei. Auch wenn ich mich bemühte. Manchmal wachte ich davon auf das ich von ihrem Tod träumte. Schweißgebadet, mit rasendem Herzen und voller Verlustängste. Und dann gab es Morgen an denen ich aufwachte und mich kaum an ihren Namen erinnerte. Geschweige denn daran was sie für mich war. Oder gewesen sein soll. Mein Verstand bestand nur noch aus verstörenden Puzzleteilen. Und auf jedem Puzzleteil war ihr Gesicht. Wutverzerrt, Schmerzverzerrt, Hasserfüllt, liebevoll, Hilflos, Aggressiv, bereit mich zu töten und im nächsten Moment zu küssen. Das ich überhaupt noch in der Lage war einen klaren Gedanken zu fassen grenzte an ein Wunder. Sie jetzt da so liegen zu sehen, kreidebleich, verletzt und hilflos. Es bewegte etwas in mir. Genauso wie ihr Anblick vor ein paar Tagen als sie im Nachthemd vor mir gestanden hatte. Ja, in dem Moment liebte ich sie. Alles hatte mich zu ihr gezogen, ich wollte sie an mich reißen und nie wieder los lassen. Aber das was ich festhalten wollte war nicht das Mädchen das dort vor mir lag. Ich wollte das Mädchen das sich allen Gesetzen widersetzte, dass ihre Schwester und Mutter beschützte und am Leben erhielt. Ich wollte die blasse 12 Jährige der ich das Brot zugeworfen hatte. Ich erinnerte mich an unsere erste Begegnung. An das dürre Mädchen mit den großen Augen und den vollen Lippen, deren Stimme mir eine Gänsehaut bereitet hatte als sie sang. Aber das was dort lag war weit davon entfernt. Snow war gelungen was ich so sehr zu verhindern versucht hatte. Sie war zerbrochen und ich war verändert, war von ihm geformt und modelliert worden wie Teig. Mein Kopf zuckte reflexartig leicht bei der Erinnerung an die Dinge dir man mir angetan hatte. Schreie gellten durch meinen Kopf und ich blendete sie so gut es ging aus. Es waren ihre Schreie. Katniss die in meinem Kopf schrie als zerrisse man sie in tausend Stücke. Alles in meinem Kopf war mit ihr verbunden. Tief atmete ich gegen die aufkeimende Wut an. Es war nicht ihre schuld. Sie war nur ein Mädchen das benutzt worden war. Von allen. Den Gamemakern, Snow, der Revolution, Coin. Sie alle hatten Katniss benutzt und das wundervolle, reine Mädchen in das ich mich Hals über Kopf verliebt hatte zerstört. Sicher ich konnte noch immer Teile von ihr in dieser Katniss sehen. Kurze Momente in denen ich wieder genau wusste wer ich war und wer sie war und was sie mir bedeutete. Aber diese Momente waren bei weitem zu kurz und zu selten. Meine Kiefer pressten sich fest aufeinander. Wieder sah ich sie auf dem Waldboden liegen. Diesmal krochen Maden aus ihren leeren Augenhöhlen, ihr Gesicht war eingefallen, Hautstücke fehlten. Ich war zu spät gekommen und sie war tot. Das Bild war so real das ich konzentriert dagegen anblinzeln musste. Wie sollte ich weiter in ihrer Nähe bleiben wenn ich nie wusste ob das was ich sah echt war. Es waren diese Gedanken, die seit Wochen in meinem Kopf umhergeisterten, die mich zu einer schweren aber dringend nötigen Entscheidung trieben. Ich wusste dass ich sie nicht mehr liebte. Nicht so wie früher. Ich konnte nicht verhindern das ich die Gefühle für sie verlor und sie schien keinerlei Anstalten zu machen mich zurück zu wollen. Sie sprach nicht mit mir, sah mich nicht an, reagierte nicht auf mich. War das Gleichgültigkeit? War ihr Verstand genauso zerstört wie meiner? Ich versuchte mich angestrengt daran zu erinnern was ich früher über sie wusste. Ihr Schweigen war nicht bösartig oder abweisend. Sie wusste nur nicht was sie sagen sollte. Eine scheue, magere Katniss flackerte an meinem geistigen Auge vorüber. Mit zitternden Fingern suchte sie halbverhungert nach etwas essbarem in unseren Mülltonnen. Wie leid sie mir getan hatte, wie weh mir ihr Anblick damals tat. Ich fokussierte mich wieder auf die Gegenwart. Hazelle und Greasy hatten sie gerade ausgezogen und ich ließ meinen Blick kurz über ihren nackten Körper gleiten. Narben, Brandwunden. Ich kannte diesen Anblick. Und dazwischen schneeweiße Haut. Mein Blick wanderte zurück zu ihrem. Sie sah mich noch immer an. Katniss. Katniss. Katniss. Ihr Name klang so vertraut und gleichzeitig so falsch in meinem Kopf. Es trieb mich in den Wahnsinn. Joanna hatte mich irgendwann in meiner Zelle in Distrikt 13 besucht. „Jetzt siehst du sie auch oder?“ waren ihre Worte gewesen. Ja. Ich hatte sie damals gesehen. Das Band an ihrem Handgelenk, ihre angesengten Haare, sie war nicht das Monster aus meinen Alpträumen aber sie war auch bei weitem nicht die Schönheit die man mir versprochen hatte. Damals war ich für einen kurzen Moment absolut sicher gewesen nie wieder etwas für sie empfinden zu können. Wie falsch ich doch lag. Von meiner Zelle aus konnte ich mir Finnicks Hochzeit ansehen. Zusehen wie sie tanzte. Und das löste etwas in mir aus. Es musste irgendeine uralte Erinnerung getriggert haben die mein Herz springen ließ. Nur für einen kurzen Moment. Danach ging es Bergab bis ich eben irgendwann hier gelandet war. Als wäre alles, wirklich alles auf diesen Abend hinaus gelaufen. Ich hatte ihr verdammtes Leben gerettet. Wir waren Quitt. Wir waren frei. Ernüchterung machte sich in mir breit. Inzwischen war sie verarztet, versorgt und angezogen. Hazelles Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Brauchst du etwas Peeta? Ich habe noch Suppe unten.“ Ich schüttelte dankend den Kopf und sie ging. Endlich waren wir allein. Ich spürte das Ziehen in meiner Brust das ich wenn wir alleine waren immer spürte. Als wäre ein Haken in meiner Brust verankert der mich unweigerlich zu ihr zog. „Bleibst du bei mir?“ fragte sie leise und ich stand auf. Ich ging neben ihr in die Hocke und strich ihr eine der dunklen Strähnen aus der Stirn. Da war er wieder, einer dieser Momente in denen ich mich mit brutaler Klarheit daran erinnerte wie sehr ich diese junge Frau liebte und das sich meine ganze Welt um sie drehte. Sie war der Mittelpunkt. Ich sah die hilflose Sehnsucht in ihren Augen, wie sie verzweifelt nach einer Antwort suchte die ich ihr nicht geben konnte. „Always.“ Flüsterte ich mit einer Stimme die in meinem Kopf fremd klang. Aber sie lächelte und schloss die Augen. Ich blieb wo ich war und sah zu wie sie einschlief, wie sich ihre Gesichtszüge entspannten und sie immer tiefer in ihren Träumen versank. Minuten lang musterte ich ihr Gesicht, strich ihr immer wieder die feuchten Strähnen aus der Stirn und lehnte mich schließlich vor um sie sanft zu küssen. Nichts. Ich war nicht Gefühlskalt, ich fühlte unglaublich viel, nur nicht was ich zu fühlen erwartete. Snow hatte mein Herz und alles was sich darin befand in Stücke zerfetzt. Wieder gellten Schreie durch meinen Kopf. Darius. Ich kniff angestrengt die Augen zusammen und atmete meine Wut weg. Jedes Mal wenn das passierte hatte ich das Gefühl mich vollkommen zu verlieren, es war unter normalen Umständen schon schwer mich daran zu erinnern wer ich war. In ihrer Nähe war es schier unmöglich. Katniss. Meine Katniss. Das klang seltsam in meinem Kopf auch wenn ich mich erinnerte dass ich sie lange Zeit in meinen Gedanken nur so genannt hatte. So viele Bruchstücke meiner positiven Erinnerungen waren inzwischen zurückgekommen. Langsam ließ ich mich nach hinten sinken bis ich saß und die Arme um meine Knie legen konnte. Ich machte mir ernstlich Gedanken darüber was meine Entscheidung für sie bedeuten würde. Wie sie damit umgehen würde das ich diesmal derjenige war der sie verließ. Das war etwas woran ich mich sehr deutlich erinnerte. Daran wie sie mich verließ. Wieder spannten meine Kiefermuskeln sich fest an. Die dumpfe, bösartige Stimme die Snow in meinem Kopf gepflanzt hatte hisste ein triumphales das hat sie verdient! Und ich knirschte mit den Zähnen. Nein. Verdient hatte sie das ganz sicher nicht, auch wenn ich die Stiche der unzähligen Zurückweisungen nur allzu deutlich spürte. Wie ich nur so blind hatte sein können. Sie war eine deutlich bessere Schauspielerin ich es für möglich gehalten hätte. Immerhin war ich ihr Wochenlang erlegen. Ihrem Schauspiel. Ihren Küssen, Berührungen und Blicken. Ich hatte die Videos aus der Arena gesehen. Nüchtern betrachtet war es ein wunder das überhaupt jemand in Panem ihr abgekauft hatte das sie mich liebte. Es war meine Naivität und ihre Unschuld bei dem was sie tat die uns so glaubwürdig gemacht hatten. Mein unerschütterliches Vertrauen in ihre Liebe die so lange nicht echt war. Ich kannte auch die Aufnahmen aus der zweiten Arena. Ihre Reaktion auf meinen Tod. Was sich dort auf ihrem Gesicht abgespielt hatte, das war nicht gespielt. Nichts davon. Und unsere Nacht am Strand? Noch jetzt durchzuckte mich die Erinnerung und ich hob seufzend eine Augenbraue. Das war nicht gespielt. Aber all das war vorbei. Wir brauchten beide einen Neustart, eine gerechte Chance auf ein eigenes Leben. Ich dachte an das Lied das sie vor ein paar Tagen gesungen hatte. I can‘t make you love me if you don‘t. Die Erinnerung riss an meinem Herzen. Wieder änderte sich mein Blick auf sie. Ich sah ihre vollen Lippen im Mondschein, so blass und weich. Ihre hohen Wangenknochen, der Schwung ihrer langen Wimpern. Sie war wunderschön. So verletzlich. Aber wieso sah sie nicht dass ich sie verlor? Ich wollte sie anflehen es zu erkennen, es zu spüren, irgendwie zu verhindern. Please, please tell me you know that I’ve got to let you go. ‘Cause I can’t help falling out of love with you. Aber ich wusste dass das nicht passieren würde. Das wir uns beide gegenseitig zerstören würden wenn ich das nicht beendete. Ich war nicht mehr was sie brauchte, ich konnte sie nicht mehr beschützen. Genauso wie sie nicht mehr war was ich brauchte. Solange sie in meinem Kopf weiterhin vom Monster zu meiner Traumfrau und zurück zum Monster pendelte konnten wir keine Beziehung aufbauen. In welcher Form auch immer. Wie hatte Haymitch es damals formuliert? Einen sauberen Schnitt machen. Ich würde einen sauberen Schnitt machen. Ich musste. Sie war nicht sie selbst und ich war nicht ich selbst. Wie sollte da je etwas Gutes bei raus kommen? Ich dachte an all die Bilder die ich von ihr gemalt hatte, die ich bis heute von ihr malte. Es verging kein Tag an dem ich sie nicht wenigstens einmal zeichnete. Mein Keller war voll mit ihren Bildern. Es war einem Wutanfall zu verdanken, dass keines ihrer Bilder im Flur gehangen hatte. Ihr Blick als es ihr aufgefallen war, der Schmerz der ihr Gesicht verzerrte. Nichts davon war gespielt. Jetzt liebte sie mich wirklich und alles woran ich noch denken konnte war, ja was eigentlich? Das ich mit ihr Schluss machen wollte? Das klang albern und falsch. Unsere Verlobung lösen? Als wäre die je ernst gemeint gewesen. Das war pathetisch und lächerlich. Wieder hisste die dunkle Stimme triumphierend in meinem Kopf und ich blockte sie durch lautes Summen aus. Katniss schlief wie ein Stein, ich hätte sie anschreien können und sie wäre nicht wach geworden. Nicht mit der Menge an Morphium im Körper. Eine Bewegung in der Ecke des Zimmers ließ meinen Kopf herum fahren. Sofort spannte mein Körper sich an. Aber es war nur Buttercup der herein schlich, sich an meinen Beinen rieb, Katniss einen kurzen Blick zu warf und entschied, dass es draußen spannender war als hier drinnen. „Wie recht du hast..“ murmelte ich und stand auf. Eine Weile stand ich am offenen Fenster und sah über ihren Garten hinweg zum Wald hinterm Zaun. Wie anders unsere Leben hätten verlaufen können. Sicher hätte sie Gale geheiratet. Es sei denn ich hätte meinen Mut zusammen gekratzt und sie endlich angesprochen. Was wäre wohl aus uns geworden? Dunkel erinnerte ich mich daran dass sie eigentlich nicht heiraten wollte und dass Kinder für sie auch nie in Fragen kämen. Ich wollte Kinder. Oder? Mein Kopf sagte mir dass ich das wollte. Eine Familie. Wie unendlich weit weg und unerreichbar dieses Leben doch jetzt war. Von meiner Familie war nichts weiter übrig als Asche. Wie seltsam fremd ich mir selbst geworden war. Als wären das zwei Leben. Meines und das eines Menschen den ich nur beobachtet hatte. Tief seufzend fuhr ich mir mit beiden Händen übers Gesicht. So war ich doch gar nicht. Ich grub die Finger in das Holz des Fensterbretts und starrte in die dunkle Nacht. Der Mond war von Wolken verschluckt worden und die Schrecken der Schwärze tanzten vor meinen Augen. Not real. Not real. Not real. Wiederholte ich mein Mantra und schloss schließlich doch das Fenster. Ich ließ mich zurück in den Sessel fallen und ging all die Optionen durch. Wie unser Leben weiter gehen könnte. Aber egal in welcher Konstellation, es fühlte sich nie richtig an. Denn das was mich damals aufrecht gehalten hatte, die bedingungslose, unendliche Liebe zu ihr war zu einem verkümmerten etwas in meiner Brust geschrumpft und solange ich nicht sicher sein konnte das es wieder zu dem wurde was es mal war, wollte ich mein Herz nicht riskieren. Die Stimme lachte rau. Es würde nur eine Trennung auf Zeit. Nichts Endgültiges. Aber ich musste sicher sein das sie mich liebte und ich sie. Wieder spürte ich das feste Ziehen in meiner Brust. Nur das ich es diesmal ignorierte. Ich blieb wo ich war und versuchte mir Worte zu recht zu legen, mit denen ich ihr klar machen konnte warum ich ihr nicht mehr nahe sein konnte. Darüber musste ich irgendwann eingeschlafen sein. Katniss Als ich aufwachte spürte ich die warmen Strahlen der Sonne auf meinem Gesicht. Mein Knöchel war seltsam taub und ich musste mich aus der betäubenden Dumpfheit meines Morphium durchtränkten Verstandes kämpfen. Mühsam hob ich die schweren Augenlider und blinzelte gegen das helle Sonnenlicht. Es kostete mich einiges an Willenskraft meinen bleischweren, benommenen Kopf zu heben und ihn aus den Sonnenstrahlen zu ziehen. Und es dauerte weitere Minuten ehe ich die Augen lange genug offen halten konnte um zu erfassen was um mich herum geschah. Ich lag noch immer in meinem Bett, mein Fuß war nicht mehr bandagiert, er lag erhöht auf einem Kissen und glänzte. Offenbar hatte meine Mutter eine der teuren Cremes aus dem Capitol geschickt, denn ich spürte dieses bekannte ziehen meiner Haut. Trotzdem wagte ich es nicht ihn zu bewegen. Zu deutlich erinnerte ich mich an den unerträglichen Schmerz. Die Bilder meines letzten Traumes hingen wie Filmausschnitte vor meinem geistigen Auge. Es war wieder einer dieser Peeta Träume in denen mein verwirrter Verstand uns glücklich und verliebt zusammen sah. Ein Traum der erfüllt war von seiner Nähe, seinen Küssen und der Sicherheit die seine Arme versprachen. Ich fühlte mich fremd in meinem eigenen Kopf und war mehr als irritiert von diesen Gefühlen die mir so erschreckend echt nachhingen. Langsam ließ ich meinen Blick durchs Zimmer gleiten und stockte. Da saß er. Noch immer in dem Sessel beim Fenster, mir zugewandt. Seine Augen waren geschlossen und er hatte die langen Beine ausgestreckt. Seine Arme lagen locker verschränkt auf seiner Brust und sein Kopf war gegen seine Schulter gesackt. Peeta schlief. Mein Herz überschlug sich, stolperte und fiel auf die Nase. Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Er war hier. Was bedeutete, dass er die ganze Nacht neben mir verbracht hatte. Ohne mich umzubringen oder die Flucht zu ergreifen. Ein kleiner Funken Hoffnung glomm in meiner Brust auf und ich wagte es mich zu fragen ob wir einander wieder näher kommen würden. Ugh, waren das meine Gedanken oder Reste meines Traumes? Es hatte lange genug gedauert mir einzugestehen das ich tatsächlich etwas für ihn empfand und das dieses etwas doch recht eindeutig Liebe war. Ich erinnerte mich an Finnicks Worte, an das was er über meine Reaktion in der Arena gesagt hatte. Ich erinnerte mich ungern an den Moment in dem Peeta vor meinen Augen gestorben war. Den Moment, in dem ich dachte ich hätte ihn verloren. Mein Herz zog sich zusammen. Finnick hatte recht. Neben meinem Bett stand ein Tablett mit einem Teller dampfender Suppe, jemand musste ihn erst eben dort hin gestellt haben. Im ganzen Haus herrschte Stille, ich konnte nichts hören außer Peetas ruhigen, gleichmäßigen Atemzügen. Mein Blick wanderte zurück zu ihm und blieb an seinem Gesicht hängen. Er war älter geworden. Kein Kind mehr. Seine Kinnlinie war härter geworden, maskuliner, seine Wangenknochen traten deutlicher hervor. Auch kam es mir so vor als wäre er in letzter Zeit gewachsen. Dunkel erinnerte ich mich, dass meine Mutter mir einmal erklärt hatte das Jungen oft mit 18 oder 19 Jahren noch wachsen. Peeta schien da keine Ausnahme zu sein. Waren seine Beine immer schon so lang gewesen? Das Sonnenlicht schimmerte golden in seinem blonden Haar, es fiel ihm in wirren Strähnen in die Augen. Ich runzelte die Stirn und biss mir auf die Unterlippe. Ich spürte tief in meiner Brust dasselbe Ziehen das ich in meinem Traum verspürt hatte. Jenes Ziehen das mich am Strand in seine Arme getrieben hatte. Es war mehr als verwirrend. Wie gerne ich jetzt durch seine Haare streicheln wollte. Es waren diese kleinen Gesten die mir so vertraut waren und die ich solange unterschätzt und als unwichtig abgetan hatte. Jetzt vermisste ich sie, umnebelt von Schmerzmitteln und meinem wirren Traum. Ich betrachtete ihn weiter, versuchte mir einen Reim auf meine seltsamen Gefühle und sein Aussehen zu machen. Seine Schultern waren unverändert breit und muskulös. Auch wenn ich bezweifelte das er noch immer täglich mehrere Kilo schwere Mehlsäcke herum trug. Mein Blick verfing sich an seinen Händen. Sie waren locker verschränkt und lagen entspannt auf Höhe seiner Hüfte. Starke, sichere Hände mit feinen Gliedern. Ich schluckte gegen den Kloß in meinem Hals an. Was war nur mit mir los? Ich war niemand der verliebt war. Ich konnte weder flirten noch mich mit meinen Gefühlen auseinander setzen. Die letzten Monate hatten meinen Verstand beinahe vollständig verstört und irreparabel beschädigt. Es fehlte bis heute vermutlich nicht viel um mich für geisteskrank zu erklären. Das letzte was ich da brauchte waren Mädchengefühle. Heiraten und Kinderkriegen, das waren schlichtweg keine Optionen. Auch heute nicht. Wir lebten in einer anderen Welt, aber was für eine Welt war das? Was würde aus Panem werden? Welche Rolle würden Peeta und ich darin spielen? Wenn er wirklich zu sich selbst zurück fand, zu diesem unwiderstehlich charismatischem jungen Mann, der mit Worten Berge versetzen konnte. Es würde mich nicht wundern wenn die Regierung ihn für sich würde gewinnen wollen. Peeta wäre ein wundervoller Anführer. Er hätte der Mockingjay sein sollen, nicht ich. Wieso das niemand gesehen hatte war mir ein Rätsel. Schon bei unseren Interviews war es so offensichtlich gewesen. Immer war Peeta es der die Massen bewegte. Mit seiner Liebeserklärung. Mit seinem Kuss, seinem Heiratsantrag und dann damit das er erzählte ich wäre schwanger. Ein winzig kleiner Teil in mir wünschte sich wir hätten wirklich heimlich geheiratet. Dann würde er mir gehören egal was noch zwischen uns stand. Dann müsste ich mir keine Gedanken darüber machen ihn an eine andere zu verlieren. Auch wenn das absurd war. Es gab keine Andere. Da waren wieder diese seltsamen Mädchengedanken. Ich fuhr innerlich zusammen als ich nur kurz dachte wie gerne ich mit Prim darüber gesprochen hätte. Trauer verzerrte meine Züge und ich atmete gegen die Panik an. Langsam zählte ich meine Atemzüge, eine weitere Technik die mir dabei helfen sollte bei mir selbst zu bleiben. Prim hätte sicher gewusst wie ich damit umgehen sollte, was ich tun könnte um dieses Wirrwarr aus Gefühlen in meinem Kopf und meinem Herzen zu sortieren. Gale fiel definitiv als Gesprächspartner flach. Haymitch auch. Blieben noch Greasy Sae und Hazelle. Hazelle. Aber sie war Gales Mutter und wenn sie vielleicht versehentlich etwas davon Gale gegenüber erwähnte, das wäre nicht fair. Plötzlich vermisste ich Madge so schmerzhaft das ich das Loch in meiner Brust wieder umarmen musste. Ich drohte wirklich jeden Moment auseinander zu fallen. Joanna fiel mir ein, wir waren schließlich auch irgendwie Freundinnen geworden aber sie war weit weg in ihrem Distrikt oder in irgendeiner Klinik mit freiem Zugang zu Morphium. Das Ausmaß meiner Einsamkeit traf mich unvorbereitet. Darüber hatte ich in dieser Form nie nachgedacht. Schließlich gab es auch früher nie viele Menschen in meinem Leben. Doch jetzt zu realisieren das es keine Menschenseele gab mit der ich sprechen konnte war mehr als hart. Wenn ich Peeta wirklich verlor wäre ich vollkommen alleine. Aber das war auf seltsame Weise beruhigend. Ich würde mir nie wieder um jemanden Sorgen machen müssen. Niemand war mehr von mir abhängig. So in meine Gedanken versunken hatte ich nicht bemerkt das Peeta aufgewacht war und als mein Blick von seinen Händen zurück zu seinem Gesicht wanderte stockte ich, als ich ihm plötzlich in die Augen sehen konnte. Den Ausdruck darin konnte ich nicht lesen. Er war neu. Mein Herz klopfte wild in meiner Brust, Peeta hatte mich im Wald gefunden und mich geküsst. Und nachhause getragen. Das alles sprach doch dafür dass ich ihn nicht vollkommen verloren hatte. Trotzdem bereitete mir sein Ausdruck Unbehagen, denn nichts darin sprach von Liebe, Freundschaft oder wenigstens Freude mich zu sehen. Vielleicht hatte ich mir seine letzten Worte bevor ich eingeschlafen war nur eingebildet. Always. Es hallte in meinem Kopf wider wie eine hohle, dumpfe Bandansage die zu oft wiederholt worden war. Ich war noch viel zu umnebelt um mich mit ihm beschäftigen zu können. Mit den Fragen die er in mir aufwarf und den Gefühlen die mich überforderten. Peeta stand auf und kam langsam zu mir, er ging neben meinem Bett in die Hocke und strich mir sacht eine Strähne aus der Stirn. Sofort hob ich die Hand und ergriff seine. Ich wollte ihn spüren, wissen dass er wirklich hier war. Er wehrte sich nicht, schloss die warmen, starken Finger sicher um meine. Was war nur passiert das ich mich in seiner Gegenwart so verletzlich fühlte, das musste mein Traum verursacht haben. Mein Blick war mit seinem verwoben, wir versuchten beide zu ergründen was der jeweils andere dachte. „Danke dass du mich gefunden hast.“ Flüsterte ich schließlich um diese Stille zu durchbrechen. „Ich würde dich immer finden.“ Antwortete er leise, abwesend. Ich runzelte leicht dir Stirn und spannte mich intuitiv an. Jetzt wusste ich woher ich diesen Ausdruck kannte. Es war Gales Ausdruck. Wenn er ein Tier umbrachte, eben jener, den er aufsetzte als er mir erzählte das es kein Distrikt 12 mehr gab. Peeta versuchte mich vor dem Todesstoß zu beruhigen und das war mehr als beunruhigend. Seine Stirn legte sich in ratlose Falten. Offenbar wusste er nicht wo er beginnen sollte. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Als läge sein eiserner Griff noch immer um meinen Hals. Wir waren wieder im Krankenzimmer in Distrikt 13. Plötzlich fühlte es sich falsch an seine Hand zu halten. Ich wollte ihn weg stoßen, musste versuchen mich vor dem zu wappnen was kommen würde. Meine Brust hob und senkte sich unruhig und Peeta fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht. Jetzt wo er mir so nahe war sah ich noch deutlicher dass er älter geworden war. Erwachsener. Er war ein Mann geworden und nicht länger der Junge mit dem Brot. Ein Mann der mich jeden Moment verlassen würde. Ich fühlte mich dumpf, betäubt. Als würde ich schlafwandeln. Spürte er dass ich schlafwandelte? Ich hielt doch seine Hand. Wieso sagte er mir nicht dass alles gut war? Das nichts passieren würde. Es war als würden wir einander innerlich anflehen zu erkennen und zu sehen was der jeweils andere spürte aber nicht aussprechen konnte. Peeta sah mir direkt in die Augen. Ich hielt den Atem an. Das blau seiner Augen schien zu changieren. Auf einmal konnte ich alles darin erkennen. Frustration, Hilflosigkeit, Verlust, Wut und Aufgabe. Und da wusste ich es. „Du liebst mich nicht mehr.“ Flüsterte ich tonlos. Er nickte langsam. Sehr langsam. „So einfach ist es nicht Katniss.“ Seine Stimme trieb den Speer in meinem Herzen tiefer. „Ich habe es versucht. Aber ich kann nichts dagegen tun. Wenn ich mich weiter an diese-“ er suchte nach Worten während ich versuchte nicht zu zerbrechen. „An diese Vorstellung von dem was wir vielleicht mal waren klammere, dann werde ich niemals wissen ob ich wirklich etwas für dich empfinde oder empfunden habe. Ich kann so viele meiner Erinnerungen nicht mehr von dem was Snow mit mir gemacht hat unterscheiden. In einem Moment bist du das wundervollste Wesen das ich mir vorstellen kann und im nächsten zerreißt du mich. Ich muss zu mir selbst zurück finden. Und auch wenn Haymitch glaubt das es mir hilft dich weiter in meiner Nähe zu haben und dich täglich zu sehen, es wird nichts ändern. Es macht alles nur schlimmer weil ich mir nie sicher bin ob ich dich wirklich sehe oder ob mir mein Verstand einen Streich spielt. Du weißt nicht wie das ist Katniss.“ Er seufzte schwer und ich fühlte wie meine Brust auseinander brach. Wie ich Stück für Stück zerbröckelte und all meine Versuche mich zusammen zu halten waren vergeblich. Aber war es nicht das was ich hatte kommen sehen? Womit ich eigentlich gerechnet hatte? Noch vor ein paar Stunden war ich bereit gewesen im Wald einsam zu sterben. Jetzt zerbrach meine letzte Hoffnung auf eine Art Leben. „ Ich werde weiterhin hier sein, aber ich will nicht länger darüber nachdenken müssen ob du mich liebst oder ich dich liebe. Denn ich erinnere mich an deine Abmachung mit Haymitch. An dein Theater in der Arena, ich erinnere mich daran das du mich nie geliebt hast, das du mich umbringen wolltest. Ich weiß auch dass du nicht mehr mit mir gesprochen hast nachdem wir aus der Arena zurückkamen. Du bist mit Gale im Wald verschwunden, warst überall nur nicht bei mir. Ich habe Erinnerungen die mir das Capitol nicht nehmen konnte. Davon das du mich weg gestoßen hast, immer und immer und immer wieder. Dass ich mich verbogen habe um dir meine Liebe zu beweisen, dass ich einen verzweifelten Versuch nach dem anderen unternommen habe um dir begreifbar zu machen was du mir bedeutest. Aber du hast mir nicht zugehört. Es hat dich nie berührt. Weißt du woran ich mich noch erinnere? Daran das du mich angegriffen hast nachdem ich ganz Panem meine Liebe zu dir erklärt habe. Ist dir je in den Sinn gekommen warum ich das getan haben könnte?“ Ich schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf. Ich ahnte was er sagen würde, aber damals war es wirklich mit Abstand das absurdeste das ich mir vorstellen konnte. Wer sollte mich schon lieben? Ich kannte ihn ja nicht mal. „Weil ich wusste das du nur so zuhören würdest. Und selbst das hat sich gegen mich gewendet. Du hast mich angegriffen und nicht einen Gedanken daran verschwendet das ich es vielleicht ernst gemeint haben könnte. Haymitch wusste das ich dich liebe. Ich habe es ihm gesagt. Und er hat eine Farce daraus gemacht. The Starcrossed Lovers from District 12.“ Seine Stimme triefte vor Sarkasmus und unterdrückter Wut. „Mein Kopf zeigt mir Bilder, Erinnerungen die ich nicht einordnen kann. Dinge die vielleicht geschehen sind, vielleicht auch nicht. All die Wochen habe ich versucht Abstand zu dir zugewinnen. Es hat mich unglaublich viel Kraft gekostet hier her zurück zu kommen. Mich dir zu stellen. Und alles was mir entgegenschlug war deine Gleichgültigkeit und dein Schweigen.“ Ich war wie erstarrt, er hatte mein Handeln so vollkommen anders interpretiert. Und wieder fragte ich mich wie er mich überhaupt je hatte lieben können. Dieses ganze Prinzip von Gefühlen und Zuneigung war mir schlichtweg fremd. Ich war nicht sehr gut darin und hier bekam ich den Beweis. Ich war selbst schuld das ich ihn jetzt endgültig verlor. „Katniss da wird immer ein Teil in mir sein der sich daran erinnert das ich dich geliebt habe. Aber dieser Teil ist Vergangenheit und ich will all das hinter mir lassen.“ Es klang so endgültig. Ich durchforstete mein Hirn nach einer adäquaten Reaktion auf seine Worte. Sollte ich weinen? Schockiert sein? Erschrocken oder verletzt? Mühsam suchte ich in mir nach dem was es mit mir machte. Aber da war einfach nur dieses taube Gefühl verlassen zu werden und den einzigen wirklichen Freund den ich noch zu haben glaubte zu verlieren. Das sich meine momentane Gleichgültigkeit früher oder später rächen würde war mir klar. Ich wusste dass die Realität dieses Momentes mich unvorbereitet von den Füßen reißen würde, wenn ich endlich sortiert hatte was ich empfand und wie ich damit umgehen sollte. Aber im Moment griff mein Selbstschutz. Ich sah ihn einfach nur benommen an. „Ich wollte dir nicht wehtun.“ Raunte er und seine Hand strich leicht über meine Wange. Ich sah dass es ihm genauso schwer fiel wie mir. Wenn auch auf andere Weise. Denn selbst jetzt, wo ich er mich wirklich verließ war ich ihm noch wichtig genug das er sich entschuldigte und sich Gedanken um meine Gefühle machte. Ich fühlte mich unendlich schuldig. Ich hatte nie auf ihn Rücksicht genommen. Immer waren andere mir wichtiger gewesen als er und im Grunde auch ich. Prim, Gale, meine Mutter. Menschen um die ich mich kümmern musste. Das war mein Lebensinhalt. Die Menschen die von mir Abhängig waren. Was würde ich mit mir anfangen jetzt wo es niemanden mehr gab? Ich blinzelte und runzelte die Stirn. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Was sagte man wenn man von dem Mann den man liebte verlassen wurde kurz nachdem man endlich begriffen hatte das man ihn liebte? Words failed me. Es gab sicher irgendeine Antwort. Peeta würde sie wissen. Er wusste immer wie man auf solche Dinge antwortete. Aber ich konnte ihn ja schlecht fragen. Und so lag ich nur da, fühlte mich Taub und fremd in meinem Körper. So als passiere das alles gerade gar nicht mir. Offenbar kannte mich Peeta gut genug um mein Schweigen wenigstens diesmal richtig zu verstehen. Vielleicht war es der hilflose Blick den ich zur Tür warf, fast so als hoffte ich die Antwort würde einfach herein spazieren und die Stille die zwischen uns herrschte zerbrechen. Sollte ich ihn anflehen mich nicht zu verlassen? Ihm von all meinen wirren Gefühlen erzählen? Versuchen ihm zu erklären dass ich es endlich begriffen hatte? Ich liebe dich Peeta Mellark. Die Worte lagen wie Blei auf meiner Zunge. Denn sie auszusprechen wäre das selbstsüchtigste das ich jemals tun würde. Ich wusste dass er mich dann nicht verlassen würde. Nicht konnte. Aber nur einmal, nur dieses eine Mal wollte ich um seinetwillen nicht selbstsüchtig sein. Das Wort klang hart in meinen Ohren. Ich hatte doch nur versucht ihn und mich am Leben zu erhalten. Und ich wollte ihn behalten. Jetzt wo Prim nicht mehr lebte war er der letzte Mensch den ich noch lieben konnte und bei dem ich mir sicher war. Ich klammerte mich an seine klaren, hellblauen Augen. Augen die immer schon so viel älter waren als meine und dabei doch nie ihre Unschuld verloren hatten. Selbst jetzt nicht. Wer war ich das ich ihn für mich beanspruchen konnte nach allem was ich ihm angetan hatte und was Snow ihm meinetwegen angetan hatte. Ich würde das niemals wieder gut machen können. Niemals. Aber ich konnte ihn jetzt gehen lassen. Vollkommen egal was das mit mir machen würde. Peeta nickte nur und ein halb geschnaubtes Lachen kam über seine Lippen. So als wolle er sagen, ich wusste du würdest die Zähne nicht auseinander kriegen Katniss. Und wie so oft hatte er Recht. „Wir sehen uns.“ sagte er ruhig und neigte den Kopf um mir einen kurzen Kuss auf die Stirn zu hauchen. Ich schloss die Augen und dann entglitt seine Hand der meinen und er ging. Ich hielt die Augen geschlossen bis ich die Haustür hörte. Er war weg. Es war der Moment in der die Tür ins Schloss fiel als mir die Tragweite seiner Worte bewusst wurde und ich unter all dem was ich eben noch so mühelos zurück gehalten hatte begraben wurde. Ich japste erstickt nach Luft und riss die Augen auf. Mein Schrei war stumm, ich hatte keine Stimme mehr. Ich war erstickt. Meine Brust hob sich, ich versuchte zu atmen doch nichts erreichte meine Lungen und bald schon umfing mich bleierne Schwärze. Es waren nur Sekunden bis der Schrei sich seinen Weg aus meinem Hals gekämpfte hatte und mit ihm all der Sauerstoff meine überfüllten Lungen verließ. Ich schnappte Schluchzend nach Luft und starrte panisch an die Decke. Konnte man auf dem Trockenen ersticken? Ich atmete, aber ich bekam keine Luft. Bald schon nahmen Tränen mir die Sicht und ich verlor mich in all den Gefühlen die mich überforderten, die ich nicht benennen und nicht erfassen konnte. Peeta hatte mich verlassen. Das war um Welten schlimmer als im Wald zu sterben. Kapitel 3: Drowning ------------------- Die Luft in meinem Zimmer war stickig und schwül. Der Sommer war endgültig in Distrikt 12 angekommen und die Sonne brannte unerbittlich vom Himmel. Ich lag nur in Panties und Shirt auf meinem ungemachten Bett. Seit Tagen hatte ich es nicht mehr verlassen. Ich aß weil Hazelle mich zwang und trank weil meine Alpträume sonst schlimmer wurden. Aber alles andere hatte ich aufgegeben. Ich wusch mich nicht, kämmte mir nicht die Haare. Es war mir egal. Hin und wieder musste ich bei dem Gedanken an mein Prep Team schmunzeln. Was Octavia wohl zu meinen wirren, verknoteten Haaren sagen würde. Aber auch das war mir im Grunde egal. Nachdem Peeta mich verlassen hatte war ich in eine Art Koma gefallen. Mein Körper hatte schlichtweg den Dienst quittiert. Hazelle erzählte mir später das ich mehrere Tage völlig apathisch und starr im Bett gelegen und auf nichts reagiert hätte. Nicht mal als Haymitch mich anschrie. Um ehrlich zu sein ich hatte keinerlei Erinnerung mehr an diese Tage. Als wären sie aus meinem überforderten Verstand gestrichen. Irgendwann war ich aufgewacht und erneut von der Erkenntnis erschlagen worden das Peeta mich nicht mehr liebte. Seine Worte hallten in meinem Kopf wider. Ich wiederholte sie wie eine kaputte Schallplatte. In meinen Alpträumen hissten Mutts mit seiner Stimme dass sie mich nicht mehr liebten. In anderen ging Peeta mit meinem Vater in die Mienen und ich musste mit ansehen wie sie explodierten. Ich hatte sie alle verloren. Meinen Vater, Prim, Gale, Cinna, Rue, Finnick und jetzt Peeta. Es gab kein Loch mehr in meiner Brust das ich hätte zusammen halten können. Ich war schon zerbrochen. Da war nichts als Leere und wie sollte ich Leere zusammenhalten? Abwesend sah ich den flirrenden Sonnenstrahlen auf meinem Zimmerboden zu. Es war Anfang Juni, wir würden bis Ende September mit Hitze leben müssen. So wie jedes Jahr. Wie seltsam unbeteiligt die Natur an unserem Leben war. Wie tröstend gleichbleibend. Ich rollte mich zu einer Kugel zusammen und beobachtete Staubkörner die im Licht tanzten. Ein wimmernder Laut kam über meine trockenen Lippen. Ich erinnerte mich an Peetas und meinen einzigen Tanz. Damals an unserem letzten Abend der Victorstour im Capitol. Es war das erste und letzte Mal das wir miteinander getanzt hatten. Tief atmete ich die trockene Sommerluft ein. Ich war mir sicher keinen Liebeskummer zu haben. Das war einer dieser Begriffe mit denen ich nichts anfangen konnte und die keinen Bezug zu dem hatten was ich fühlte. Mein Verlust war so viel endgültiger. Ich rollte mich auf den Rücken und starrte an die Decke. Wie gerne ich jetzt schwimmen würde. Bilder von Finnick der mühelos durchs Wasser glitt tanzten mir vor den Augen. Ich vermisste Finnick. Ich vermisste so vieles. Gefühle über deren Existenz ich bis vor kurzen keine Ahnung hatte überwältigten mich. Beinahe so als hätte Peeta den feinen Vorhang der mich vor all diesem Wirrwarr bewahrte einfach zerrissen und ich sah mich mit so vielen neuen Gedanken und Gefühlen konfrontiert. Und ich war allein damit. Bitterkeit erfüllte mich und ich rollte mich wieder auf den Bauch um mich im Kissen zu vergraben. So verstrichen die Tage, dann Wochen. Es war Mitte Juli als ich von Stimmen im Haus aus dem Schlaf gerissen wurde. Ich war inzwischen vollkommen verwahrlost. Wen sollte es auch kümmern? Ich fühlte mich elend, einsam und unnütz. Wie ein Spielzeug das kaputt gegangen war und jetzt auf dem Dachboden vergessen wurde. Ich spitzte die Ohren als ich Schritte auf der Treppe hörte. Das waren weder Hazelle noch Greasy. Das war auch nicht Haymitch. Ich setzte mich ruckartig auf, was dazu führte das die Welt sich einen Moment drehte. Mein Herz begann zu rasen und ich starrte atemlos auf meine Zimmertür. Konnte das.. war das vielleicht..? Ich wagte es nicht einmal in Gedanken auszusprechen. Die Tür öffnete sich und ich erstarrte. Das war unmöglich. Er war deutlich dünner, fast mager und er war sehr blass. Aber der Mann in meiner Tür war eindeutig und unleugbar Cinna. Ich starrte ihn mit offenem Mund an. „Du siehst grauenhaft aus.“ Begrüßte er mich mit seinem warmen Lächeln und ich gab einen erstickt gurgelnden Laut von mir. Halb Lachen, halb weinen. Ich sprang aus dem Bett, wankend, stolpernd, aber ich schaffte es zu ihm und fiel ihm um den Hals. Lange blieben wir so stehen. Hielten einander einfach nur fest. Ich konnte es nicht fassen. „Du.. du lebst wie ist.. wie ist das möglich?“ fragte ich erstickt und kämpfte gegen die Freudentränen an die sich trotz meiner Bemühungen einen Weg über meine Wangen bahnten. „Ich wurde von Snow in einem geheimen Gefängnis gefangen gehalten. Als sie mich gefunden haben war ich halb tot. Es wusste kaum jemand von dem Gefängnis, weshalb wir nach der Revolution schlichtweg.. vergessen wurden.“ Er grinste schief, aber ich konnte das Leid darunter sehen. Schließlich wusste ich besser als jeder andere, ausgenommen Peeta vielleicht, wie es ihm ging. Wir brauchten keine Worte um zu verstehen was wir miteinander teilten. Er ergriff meine Hand und ich hielt seine fest in meiner. Lange Zeit saßen wir einfach so da, sahen einander an und schwiegen. Was hätten wir uns auch erzählen sollen? Alles was es da gab waren Alpträume und grauenhafte Erinnerungen. „Ich habe von dir und Peeta gehört.“ Durchbrach seine warme Stimme schließlich die angenehme Stille. Ich fuhr innerlich zusammen. Sofort spannte mein Körper sich an. „Es tut mir leid.“ Ich lächelte mechanisch. „Du weißt dass du ihn so nicht zurück gewinnen wirst.“ Seine Stimme hatte etwas neckendes und mein Kopf fuhr hoch. „Guck nicht so schockiert Miss Everdeen. Ich bin nicht ohne Grund zurückgekommen.“ Sein Lächeln hatte etwas Geheimnisvolles. Als führe er etwas im Schilde, wie damals als mein Brautkleid in Flammen aufgegangen war. Kritisch runzelte ich die Stirn. Cinna hatte sich nur äußerlich verändert. Ich konnte blasse Narben und andere Spuren sehen, er war so blass und schmal. Und trotzdem war er nach wie vor mein Cinna und ich liebte ihn. Und ich vertraute ihm. Das hatte ich immer und ich würde heute nicht damit aufhören. „Wir sollten dich wieder präsentabel herrichten. Ich habe gehört dass es in ein paar Tagen ein Fest geben wird. Es soll das Ende der Hunger Games gefeiert werden. Überall in Panem.“ Ich runzelte die Stirn. Es war schon so lange her und der Gedanke dass es tatsächlich ein Fest geben würde war so ungewohnt dass ich mir einfach nichts darunter vorstellen konnte. Distrikt 12 lag doch in Trümmern. Als ich das letzte Mal durch unsere Stadt gelaufen war, hatte man noch immer Leichen weg gekarrt und Trümmer und Knochen. Wie und wo sollte man denn da ein Fest feiern? Mir war entgangen wie viel Zeit seit dem verstrichen war. Cinna strich mir eine wirre Strähne hinters Ohr und fuhr mit Zeige- und Mittelfinger über meine Kinnlinie, hob es sacht an. „Wenn ich mit dir fertig bin wird er die Augen nicht von dir wenden können.“ Raunte Cinna gut gelaunt und ich konnte nur skeptisch die Augenbrauen runzeln. Ich war nun wirklich der letzte Mensch auf Erden der um einen Jungen kämpfen würde. Außerdem hatte Peeta es mehr als verdient glücklich zu werden und wer war ich da mich ihm in den Weg zu stellen. Cinna strich mir eine weitere wirre Strähne aus der Stirn und streichelte über meine Wange. „Du hast noch so viel Feuer in dir.. girl on Fire. Aber du hast es runterbrennen lassen, es wird Zeit das wir es wieder anfachen.“ Schmunzelnd zupfte er an einer meinen, mir ständig wieder in die Stirn fallenden Strähnen. Es tat so unbeschreiblich gut Cinna wieder zu haben. Überhaupt einen Menschen bei mir zu haben war schon eine gewaltige Steigerung zu meinen letzten Wochen. Cinna war unglaublich. Die Tage verstrichen und er schaffte es mich zum Lachen zu bringen, mich wieder in mich selbst zu verwandeln. Meine Haare waren erstaunlich lang geworden, sie reichten mir fast bis zur Taille. Früher hätte ich sie einfach auf eine brauchbare Länge gekürzt. Kurz genug um nicht im Weg zu sein, lang genug um meinen Zopf zu flechten. Aber Cinna hatte andere Pläne. Ich wurde gebadet, rasiert, meine Augenbrauen wurden in Form gebracht und er hatte eine dieser furchtbar riechenden Cremes aus dem Capitol mitgebracht dank der meine Haut sich anfühlte als wäre sie aus reiner Seide. Die Narben und Spuren der Verbrennungen verblassten zu feinen Linien. Das Mosaik meiner Haut verschwand zu einem feinen Netz aus weißen, hauchdünnen Linien auf meiner Schneeweißen Haut. Ich hatte die Sonne seit Monaten gemieden. Der erste Blick in einen Spiegel war ein Schock für mich. Ich sah wirklich grauenhaft aus. Eingefallene Wangen, tiefe Schatten unter den Augen, kreidebleich und meine Haare waren verfilzt, zerzaust und sahen aus als hätte Buttercup sich ein Nest darin gebaut. Cinna hatte nur mysteriös gelächelt und mich tröstend gedrückt. Die ersten gemeinsamen Stunden war ich einfach nur beeindruckt wie normal Cinna geblieben war, nach so langer Gefangenschaft. Doch der Schein trog. Auch Cinna hatte seine Spuren davon getragen. Manchmal fingen seine Hände so sehr an zu zittern das er sie sich unter die Arme klemmen musste. Dann zuckte er bei jedem kleinen Geräusch leicht zusammen und als draußen ein Mädchen etwas rief wurde er Kreidebleich und musste sich setzen. Minutenlang war er nicht mehr bei mir, war vollkommen weggetreten und seine warmen Augen waren leer und in die undefinierbare Ferne gerichtet. Ich wollte gar nicht erst fragen was mit ihm geschehen war. Ich konnte es mir ausmalen, versucht aber nicht allzu viel darüber nach zu denken. Wir waren alle zerbrochenes Spielzeug aber wir halfen einander vom Dachboden. Nach zwei Tagen war ich nicht wiederzuerkennen. Mein langes Haar war seidenweich, glänzend und fiel in weichen Wellen bis zu meiner Taille. Meine Haut war unwirklich schön, ich musste immer wieder über meine Arme fahren. Wie ein neugieriges Kind strich ich immer und immer wieder über die feinen Linien, die eine Art Muster auf meiner Haut bildeten. Ich begriff nicht wie Cinna aus mir das hatte zaubern können was ich im Spiegel vor mir sah. Ich wirkte so unwirklich, gespenstisch. Voller Erstaunen erkannte ich zum ersten Mal Züge meiner Mutter in meinem Gesicht wieder. Ihre hohen Wangenknochen, die vollen Lippen und das schmale Kinn. Meine großen Augen waren umrahmt von tiefschwarzen, dichten Wimpern. Ich erkannte mich nicht wieder. Mit gerunzelter Stirn ging ich näher an den Spiegel heran und starrte mir in die Augen. Ich suchte nach dem kaputten, zerstörten Mädchen, nach meinen Alpträumen, nach einer Spur Meiner selbst. Und da war ich. Meine dunklen Augen, a girl from the Seams. Aufpoliert und saubergeschrubbt. Aber eindeutig ich. Langsam ging ich wieder zurück und legte den Kopf schief. Mein Körper war älter geworden und zu meinem größten Erstaunen weiblicher. Wann um alles in der Welt war das passiert? Ich hatte Rundungen die mir vorher nie aufgefallen waren. Kritisch legte sich meine Stirn in Falten als ich entdeckte dass meine Brust von den Veränderungen nicht verschont geblieben war. „Du bist dünn geworden.“ Riss mich Cinnas Stimme aus meinen Gedanken. Ich drehte mich zu ihm um und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin.. ich habe..“ ich setzte immer wieder an aber wie so oft fand ich keine Worte, also zog ich die Arme enger um meinen halbnackten Körper und setzte eine fast trotzige Miene auf. Ich hasste es mich mit meinem Körper auseinandersetzen zu müssen. Jedenfalls auf diese Art und Weise. Mein Körper war mir so oft fremd, einfach ein Ding. Ein Mittel zum Fortbewegen, weg rennen, auf Bäume klettern und seit der Revolution ein Abbild meiner Alpträume. Die Narben und die leicht variierenden Farbtöne meiner Haut hatten mir immer das Gefühl gegeben letztendlich doch eine Art Mutt der Capitol geworden zu sein. Ein unwirkliches Wesen das doch längst hätte verbrennen sollen. Und hier stand ich. Meine Mutation war in ein Kunstwerk verwandelt worden, so wie alles das Cinna berührte irgendwie magisch war und verzaubert wurde. Ich war sein Rohdiamant und seine beste Leinwand. Mir wäre nie der Gedanke gekommen das ich tatsächlich schön sein könnte. Das war einzig und allein Cinnas Talent geschuldet. Er breitete etwas hell Blaues auf meinem Bett aus und kam langsam näher. „Ein Kleid?“ Meine Entgeisterung muss mir ins Gesicht geschrieben gestanden haben denn Cinna lachte warm los. „Ja Katniss, ein Kleid. Man sollte meinen inzwischen hättest du dich daran gewöhnt.“ Er lächelte schief und ergriff meine Hand, zog mich näher damit ich es mir ansehen konnte. Es war aus demselben blauen Stoff wie die Uniformen in Distrikt 13 genäht. Ob er es dort gefertigt hatte? Ich hatte ihn auch nie nach seiner Rehabilitation gefragt. Offenbar schien er meine Gedanken zu lesen, denn er beantwortete meine unausgesprochene Frage. „Ich war dort. In Distrikt 13. Sie haben mich nach meiner Befreiung dort hingebracht. Ich habe Peeta dort oft gesehen. Er war es der mir die Propaganda Videos von dir gezeigt hat. Ich wollte dich in meinem Anzug sehen.“ Es schwang eine Spur Stolz in seiner Stimme und aus einer impulsiven Emotion heraus drehte ich den Kopf und drückte ihm einen dankbaren Kuss auf die Wange. „Er hat mir das Leben gerettet.. mehrmals. Danke Cinna.“ Ich hatte ihm so oft für diesen Anzug danken wollen, dass ich es jetzt tatsächlich tun konnte ließ meine Sicht verschwimmen. Schnell blinzelte ich gegen die Tränen an. „Cinna.. warum bist du eigentlich her gekommen?“ wagte ich schließlich zu Fragen was mir seit seiner Ankunft auf der Seele lag. „Haymitch rief mich an. Das muss kurz nach deinem Zusammenbruch gewesen sein. Ich war noch in Distrikt 13 um mich.. zu erholen.“ Er lächelte traurig. „Ich brauchte Zeit um mich her zu wagen.“ Seine Hand strich über meine Wange, ich spürte das seine Fingerspitzen leicht bebten. Und da begriff ich es. „Sie.. sie haben mit dir gemacht was sie mit Peeta gemacht haben.“ Stammelte ich und wich intuitiv zurück. Offenbar verletzte ich ihn mit meinem Zurückweichen, denn ein dunkler Schatten legte sich auf Cinnas Gesicht. „Ja. So in der Art. Was sie mit Peeta gemacht haben war um einiges schlimmer. Mich haben sie praktisch aufgegeben als sie Peeta in ihren Fängen hatten.“ Ich konnte die Tränen nicht länger zurück halten und fiel ihm um den Hals. „Es tut mir so entsetzlich Leid Cinna! Ich bin an allem Schuld. Meinetwegen wurdet ihr so verletzt, so zerstört. Ich werde das nie wieder gut machen können.“ Brachte ich mit brüchiger Stimme hervor, bemüht meine Tränen irgendwie zurück zu drängen. „Nein Katniss. Du verstehst es offenbar bis heute nicht.“ Er lächelte sein warmes Cinna Lächeln und ich sah ihn aus verschwommenen Augen an. „Du bist der Mockingjay. Du bist das Mädchen das in Flammen steht. Du bist das tapferste, schönste, intelligenteste und wundervollste Mädchen das ich je die Ehre hatte kennen zu lernen. Und Katniss, du bist so viel mehr als dir eigentlich klar ist. Nicht nur für mich. Vielleicht verstehst du es eines Tages. Aber glaube mir, wenn ich heute wetten müsste, ich würde noch immer auf dich wetten.“ Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn und ich machte mich in seinen sicheren Armen klein. Nur für einen Moment wollte ich dieses Gefühl genießen festgehalten zu werden. Ich erschauderte, wie sehr es mir fehlte. Besonders nachts ertappte ich mich bis heute dabei wie ich hinter mich tastete auf der Suche nach Peeta der mich festhalten sollte. Aber da war nie jemand. Ich musste die Augen schließen, spürte wie heiße Tränen über meine kühlen Wangen liefen. Irgendwann würde es weniger wehtun. Es würde niemals aufhören weh zu tun aber irgendwo, gut versteckt unter all den Scherben meines Verstandes lag ein Funken Hoffnung darauf, dass es eines Tages nicht mehr so wehtun würde. Cinna strich mir die Tränen von den Wangen und hob mein Kinn an. „Kopf hoch Mockingjay. Es ist Zeit aus der Asche aufzuerstehen.“ Raunte er und dann begann er mich zu frisieren und zu schminken. Meine Haare blieben fast vollständig offen. Er flocht nur zwei schmale Zöpfe an meinen Schläfen die er wie eine Krone um meinen Kopf laufen ließ. Lang genug waren sie ja. Ich bekam dichte, schwarze Wimperntusche, ein wenig Kajal. Er betonte meine Augen mit dunklem Lidschatten. Meine Lippen wurden blass rot, wie gerade erst reifende Erdbeeren. Schließlich half er mir in das schlichte aber raffiniert schöne Kleid. Es hatte einen weiten, leicht fallenden Rock, aber oben rum betonte es meine Brüste, machte meine Schultern schmaler und ließ meinen Hals schlank und lang wirken. Das Blau hatte fast den Ton meiner Augen. Ich stand erneut vor dem Spiegel nur dass ich mich diesmal wirklich nicht wiedererkannte. „Cinna..“ wisperte ich sprachlos und sah ihn aus großen Augen an. Vorsichtig drehte ich mich und der weiche Stoff folgte meinen Bewegungen federleicht. Ein weiteres Meisterwerk. „Danke.“ Hauchte ich tonlos und brachte ein Lächeln zustande. „Das Fest beginnt gleich. Ich werde mich auch umziehen und dann können wir zusammen gehen.“ Ich nickte dankbar. Alleine würde ich das Haus nicht verlassen. Ich würde hübsch angezogen und angemalt auf meinem Bett sitzen, an meinem Rock herum zupfen und warten bis es dunkel genug war um mich wieder ausziehen zu können. Mit Cinna an meiner Seite würde ich mich vor die Tür wagen. Jedenfalls redete ich mir das ein während ich nervös in meinem Zimmer auf und ab lief. Draußen war es noch hell, es war erst sechs Uhr abends. Ich hörte sehr leise Musik und viel Stimmen. Offenbar würde es wirklich ein Fest werden. Endlich war Cinna fertig und wies mich noch darauf hin das ich nicht unbedingt Barfuß zum Fest gehen sollte. Ich besaß nur noch meine Lederstiefel und die unbequemen Schuhe aus Distrikt 13. Also trug ich zu meinem weich flatternden Kleid kniehohe Lederschnürstiefel. Es passte auf seltsame Weise zu mir. Ich fühlte mich wohl. Cinna öffnete die Tür und sah mich abwartend an. Dann trat ich auf die Straße. Mit dem was sich mir dann zeigte hätte ich niemals gerechnet. Vor Erstaunen öffnete ich den Mund. Die Häuser im Victor Viertel waren alle bewohnt. Ich sah Menschen, Kinder. Mein Blick wanderte die Straße runter, dorthin wo bei meinem letzten Verlassen des Hauses nur Trümmer gelegen hatten. Ich sah mich Neubauten gegenüber. Die Straße war gesäumt von Hölzernen Gerüsten. Halbfertige Häuser standen dort. Mit offenem Mund ging ich mit Cinna langsam die Straße runter in Richtung Marktplatz. Ich erkannte Distrikt 12 kaum wieder. Da waren Häuser die in fremden Stilen erbaut waren. Gebäude die ich kannte waren wieder aufgebaut worden. Und überall waren Menschen. Aus allen Distrikten. Ich sah Kleidung die ich nicht kannte, selbst Menschen aus der Capitol waren hier. Und offenbar herrschte tatsächlich so eine Art Miteinander. Fasziniert ließ ich den Blick schweifen als plötzlich jemand meinen Namen rief. Ich fuhr zusammen und sofort reagierte mein Körper mit Abwehr und Fluchtinstinkten. Ich spannte mich an, bis ich erkannte das es ein kleines Mädchen war das an der Hand seiner Mutter zog. „Katniss!“ rief sie und machte sich los um auf mich zuzulaufen. Erstaunt sah ich auf sie herab. Ihre schmalen Ärmchen schoben sich etwa auf Oberschenkelhöhe um meine Beine und sie vergrub sich in meinem weichen Rock. Hilflos hatte ich die Arme leicht gehoben. Ich war nicht sehr gut darin mit Kindern umzugehen. Aber jetzt waren mehr Menschen auf mich aufmerksam geworden. Von überall hörte ich meinen Namen. „Katniss!“ „Das ist Katniss!“ „Sieh nur da ist Katniss Everdeen!“ Ich kämpfte gegen eine irrationale Panikattacke. Niemand hier würde mich umbringen wollen. Oder? Ich sah hilflos und leicht panisch zu Cinna, aber der lächelte nur. Vorsichtig senkte ich die Hand und berührte unbeholfen den Kopf des Kindes. Langsam kamen immer mehr Menschen auf mich zu, ich musste mit aller Kraft gegen den Impuls ankämpfen einfach weg zu laufen. Ich erkannte ein paar Menschen aus meinem Distrikt aber die meisten anderen waren mir fremd. Mir wurde die Hand geschüttelt, auf den Rücken geklopft, ein Mädchen in meinem Alter drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ich war vollkommen überfordert und bekam bald schon keine Luft mehr. Ich schob das kleine Mädchen von meinen Beinen, versuchte mich aus der Menschengruppe zu befreien. Sie waren zu nah, es waren zu viele. Ich spürte die Panikattacke in mir aufsteigen als sich plötzlich ein starker, sicherer Arm von hinten um mich legte und mich einfach aus der Menge zog. Mein Herz stolperte und ich wusste nicht ob ich wollte dass er es war oder nicht. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuße. Es war Haymitch, der erschütternd gesund aussah. Ich starrte ihn eine geschlagene Minute an. Seine Kleidung war gebügelt und sauber, sein Haar war gewaschen und gekämmt. Ich musste mehrfach blinzeln um sicher zu gehen dass es wirklich Haymitch war. Er roch noch immer nach Alkohol und offenbar trank er nur minimal weniger. Aber Hazelle hatte wieder einen Menschen aus ihm gemacht so wie es Cinna mit mir gemacht hatte. „Du siehst gut aus Sweetheart. Lebendig.“ Raunte er in seiner kratzigen Reibeisenstimme, der spöttelnde Unterton war liebevoll. „Danke.“ Lächelte ich. Meine Wangenmuskeln waren noch immer irritiert davon dass sie sich wieder bewegen sollten. Ich hatte regelrecht Muskelkater in den Wangen vom Lächeln. Die Welt um mich herum versank in einem dumpfen Rauschen und ich lächelte immer weiter. Cinna und Haymitch nahmen mich in ihre Mitte und schirmten mich ein bisschen ab. Trotzdem kamen immer mehr Menschen auf mich zu, dankten mir, wollten mich berühren, umarmen und küssen. Ein paar junge Männer waren darunter die mich angrinsten, mir zuzwinkerten und mich stark an Finnick erinnerten. Es brauchte einen Moment ehe mir klar wurde das sie flirteten. Das überraschte mich so dass ich nur stottern und sie anstarren konnte. Ich war wirklich nicht dazu geeignet mit Menschen zu sprechen. Haymitch amüsierte sich auf meine Kosten und irgendwann glühten meine Wangen. Ich wollte nur noch umdrehen und nachhause flüchten. Aber wir hatten den Marktplatz erreicht. Jenen Ort an dem ich mit ansehen hatte müssen wie man meinen besten Freund auspeitschte. Die Erinnerung durchzuckte mich und ich griff fest nach Cinnas Handgelenk, hielt mich kurz daran fest. Seine freie Hand legte sich sanft über meine und ich atmete bebend durch. Das Rauschen ließ nach und ich konnte die Musik deutlicher hören. Eine fröhliche Melodie die über das Stimmengewirr tanzte. Der Platz war sehr viel größer als in meiner Erinnerung. Viele Gebäude fehlten, doch sie waren nicht wieder aufgebaut worden, man hatte den Platz vergrößert um mehr Menschen Raum zu schaffen. In der Mitte des Platzes stand eine große, junge Eiche die mit bunten Bändern geschmückt war die im Wind flatterten. Ich musste die Augen zusammenkneifen um zu erkennen was auf der Fahne die am Wipfel wehte abgebildet war. Als ich es erkannte stolperte ich erschrocken einen Schritt zurück. Es war ein Mockingjay. Ich war noch immer Symbol für ganz Panem. Jetzt verstand ich auch weshalb Cinna so gut vorbereitet zurückgekommen war. Es war nicht vorbei. Das würde es nie sein. Ich würde nie ändern können wer ich war. Wehleidig lächelte ich als jemand mir erneut dafür dankte die Revolution erst möglich gemacht zu haben. Wie gerne hätte ich dem Mann erklärt das ich nichts damit zu tun hatte, das man mich benutzt und bewusst hintergangen hatte. Jemand drückte mir einen Becher in die Hand und ich stutzte als ich Wein roch. Ich hatte ihn auf der Victorstour probiert. Es war süßer, frischer, junger Wein. Perfekt für so einen Sommertag. Ich nippte daran und sah mich weiter um. Das Haus des Bürgermeisters war kaum wiederzuerkennen. Es war geschliffen und neu gestrichen worden. Alles wirkte so verändert. Ich fragte mich was es war das alles so veränderte, bis es mir wie Schuppen vor die Augen fiel. Hoffnung. Diese Menschen hatten Hoffnung. Hoffnung auf ein neues Leben, eine freie Welt. Das einzige Relikt des Schreckens der Hunger Games war die riesige Leinwand die auch heute blendend weiß vor dem Gerichtsgebäude aufragte. Der Abend dämmerte, das Licht wurde blasser, der Himmel dunkler. Es war ein wunderschöner Abend, angenehm warm aber nicht brütend heiß. Inzwischen wusste wohl jeder dass ich hier herum lief denn der Sturm an Menschen die mich ansprachen verebbte langsam und ich entspannte mich ein wenig. Auch wenn mein Blick immer wieder nach ihm suchte. Wo war Peeta? Ich wusste ja nicht einmal ob er noch im Distrikt war. Vielleicht war er ja wirklich ins Capitol zurückgekehrt um Politik zu machen. Ich spürte die Erschöpfung in meinem Körper, ich war es wirklich nicht mehr gewöhnt so lange herum zu laufen und mit so vielen Menschen konfrontiert zu werden. Umso dankbarer war ich als Cinna mich zu einer der vielen Bänke führte auf der ich endlich sitzen konnte. Offenbar gab es einen neuen Bürgermeister, denn Rudolf Underwood, ein Mann mittleren Alters und früherer Vorarbeiter in den Mienen, betrat mit der Schärpe des Bürgermeisters das Podest vor der Leinwand. Stille senkte sich über die Menschenmenge. Es waren sicher mehrere hundert, wenn nicht mehr. Er hielt eine Rede über die Auferstehung Panems, die Vereinigung der Distrikte und den Frieden. Und zu meiner Überraschung sprach er über mich. Darüber wie viel Hoffnung ich den Menschen geschenkt hatte und was für ein Geschenk es war das der Mockingjay aus Distrikt 12 kam, das wir alle schrecklich stolz auf mich sein könnten. Ich lief so rot an das ich sicher war man würde meine Wangen leuchten sehen. Ich wollte schon wieder weg laufen, schließlich war das was er über mich sagte weder wahr noch gerechtfertigt. Jedenfalls in meinen Augen. Es war allein Cinnas Hand, die sich sacht auf mein Knie legte, die mich an Ort und Stelle hielt. Andernfalls wäre ich mit wehenden Fahnen davon gerannt. So konnte ich mich nur immer kleiner machen und hilflos an meinem Wein nippen. Es war eine schöne Rede, den Teil über mich ausgenommen, und als die Leinwand flackerte und plötzlich die Live Übertragung aus dem Capitol begann war ich deutlich weniger erschrocken als man vermuten sollte. Ich fühlte mich unwohl aber es war erträglich. Noch übermannten mich keine grausamen Visionen. Plutchards Hand war deutlich zu erkennen. Es wurden Szenen aus ganz Panem gezeigt. Offenbar feierte man gerade tatsächlich überall. Zu meiner Überraschung erschien Ceasar Flickerman auf der Bildfläche. Er war vollkommen verändert. Sein ehemals blaues Haar war deutlich dünner geworden, hatte inzwischen die Farbe von Schlamm und er schien deutlich gealtert zu sein. Aber er sah glücklich aus, gut gelaunt und strahlend nur weitaus weniger künstlich. Irgendwie freute es mich dass man ihn nicht umgebracht hatte. Schließlich war er einer der wenigen Menschen die in diesem grausamen Spiel immer nett zu mir gewesen war. Ich musste die Arme um mich schlingen als all die Bilder hoch kamen. Peeta der verkündete das er mich liebte, Peeta der Nachts auf dem Dach stand, Peeta der mich umarmte und festhielt nachdem wir es aus der Arena geschafft hatten, Peetas Antrag und dann die wütende Trauer auf seinem Gesicht als er von meiner vermeintlichen Schwangerschaft und unserer Hochzeit erzählte. Ich wimmerte. Es tat so weh. Mit Tränen in den Augen drehte ich den Kopf weg, ich konnte nicht länger hinsehen. Ich leerte lieber meinen Becher Wein. Der Alkohol stieg mir schon zu Kopfe. Eine angenehme Benommenheit breitete sich in meinem Kopf aus und betäubte die Erinnerungen. Ich lehnte mich zurück und ließ mich nur noch von dem Simmengewirr und der Musik berieseln. Die Übertragung lief weiter, es wurden Bilder aus ganz Panem eingespielt, live und direkt vor Ort aufgenommen. Ich entdeckte auch unseren Markplatz. Inzwischen brannten überall Fackeln, es gab Laternen und Lampions. Die Musik wurde lauter und jemand sang. Alte Lieder aus unserem Distrikt, Lieder die lange Zeit verboten waren. Mein Fuß wippte und ich summte ein paar Melodien mit, als sich plötzlich eine Hand in mein Blickfeld schob. Irritiert hob ich meinen betäubten Kopf und blinzelte zu dem jungen Mann vor mir auf. Er kam mir seltsam bekannt vor aber ich konnte ihn nicht einordnen. Ich war mir sicher ihn schon mal gesehen zu haben. „Würdest du mit mir tanzen Katniss?“ fragte er schief lächelnd und ich hob ungläubig die Augenbrauen. Tanzen? Ich würde nur hinfallen so schwummerig wie mir gerade war. Aber er hielt mir weiterhin seine feingliedrige Hand entgegen, sein Lächeln war offen und seine warmen, hellbraunen Augen hielten meinen ruhelosen Blick gefangen. Woher kannte ich ihn nur? Ich musterte sein Gesicht, er kam aus Distrikt 12, die dunklen Augen, das braune wirre Haar. Dann erinnerte ich mich. Fionn. Er war in Gales Klasse und einer seiner Freunde. Er musste mich sicher hunderte Mal zusammen mit Gale gesehen haben. Ich blinzelte ihn erstaunt an, er wollte wirklich mit mir tanzen. Cinna stupste mich schmunzelnd an und ich ergriff resigniert die mir angebotene Hand. „Wehe du lässt mich fallen.“ Raunte ich leise und erschauderte als sein Arm sich um meine Taille legte. „Keine Angst Katniss. Ich lass dich nicht fallen.“ Raunte er viel zu nah an meinem Ohr und Schauer rieselten meinen Rücken herab. Fionn führte mich durch die Menschen zur Tanzfläche auf der sich unzählige Paare zur Musik drehten. Fasziniert folgte mein Blick den wirbelnden Rücken, den wehenden Haaren und den lachenden Gesichtern. „Fertig?“ schmunzelte Fionn der offenbar wartete dass ich seine Hand ergriff damit wir tanzen konnten. Ich sah ihn irritiert an, bemerkte seine gehobene Hand und das amüsierte Schmunzeln. Oh. Ich kannte die traditionellen Tänze, wo alle in Reihen standen und in wild variierbaren -8 tanzten. Das hier war etwas anderes. Etwas das ich bisher nur mit Peeta geteilt hatte. Ich biss mir auf die Unterlippe und atmete gegen die Schmerzenswelle an. Meine Brust zog sich zusammen und offenbar bemerkte es Fionn, denn er ergriff einfach meine Hand, zog mich sacht an sich und begann mich zwischen die anderen Paare zu drehen. Er führte mich mühelos und nachdem ich anfangs nur herum gestolpert war bis ich ihm freie Hand lies, flog ich jetzt nur so zwischen den anderen herum. Ich hätte nie erwartet das Fionn so gut tanzen konnte, ich überließ es ihm dafür zu sorgen das ich nirgendwo gegen knallte und schloss die Augen. Ich spürte seine starken Arme, seine Hand die meine hielt, die Musik floss über uns hinweg und ich ließ mich treiben. Mit geschlossenen Augen wirbelte ich im Takt der Musik. Meine Haare wehten und mein Kleid flatterte mir um die Beine. Die Musik wurde langsam schneller und ich drehte mich schneller. Die Menschen um mich herum klatschten im Takt und irgendwann spürte ich wie Fionn mich los ließ, ich öffnete die Augen. Ein Kreis hatte sich um mich gebildet und ich begann mich zu drehen. Ich lachte. Ich spürte den Wind in meinem Haar, ich fühlte mich für einen magischen Moment wieder wie ich selbst. Ich schloss die Augen und drehte mich immer schneller um mich selbst. Ich war schwerelos und alles was mich all die Monate am boden gehalten hatte verschwand. Ich breitete die Flügel aus und flog. Cinna hatte Recht. Der Mockingjay erhob sich aus der Asche. Ich wirbelte um meine eigene Achse bis mir so schwindelig war das ich stolperte und lachend gegen jemanden rempelte der mich auffing. Ich öffnete die Augen, in Erwartung Fionn zu sehen. Doch es war nicht Fionn der meinen Fall verhindert hatte. Es war Peeta. Sein Arm lag um meinen Rücken und er hielt mich leicht geneigt. Es durchfuhr mich wie ein Blitz. Ich konnte ihn nur sprachlos anstarren. Peeta. Mein Herz hämmerte mir in den Ohren. Ich konnte seinen Blick nicht deuten. Die Welt um mich herum verstummte und verblasste. Ich sah nur noch ihn, nahm nur ihn wahr. Seine hell blauen Augen die ihren gehetzten Ausdruck verloren hatten, in denen ich nichts leidvolles, nichts verletztes mehr lesen konnte. Da war nur dieser warme, undeutbare Ausdruck den sie schon bei unserer ersten Begegnung gehabt hatten. Peetas Augen. Irgendwie musste er wieder zu sich gefunden haben. Plötzlich fühlte ich mich zerbrechlicher denn je. Eisige Klauen gruben sich in meine Brust und rissen sie auseinander, legten bloß wie zerstört ich noch immer war. Langsam zog er mich hoch und stellte mich auf die Beine. Ich nahm eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr und erhaschte einen Blick auf Peeta und mich im Close up auf der riesigen Leinwand. Ich erstarrte. Wieder wurden wir medienwirksam in ganz Panem übertragen. The Starcrossed Lovers from District 12. Wir waren live. Ich wollte Pultchard in diesem Moment ermorden. Ein Eimer Eiswasser ergoss sich in meinen Magen. War Peeta Teil davon? War all das geplant? Oder wurde ich langsam paranoid? Cinnas Auftauchen, das Fest, mein Tanzen und jetzt die Liveübertragung. Ich stieß Peeta von mir und stolperte von ihm weg. Tränen brannten in meinen Augen aber ich wollte nicht weinen. Ich wollte ihnen keinen neuen Stoff geben. Ich wollte nur noch weg und doch hielt mich etwas an Ort und Stelle. Es war das Mädchen das neben Peeta stand und jetzt, da er mich nicht mehr hielt sanft seine Hand ergriff. Ich starrte die beiden an. Neben Peeta stand ein bildhübsches Mädchen, sie hatte Schulterlanges, goldblondes Haar. Ihre Haut war heller als meine und ihre Augen hatten die gleiche Farbe wie Peetas. Etwas dunkler vielleicht, wie Veilchen. Es war ein Schlag ins Gesicht. Ich bekam keine Luft mehr und stolperte über meine eigenen Füße als ich versuchte mich von ihnen zu entfernen. Peeta machte keine Anstalten mir nach zu kommen, er ließ ihre Hand nicht los. Er sah mich nur an und mein Herz brach erneut. All die kleinen Stücke die Cinna so sorgsam zusammengesetzt hatte fielen erneut zu Boden und wurden zu Staub zertrampelt. Ein wimmern kam erstickt über meine bebenden Lippen. Endlich fing die Kamera etwas andere ein, offenbar war DAS nicht geplant. Blanke Panik ergriff mich. Ich musste hier weg. Ich hätte nie herkommen dürfen. Alles fühlte sich falsch an, meine zu langen Haare, das Kleid, die vielen Menschen. Ich kämpfte mich durch die Menge, stieß Menschen grob beiseite, blieb hängen, stolperte, spürte wie mein Kleid an mehreren Stellen einriss und kämpfte mich doch weiter. „Katniss!“ Fionn rief hinter mir her aber ich konnte nicht stehen bleiben. Ich wurde immer panischer, wo hörte diese Menschenmasse auf? Ich konnte nicht atmen, nichts sehen, ich kam gegen den Strom aus Menschen nicht an und schon bald Schluchzte ich verzweifelt weil ich mich nicht befreien konnte. Ich hatte keine Kraft mehr für so was. Ich war doch nichts als eine kaputte Puppe der man den Kopf abgerissen und das Futter aus dem Bauch gezerrt hatte. Zitternd drückte ich weiter gegen die Menschen um mich herum und konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Das Bild von Peeta und diesem Mädchen hatte sich unweigerlich in mein Hirn gebrannt und es tat weh. Es tat so entsetzlich weh. Meine Brust wurde weiter von den eisernen Klauen aufgerissen, Stück für Stück zerfetzt bis ich sicher war, dass das Loch in meiner Brust auf doppelte Größe gerissen war. Wieder schoben sich Arme um mich. Diesmal waren es jedoch nicht Haymitchs. Es war Fionn der mich eingeholt hatte. Aber das waren nicht die Arme von denen ich gehalten werden wollte, das waren die falschen Hände die mich beruhigen wollten, es war die falsche Stimme die auf mich einredete. Das war alles falsch. So entsetzlich falsch. Ich kämpfte mit letzter Kraft gegen Fionns Arme an und endlich erreichte ich das Ende der Menschenmenge. Nur vereinzelt standen noch Leute herum, unterhielten sich, tranken. Offenbar war das kleine Drama nur wenigen aufgefallen. Endlich konnte ich laufen. Ich begann zu rennen, ignorierte das Fionn weiter meinen Namen rief. Ich rannte als ginge es um mein Leben. Dabei stolperte ich immer wieder, schlug mir die Knie auf und zerschrammte mir die Handflächen. Die Luft war zu schwül, zu schwer, ich presste sie mühsam in meine Lungen, hatte das Gefühl zu ertrinken. Zitternd öffnete ich meine Haustür und verriegelte sie hinter mir. Ich bebte am ganzen Körper, ich hyperventilierte und Schluchzte. Meine Füße wollten mich nicht weiter tragen. Mitten im Flur brach ich zusammen und blieb verzweifelt liegen. Meine Finger gruben sich haltsuchend in den rauen Holzboden und ich Schrie. Ich Schrie all meinen Schmerz heraus, mir war bald schwindelig vom Sauerstoffmangel, denn zwischen schluchzen und schreien konnte ich kaum Luft holen. Aber der Schmerz ließ nicht nach. Ich schrie immer lauter, immer verzweifelter, sah vor lauter Tränen nichts mehr. Aber es wurde nicht besser. Noch immer zerfetzte es mir die Brust. Meine Fingerspitzen waren inzwischen blutig, irgendjemand hämmerte gegen meine Tür. Aber ich konnte mich nicht bewegen. Noch immer schrie ich bis endlich, endlich die Ohnmacht gewann. Herrliche Schwärze umfing mich und ich gab mich ihr hin. Kapitel 4: Holding your hand ---------------------------- Peeta Meine Schritte hallten in meinem eigenen Kopf nach. Nie zuvor war es mir so schwer gefallen eine Treppe herunter zu steigen. Jeder Schritt den ich von ihr weg tat riss an dem Anker in meiner Brust der mich zu ihr zurückzog. Aber wenn ich das nicht beendete, wenn ich nicht endlich einen Weg fand uns beide aus diesem Alptraum zu befreien, dann würden wir daran zugrunde gehen. Ich straffte die Schultern und ging weiter. Ich öffnete die Tür, ging ohne mich umzudrehen über die Straße, ich hatte meine Haustür noch nicht erreicht als ihr Schrei mir gellend durch Mark und Bein fuhr. Ich wankte, zitterte und kaum das ich meine Tür hinter mir geschlossen hatte, rutschte ich auch schon an ihr zu Boden und vergrub das Gesicht in den Händen. Ich atmete hektisch gegen meine Panikattacke an. Ihr Schrei hallte in meinem Kopf nach, ich kannte diesen Schrei. Ich hatte ihn tausende Male im Schlaf gehört, war davon aufgeschreckt. Selbst schreiend. Erinnerungen sprudelten in mir hoch. Ich sah den blanken, klinisch weißen Boden meiner Zelle im Capitol. Ich zitterte so unkontrolliert das meine Beine zu krampfen begannen. Mein Blick ging starr und voller blankem Entsetzen in die Leere. Ich saß nicht mehr in meinem Flur ich saß in meiner Zelle. Es war nicht vorbei. Es würde nie vorbei sein. Ich sah Katniss vor mir, schreiend, verstümmelt. Ich sah wie zwei Männer ihr Dinge antaten die ich selbst in meinem Kopf nicht aussprechen konnte. Ich war angekettet, spürte wie das eiskalte Metall sich in meine Handgelenke fraß, wie es meine Haut aufriss und über das blanke Fleisch scheuerte. Ich riss mit aller Kraft an den Ketten die mich hielten, schrie aus voller Lunge dass sie aufhören sollen, schrie ihren Namen. Blut floss von ihrem Körper in die Mitte des Raumes, ich sah wie es ein grausames Muster auf dem Schneeweißen Boden hinterließ. Irgendwann schrie sie nicht mehr. Ihr Blick war starr und leer auf mich gerichtet. Von ihrem Körper den ich so liebte, den ich bis ins Detail kannte, war nichts mehr übrig. Nichts als zerrissenes, blutiges Fleisch. Ich lag auf dem Boden neben ihr, meine Arme in unnatürlichem Winkel nach hinten verdreht um ihr möglichst nahe zu sein. Minutenlang schrie ich sie an nicht tot zu sein, und plötzlich blinzelte sie. Ihre wunderschönen grauen Augen wurden schwarz. Und das grauenhaft verstümmelte Wesen dass die Capitol Männer aus ihr gemacht hatte begann zischend und gurgelnd auf mich zu, zu kriechen. Entsetzt und verzweifelt wich ich zurück, ihre verstümmelte Hand streckte sich nach mir aus. ‚Peeetaaa~‘ gurgelte sie mit einer grauenhaft verzerrten Stimme. Als ich wieder zu mir kam lag ich auf dem Boden meines Flurs, ich hatte Muskelkater und konnte mich kaum bewegen, so steif waren meine Muskeln. Ich atmete bebend durch und blinzelte gegen die Dunkelheit an. Wie lange hatte ich hier gelegen? Mein Hals war staub trocken und ich brauchte einiges an Kraft um wieder auf die Beine zu kommen. Ich hatte es gerade geschafft mich an der Wand hoch zu ziehen als ich feststellte was mich aus meinem Alptraum gerissen hatte. Haymitch hämmerte gegen meine Tür. Ehe ich sie auf machen konnte oder auch nur meinen tauben Arm nach dem Türgriff ausstrecken konnte trat Haymitch sie ein. Aus blutunterlaufenen, verquollenen Augen sah ich ihn an. Er tobte vor Wut. Ich sah die Faust kommen ehe er ausholte. Sein Schlag holte mich von den Füßen und ich schlug hart auf meinem Dielenboden auf. „Das nennst du einen sauberen Schnitt?!“ fuhr er mich an und ich sah stumm zu ihm auf. Was hatte er denn erwartet? Dass sie es einfach hinnahm und ihr Leben weiter lebte? War ihm entgangen was ich seit Tagen so deutlich sah? Offenbar, denn er zerrte mich am Kragen wieder auf die Füße und bugsierte mich in mein Wohnzimmer wo er mich hart auf das Sofa stieß. „Sie ist vollkommen weggetreten. Was hast du ihr gesagt?!“ schrie er mich an und ich saß nur benommen da. Was hatte ich ihr gesagt? In meinem Kopf zischte noch immer ihr verstümmelter Mutt Körper. „Die Wahrheit.“ Antwortete ich ruhig. Mein Blick fing Haymitchs ein. „Das ich sie nicht mehr liebe.“ Haymitch verschränkte die Arme vor der Brust. Ich wusste das Katniss ihm ans Herz gewachsen war auch wenn er es ungern zu gab. Er war ihr viel zu ähnlich um sie nicht zu mögen. Und da er ihr schon in der ersten Arena das Leben gerettet hatte war all sein Gehabe mehr als Fassade. Ich streckte meine Beinprothese aus und seufzte tief, fest rieb ich mit dem Handballen über mein schmerzendes Knie. „Sie wird darüber hinweg kommen. So wie sie dank dir seit Jahren über mich hinweg kommt.“ Meine Stimme war nicht vorwurfsvoll, sie war ernüchtert. Ich wusste das Haymitch mich bis heute ohne mit der Wimper zu zucken für sie opfern würde. So wie er mich schon in der Arena hätte drauf gehen lassen wenn er mich nicht weiter für seine Farce einer Liebesgeschichte hätte benutzen können. Ich war eine weitere Schachfigur auch wenn mir das lange nicht klar gewesen war. Aber mich jetzt über meine Naivität zu ärgern war verschwendete Kraft und Zeit. Nichts von dem was passiert war konnte ich rückgängig machen. Mein Kopf zuckte leicht bei der Erinnerung an Katniss in der Höhle. An unseren ersten wirklichen Kuss. Meine Brust zog sich zusammen. Ich ignorierte es. Abwartend sah ich mit verschränkten Armen zu Haymitch auf. „Sie wird sich fassen, dann kannst du deinen Mockingbird weiter in Szene setzen. Aber tu uns beiden einen Gefallen und streich mich aus der Gleichung. Ich werde nicht länger für dich oder Pultchard den Liebeskranken Krüppel spielen. Wenn er ein weiteres Symbol für den Wiederaufbau will muss ich jemand anderen suchen.“ Haymitch sah mich einen langen Moment an. Seine Kiefermuskeln arbeiteten. Langsam ließ er sich mir gegenüber in den Sessel fallen und musterte mich. Die Minuten tickten dahin und keiner von uns sagte ein Word. Schließlich lehnte er sich vor und sah mir direkt in die Augen. Ich wusste dass er nicht nüchtern war aber sein Blick war überraschend klar. „ Ich habe immer versucht euch beide zu retten. Ich musste sie am Leben erhalten damit sie dich am Leben erhalten konnte. Ich werde mich nicht dafür entschuldigen euch benutzt zu haben. Aber ihr wart Kinder. Kaum 17. Und ihr wart die ersten die eine Chance hatten lebend da raus zu kommen. Dass die Kleine so eine Nummer hinlegen würde konnte ich nicht ahnen. Schaffen wir das ein für alle Mal aus der Welt Peeta.“ Schweigend musterte ich ihn. Ich erinnerte mich an den jungen Haymitch der clever genug war das Capitol vorzuführen. Hin und wieder sah ich noch Spuren dieses Menschen durch den Alkohol durchblitzen. Langsam nickte ich. „Es ist mir egal Haymitch. Lass mich ab jetzt einfach in Ruhe.“ Inzwischen klang ich erschöpft. Das Zittern begann von neuem. In einer resignierten Bewegung schob ich meine Hände zwischen meine Knie um das Zittern zu unterdrücken. Haymitch schien verstanden zu haben. Er nickte nur knapp, warf mir einen letzten, undeutbaren Blick zu und überließ mich meinen Alpträumen. Die nächsten Tage verbrachte ich wie in Trance. Ich hatte weitaus mehr Zusammenbrüche als in den letzten Wochen. Immer wieder wachte ich auf dem Boden liegend auf, verkrampft, halb erstickt. Ich hatte einen Blackout nach dem anderen. Es dauerte zwei Wochen bis ich meinen Verstand wieder soweit zusammengesetzt hatte dass ich mich vor die Tür wagte. Ich vermied es zu ihrem Haus zu sehen und machte mich auf den Weg in die Stadt. Ich wollte sehen was von unserer Bäckerei übrig war und vielleicht, nur vielleicht das Grab meiner Eltern und Brüder besuchen. Es war ein sonniger, warmer Tag und ich beobachtete fasziniert wie unsere Stadt um mich herum wieder auferstand. Ich begrüßte ehemalige Nachbarn, Menschen aus dem Seam. Sie waren fast alle zurückgekommen. Überall entdeckte ich bekannte Gesichter und zu meiner Überraschung wurde ich weder auf Katniss noch auf die Rebellion und meine perfide Rolle darin angesprochen. Stattdessen sprach man mir das Beileid über den Tod meiner Eltern aus, bedankte sich für das Brot und die Brötchen die ich in den letzten Wochen gebacken und gespendet hatte. Überall entdeckte ich Menschen aus anderen Distrikten. Familien aus 3, 8 und 10. Eine Gruppe verschüchterter Capitol Mädchen drängten sich unsicher um einen groß gewachsenen Mann der ihnen offenbar Anweisungen geben sollte. Mein Distrikt war im Aufbau und zum ersten Mal seit Wochen zeigte sich ein Lächeln auf meinen Lippen. Ich spürte die Sonne, atmete die frische Luft und fühlte mich lebendig. Es wurde Zeit das ich wieder in mein altes Leben zurück fand und sei es nur um meine Alpträume weiterhin unter Kontrolle zu halten. Erst als ich vor den Trümmern der Bäckerei stand schwand meine Kraft wieder und ich fühlte mich erschlagen. Ich lehnte mich an das was von dem Baum vor unserer Bäckerei übrig war und atmete tief durch. Der einzige Mensch den ich wirklich vermisste war mein Vater. Weder meine Brüder noch meine Mutter hatten einen Finger gerührt als ich ausgewählt worden war. Auch danach war unser Verhältnis angespannt. Zwar wohnte ich jetzt im Victors Village aber ich war mit Katniss Everdeen verlobt. Meine Brüder sprachen kaum noch mit mir und meine Mutter wollte nicht glauben dass das was sich zwischen Katniss und mir abgespielt hatte unecht war. Vermutlich lag es auch an meinem kläglichen Versuch sie zu überzeugen, ich war mir schließlich selbst nicht sicher was es da zwischen Katniss und mir gab. Bis heute. Und heute war ich es der an unserer Liebe zweifelte. „Wirst du sie wieder aufbauen?“ Ich hob überrascht den Kopf und drehte mich leicht um die Person auszumachen. Es war ein Mädchen in Katniss Alter, vielleicht 17 Jahre. Ihre blonden Haare fielen ihr in weichen Wellen über die schmalen Schultern. Sie kam nicht aus Distrikt 12. Ihr schneeweißes Kleid war kunstvoll verarbeitet, kein Kleidungsstück aus Distrikt 12 war derart schön gearbeitet. „Ich weiß es nicht.“ Antwortete ich ehrlich und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre Augen waren ebenfalls blau, aber sie hatten einen leicht violetten Schimmer. Wie Veilchen. Dunkler und tiefer. Anders als Katniss Augen. Zum ersten Mal fiel mir auf das ich außer Katniss nie ein Mädchen bemerkt hatte, es gab außer ihr niemanden. Jedenfalls bis vor- Ich brach den Gedanken ab ehe ich ihn vertiefen konnte. „Ich habe die Interviews mit deinen Eltern gesehen, sie haben das schöne Bäckereigebäude gezeigt.“ Lächelte sie offen und ging langsam auf den Trümmerhaufen zu zwischen dem inzwischen schon Unkraut wucherte zu. Mein Blick folgte ihr. In einer grazilen Geste streckte sie das schlanke Handgelenk aus und pflückte eine Wildblume. Fasziniert musterte sie sie, drehte sie zwischen ihren Fingern. „In meinem Distrikt gibt es keine Blumen.“ Sagte sie leise. Ich begann mich zu fragen woher sie wohl kam. „Du stammst aus Distrikt 8 oder? Textilien richtig?“ sie drehte sich mit einem breiten Lächeln zu mir um. „Ja. Ich habe all den Wald und das Grün hier im Fernsehen gesehen. Ich wollte es mit eigenen Augen sehen.“ Ihr Blick wanderte über das Trümmerfeld das sich bis zum Zaun erstreckte. Dahinter gab es nichts als Wiesen und Wald. „Hier ist alles so viel friedlicher, so offen.“ Sie atmete tief ein. „Das ist es erst seit der Revolution.“ Seufzte ich und musste unweigerlich an Gales Auspeitschung denken. An den Hunger und die Armut die hier herrschten. „Bestimmt könnte man hier eine wunderschöne neue Bäckerei bauen. Ich habe deinen Kuchen auf Finnicks Hochzeit gesehen, du bist sehr talentiert.“ Ihr Lächeln war so echt. Es zog mich an wie Motten das Licht. Als würde ich mich der Sonne zu wenden nachdem ich Jahrelang nur in die Dunkelheit geblickt hatte. Alles an ihr war frisch, ehrlich und echt. Unsicher lächelnd, da ich sie offenbar zu lange angesehen hatte ohne mit ihr zu sprechen begann sie mit einer ihrer Haarsträhnen zu spielen. „Wie heißt du?“ fragte ich schließlich und riss meinen Blick von ihr los. „Bekka.“ Sie strahlte mich an. Vielleicht war es genau das was ich suchte, was ich brauchte. Bekkas Licht und nicht länger Katniss Dunkelheit. Vielleicht war sie der Neuanfang den ich brauchte. Ich wusste dass es Bekka gegenüber nicht fair wäre, doch ich war es leid Gut und Liebenswert zu sein. Also kam ich auf sie zu und blieb neben ihr stehen. „Wie würdest du dir die Bäckerei vorstellen Bekka?“ fragte ich und in ihren Veilchenaugen begann es zu leuchten. In den nächsten Tagen begegnete Bekka mir immer wieder. Ich half beim Aufbau. Denn wenn ich noch immer eines war, dann stark. Ich bewegte zusammen mit Jungen die mich mein Leben lang ignoriert hatten die Trümmer ihrer Elternhäuser. Wir lernten uns völlig neu kennen und bald schon fand ich mich als Teil unserer neuen Gemeinschaft wieder. Immer mehr Menschen kamen zurück, es gab mehr und mehr Einwanderer. Bekkas Familie war nicht die einzige aus Distrikt 8. Ich erfuhr das es nur wenige Überlebende aus diesem Distrikt gab und das Paylor den Abriss der grauen, kalten Fabriken angeordnet hatte. Die neuen Textilfabriken sollten zwar ebenfalls in Distrikt 8 entstehen, jedoch zu völlig anderen Bedingungen. Es verging ein guter Monat bis die Fragen nach Katniss wieder begannen. Es waren zuerst nur Beifällige Bemerkungen. Immer öfter verbrachte ich meine Tage mit Bekka, sie tat mir gut. Dennoch vermied ich es sie mit ins Victors Village zu nehmen, auch wenn sie mich schon ein paarmal gefragt hatte ob sie mein Haus sehen dürfte. Ich wusste was es mit Katniss machen würde mich mit einem anderen Mädchen zu sehen. Aber ich brauchte sie, ich brauchte Bekka. Ich musste wissen was es war das mich zu Katniss zog, ob es wirklich Liebe war oder etwas anderes. Gerüchte über unsere Trennung wurden laut, es wurde über Katniss Geisteszustand spekuliert, aber nie auf verletzende oder negative Art. Alle machten sich Sorgen um sie, ich wurde nicht offen angefeindet aber es war deutlich dass die meisten Menschen erwarteten Katniss an meiner Seite zu sehen. Aber wie auch ich konnten sie sich Bekkas offener Art, ihrem strahlenden Lächeln und den hellen Augen nicht verwehren. Meine Alpträume ebbten ab, ich konnte endlich wieder klar denken und dank Bekka war Katniss nicht länger der einzige Mensch über den ich nachdachte. Der Wiederaufbau war in vollem Gange und als ich hörte dass es überall in Panem ein Fest geben sollte schöpfte ich Hoffnung. Vielleicht würde doch alles gut werden. Bekka half dabei eine Näherei zu eröffnen, es waren Nähmaschinen und Webrahmen aus Distrikt 8 angeliefert worden und Bekka erklärte mit unendlicher Ruhe und Geduld wie man Stoff wob, wie Kleidung zugeschnitten und entworfen wurde und man aus einem Stück Stoff ein Kleidungsstück erschaffen konnte. Der Sommer brachte das Leben und die Hitze nach Distrikt 12. Die Ärmel wurden hochgekrempelt, die Kleider wurden leichter und kürzer. Ich verschwendete keinen Gedanken mehr an Katniss. Nicht bis wenige Tage vor dem Fest Cinna eintraf. Ich sah ihn aus dem Zug steigen und wir begrüßten uns herzlich. In Distritk 13 waren wir uns sehr nahe gewesen, da wir beide lernen mussten Katniss nicht mehr zu hassen. Nächtelang hatten wir uns Aufnahmen von ihr angesehen, versucht uns an das zu erinnern was wir an ihr liebten. Ihn jetzt wieder zu sehen, erholter und sehr viel lebendiger als bei meinem Abschied vor wenigen Monaten, brachte vieles wieder hervor. In dieser Nacht träumte ich von Katniss. Aber es war keiner meiner üblichen Träume. Ich träumte von der Nacht an der sie am Fenster gestanden und gesungen hatte. Der Nacht in der ich erkannte dass sie mich doch liebte. Die Nacht in der ich entschieden hatte sie zu verlassen. Wieder folgte mein Blick den Wassertropfen die über ihre blasse Haut liefen. Ihrer Hand die über ihren schlanken Hals fuhr, ich folgte dem weichen Schwung ihrer Brüste zu ihren Hüftknochen. Sehnsucht und Verlangen zogen in meinen Lenden. Ich wollte sie berühren, ihren Körper an meinem spüren. Ich vermisste sie so sehr das ich schweiß gebadet und schwer atmend aus dem Schlaf schreckte. Atemlos lag ich da und starrte an die Decke meines Zimmers. Mein Herz raste und auch der Rest meines Körpers war von diesem Traum nicht verschont geblieben. Ich stöhnte hilflos und schwang die Beine aus dem Bett. Bebend fuhr ich mir mit beiden Händen übers Gesicht und zerrte mir das durchweichte T-Shirt vom Körper. Es musste die Hitze gewesen sein, diese erste wirklich schwüle, brütend heiße Sommernacht, die meinen Kopf und Körper so völlig aus dem Ruder geworfen hatte. In dieser Nacht fand ich keine Ruhe mehr. Ich zog mich an und ging im fahlen Mondlicht spazieren. Ohne wirkliches Ziel schlenderte ich die Hauptstraße herunter. Der Kies knirschte unter meinen Füßen, es war beinahe Taghell und der Mondschein warf obskure Schatten auf die Wiesen und den Weg. Doch anders als sonst bargen sie zum ersten Mal keine Schrecken. Ich sah keine Verbindung zu meinem Traum oder Bekka oder Cinna. Ich sah nur dass ich endlich durch die Nacht laufen konnte ohne vor jedem Schatten Angst zu haben. Meine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. Es war befreiend mich wieder normal fühlen zu können. Hier und da brannte noch Licht in den Häusern, ich konnte Lachen und sogar Gesang hören. Jetzt durch meine Stadt zu laufen fühlte sich so vollkommen anders an. Distrikt 12 war nicht wieder zu erkennen. Meine Füße trugen mich unweigerlich zum Rohbau meiner Bäckerei. Bisher standen nur die hellen Holzpfeiler und das Fundament. Ich stieg die wenigen Stufen hoch und lief langsam durch das was in ein paar Monaten die Backstube sein würde. Sacht fuhr ich mit der Hand über das glattgeschliffene Holz. Es war genau diese Art von Neuanfang die ich brauchte. Ein leichter Südwind hob an und trug den Duft von Sommerblüten, Wald und Holz zu mir. Ich atmete tief ein und ging langsam zurück. Vielleicht würde ich doch noch etwas schlaf finden. Es war das leise Rascheln ihres Rockes das mich aufmerksam machte. Ich musste etwas suchen ehe ich sie auf der Veranda ihres Hauses entdeckte. Ihre Eltern hatten gemeinsam mit ihr eines der leerstehenden Häuser bezogen und wieder hergerichtet. Es war nur zum Teil vom Brand verschont worden, weshalb Veranda und Vorderfront heller waren als der Rest des Hauses. Ihr helles Kleid fiel vor dem cremefarbenen Holz im Mondschein kaum auf. Bekka saß auf einer in die Hauswand eingelassenen Bank und sah zum Mond auf. Offenbar konnte sie auch nicht schlafen. Einen Moment zögerte ich. Aber was hatte ich zu verlieren? Ich verließ den Weg und lief über das trockene Gras zu ihr. „Kannst du auch nicht schlafen?“ fragte ich schief lächelnd und hob sacht eine Augenbraue. Bekka fuhr überrascht zusammen, doch kaum das sie mich erkannte zeigte sich ihr strahlendes Lächeln. „Peeta..“ die Art wie sie meinen Namen aussprach bewegte etwas in mir, ich spürte wie mein Herz einen leichten Satz machte. Sie streckte ganz selbstverständlich die Hand nach mir aus. Ohne zu zögern schoben sich meine Finger zwischen ihre. Bekkas Hand war zierlich, blass und klein. Vollkommen anders als Katniss. Sanft schlossen sich meine Finger um ihre Hand und sie lehnte sich leicht an mich. Abwesend strich mein Daumen über ihre weiche Haut. Es war seltsam vertraut sie so zu halten, vollkommen anders und doch vertraut. Ihr Kopf lehnte an meiner Schulter und der Duft von Wildblumen stieg mir in die Nase. „Weshalb hast du mich damals angesprochen?“ fragte ich leise und runzelte die Stirn. Ich wusste nicht auf welche Antwort ich mich einstellen sollte. Aber ich brauchte eine Antwort, ich brauchte so viele Antworten. „Weil ich mich in dich verliebt habe.“ Flüsterte Bekka und ein wunderschönes Rot legte sich sanft auf ihre blassen Wangen. „Ich sah dich im Fernsehen und wie sehr du versucht hast Katniss zu beschützen. Ich habe mir auch immer jemanden gewünscht der mich so beschützen würde. Aber du gehörtest Katniss, ich hätte mich niemals zwischen euch stellen können. Und dann..“ sie biss sich auf die volle Unterlippe und setzte sich etwas auf um mich ansehen zu können. „Dann hat sie dich in der Arena zurück gelassen und du hast dich von ihr entfernt und ich habe gehofft dass du vielleicht eines Tages nicht mehr nur sie sehen würdest.“ Unweigerlich musste ich mich fragen ob es viele Mädchen wie Bekka gab. Und was ausgerechnet sie zu mir gebracht hatte. Ich musterte ihre großen, runden Augen. Sie war das vollkommene Gegenteil von Katniss. So zerbrechlich, zierlich und ehrlich. Dieser Gedanke versetzte mir einen Stich. Katniss war- Auch diesen Gedanken beendete ich nicht. Nicht jetzt, nicht hier. Nicht mit Bekka in meinen Armen die mich so ansah. Ich hob meine Hand und strich ihr sanft eine Strähne hinters Ohr, fuhr mit den Fingerspitzen über ihre Wange und die Kinnlinie entlang. Meine Finger legten sich unter ihr Kinn und hoben es an. Ich konnte in ihrem Blick alles lesen, ich spürte ihren schnellen Herzschlag, sah das blasse rot ihrer Wangen, die Sehnsucht in ihrem Blick. Alles Dinge die ich nur ein einziges Mal in Katniss Blick gesehen hatte. Ich neigte den Kopf, schloss die Augen und küsste Bekka. Ihre Lippen teilten sich weich und süß und warm unter meinen. Ich schob meine Arme um sie und zog sie an mich, bis sie halb auf meinem Schoß saß. Alles verschwand. Meine Erinnerungen, die Gegenwart, die Nacht um mich. Ihre Finger schoben sich zaghaft in mein Haar und hielten sich darin fest. Ihre kleinen, sehnsuchtsvollen Laute jagten mir Schauer den Rücken runter und ich hielt sie noch enger. Meine Hände gruben sich in ihre Seiten. Ich hing an ihren Lippen wie ein ertrinkender, küsste sie bis wir beide außer Atem waren und sie ihren Kopf schwer atmend an meiner Halsbeuge vergrub. Und so blieben wir sitzen. Bis der Horizont sich am nächsten Morgen heller färbte. Liebevoll hob ich ihren Kopf erneut an und hauchte einen letzten Kuss auf ihre noch immer übervollen Lippen. „Versuch noch etwas zu schlafen.“ raunte ich und stand mit ihr im Arm auf. Ihre zierlichen Finger schoben sich haltsuchend zwischen meine und ich hielt sie noch einen Moment im Arm, nippte an ihren Lippen und hauchte ihr Küsse auf die Nase und die müden Augenlider. „Geh schlafen..“ flüsterte ich und Bekka nickte. Sie streichelte noch einmal über meine Wange, reckte sich auf die Zehenspitzen um mich ein letztes Mal zu küssen und verschwand dann mit einem liebevollen Blick zurück ins Haus. Langsam drehte ich mich um, schob die Hände in die Hosentaschen und ging zurück nachhause. Meine Stirn lag in feinen Falten und ich zermarterte mir das Hirn. Ich versuchte zu ergründen was ich fühlte, ob es sich anders anfühlte, ob ich mehr für sie als für Katniss empfand. Aber ich konnte es nicht definieren. Es gab Unterschiede und im Moment gewannen meine Gefühle für Bekka die Oberhand. Und doch waren da immer die Gefühle für Katniss die direkt unter der Oberfläche lagen, bereit jederzeit wieder hervor zu brechen. Ehe ich mich versah hatten meine Füße mich zu ihrem Haus getragen. Ich stand unbeweglich unter dem Baum im Garten und sah zu ihrem Fenster auf, fragte mich zum ersten Mal bewusst wie es ihr ging, was Cinna wohl aus ihr machte. Inzwischen ging die Sonne auf und ich konnte zusehen wie Cinna ihr Zimmer betrat, das Fenster öffnete. Und dann sah ich sie. Ihr Anblick fuhr mir in durch Mark und Bein. Sie war erschreckend zierlich und dünn geworden, aber da war mehr. Sie hatte sich verändert. War weniger kantig, ihr Gesicht war schmaler aber voller, ihre Haare waren wirr und lang und man sah ihr deutlich an was ich ihr angetan hatte. Ich erstarrte und wartete gerade lange genug um sicher zu sein das sie mich nicht sahen ehe ich so schnell ich konnte nachhause lief. An diesem Tag stand ich spät auf. In wenigen Stunden würde das Fest beginnen und ich hatte Bekka versprochen sie abzuholen. Der vermeintliche Friede den mein Verstand mir gegönnt hatte war mehr als trügerisch. Ich erwachte mit Halluzinationen aus einem Alptraum. Das Zittern begann von neuem und ich musste den ganzen Vormittag gegen meine Einbildungen ankämpfen. Widerliche Wesen die mich aus allen Ecken anstarrten und immer wieder Katniss. Wunderschön und eiskalt, eine tödliche Waffe des Kapitol. Ersonnen um mich um den Verstand zu bringen. Erst gegen Mittag war ich in der Lage mich anzuziehen und das Haus zu verlassen. Die warme Sonne und die vielen Menschen halfen. Ich bahnte mir einen Weg zu Bekkas Haus vor dem sie bereits in einem schönen, hellen Kleid auf mich wartete. Ich schob lächelnd meine Arme um sie und küsste sie, hob sie dabei leise lachend von der Veranda. Wir mischten uns unter die Feiernden, aßen, tranken und warteten auf den eigentlichen Beginn des Festes. Ich konnte nicht verhindern dass mein Blick sie suchte, doch ich vermied es allzu auffällig den Kopf zu drehen. Underwood hielt eine Rede in der Katniss dankte. Sie war also sicher irgendwo zwischen all diesen Menschen. Als die Musik wieder lauter wurde zog Bekka strahlend an meiner Hand. „Lass uns tanzen!“ bat sie und ich gab widerwillig nach. Zwar hatte ich mich an mein Bein gewöhnt, aber ich hatte nie versucht zu tanzen. Als wir die Tanzfläche erreichten hatte sich gerade ein Kreis gebildet. Wir mussten ein paar Leute beiseite drängen um die Mitte zu erreichen. Doch was ich dort sah ließ mich erstarren. Mein Herz wurde durchbohrt und ich war festgenagelt. Schmerz und Sehnsucht durchfuhren mich mit solcher Wucht das ich keuchte. Katniss. Sie tanzte mit einem anderen und begann sich zu drehen. Ihr Kleid wirbelte um sie herum, weichfallend und flatternd, ihr offenes Haar wehte ihr um das wunderschöne Schneeweiße Gesicht. Ich konnte sie nur anstarren, sprachlos, bewegungslos, hilflos. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich begehrte sie mit einer solchen Verzweiflung das ich mich kaum aufrecht halten konnte. Sie zwang mich in die Knie und nur Bekkas Hand in meiner hielt mich aufrecht. Katniss. Sie wirkte wie eine seltene Blume, eine wundervolle, einzigartige Schöpfung. So selten und kostbar das man sie verstecken und schützen musste. Ich spürte wie Bekka an meiner Hand zog, doch ich konnte mich nicht rühren. Verlangen und unstillbarer Hunger nach ihren Lippen, ihrem Körper, ihrer Stimme, nach IHR überflutete mich und machte es mir unmöglich Bekka auch nur einen Hauch Aufmerksamkeit zu schenken. Ich wusste dass es falsch war und doch konnte ich die Augen nicht von ihr nehmen. Für einen Moment taxierten meine Augen Fionn über die Tanzfläche hinweg. Meine Augen verengten sich leicht und ich hob eine Augenbraue. Ernsthaft? Fionn? Meine Lippen verzogen sich kurz zu einem schiefen Lächeln. Sollte er sein Glück versuchen. Ich sah gerade noch rechtzeitig wieder zu Katniss um zu sehen wie sie taumelte, sich nicht halten konnte und zu fallen drohte. Ich löste meine Hand von Bekka, machte intuitiv einen Schritt nach vorne und fing sie auf. Es war wie Haymitch vor meiner Abreise zur zweiten Arena gesagt hatte. ‚Du kannst Instinkte nicht unterdrücken. Und dein Instinkt ist es Katniss zu beschützen.‘ Sie war leichter, wog fast nichts in meinen Armen. Wie ein Vogel den ich im Flug gefangen hatte. Einen Atemlosen Moment sahen wir uns in die Augen. Für diesen einen, kurzen, magischen Moment waren wir wir selbst. Ich konnte sie sehen und sie mich. Und dann zerbrach sie. Vor meinen Augen. Vorsichtig zog ich sie auf die Füße und ließ sie los. Auch ich entdeckte uns auf der Leinwand und Wut kochte in mir auf. Was sollte das? War das Zufall? Meine Hände bebten als Katniss mich mit diesem verzweifelten Blick von sich stieß. Ich stolperte einen Schritt zurück, direkt neben Bekka die sofort meine Hand nahm. Und dann zerfiel was von Katniss übrig war vor meinen Augen. Sie fiel innerlich in sich zusammen und rannte vor mir weg. Ich wusste dass sie vor mir und Bekka weg rannte und doch konnte ich nichts tun. Es war beinahe als würde ich so etwas wie Genugtuung verspüren. Kapitel 5: Anger ---------------- Gales Kiefermuskeln waren fest angespannt. Sein Blick war starr auf den Bidschirm vor ihm gerichtet. In den Tiefen seiner grauen Augen loderte es. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, die Sehnen unter seiner sonnengebräunten Haut waren so fest angespannt, dass sie weiß hervortraten. Sein Atem ging flach, er kämpfte gegen die aufkommende Wut an. Eine Ader pochte an seiner Schläfe. Das Bild vor ihm war eingefroren. Peetas Ausdruck war selbstgefällig, voller Genugtuung. Beinahe hätte Gale es verpasst. Er war eben erst von der Arbeit gekommen und wollte sich nur die Szenen aus Distrikt 12 ansehen, als die Kamera Katniss eingefangen hatte. Es hatte ihn an seinen Sessel gefesselt. Unfähig sich zu bewegen, hatte er mit angesehen wie sein Schulfreund Fionn Katniss auf die Tanzfläche geführt hatte, wie sie tanzten. Wie sie begann sich um sich selbst zu drehen. Gale hatte es versucht. Er hatte versucht sie zu vergessen. Doch egal mit wie vielen Mädchen er auch flirtete, wie viele er auch küsste. Keine konnte sie ersetzen. Sein Brustkorb hob und senkte sich in kontrollierten Atemzügen. Trotzdem holte er aus und zertrümmerte die schlichte Lampe, die auf dem kleinen Tisch neben seinem Sessel stand. Gale fuhr hoch und lief in seinem Zimmer auf und ab. Er war noch immer immer in Distrikt 2, war die meiste Zeit von morgens bis abends beschäftigt. Und doch tauchte sie immer wieder in seinen Gedanken auf. Bebend grub er die Hände in das Holz des Fensterbretts. Er hatte sie aufgegeben, weil sie Peeta wollte. Weil er immer tat was sie wollte. Gale schloss die Augen. Katniss lachendes Gesicht tauchte vor seinem geistigen Auge auf. Ihr Lachen, dass erstarb als sie in Peetas Arme taumelte. Die Kamera hatte eingefangen wie Peeta ihr das Herz brach. Wieder kochte Wut in ihm hoch und er schlug fest mit der flachen Hand gegen den Fensterrahmen. Sein Blick ging raus in die hell erleuchteten Straßen von Distrikt 2. Seine Kiefermuskeln arbeiteten, seine Lippen waren zu einem Strich zusammen gepresst. In seinem Kopf ratterten die Gedanken durcheinander. Wie Katniss Peeta angesehen hatte, das Mädchen neben Peeta. Die Szene spielte sich in Dauerschleife in seinem Kopf ab. Gales Augen öffneten sich langsam, das unendlich tiefe Grau war Schmerzerfüllt. "Catnip~..." flüsterte er und stieß sich vom Fensterbrett ab. Sein Entschluss stand fest. Kapitel 6: Holding my breath ---------------------------- Katniss Nur am Rande nahm ich wahr wie mich jemand aufhob und in mein Bett trug. Cinna war da, schälte mich gemeinsam mit Hazelle aus meinem zerstörten Traumkleid und meinen Stiefeln. Ich rollte mich nur in Unterwäsche sofort zu einer Kugel und zog mir die Decke bis an die Nasenspitze. Wann würde dieser Alptraum aufhören? Wie oft konnte ich noch verletzt werden, wie oft würde mir Peeta noch das Herz brechen? Ich konnte doch jetzt schon nur noch mit Mühe und Not meinen Verstand zusammen halten. Cinna saß auf meiner Bettkante und strich mir sacht die Strähnen aus der Stirn. Er sagte nichts, saß einfach nur da und liebkoste mich auf so beruhigende, vertraute Art und Weise, das ich tatsächlich irgendwann einschlief. Natürlich hatte ich Alpträume. Grauenhafte, verstörende Alpträume in denen ein blondes Wesen mir Peeta wegnahm. Aber anders als sonst erlaubte mein Verstand mir nicht aufzuwachen. Ich schrak nicht schreiend auf, ich war an meinen Traum gefesselt. War gezwungen mir anzusehen wie sie ihn umgarnte, ihn immer weiter von mir fort zog. Wir saßen an den Kopfenden einer langen Tafel. Ich war an meinen Stuhl gefesselt, der einem Thron glich und Peeta saß mir mit leerem Blick gegenüber. Uns trennten sicher an die drei Meter. Die Tafel war festlich gedeckt, aber alles war vertrocknet und tot, von Staub und Spinnweben bedeckt. In der Mitte stand was einmal unser Hochzeitskuchen war. Als ich an mir herab sah, stellte ich fest das ich eines von Cinnas Brautkleider trug. Das schlichteste, das Kleid von dem ich wusste dass er es nur für mich gemacht hatte. Ich zerrte an den rauen Seilen die meine Arme und Beine in Position hielten. Sie schlich geisterhaft blass und überirdisch schön um ihn herum, ihre Porzellanhände strichen über Peetas Schultern, seinen Hals und seine Wange. Langsam begann Efeu an seinem Thron hinauf zu ranken. Er schlang sich um Peetas Arme und seinen Körper. Der Saal um mich herum wurde zum Urwald und der Efeu umschloss Peeta immer dichter. Ich schrie und kämpfte, aber ich konnte mich nicht bewegen. Ich musste ihn retten, ich musste ihn befreien. Sie durfte ihn mir nicht wegnehmen, wie sollte ich ohne ihn leben? Blanke Panik ergriff mich und ich wehrte mich nach Leibeskräften, aber ich hatte keine Chance gegen die dicken Seile. Und bald war von Peeta nichts mehr zu sehen außer seinem blassen Gesicht mit den leeren Augen. Tränen nahmen mir die Sicht und ich zerrte bis meine Handgelenke blutig waren. Ich schrie seinen Namen, doch sie stand hinter ihm und hielt ihm mit ihren gespenstisch weißen Händen die Ohren zu. Sie lächelte mich mit scharfen Zähnen an. Peeta wurde Teil des Djungels. Aber es war kein wirklicher Urwald, es war mein Wald. Mein geliebter Wald der ihn unter sich begrub. Sie setzte sich auf seinen Schoß, lehnte sich vor und küsste ihn. Ich wurde von meinem Schluchzen geschüttelt, bekam kaum noch Luft. Es tat so entsetzlich weh es mit ansehen zu müssen. Als sie sich von ihm löste sahen seine milchigen, toten Augen mich an. Nichts von dem schönen blau war mehr darin zu erkennen. Seine Lippen waren schwarz verfärbt. Ich wollte ihn so sehr berühren, wollte all ihr Gift von seinen Lippen küssen. Langsam öffneten sich Peetas Lippen und ein Schwarm schwarzer, glänzender Käfer ergoss sich aus seinem Mund. Ich fuhr mit einem gellenden Schrei auf. Draußen schien die Sonne und Cinna saß mit besorgter Miene neben mir. Ich zitterte, mein Herz raste und ich jappste nach Luft. „Endlich bist du wach. Ich konnte dich nicht wecken, es war als hättest du dich an deinen Traum geklammert. Es tut mir so leid Kleines.“ Er streichelte mir hilflos über die glühende Wange. Bebend sog ich tief die frische Luft in meine brennenden Lungen. Meine Tage waren erneut erfüllt von Sehnsucht, Alpträumen und Einsamkeit. Cinna hatte eines der ehemaligen Victors Häuser bezogen und besuchte mich oft. Doch ich weigerte mich das Bett zu verlassen. Ich wollte mich miserabel fühlen. Ich wollte endlich ausleben was ich all die Jahre runter geschluckt hatte. Es war der Regen vor meinem Fenster der mich aus meiner Starre löste. Ich erhob mich vom Bett und öffnete beide Fenster weit. Draußen strömte der Regen prasselnd und in dicken Tropfen vom Himmel. Der Himmel war tief grau verhangen. Er hatte die Farbe von Gales Augen wenn er wütend war. Ich lehnte mich an den Fensterrahmen und sah dem Regen zu. Langsam streckte ich die Hand aus und spreizte die Finger. Das Wasser perlte von meiner weißen Haut ab, es folgte den Linien die blass und kaum noch erkennbar den Verlauf meiner Brandnarben verrieten. Ich erinnerte mich kaum noch an meine zerstörte, von Brandwunden übersäte Haut. Cinna hatte mir jeden Tag geholfen meinen Körper mit der speziellen Creme aus dem Capitol einzukremen. Ich sah aus wie die Porzellanpuppe aus meinem Traum. Vielleicht hatte ich mich selbst gesehen? Leichenblass, geisterhaft und giftig. Vielleicht war ich es die Peeta umbrachte und vergiftete. Ich musterte meine feinziselierte weiße Hand an der der Regen so unnatürlich abperlte. Waren es meine Hände die sich um seinen Hals legten? Bebend atmete ich die angenehm kühle Luft ein. Es roch herrlich nach feuchter Erde, Wald und Regen. Es musste der erste Regen seit über einem Monat sein. Ich zog meine Hand zurück ins Zimmer und beobachtete wie die Tropfen von meiner Haut perlten. Meine Augen verengten sich leicht. War es die Erkenntnis das ich es war die ihn umbrachte? Der Himmel in der Farbe von Gales Augen? Ich wusste es nicht, aber je länger ich den Tropfen beim herab perlen zusah, desto wütender wurde ich. Ich war lange nicht wütend gewesen. Es gab niemanden auf den ich hätte wütend sein können. Doch jetzt war ich wütend. Auf Peeta. Auf Gale. Auf meine Mutter und Haymitch, selbst auf Cinna und besonders auf Prim. Ich war auf sie alle wütend. Zum ersten Mal seit Monaten spürte ich Entschlossenheit. Ich marschierte ins Bad, griff zur Schere und schnitt meine langen Haare auf die Hälfte ab. Dann flocht ich sie zu meinem Zopf und betrachtete mich im Spiegel. Meine Fingerspitzen strichen über meine Wange, meinen Hals, fuhren über die feinen Linien. Seidenweiche Haut bedeckte was noch vor Wochen ein Mosaik aus rotem, wundem Fleisch gewesen war. And may the odds be ever in your favor. Dachte ich sarkastisch und wurde auf Effie wütend. Effie, die all die Jahre lächelnd her gekommen war um uns wie Lämmer zur Schlachtbank zu führen. Sie war es die Prims Namen gezogen hatte und auch wenn sie sich gut um uns gekümmert hatte, hätte sie Prims Namen nicht gezogen dann wäre ich noch vollständig. Peeta wäre in der Arena umgekommen, ich hätte nie von seinen Gefühlen erfahren und Gale hätte sich nie fragen müssen ob es eine Zukunft für uns gab. Mühsam atmete ich gegen meine Wut an, musste mich mit beiden Händen am Waschbecken abstützen. Nie zuvor war mir der Gedanke gekommen das ich es nach wie vor Wert sein könnte am Leben zu sein. Das es immer noch einen Menschen gab für den ich stark sein musste. Mich. Ich sah mir in die Augen, suchte nach etwas woran ich mich festhalten konnte. Ich war doch immer noch ich. Kaputt und zerstört und hässlich wie ich war. Das unscheinbare Ding aus Distrikt 12 das ihre Zeit lieber im Wald verbrachte und keine Freunde hatte. Was hatte sich daran schon geändert? Was war so erstrebenswert an einer Zukunft mit Peeta? Keuchend musste ich einen Arm um meine Brust schlingen. Ich wusste was daran erstrebenswert war. Wieder durchfuhr mich diese irrationale Sehnsucht nach ihm. Zitternd lehnte ich die Stirn an den Spiegel. Mein Atem bildete eine weiße Patina auf dem glatten Glas. Es war im Haus wärmer als draußen. Ich musste hier raus. Cinna lag die ganze Zeit richtig. Ich musste es aus eigener Kraft aus meinem Versteck schaffen. Denn nichts anderes war dieses Haus. Mein zu groß geratener Kleiderschrank in dem ich mich verkriechen konnte. Aber so wollte ich nicht weiter leben. Ich brauchte Dr. Aurelius nicht um mir zu erklären dass ich es nur alleine schaffen konnte. Ich ignorierte noch immer seine Anrufe. Jedenfalls die meisten. Was leicht war, da ich das Telefon ausgestöpselt hatte. Haymitch steckte es zwar regelmäßig wieder ein mit der Ermahnung dass das zu meinen Auflagen gehörte, aber wen interessierte das? Ich stieß mich vom Waschbecken ab und richtete mich auf und zwang meine Lippen zu einem Lächeln. Resigniert ließ ich meine Mundwinkel wieder sinken. Wem wollte ich was vormachen? Ich war nicht das lächelnde, giggelnde Mädchen aus dem Fernsehen. Ich war der verbrannte Mockingjay. Ich bin Katniss Everdeen, das Mädchen dass Panem zu Fall gebracht hat. Mein Blick verdunkelte sich, meine Miene wurde ernster, härter. Ich hatte mein Leben lang ums Überleben gekämpft. Wenn ich mich weiter in meinem Loch vergrub wäre all das umsonst. Mit gestrafften Schultern ging ich zurück in mein Zimmer und wühlte so lange durch meine Sachen bis ich eine einfache Hose und ein T-Shirt fand. Das war ich. Keine flatternden Kleider. Keine offenen Haare. Mit routinierten Handgriffen schnürte ich meine Jagdstiefel und zog die Alte Jacke meines Vaters vom Haken an der Garderobe. Einen Moment hielt ich vor der Tür inne, meine Hand schwebte über dem Türgriff. Nur meine Fingerspitzen zitterten. Meine Mundwinkel hoben sich zu einem grimmigen Lächeln. Noch immer konnte ich die Wut in meiner Brust spüren. Ich musste ihr Luft machen, sonst würde ich zerbersten. Fest umfasste ich den Türgriff, riss die Tür auf und knallte sie Schwungvoll hinter mir zu. Ohne zu zögern trat ich in den dichten Regen und ein helles Lachen perlte über meine Lippen. Ich schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und ließ den Regen meine Tränenspuren und die letzten Wochen einfach fort waschen. Es war warmer Sommerregen, weich und dicht. Als ich die Augen öffnete sah ich zu Peetas Haus. Ich konnte ihn in der hell erleuchteten Küche sehen, er schien zu backen. Langsam ging ich mit festen Schritten auf sein Haus zu, nur um mitten auf der Straße zu erstarren. Peeta war nicht alleine. Zwei schlanke Arme schoben sich von hinten um ihn und er hob lächelnd die Hand, die voller Glasur war. Ich sah nicht weiter hin. Die Wut auf ihn und uns und das ganze kranke Gebilde das unsere Beziehung war brodelte in meiner Brust und ich musste einen Wutschrei unterdrücken. Ich drehte mich auf dem Absatz um und begann zu rennen. Ich flog durch den Regen, niemand hielt mich auf. Das Loch im Zaun war noch immer offen und ich zwängte mich mühelos hindurch. Endlich war ich frei. Die Schrecken meines letzten Ausfluges in den Wald hatte ich nicht vergessen, doch es war heller Tag und im Moment jagten mich andere Geister. Meine Füße folgten dem Weg den ich im Schlaf gefunden hätte. Hoch zu Gales und meinem Treffpunkt. Ich lief immer schneller bis ich schließlich klatschnass und schwer atmend auf unserer Anhöhe ankam. Natürlich war er nicht hier. Ich war Mutterseelenallein. Und so begann ich zu schreien. Ich schrie sie alle an. Ich schrie Prim an weil sie mich verlassen hatte, schrie meine Mutter und meinen Vater dafür an das auch sie mich verlassen hatten als ich sie am nötigsten gebraucht hätte. Ich brüllte mir die Seele aus dem Leib. Jeden Vorwurf, jede Frage, alles was ich ihnen wie würde vorwerfen oder sagen können schrie ich in den Regen. Und dann schrie ich Peeta an. Peeta der es irgendwie geschafft hatte dass ich ihn liebte, dass ich ihn wie Luft zum Atmen brauchte und der mich jetzt verließ. Dabei lief ich auf dem Hochplateau auf und ab, gestikulierte und diskutierte mit dem Wind, dem prasselnden Regen und dem Donnergrollen. Ein Sommergewitter zog auf. Schließlich blieb nur Gale. Ich war inzwischen nass bis auf die Haut, durchgefroren und meine Lippen waren kalt und blau. Aber das war egal. Mit ihm war ich noch lange nicht fertig. Er der mich einfach verlassen hatte obwohl er mich liebte. Weil er mich liebte. Mein bester Freund der mich meiner Verzweiflung und meinen Alpträumen überlassen hatte. Wütend ballte ich die kalten Hände zu Fäusten. „Du bist nicht hier! DU SOLLTEST HIER SEIN! DU BIST MEIN BESTER FREUND VERDAMMT! ICH BRAUCHE DICH UND DU HAST MICH ALLEINE GELASSEN! DU HAST ES VERSPROCHEN! DU HAST GESCHWOREN MICH NICHT ALLEIN ZU LASSEN! WO BIST DU?!“ brüllte ich in den Wind. „Hier.“ sagte Gale und trat zwischen den letzten Bäumen hervor. Kapitel 7: Your Lips are poison, your Lips are wine --------------------------------------------------- Ich fuhr herum und erstarrte. Gale. Da stand er. Erwachsen, groß, männlich. Mein Herz machte einen so gewaltigen Satz das es gegen meinen Rippenkäfig krachte und ich sicher war mir wenigstens zwei Rippen gebrochen zu haben. Atemlos starrte ich ihn an. War er immer schon so.. so.. so männlich? „Gale~..“ wisperte ich und dann hielt uns nichts mehr. Ich sprang von dem Felsen auf dem ich gestanden hatte und er fing mich auf. Seine starken, sicheren Arme umfingen mich und ich verschwand in seiner Wärme. Sofort gruben meine Finger sich in seine dunklen Haare und unsere Lippen fanden sich hungrig. Es war wie damals, als ich so sehr gehofft hatte dass er mich nach den Hunger Games nicht hassen und verlassen würde. Auch damals war ich ihm mit diesem undefinierbaren Laut aus Lachen, Weinen und Verschlucken um den Hals gefallen. Nur das es diesmal intensiver war. Wir waren keine Kinder mehr. Und ich war noch immer so wütend auf Peeta. Und das war Gale. Mein Gale! Er war hier und er hatte mich gefunden. Immer fester gruben meine Finger sich in sein Haar, ich stand auf den Zehenspitzen und er hob mich halb vom Boden als seine Arme mich fester umfassten. Er presste mich sehnsüchtig an sich, teilte meine Lippen mit seiner Zunge und ich gab seufzend und mehr als bereitwillig nach. Er schmeckte süß, herb und nach ihm. So vertraut. Gefühle die ich nicht in Worte fassen konnte fluteten meinen Körper und ein Schwarm Schmetterlinge schoss mir durch den Magen. Ich lachte erstickt und schlang meine Arme nur enger um ihn. Keiner von uns wollte unseren längst überfälligen Kuss lösen. Irgendwann hob Gale mich wirklich hoch. Seine starken, schönen Hände schoben sich unter meine Oberschenkel und hoben mich mühelos von den Füßen. Ich schlang meine Beine um seine Mitte und ließ mich von ihm tragen, bis er mich gegen einen der breiten Baumstämme drängte und ich zwischen seinen harten Muskeln und der rauen Rinde eingeklemmt war. Atemlos und mit geschwollenen, wundgeküssten Lippen sah ich aus Sturmumwölkten Augen zu ihm auf. Mein Ausdruck spiegelte sich in seinen Augen. Er neigte den Kopf und nippte sanft an meinen Lippen, biss ganz sacht in meine Unterlippe und ich gab einen zufriedenen Katzenlaut von mir den ich noch nie gehört hatte. Meine Wangen glühten und mein Herz raste. „Du bist zurückgekommen.“ Flüsterte ich und strich noch immer ungläubig mit den Fingerspitzen über seine raue Wange. Der Dreitagebart kratzte über meine Fingerspitzen. „Ich werde immer zu dir zurückkommen.“ Raunte er dunkel. Seine Stimme schrammte über meine blank liegende Nerven wie eine raue Katzenzunge. Ich erschauderte. Offenbar war ich tatsächlich empfänglicher für männlichen Charme geworden. Oder es lag einfach daran das es Gale war. Groß und dunkel und Sicher. Noch immer lagen seine Hände unter meinen Oberschenkeln, sein Becken lag an meinem und ich spürte Stromschläge durch meinen Körper jagen. Plötzlich fragte ich mich wie weit Gale schon gegangen war. Hatte er mit anderen geschlafen? Hatte er eine echte Beziehung in Distrikt 2 gehabt? Er war alt genug und zutrauen würde ich es ihm. Welche Frau würde bei ihm nein sagen? Mit einem schaudern stellte ich fest das ich genauso wenig nein sagen würde. Dieser Gedanke ließ es in meinem Magen kribbeln und meine Finger gruben sich fester in den Kragen seiner Jacke. „Warum.“ Flüsterte ich tonlos. Ich kannte die Antwort längst. „Weil ich dich liebe.“ knurrte er und seine Miene verfinsterte sich. „Und weil Peeta ein Arschloch ist das dich nicht verdient.“ Ich musste hell auflachen und empfand beinahe so was wie kindliche Freude über Gales Eifersucht. Ich stellte mir vor wie Peeta und Gale sich als Schuljungen um mich prügelten. Zu meiner Überraschung war der Kampf recht ausgeglichen. Gale war groß und muskulös, aber Peeta war stark. Selbst in den von mir fiktiv erdachten Szenen lagen beide recht gleich auf. Ich wollte sie nicht vergleichen, wollte mich nicht entscheiden. Ich war ich, zum ersten Mal seit langem und ich hatte Gale wieder. Gale, in dessen dunklen Augen es gefährlich loderte. Ich spürte diesen Hunger der mich am Strand überfallen hatte. Nur das ich diesmal nichts und niemanden außer Gale wollte. Sein Feuer, seine Kraft und seine Willensstärke. Er war was ich gerade mehr als alles andere brauchte. Er war mein Fels an dem ich mich festhalten konnte. „Du siehst anders aus als bei dem Fest.“ Sagte er leise, löste eine Hand und zog meinen deutlich kürzeren Zopf nach vorne. „Mehr nach dir selbst.“ Sein Blick fing meinen wieder ein und wir sahen uns lange einfach nur an. Ich konnte noch immer in ihm lesen und er in mir. Wir brauchten keine Worte um zu wissen dass wir uns brauchten. „Du bist eiskalt Catnip.“ Murmelte er an meinen Lippen ehe er mich erneut küsste. „Uhum~..“ war alles was ich erwidern konnte und erneut liefen Schauer meinen Rücken hinab. Wie sollte ich seinen Kuss je in Worte fassen? Wie fasste man all diese Gefühle in Worte? Die Aufregung, das Herzrasen, die Schmetterlinge, den hungrigen Druck seiner Lippen auf meinen. Ich gab erneut hilflose, sehnsuchtsvolle Laute von mir und erwiderte den Kuss so gut ich konnte. Ich hatte Peeta so oft geküsst, da sollte man meinen ich wüsste wie man küsst. Aber Gales Küsse waren anders, roher, verzehrender. Wir wollten einander auffressen, mit Haut und Haar. Zeit spielte keine Rolle mehr, wer sollte uns auch stören? Oder suchen? Peeta war beschäftigt. Kalte Wut kochte erneut in mir hoch und ich presste meine Lippen wütend auf Gales, biss ihn fest in die Unterlippe. Sollte Peeta mit diesem blonden Mädchen glücklich werden. Ich kannte nicht mal ihren Namen. Gale schnaubte amüsiert, neckend. So wie früher. „Wenn ich dich nicht nachhause bringe kriegst du noch ne Lungenentzündung.. in deinem Zustand.“ Schmunzelte er und piekte mich schief grinsend in den flachen Bauch. „Hast Geld für drei und bekommst nichts zu essen?“ seine fein geschwungene Augenbraue hob sich und ich boxte ihn gegen die Schulter. Ich hätte genauso gut einen Felsbrocken boxen können. Es hätte denselben Effekt gehabt. Nämlich keinen. Langsam ließ er mich runter bis meine Füße den Boden wieder berührten. „Mein Haus steht leider nicht mehr. Hast du ein Gästezimmer frei?“ fragte er und ich entdeckte diese dunkle Lodern in seinem Blick. Mein Herz machte einen weiteren Satz. „Du kannst auf dem Boden vor meinem Bett schlafen.“ pampte ich demonstrativ als Strafe dafür, das er mich solange hatte warten lassen. Womit ich nicht gerecht hatte war das Gale auf Frontalangriff setzte und keine Rücksicht mehr darauf nahm ob ich etwas für Peeta empfand oder nicht. Denn anstatt einfach los zu lachen, wie früher, hob er in einer bestimmenden Geste mein Kinn an und stahl mir einen Kuss der mich Orientierungs- und Atemlos zurück ließ. Ich blinzelte benommen. Seit wann konnte Gale so küssen? Er hatte schon die ersten Schritte in Richtung Zaun gemacht als er feststellte das ich noch immer wie festgewurzelt unter unserem Baum stand. Unfähig mich zu bewegen und von seinem Kuss vollkommen aus dem Konzept gebracht. Jetzt lachte er. Warm und liebevoll. Gale kam zurück und schob seine Finger sanft zwischen meine, hauchte mir einen Kuss auf die Wange und zog so lange an meinem Arm bis ich mich in Bewegung setzte. Hand in Hand gingen wir durch den Regen zurück zum Zaun. Der Himmel war inzwischen schwarz und es donnerte. Aber das störte uns nicht. Wir waren wieder Vollständig. Denn ich war mir sicher, dass ich Gale genauso gefehlt hatte wie er mir. Meine Wangen glühten, aber ich war glücklich. Ich hatte ganz vergessen wie sich das anfühlte. Bei diesem Wetter waren nur Verrückte draußen, weshalb die Straßen leer waren und uns keine Menschenseele begegnete, auf unserem Weg zurück zu meinem Haus. Ich sah nicht zu Peetas Haus, wollte nicht wissen was dort passierte. Ich machte mir sehr viel mehr Gedanken darum was in meinem Haus passieren würde. Mit dem Schließen der Tür schlossen wir die Welt aus. Das Rauschen des Regens verblasste, wurde dumpfer, dafür wurde das Pochen meines Herzens lauter. Wir waren beide klatschnass und standen und bebend und tropfend im Flur gegenüber. Nur das schummrige Resttageslicht das noch nicht vom Gewitter verschlungen worden war erhellte den Flur. Ich konnte Gale nur Schemenhaft vor mir erkennen. Aber ich spürte ihn. Spürte seine Nähe und Präsenz so deutlich wie nie zuvor. Er hob die Hände und streifte mir die Jacke meines Vaters von den Schultern. Das Leder war schwer und komplett durchweicht. Er hängte sie an den Haken und seine daneben. Ich zitterte. Vor Kälte und Aufregung. Gale stand so dicht vor mir, wir berührten uns fast. „Komm.“ Flüsterte er und seine Hand ergriff meine. Wir gingen die Treppe hoch ins große Badezimmer, wo er mich auf dem Toilettendeckel absetzte, um aus meinem Zimmer eine Kerze zu holen. Das warme, flackernde Licht warf unwirkliche Schatten auf unsere Gesichter. Es verstärkte das Lodern in unseren Augen. Gale ging vor mir auf die Knie und begann mit ruhigen Bewegungen meine Stiefel aufzuschnüren um sie mir auszuziehen. Schließlich zerrte er sich seine schweren Stiefel ebenfalls von den Füßen. Achtlos kickte er sie in eine Ecke des Badezimmers. Ich blieb sitzen und sah zu wie er das Wasser aufdrehte und es sich heiß und dampfend in die Badewanne ergoss. Endlich kam er wieder zu mir und zog mich auf die Füße. Noch immer war der Kerl über einen Kopf größer als ich und ohne Schuhe musste ich erst recht zu ihm auf sehen. Seine Hände fingen meine ein und er schob seine Finger zwischen meine. Nachdenklich musterte er mich und unsere verschränkten Hände. Ich bebte noch immer, aber mir war nicht mehr kalt. So nah waren wir uns noch nie gewesen. Überhaupt war ich noch nie in einer solchen Situation gewesen. Nicht wirklich. Ich wusste nicht was ich denken oder fühlen, geschweige denn erwarten sollte. Aber ich wusste dass ich süchtig nach seinen Lippen war, dass sie mir halt gaben. Ich reckte mich auf die Zehenspitzen und er kam mir entgegen. Dieser Kuss war wieder anders. Unendlich sanft, liebevoll und bittersüß. Ich schmolz in seinen starken Händen, die mein Gesicht so sanft umfasst hielten. Seine Daumen strichen über meine Wange und ich seufzte glücklich. Ich liebte ihn auch, irgendwie. Er war Gale. Mein Gale, das würde er immer sein. Er gehörte mir und ja, ich wollte selbstsüchtig sein. Meine nun freien Finger suchten Halt in seinem Tank-top. In aller Seelenruhe vertiefte Gale den Kuss und löste seine Hände von meinen Wangen. Seine Finger strichen federleicht über meine Oberarme, über meine Seiten bis sie auf meinen Hüften zum Liegen kamen. Ich erschauderte als seine Daumen sich warm unter mein nasses, kaltes T-Shirt schoben und über meine eisige Haut strichen. Wieder begann ich heftiger zu zittern. Seinem Daumen folgten weitere Finger bis seine Hände mein T-Shirt weit genug hoch geschoben hatten und meine Taille umfassten. Wimmernd schob ich mich ihm sehnsüchtig entgegen. Ich wollte mehr hiervon. Aber Gale bremste mich. Sanft löste er unseren Kuss und schob mich sacht ein Stück zurück. „Wir haben Zeit.“ Kapitel 8: Your lips are poison, your Lips are wine --------------------------------------------------- You only know what I want you to I know everything you don't want me to Oh your mouth is poison, your mouth is wine Oh you think your dreams are the same as mine Oh I don't love you but I always will Katniss Ich fuhr herum und erstarrte. Gale. Da stand er. Erwachsen, groß, männlich. Mein Herz machte einen so gewaltigen Satz das es gegen meinen Rippenkäfig krachte und ich sicher war mir wenigstens zwei Rippen gebrochen zu haben. Atemlos starrte ich ihn an. War er immer schon so.. so.. so männlich? „Gale~..“ wisperte ich und dann hielt uns nichts mehr. Ich sprang von dem Felsen auf dem ich gestanden hatte und er fing mich auf. Seine starken, sicheren Arme umfingen mich und ich verschwand in seiner Wärme. Sofort gruben meine Finger sich in seine dunklen Haare und unsere Lippen fanden sich hungrig. Es war wie damals, als ich so sehr gehofft hatte dass er mich nach den Hunger Games nicht hassen und verlassen würde. Auch damals war ich ihm mit diesem undefinierbaren Laut aus Lachen, Weinen und Verschlucken um den Hals gefallen. Nur das es diesmal intensiver war. Wir waren keine Kinder mehr. Und ich war noch immer so wütend auf Peeta. Und das war Gale. Mein Gale! Er war hier und er hatte mich gefunden. Immer fester gruben meine Finger sich in sein Haar, ich stand auf den Zehenspitzen und er hob mich halb vom Boden als seine Arme mich fester umfassten. Er presste mich sehnsüchtig an sich, teilte meine Lippen mit seiner Zunge und ich gab seufzend und mehr als bereitwillig nach. Er schmeckte süß, herb und nach ihm. So vertraut. Gefühle die ich nicht in Worte fassen konnte fluteten meinen Körper und ein Schwarm Schmetterlinge schoss mir durch den Magen. Ich lachte erstickt und schlang meine Arme nur enger um ihn. Keiner von uns wollte unseren längst überfälligen Kuss lösen. Irgendwann hob Gale mich wirklich hoch. Seine starken, schönen Hände schoben sich unter meine Oberschenkel und hoben mich mühelos von den Füßen. Ich schlang meine Beine um seine Mitte und ließ mich von ihm tragen, bis er mich gegen einen der breiten Baumstämme drängte und ich zwischen seinen harten Muskeln und der rauen Rinde eingeklemmt war. Atemlos und mit geschwollenen, wundgeküssten Lippen sah ich aus Sturmumwölkten Augen zu ihm auf. Mein Ausdruck spiegelte sich in seinen Augen. Er neigte den Kopf und nippte sanft an meinen Lippen, biss ganz sacht in meine Unterlippe und ich gab einen zufriedenen Katzenlaut von mir den ich noch nie gehört hatte. Meine Wangen glühten und mein Herz raste. „Du bist zurückgekommen.“ Flüsterte ich und strich noch immer ungläubig mit den Fingerspitzen über seine raue Wange. Der Dreitagebart kratzte über meine Fingerspitzen. „Ich werde immer zu dir zurückkommen.“ Raunte er dunkel. Seine Stimme schrammte über meine blank liegende Nerven wie eine raue Katzenzunge. Ich erschauderte. Offenbar war ich tatsächlich empfänglicher für männlichen Charme geworden. Oder es lag einfach daran das es Gale war. Groß und dunkel und Sicher. Noch immer lagen seine Hände unter meinen Oberschenkeln, sein Becken lag an meinem und ich spürte Stromschläge durch meinen Körper jagen. Plötzlich fragte ich mich wie weit Gale schon gegangen war. Hatte er mit anderen geschlafen? Hatte er eine echte Beziehung in Distrikt 2 gehabt? Er war alt genug und zutrauen würde ich es ihm. Welche Frau würde bei ihm nein sagen? Mit einem schaudern stellte ich fest das ich genauso wenig nein sagen würde. Dieser Gedanke ließ es in meinem Magen kribbeln und meine Finger gruben sich fester in den Kragen seiner Jacke. „Warum.“ Flüsterte ich tonlos. Ich kannte die Antwort längst. „Weil ich dich liebe.“ knurrte er und seine Miene verfinsterte sich. „Und weil Peeta ein Arschloch ist das dich nicht verdient.“ Ich musste hell auflachen und empfand beinahe so was wie kindliche Freude über Gales Eifersucht. Ich stellte mir vor wie Peeta und Gale sich als Schuljungen um mich prügelten. Zu meiner Überraschung war der Kampf recht ausgeglichen. Gale war groß und muskulös, aber Peeta war stark. Selbst in den von mir fiktiv erdachten Szenen lagen beide recht gleich auf. Ich wollte sie nicht vergleichen, wollte mich nicht entscheiden. Ich war ich, zum ersten Mal seit langem und ich hatte Gale wieder. Gale, in dessen dunklen Augen es gefährlich loderte. Ich spürte diesen Hunger der mich am Strand überfallen hatte. Nur das ich diesmal nichts und niemanden außer Gale wollte. Sein Feuer, seine Kraft und seine Willensstärke. Er war was ich gerade mehr als alles andere brauchte. Er war mein Fels an dem ich mich festhalten konnte. „Du siehst anders aus als bei dem Fest.“ Sagte er leise, löste eine Hand und zog meinen deutlich kürzeren Zopf nach vorne. „Mehr nach dir selbst.“ Sein Blick fing meinen wieder ein und wir sahen uns lange einfach nur an. Ich konnte noch immer in ihm lesen und er in mir. Wir brauchten keine Worte um zu wissen dass wir uns brauchten. „Du bist eiskalt Catnip.“ Murmelte er an meinen Lippen ehe er mich erneut küsste. „Uhum~..“ war alles was ich erwidern konnte und erneut liefen Schauer meinen Rücken hinab. Wie sollte ich seinen Kuss je in Worte fassen? Wie fasste man all diese Gefühle in Worte? Die Aufregung, das Herzrasen, die Schmetterlinge, den hungrigen Druck seiner Lippen auf meinen. Ich gab erneut hilflose, sehnsuchtsvolle Laute von mir und erwiderte den Kuss so gut ich konnte. Ich hatte Peeta so oft geküsst, da sollte man meinen ich wüsste wie man küsst. Aber Gales Küsse waren anders, roher, verzehrender. Wir wollten einander auffressen, mit Haut und Haar. Zeit spielte keine Rolle mehr, wer sollte uns auch stören? Oder suchen? Peeta war beschäftigt. Kalte Wut kochte erneut in mir hoch und ich presste meine Lippen wütend auf Gales, biss ihn fest in die Unterlippe. Sollte Peeta mit diesem blonden Mädchen glücklich werden. Ich kannte nicht mal ihren Namen. Gale schnaubte amüsiert, neckend. So wie früher. „Wenn ich dich nicht nachhause bringe kriegst du noch ne Lungenentzündung.. in deinem Zustand.“ Schmunzelte er und piekte mich schief grinsend in den flachen Bauch. „Hast Geld für drei und bekommst nichts zu essen?“ seine fein geschwungene Augenbraue hob sich und ich boxte ihn gegen die Schulter. Ich hätte genauso gut einen Felsbrocken boxen können. Es hätte denselben Effekt gehabt. Nämlich keinen. Langsam ließ er mich runter bis meine Füße den Boden wieder berührten. „Mein Haus steht leider nicht mehr. Hast du ein Gästezimmer frei?“ fragte er und ich entdeckte diese dunkle Lodern in seinem Blick. Mein Herz machte einen weiteren Satz. „Du kannst auf dem Boden vor meinem Bett schlafen.“ pampte ich demonstrativ als Strafe dafür, das er mich solange hatte warten lassen. Womit ich nicht gerecht hatte war das Gale auf Frontalangriff setzte und keine Rücksicht mehr darauf nahm ob ich etwas für Peeta empfand oder nicht. Denn anstatt einfach los zu lachen, wie früher, hob er in einer bestimmenden Geste mein Kinn an und stahl mir einen Kuss der mich Orientierungs- und Atemlos zurück ließ. Ich blinzelte benommen. Seit wann konnte Gale so küssen? Er hatte schon die ersten Schritte in Richtung Zaun gemacht als er feststellte das ich noch immer wie festgewurzelt unter unserem Baum stand. Unfähig mich zu bewegen und von seinem Kuss vollkommen aus dem Konzept gebracht. Jetzt lachte er. Warm und liebevoll. Gale kam zurück und schob seine Finger sanft zwischen meine, hauchte mir einen Kuss auf die Wange und zog so lange an meinem Arm bis ich mich in Bewegung setzte. Hand in Hand gingen wir durch den Regen zurück zum Zaun. Der Himmel war inzwischen schwarz und es donnerte. Aber das störte uns nicht. Wir waren wieder Vollständig. Denn ich war mir sicher, dass ich Gale genauso gefehlt hatte wie er mir. Meine Wangen glühten, aber ich war glücklich. Ich hatte ganz vergessen wie sich das anfühlte. Bei diesem Wetter waren nur Verrückte draußen, weshalb die Straßen leer waren und uns keine Menschenseele begegnete, auf unserem Weg zurück zu meinem Haus. Ich sah nicht zu Peetas Haus, wollte nicht wissen was dort passierte. Ich machte mir sehr viel mehr Gedanken darum was in meinem Haus passieren würde. Mit dem Schließen der Tür schlossen wir die Welt aus. Das Rauschen des Regens verblasste, wurde dumpfer, dafür wurde das Pochen meines Herzens lauter. Wir waren beide klatschnass und standen und bebend und tropfend im Flur gegenüber. Nur das schummrige Resttageslicht das noch nicht vom Gewitter verschlungen worden war erhellte den Flur. Ich konnte Gale nur Schemenhaft vor mir erkennen. Aber ich spürte ihn. Spürte seine Nähe und Präsenz so deutlich wie nie zuvor. Er hob die Hände und streifte mir die Jacke meines Vaters von den Schultern. Das Leder war schwer und komplett durchweicht. Er hängte sie an den Haken und seine daneben. Ich zitterte. Vor Kälte und Aufregung. Gale stand so dicht vor mir, wir berührten uns fast. „Komm.“ Flüsterte er und seine Hand ergriff meine. Wir gingen die Treppe hoch ins große Badezimmer, wo er mich auf dem Toilettendeckel absetzte, um aus meinem Zimmer eine Kerze zu holen. Das warme, flackernde Licht warf unwirkliche Schatten auf unsere Gesichter. Es verstärkte das Lodern in unseren Augen. Gale ging vor mir auf die Knie und begann mit ruhigen Bewegungen meine Stiefel aufzuschnüren um sie mir auszuziehen. Schließlich zerrte er sich seine schweren Stiefel ebenfalls von den Füßen. Achtlos kickte er sie in eine Ecke des Badezimmers. Ich blieb sitzen und sah zu wie er das Wasser aufdrehte und es sich heiß und dampfend in die Badewanne ergoss. Endlich kam er wieder zu mir und zog mich auf die Füße. Noch immer war der Kerl über einen Kopf größer als ich und ohne Schuhe musste ich erst recht zu ihm auf sehen. Seine Hände fingen meine ein und er schob seine Finger zwischen meine. Nachdenklich musterte er mich und unsere verschränkten Hände. Ich bebte noch immer, aber mir war nicht mehr kalt. So nah waren wir uns noch nie gewesen. Überhaupt war ich noch nie in einer solchen Situation gewesen. Nicht wirklich. Ich wusste nicht was ich denken oder fühlen, geschweige denn erwarten sollte. Aber ich wusste dass ich süchtig nach seinen Lippen war, dass sie mir halt gaben. Ich reckte mich auf die Zehenspitzen und er kam mir entgegen. Dieser Kuss war wieder anders. Unendlich sanft, liebevoll und bittersüß. Ich schmolz in seinen starken Händen, die mein Gesicht so sanft umfasst hielten. Seine Daumen strichen über meine Wange und ich seufzte glücklich. Ich liebte ihn auch, irgendwie. Er war Gale. Mein Gale, das würde er immer sein. Er gehörte mir und ja, ich wollte selbstsüchtig sein. Meine nun freien Finger suchten Halt in seinem Tank-top. In aller Seelenruhe vertiefte Gale den Kuss und löste seine Hände von meinen Wangen. Seine Finger strichen federleicht über meine Oberarme, über meine Seiten bis sie auf meinen Hüften zum Liegen kamen. Ich erschauderte als seine Daumen sich warm unter mein nasses, kaltes T-Shirt schoben und über meine eisige Haut strichen. Wieder begann ich heftiger zu zittern. Seinem Daumen folgten weitere Finger bis seine Hände mein T-Shirt weit genug hoch geschoben hatten und meine Taille umfassten. Wimmernd schob ich mich ihm sehnsüchtig entgegen. Ich wollte mehr hiervon. Aber Gale bremste mich. Sanft löste er unseren Kuss und schob mich sacht ein Stück zurück. „Wir haben Zeit.“ Kapitel 9: The only ------------------- Don't stand by my window Don't knock on my door Don't ever enter my chambers Don't you bother coming by anymore Leave me alone with my fever Leave me alone with my flee Leave me alone where you left me Leave me alone with my warmth They won't let me go no They can't let me I know They won't let me walk no And I'm not the only They can't let us go no They won't let me I know And don't chase the night that is leaving Don't chase a life that is lost Stay on your side, I got reason To be alone with my warmth They won't let me go no They can't let me I know They won't let me walk no Katniss Ich ließ meine Hände langsam sinken und sah zu ihm auf. Noch immer schlug mir das Herz bis zum Hals, aber etwas in mir wehrte sich. Eine Stimme schrie in meinem Kopf, hämmerte gegen die Innenwände meines Brustkorbs. Ich machte einen Schritt zurück, zerwühlt, wundgeküsst, aber unverletzt. Gale lächelte traurig und verschränkte die Arme vor der Brust. „Im Grunde willst du doch gar nicht dass ich es bin.“ Sagte er warm und neckend. Wie hatte ich diesen Menschen nur verdient? Selbst jetzt, wo ich zitternd, nass und mehr als bereit vor ihm stand war er es der mich daran hinderte etwas zu tun was ich mein Leben lang bereut hätte. Gale zog mich wieder in seine Arme, aber diesmal umarmte er mich nur. Ich lehnte meinen Kopf an seine Brust und schloss die Augen. „Es tut mir so leid Gale..“ flüsterte ich und spürte das er lächelte. „Ich weiß. Ich würde es auch vorziehen das du mich liebst. Aber das tust du nicht. Ich habe es gesehen.“ Hätte ich mir je einen großen Bruder gewünscht, er hätte so wie Gale sein müssen. „Ist es falsch dass ich dich trotzdem behalten will?“ fragte ich leise und er lachte. Sein Lachen vibrierte tief in seiner Brust. „Ist es. So falsch wie nur irgendwas.“ Grinste er und ich boxte ihn halbherzig. „Aber wie hätte ich dich hier alleine lassen können während Peeta..“ seine Stimme wurde dunkler. Ich spürte die kontrollierte Wut. Seufzend vergrub ich die Nase an seinem Hals und wollte einfach hier stehen bleiben. Neben mir lief die Wanne jedoch fast über und ich war noch immer nass und kalt. „Geh baden Katniss, ich sehe mal ob ich was zu essen finde.“ Er löste sich von mir und ging mit diesem traurigen Lächeln auf den Lippen nach unten. Ich schloss die Tür hinter ihm und zog mich aus. Vorsichtig stieg ich in die Wanne und sank bis zur Nasenspitze in das warme, samtweiche Wasser. Gale war zurückgekommen obwohl er wusste dass ich Peeta wählen würde, das ich IMMER Peeta wählen würde. Und obwohl er wusste wie weh ich ihm damit tun würde war er zu mir gefahren, hatte mich in strömendem Regen im Wald gesucht und gefunden, weil er mich besser kannte als jeder andere Mensch auf diesem Planeten. Stumm begann ich zu weinen. Ich weinte um das was Gale und ich hätte haben können und nie haben würde. Ich weinte um eine Zukunft die es einmal gab und nie wieder geben könnte, denn ich liebte Peeta. Egal wie wütend und verletzt ich war. Und das was ich eben verspürt hatte, die Sehnsucht, das Verlangen.. das galt nicht Gale. Er war nur Mittel zum Zweck, war zur falschen Zeit am falschen Ort und dabei doch absolut zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Es war so schrecklich verzwickt mit Gale. Ich liebte ihn wirklich, so wie ich Prim geliebt hatte. Er war ein Mensch den ich in meinem Leben wissen wollte, den ich beschützen wollte. Aber das würde nie reichen. Und noch während ich in meiner Badewanne saß und die Kälte meine Glieder verließ wurde mir klar das Gale nicht bleiben würde. Dass er nur hier war weil er aus den wenigen Ausschnitten im Fernsehen abgelesen hatte wie sehr ich ihn brauchte. Gale war ein weitaus besserer Mensch als man ihm zugestand, als ich ihm zugestand. Ich biss mir auf die Unterlippe. Ob er gehört hatte wie ich Prim anschrie im Wald? Ich hatte heraus geschrien dass es seine verfluchten Bomben waren. Ich hatte es nicht vergessen aber ich wusste dass es für ihn sehr viel härter war als für mich. Er würde sich sein Leben lang fragen müssen ob er in seinem blinden Vergeltungswahn die Waffe erfunden hatte die meine kleine Schwester tötete. Vielleicht sollte ich ihm sagen dass ich ihm längst keine Schuld mehr daran gab. Denn selbst wenn er sie erfunden hatte, nicht er war es der sie in die Capitol ließ und sie zu den Kindern geschickt hatte. Ich tauchte unter um alle Geräusche auszublenden. Dumpfe stille umfing mich. Mein Herzschlag wummerte laut und gleichmäßig in meinen Ohren. Ich öffnete die Augen unter Wasser und sah zur Wasseroberfläche auf. Plötzlich beugte sich Prim, verbrannt, blutend und verstümmelt, über mich. Ich fuhr hoch und japste nach Luft. Erstickt begann ich zu schluchzen und vergrub das Gesicht in den Händen. „Katniss?“ fragte Gale leise hinter der Tür. „Es geht mir gut..“ wimmerte ich schniefend und hörte sein typisches Schnauben. Er glaubte mir natürlich kein Wort. Trotzdem kam er nicht rein. Mühsam drückte ich mich hoch und stieg zittrig, auf wackeligen Beinen aus der Badewanne. Schnell wickelte sich ein dickes, weiches Handtuch um mich, das meinen schmalen Körper mühelos umhüllte. Ich öffnete die Tür und da stand er. Er hatte sich umgezogen und notdürftig die Haare trocken gerubbelt. Gale sah mich musternd an, seine Augen verengten sich für einen Moment, dann wich die Farbe aus seinem Gesicht und Schmerz erfüllte seine Augen. „Prim.“ Flüsterte er und ich nickte hilflos. Diesmal hielten wir einander fest. Nach meinem Attentat auf Coin und dem was folgte waren wir nie dazu gekommen wirklich gemeinsam zu trauern. Das holten wir jetzt nach. Wir lagen auf meinem Bett, ich hatte mich in seinen Armen zusammen gerollt und weinte an seiner Brust während er mich fest hielt und ich spürte wie auch er immer wieder von stummen Schluchzern geschüttelt wurde. „Du konntest nichts dafür..“ schniefte ich und meine Finger krallten sich in sein Shirt. „Doch Katniss, konnte ich. Und du hast es gesehen. Du hast gesehen dass das was Beetee und ich dort fabrizierten falsch war.“ Sagte er bitter und vergrub die Nase in meinem feuchten Haar. Draußen rauschte noch immer der Regen. In dieser Nacht träumte ich von Prim. Von dem grauenhaften Moment als sie mich erkannte, Sekunden bevor sie in Flammen aufging. Doch als ich diesmal schreiend aufwachte waren Gales Arme da um mich zu halten. Er hielt mich fest und mir wurde wieder bewusst wie schmerzlich mit Peetas Arme fehlten. Gale war Sicher, er war so groß und breit das ich mir winzig in seinen Armen vorkam. Aber Peetas Arme waren wie für mich gemacht. Ich fühlte mich in seinen Armen nicht nur sicher, ich war zuhause. Weinend lag ich da und wartete auf die Dämmerung. Wenn ich tagsüber schlief waren die Alpträume weniger schlimm. Gegen fünf Uhr hörte der Regen auf und der Horizont wurde heller. Gale deckte mich mit einer leichten Decke zu, ich war schließlich noch immer nackt unter meinem großen Handtuch. Es war tröstlich ihn so nah zu haben. Ich wusste es war mehr als falsch seine Nähe so auszunutzen aber, wer würde das nicht in meiner Situation. Irgendwann musste ich wieder eingeschlafen sein, denn als ich wach wurde lag ich in einem meiner Nachthemden und gut verpackt in meinem Bett und Cinna stand an meiner Kommode. Er räumte neue Sachen in eine der Schubladen. „Was tust du da?“ fragte ich leise und musste mich räuspern. Offenbar war ich im Wald kälter geworden als vermutet. Mein Hals kratzte und tat weh. „Ich habe dir deine neuen Sachen gebracht. Jetzt wo du dich nicht länger versteckst und verstellst dachte ich mir es wäre an der Zeit die neue Katniss Everdeen hervor zu kitzeln.“ Schmunzelte er und setzte sich neben mich auf die Bettkante. Seine kühle Hand fuhr über meine Stirn. „Du glühst.. ein Glück das Gale dich gefunden hat.“ Lächelte Cinna und ich runzelte die Stirn. Ich glühte? Wie lange hatte ich geschlafen? Ich erinnerte mich an nichts. „Wieso..?“ plötzlich spürte ich diese vertraute, bleierne Schwere. „Ihr habt mir Sirup eingeflößt?“ fragte ich verblüfft und hob die Augenbrauen. Aua. „Du bist nicht mehr aufgewacht und Gale hat mich angerufen. Du hattest sehr hohes Fieber und wir hielten es für besser deinem Körper Ruhe zu gönnen.“ Erklärte er ruhig und ich nickte langsam. Mein Körper fühlte sich taub und schwer an. „Wo ist Gale?“ fragte ich leise und drehte den Kopf, ich konnte ihn weder sehen noch konnte ich jemanden im Haus hören. „Er ist bei seiner Mutter. Sie hat dir starke Brühe gekocht. Versuch noch ein wenig zu schlafen.“ Und das tat ich. Denn ich hatte keine Alpträume und ich fühlte mich nicht fremd in meinem Körper. Gale hatte die Scherben zusammen gefegt und sie vorsichtig wieder zusammengesetzt. Mein Innerstes war kein einziger Trümmerhaufen mehr. Ich würde ihm dafür auf ewig etwas schuldig sein. Es war früher Abend als ich das nächste Mal aufwachte. Diesmal von Stimmen. Zwei mir sehr vertrauten Stimmen. Ich erstarrte und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Peeta und Gale. Trotzige Wut brodelte in meinem müden Schädel hoch. Auf einmal tauchte Peeta auf? Hatte er gehört dass ich Fieber hatte? Es hatte ihn doch vorher schon nicht interessiert. Ich zerrte an meiner Bettdecke herum bis ich mich befreit hatte und schob meine nackten Füße auf den warmen Holzboden. Ich musste einen Moment sitzen bleiben und warten bis mein Zimmer aufhörte sich zu drehen. Wankend kam ich auf die Füße und tappte schwankend Richtung Tür. Mir war schwindelig, aber ich wollte hören was die beiden sagten. Ich schaffte es leise bis an den Treppenansatz und ließ mich auf der obersten Stufe nieder. „..wie kommst du darauf das ich es ihr geben würde?“ sagte Gale gerade und ich beugte mich vor um einen Blick auf die beiden in der Tür zu erhaschen. Peeta hielt eines seiner herrlichen Brote. „Weil du genauso wie ich weißt das sie es braucht und weil es nur ein Geschenk ist.“ Peeta klang wie er selbst und das tat umso mehr weh. Nur ein Geschenk.. ich schob die Arme um meine Brust. Ich wollte zu ihm. Ich wollte das Gale ihn rein ließ und.. ja und was? Das er wieder distanziert war? Mir erneut weh tat? Mir erzählte dass er jetzt mit diesem Mädchen zusammen war? Meine Unterlippe bebte. „Ich habe sie dir anvertraut. Ich habe sie für dich aufgegeben, weil sie sich für dich entschieden hat. Und alles was dir dazu einfällt ist ihr das Herz zu brechen und dir eine neue zu suchen?“ fuhr Gale Peeta an und ich spürte dass das Ganze zu eskalieren drohte. „Nein Gale, du bist abgehauen und hast sie mir überlassen damit ich mit dem was von ihr übrig ist klar komme. Du hast sie nicht gesehen. Du hast nicht gesehen wie kaputt und fremd sie war. Und du wachst nicht nach jeder Begegnung mit ihr von Träumen auf in denen ihr verstümmelter Körper dich umbringen will. Erzähl mir nichts von dem was DU aufgegeben hast! Ich habe ALLES für sie aufgegeben! IMMER!“ fuhr Peeta ihn an und ich spürte wie eine Mischung aus Sehnsucht und Wut in mir aufkochte. Gale ließ das natürlich nicht auf sich sitzen. „Du kennst sie nicht wenn du ernsthaft nicht gesehen hast dass sie noch immer sie selbst ist. Das sie dich braucht! Sie braucht dich mehr als sie mich je brauchen wird! Ich bin ein billiger, schlechter Ersatz für dich. Für all das was du ihr verwehrst. Die haben mit deinem Verstand gespielt? Aber nicht mit deinem Herzen. Ich schwöre dir Peeta, wenn du ihr noch einmal das Herz brichst, breche ich dir alle Knoche.“ Drohte Gale dunkel. Ich zog mich am Geländer hoch und kämpfte mich auf wackeligen Beinen die Treppe runter. Erst als ich auf den letzten Stufen stolperte und mich festhalten musste wurden die beiden auf mich aufmerksam. Und zum ersten Mal sah ich das sie exakt den selben Ausdruck hatten als sie mich sahen. Schmerz, Sehnsucht, Sorge. „Hört auf.“ Sagte ich mit all dem was von meiner Würde übrig war. Ich kam in meinem leichten Nachthemd und wirren Haaren auf die Liebe meines Lebens und meinen besten Freund zu. Wieso musste ich solche Gespräche immer im Nachthemd führen? Peeta hielt einen noch dampfenden Laib Brot in der Hand und der Duft ließ Tränen in mir aufsteigen. Dann erinnerte ich mich dass er noch vor ein paar Tagen mit dem anderen Mädchen gebacken hatte. „Katniss..“ sagte er und die Art wie er meinen Namen sagte durchbohrte mich. Ich konnte die Tränen nicht zurück halten. „Was willst du hier?“ fuhr ich ihn an, es sollte bedrohend, wütend klingen aber alles was über meine Lippen kam war meine bebende, von Tränen belegte Stimme. „Ich-..“ setzte er an doch ich schnitt ihm das Wort ab. Tränen schwammen in meinen Augen und ich sah ihn nur noch verschwommen. Sah seine tief blauen Augen in denen sich so vieles abspielte das ich nicht entschlüsseln konnte. „DU HAST MICH VERLASSEN! PEETA DU WARST ES DER MICH VERLASSEN HAT!“ schrie ich ihn schluchzend an und riss ihm das Brot aus der Hand um es ihm an den Kopf zu werfen. Was schief ging, da ich kaum die Kraft hatte den Brotlaib zu heben. So landete es an seiner Brust und er sah mich aus diesen undeutbar blauen Augen an. Ich wollte doch nur ihn.. Snow hatte ihn mir tatsächlich gestohlen. Nichts war vorbei. Gar nichts. Vermutlich würde ich den Rest meines Lebens einsam verbringen weil Snow noch nach seinem Tod mein Leben zerstörte. Ich sah ihn vor mir, wie er den Kopf schüttelte. Ich hatte ihn nicht davon überzeugt das ich Peeta liebte. Ich wollte ihn wieder haben! Ich wollte.. ich wollte so viel. Und vor allem wollte ich ihn. Also tat ich was ich immer tat wenn ich nicht in Worte fassen konnte was ich ihm sagen wollte. Ich grub meine Hände in Peetas Hemdkragen und zog mich an ihm hoch, presste meine Lippen verzweifelt auf seine. Ehe er den Kuss erwidern konnte stieß ich ihn von mir, schlug die Tür zu und brach weinend zusammen. Kapitel 10: Possibility ----------------------- There's a possibility All I gon' get is gon' be yours then All I gon' get is gon' be yours still So tell me when you hear my heart stop You're the only one that knows Tell me when you hear my silence There's a possibility I wouldn't know Read more: LYKKE LI - POSSIBILITY LYRICS Peeta Meine Genugtuung verpuffte so schnell wie sie gekommen war. Ich hatte Katniss zerbrochen. Erneut. Es klirrte noch immer in meinen Ohren und was auch immer mich dazu bewogen hatte ihr so weh zu tun kam mir falscher vor denn je. Bekka zog mich sacht an der Hand aus der Menschenmenge, weg von den Kameras die mich offenbar in der Menge suchten. Wir blieben hinter einem der Häuser stehen und sie sah mit traurigem Blick auf unsere verschränkten Hände. Ich konnte nichts sagen. Ich lehnte mit abwesendem Blick an der Hauswand und spürte das Loch in meinem Herzen. Meine freie Hand grub sich in das Holz hinter mir, ich musste mich festhalten. Langsam verhärtete sich meine Miene. „Du wirst mich nie so ansehen.“ sagte Bekka leise und ich hätte ihr gerne widersprochen, aber ich konnte nicht. Also sah ich sie einfach nur bedauernd an. „Das ist okay.“ sie lächelte tapfer und hauchte mir einen Kuss auf die Lippen. „Ich wusste dass du nie mir gehören würdest.“ Ihre Stimme war traurig aber nicht vorwurfsvoll. Sanft strichen ihre Hände mein Hemd an der Brust glatt. „Es war ein schöner Traum.. aber wir müssen wohl beide aufwachen.“ Ihre Veilchenblauen Augen verschwammen und ich hätte mich Ohrfeigen können. „Nein, sieh mich nicht so an Peeta. Ich wusste doch dass du nur sie liebst. Du bist ein wundervoller Mensch und wir in Distrikt 8 wissen alle was man dir angetan hat. Ich war in Distrikt 13 als du befreit wurdest, ich habe Katniss danach gesehen und.. und dann später auch dich. Aber du warst immer unter Beobachtung und du warst so anders als der Junge den ich im Fernsehen gesehen hatte.“ Ihre Fingerspitzen fuhren unter meinen Kragen und sie musterte eingehend den obersten Knopf meines Hemdes. „Weißt du ich war nicht die Einzige die in dich verliebt war. Wir waren alle in dich verliebt und wir wollten alle Katniss sein. Aber keine von uns ist Katniss und das weißt du auch. Es war schön dass ich für ein paar Wochen sie sein durfte.“ Ihr Blick hob sich und sie lächelte schief, traurig aber nach wie vor ohne jeden Vorwurf. „Aber es kann nur eine geben. Und eines Tages wirst auch du das wieder wissen. Bis dahin wäre ich gern deine Freundin aber nicht mehr. Jeder Mensch braucht Freunde und ich glaube das gerade du Menschen um dich brauchst die dich daran erinnern wer du wirklich bist. Dieser wundervolle, gute, liebevolle Mann der alles für die Liebe seines Lebens tun würde.“ Ihre Worte trafen mich tiefer als ich je in Worte hätte fassen können. Ich hatte Bekkas Freundschaft nicht verdient, schließlich hatte ich sie tatsächlich nur benutzt um.. um was? Mir Gewissheit über etwas zu verschaffen, das ich längst wusste? Meine Gedanken, mein Herz, mein Körper, mein ganzes Leben war so übervoll von Katniss. Ich hatte diese Pause gebraucht. Und wenn ich ehrlich war wollte ich noch nicht das sie vorbei war. Denn ich hatte Angst. Angst in einem Ausmaß das man sich kaum vorstellen kann. Angst meine Augen zu schließen, Angst ins Bett zu gehen und aufzuwachen. Ich sah sie überall, hatte Blackouts, Erinnerungsfetzen die mich in die Knie zwangen, Alpträume und Visionen die es mir so schwer machten mich nicht weiterhin mit Morphium zu betäuben und in einer Ecke zu verkriechen. Mir ging es doch im Grunde nicht besser als Katniss. Aber anstatt ihr beizustehen, anstatt all das gemeinsam mit ihr zu überleben hatte ich in einem Anflug reinsten Egoismus den wichtigsten Menschen aus meinem Leben getreten. Ich musste mir mit beiden Händen übers Gesicht fahren und seufzte tief. Wie sollte ich mich ihr nähern, wenn ich doch wusste was sie mit meinem Verstand machte? All die Barrieren die ich errichtete, alle Schutzwälle gegen die Alpträume und Halluzinationen die ich mir mühsam erarbeitete riss sie mit einem Blick aus diesen unglaublichen Augen nieder. Ich hatte Katniss nichts entgegen zu setzen. Das hatte ich noch nie. Die Art wie sie mich eben angesehen hatte, so verletzt, so hilflos und.. Schuld begrub mich und ich rutschte an der Hauswand zu Boden bis ich saß und die Arme auf meine Knie legen konnte. Bekka setzte sich neben mich und begann aus den um uns herum wachsenden Gänseblümchen einen Kranz zu flechten. Lange saßen wir so da, bis es dunkel wurde und das Fest immer lauter und ausgelassener. „Ich wollte dir das Fest nicht verderben.“ Sagte ich schließlich leise und Bekka sah von ihrem bestimmt zehnten Kranz auf. „Das hast du nicht. Weißt du, ich glaube du unterschätzt was du alles kannst und wie stark du eigentlich bist.“ Bekka hatte eine Art Dinge auf den Punkt zu bringen, das mir ganz anders wurde. Hinter diesen Veilchenaugen steckte ein wirklich besonderer Mensch und ich war dabei ihr das Herz zu brechen. Tat ich eigentlich noch irgendetwas anderes außer Menschen die mir wichtig waren das Herz zu brechen? Ich fühlte mich elend und schuldig. „Es war trotzdem nicht fair von mir Bekka.“ Sagte ich leise und sah sie entschuldigend an. Bekka lächelte nur geheimnisvoll und legte mir einen der Kränze auf den Kopf. „Du bist schon ein seltsamer Mensch Peeta Mellark. Ich glaube du kannst dich am schlechtesten von allen einschätzen und ich glaube dass es das ist was dich und Katniss so sehr verbindet. Ihr habt beide keine Ahnung wie ihr wirkt und was ihr alles könnt. Du wusstest es mal.. am Anfang bei den Hunger Games.“ Sie legte ihre Hand flach über mein Herz. „All das ist noch da. Deine Wortgewandtheit, dein Charme, deine Stärke.. aber ich bin nicht die, die es dir zurückgeben kann. Ich wüschte ich wäre es.“ Seufzte sie und lehnte ihren Kopf an meine Schulter. „Ich werde mich damit begnügen dich kennen zu dürfen und das ich dich küssen durfte.“ Sie kicherte süß und liebevoll. „Du bist ein bemerkenswert guter Küsser, kein Wunder das sie dich zurück will.“ Schmunzelte Bekka und ich konnte nicht begreifen wie sie all das so einfach hinnehmen konnte. Es war beinahe so als täte ihr Katniss leid, als würde sie sich wünschen, Katniss und ich würden wieder zusammen kommen. „Bekka wieso tust du das? Du hättest jedes Recht mich zu hassen. Und Katniss.“ Offenbar überraschte sie das denn sie hob den Kopf und sah mich mit gerunzelter Stirn an. „Warum sollte ich das? Ganz Panem hat mit angesehen wie ihr euch ineinander verliebt habt und dann wie man euch einander weggenommen hat. Du bist Peeta Mellark, der Mann der uns den Mockingjay geschenkt hat und sie ist ein Vogel ohne Flügel ohne dich.“ Es klang so einfach aus ihrem Mund. Und doch drohte das Gewicht mich zu erdrücken. Ich stöhnte überfordert und rieb mir fest mit den Daumen über die Augen. Ich war bereit gewesen mein Leben für Katniss zu opfern. Immer. Und sie hatte mich beschützt, soweit sie es konnte. Unendliche Schuldgefühle überrollten mich als ich an unsere erste Begegnung nach meiner Befreiung dachte. Erst jetzt wurde mir das volle Ausmaß ihres Entsetzens bewusst. Unser Gespräch in meiner Zelle, als ich noch kaum auseinander halten konnte was wirklich war und was nicht. Ich konnte sie endlich sehen. Ich musste sie sehen. „Bekka, soll ich dich noch nachhause bringen?“ fragte ich und stand auf, hielt ihr meine Hand entgegen um sie auf die Füße zu ziehen. „Nein das brauchst du nicht, ich werde gleich tanzen gehen und du solltest nachhause gehen und dich mit ihr beschäftigen. Sie wird dich finden. Du solltest keine Angst davor haben, sie weiß wo du bist.“ Ich verließ Bekka und machte mich auf den Weg nachhause. Ich sah Haymitch der dabei war Katniss Tür wieder in die Angeln zu setzen. Offenbar hatten er und Cinna die Tür aufgebrochen. Ich vermied es ihn anzusehen und verschwand in mein Haus. Sofort trugen meine Füße mich nach oben in mein Schlafzimmer und ich zerrte den Laptop hervor den ich von Dr. Aurelius bekommen hatte. Darauf waren alle Bänder aus den Arenen, alle Aufzeichnungen von Katniss und alle Aufzeichnungen aus meiner Zelle während meiner ‘Therapie‘. Ich suchte die Dateien durch bis ich das Datum fand nach dem ich suchte. Unsere erste Begegnung nachdem ich nicht mehr überzeugt war sie wäre ein im Reagenzglas gezüchtetes Monster. Mein Herz schlug mir fest in der Brust und ich musste mir eingestehen das ich wirklich Angst vor dem hatte was ich sehen würde. Das Video begann. Ich sah mich mager, blass und mit Ringen unter den Augen auf dem Krankenbett liegen. Ich erinnerte mich, dass es etwa Mitternacht war. Meine Arme waren mit mehreren Riemen ans Bett gefesselt. Ich vergrößerte das Bild und musterte meinen Ausdruck. Keine Spur von mir selbst, Verwirrung, Misstrauen. Meine Brust hob und senkte sich schwer, zu diesem Zeitpunkt war ich noch immer nicht überzeugt dass Katniss nicht doch eine kranke Erfindung von Snow war. Die Tür öffnete sich und Katniss betrat meine Zelle. Sie wirkte unendlich verloren in dem klinisch grauen Raum. Gebannt starrte ich auf das Video, so viele Details waren mir entgangen. Ihre unsicheren Blicke zum Kontrollraum, das hilflose verschränken ihrer Arme. In meiner Erinnerung war sie kalt, langweilig, abweisend und unscheinbar. Jetzt sah ich das wunderschöne, tapfere, hilflose Mädchen das sie war. Ihre hohen Wangenknochen, die kontrollierte Angst in ihren Augen, die Unsicherheit. „You’re not very big, are you? Or particularly pretty?” sagte das kaputte Ich auf meinem Bildschirm und ich konnte mit ansehen wie Katniss sich versteifte. Sie wehrte sich, griff mich an. Ich schüttelte langsam den Kopf. Wie abweisend und geradezu bösartig sie mir vorgekommen war. Sie war kein netter Mensch. Das waren meine Gedanken. Aber jetzt sah ich das sie sich nach Leibeskräften gegen das wehrte was ich ihr antat. Katniss konnte sich nicht wehren, sie versteifte sich, wurde Kratzbürstig. Es schnürte mir die Kehle zu. Unser Gespräch war kaum zu ertragen. „I must have loved you a lot.“ Ich konnte den Schmerz in ihren Augen sehen. „You did.“ In einer hilflosen Bewegung schlug ich den Laptop zu und fuhr mir mit beiden Händen übers Gesicht. Ich hatte ihr Unrecht getan. In so many ways. Ich war der Mutt, das Monster das vom Capitol erschaffen worden war um sie zu zerstören und in meinem blinden Egoismus hatte ich vollendet was Snow an dem Abend begonnen hatte als er mich nach meinem Interview mit Ceasar Flickermann in diesen weißen Raum gesperrt hatte. Wieder begann ich unkontrolliert zu zittern. Die folgenden Tage verbrachte ich damit mir alle Videos von ihr erneut anzusehen. Ich wollte sie wieder finden, in mir, in meinem Herzen. Ich wusste wenn ich mich ihr und meinen Alpträumen nicht stellte richtete ich uns beide zu Grunde. Es war schlimmer als jeder Coldtrukey. Da ich weder Morphium noch andere Medikamente hatte um meinem Verstand wenigstens etwas Ruhe zu gönnen begann ich wie wild zu backen. Ich tat nichts anderes mehr. Kuchen mit aufwendigsten Glasuren die ich dann von Delly abholen ließ damit sie sie freudestrahlend verschenken konnte. Delly war gerade erst mit ihrem Bruder und einem jungen Mann aus Distrikt 13 zurückgekehrt. Sie war mir auf dem Fest begegnet auch wenn ich mich nur vage daran erinnerte. Ganze Schubkarrenladungen Brötchen wurde abgeholt, Brot und Blechkuchen. Alles um mich abzulenken. Die Hitze war unerträglich weshalb ich unendlich froh war als es zu regnen begann. Ich stand alleine in meiner hell erleuchteten Küche und machte die Cremefüllung für eine Sahnetorte fertig als ich aus den Augenwinkeln sah wie sich Katniss Tür öffnete. Ich blieb am Tisch stehen, sah aber zu ihr rüber. Es goss in Strömen und doch überraschte es mich kein bisschen das sie sich ausgerechnet diesen Tag ausgesucht hatte. Und sie sah anders aus. Sie sah aus wie das Mädchen in das ich so unsterblich verliebt war. Das Mädchen dem ich Jahre lang sehnsüchtig nach gesehen hatte wenn sie an unserer Bäckerei vorbei marschiert war, den Jagdbeutel über der Schulter, die Miene konzentriert und geschäftsmäßig. Mein Herz überschlug sich und ich hielt in der Bewegung inne. Sie stand Minuten lang einfach nur auf der Schwelle bis sie klatschnass war. Dann schien sie mich zu sehen. Ich hob die Hand, war mir nicht sicher ob ich ihr winken sollte. Doch sie erstarrte mitten auf der Straße. Sie sah mich an als hätte ich sie erneut unendlich tief verletzt. Aber wie denn? Ich stand hier doch nur. Langsam ließ ich meine Hand sinken, sie schien mehr gesehen zu haben denn ihr Blick war leicht abwesend als sie sich schwungvoll abwandte und davon rannte. „KATNISS!“ ich rannte zur Tür und raus auf die Straße. „KATNISS!“ aber sie war schon weg. Mein Herz raste. Sie würde wieder in den Wald rennen. Ich wusste dass sie das tun würde. Sofort sah ich sie erneut im Wald liegen. Nur diesmal fand ich sie nicht. Kalte Angst schnürte mir die Kehle zu. Inzwischen war ich selbst nass bis auf die Haut und lief zu Haymitchs Haus. Ich hämmerte gegen die Tür und stolperte verblüfft zurück als Gale mir öffnete. „Was..“ setzte ich an doch Gale und ich waren beide zu überrascht um wirklich etwas sagen zu können. Gales Blick wanderte von mir zu Katniss Haus, dann runzelte er die Stirn. „Ist was passiert?“ fragte er und sofort hatte ich das Bedürfnis die Arme vor der Brust zu verschränken um mich für einen Schlag zu wappnen. Doch Gale schlug nicht zu. „Katniss ist in den Wald gelaufen.“ Sagte ich und verfluchte das ich mich im Wald nicht auskannte. Ich würde sie wieder ewig suchen müssen. „Ich fang sie wieder ein.“ Knurrte Gale und schob mich grob beiseite. „Ich komme mit.“ Sagte ich unüberlegt und stieg ebenfalls die wenigen Stufen runter. „Nein. Wirst du nicht.“ Gale baute sich vor mir auf und wir starrten uns nieder. Keiner von uns war bereit klein beizugeben. „Du findest sie ohne mich nicht und mit dir werde ich nicht gehen. Ende der Debatte. Verzieh dich in deine Backstube Mellark und lass Katniss in Ruhe. Du hast mehr als genug angerichtet.“ Meine Augen verengten sich und ich ballte die Hände zu Fäusten. Wenn Gale nur einen Hauch von dem durchlebt hätte was ich durchlebt hatte, er würde.. nicht um sie kämpfen? Mich weniger hassen? Er hatte Recht und wenn ich sie nicht verlieren wollte musste ich Gale allein gehen lassen. „Finde sie.“ Presste ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. Man konnte wohl behaupten das Gale und ich uns nicht gerade sympathisch waren. Jetzt weniger denn je. Aber er nickte nur und ging. Ich fragte mich wann er gekommen war und wieso er in Haymitchs Haus war. Da es noch immer wie aus Kübeln goss und Gale die Haustür zugezogen hatte, entschied ich, dass mir nichts übrig blieb als zurück nachhause zu gehen und zu warten. Als ich wieder in meiner Küche stand grub ich die Hände fest um meine Tischplatte und starrte mit fest angespannten Kiefermuskeln angestrengt auf das Holzmuster. Visionen und Bilder von Katniss im Wald quälten mich, drohten mich erneut in die Knie zu zwingen. Aber ich konnte ihnen nicht nachgeben. Katniss war nicht tot. Sie lebte. Gale würde sie finden. Wie so oft in meinem Leben in letzter Zeit hatte ich den Gedanken nicht zu Ende gedacht. Gale. Ich hatte GALE los geschickt eine völlig aufgelöste Katniss zu suchen der ich das Herz gebrochen hatte. Es gab wohl kaum etwas dämlicheres das ich hätte tun können. Das Bild das sich mir bot als sie zurück kamen riss mir den Boden unter den Füßen weg. Katniss Lippen waren voller, sie waren wundgeküsst, ihr Zopf zerwühlt, ihre Kleidung unordentlich. Man musste nun wirklich keine Fantasie besitzen um sich ausmalen zu können was im Wald passiert war. Und er hielt ihre Hand. Glühende Eifersucht durchfuhr mich und ich bemerkte erst dass ich das Glas in meiner Hand zerbrochen hatte, als sich die Scherben in meine Haut gruben. Bebend atmete ich gegen die Wut an. Äußerst erfolglos. Was hatte ich denn erwartet? Das sie auf ewig auf mich warten würde? Nach allem was ich ihr angetan hatte? Wie konnte ich so bedenkenlos sein? Nie war ich auf Gale so eifersüchtig gewesen wie in diesem Moment. Unwirsch wischte ich im Waschbecken die Scherben von meiner Hand und wusch das Blut ab. Ich bebte vor Zorn. In meiner Wut schlug ich ein recht beachtliches Loch in meine Flur Wand. Unruhig lief ich im Haus auf und ab. Er würde nicht. Sie würde nicht. Das würden sie nicht. Das.. ich raufte mir verzweifelt die Haare. Ich konnte nicht rüber gehen und einfach klingeln. Beim bloßen Gedanken wobei ich sie dabei stören konnte wurde mir übel. Ich spuckte mein Mittagessen wieder aus und lief erneut vor Wut kochend durch mein Haus. Ich würde Gale umbringen. Nein.. nein ich konnte Gale nicht umbringen. Sie brauchte ihn. Dieser verfluchte Hüne von Kerl. Ich ballte die Hände zu Fäusten, den Schmerz vollkommen ausblendend. Fluchend lehnte ich die Stirn an die Haustür und versuchte mir plausible Gründe auszudenken warum ich in ihr Haus stürmen könnte. Ein Feuer? Bei strömendem Regen unwahrscheinlich. Ich war wirklich unkreativ wenn es um Gründe ging ihre Tür einzutreten, Gale von ihr zu zerren und ihm das Genick zu brechen. Was.. ich nicht durfte, ermahnte ich mich. Ich durfte ihr Gale nicht nehmen auch wenn ich ihm gerade einige wirklich unschöne Dinge antun wollte. Die Zeit verstrich quälend langsam und ich wusste nicht worauf ich wartete. Die ganze Nacht saß ich vor meiner Tür und schlug sacht aber kontinuierlich meinen Hinterkopf gegen das Holz. Es hielt die Halluzinationen fern, aber nicht die Vorstellungen von dem was Gale und Katniss wohl trieben. Ich konnte ihr keinen Vorwurf machen. Aber ihm. Ich knirschte vor Wut mit den Zähnen und begann mich darauf zu konzentrieren mir die wohl schlimmste mögliche Todesart für Gale auszudenken. Das half. Wenn auch nur geringfügig. Irgendwann gegen Abend des nächsten Tages wachte ich auf dem Boden meines Flures auf. Ich fühlte mich grauenhaft und es dauerte einen Moment ehe mir wieder einfiel wieso ich auf meinem Flurboden lag und weshalb ich meine Hand mit Scherben zerschnitten hatte. Gale. Ich fuhr hoch und riss die Tür auf. Ich wollte schon rüber marschieren als ich Gale entdeckte. Er kam gerade mit Cinna zurück aus der Stadt. Ich konnte hören dass sie sich unterhielten und hoffte ein paar Worte aufschnappen zu können. „Nein sie ist eingeschlafen aber nicht mehr aufgewacht. Ich denke sie hat Fieber.“ Sagte Gale gerade und Cinna nickte langsam. „Wir sollten sie schlafen lassen. Haymitch hat sicher Schlafsirup im Haus. Zur Not fragen wir deine Mutter, sie wird bestimmt welchen haben. Sie sollte sich erst mal ausruhen.“ Geräuschlos schloss ich die Tür. Sie hatte Fieber. Und sie war eingeschlafen. Hoffnung keimte in mir auf das sie und Gale vielleicht doch nicht.. aber wie sollte ich sicher sein? Es gab nur einen Weg das heraus zu finden. Ich musste sie sehen. Ich würde sehen ob sie.. schnell schüttelte ich mit gerunzelter Stirn den Kopf. Kein guter Gedanke nach so einer Nacht. Mein Plan stand. Nun musste ich mich nur lange genug ruhig verhalten. Der nächste Tag war unerträglich. Zu wissen das Gale die ganze Zeit bei ihr war, das er sie berühren und trösten konnte. Es grenzte schon ans absurde wie eifersüchtig ich war. Gegen Abend des dritten Tages war ich sicher das Katniss wach sein musste. Ich hatte gesehen wie Gale gegangen und mit einem von Hazelles Töpfen wieder gekommen war. Suppe. Und zu Suppe gehörte Brot. Also buk ich Katniss Lieblingsbrot. Ich zog es frisch und noch leise knackend aus dem Ofen, dann wappnete ich mich auf was immer in ihrem Haus auf mich warten würde und ging mit festen Schritten über die Straße. Ich klopfte und wartete mit schwer klopfendem Herzen. Natürlich öffnete Gale die Tür. Glücklicherweise überragte er mich nur noch um einen halben Kopf, stumm dankte ich meinem Vater für seine Gene. „Was willst du.“ Fragte Gale gelassen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich will zu Katniss. Ich habe ihr etwas Brot mitgebracht.“ Gale schnaubte und hob eine Augenbraue. „ Nett von dir aber wie kommst du darauf, dass ich es ihr geben würde?“ fragte er herausfordernd. Ich war nicht in der Stimmung mich offen mit ihm anzulegen, das würde blutig enden. „Weil du genauso wie ich weißt das sie es braucht und weil es nur ein Geschenk ist.“ Ich bemühte mich ruhig zu bleiben, wir beide wussten dass das Ganze zwischen uns irgendwann eskalieren würde. „Ich habe sie dir anvertraut. Ich habe sie für dich aufgegeben, weil sie sich für dich entschieden hat. Und alles was dir dazu einfällt ist ihr das Herz zu brechen und dir eine neue zu suchen?“ fuhr er mich an. Die Wut die ich so mühsam unterdrückte loderte auf. Gale hatte doch keine Ahnung. „Nein Gale, du bist abgehauen und hast sie mir überlassen damit ich mit dem was von ihr übrig ist klar komme. Du hast sie nicht gesehen. Du hast nicht gesehen wie kaputt und fremd sie war. Und du wachst nicht nach jeder Begegnung mit ihr von Träumen auf in denen ihr verstümmelter Körper dich umbringen will. Erzähl mir nichts von dem was DU aufgegeben hast! Ich habe ALLES für sie aufgegeben! IMMER!“ knurrte ich wütend und spannte mich an. „Du kennst sie nicht wenn du ernsthaft nicht gesehen hast dass sie noch immer sie selbst ist. Das sie dich braucht! Sie braucht dich mehr als sie mich je brauchen wird! Ich bin ein billiger, schlechter Ersatz für dich. Für all das was du ihr verwehrst. Die haben mit deinem Verstand gespielt? Aber nicht mit deinem Herzen. Ich schwöre dir Peeta, wenn du ihr noch einmal das Herz brichst, breche ich dir alle Knochen.“ Oh wow. Jetzt drohte er mir schon. Ich war versucht ihm genauso zu drohen. Fass sie noch einmal an Gale und ich breche DIR sämtliche Knochen. Doch wir wurden unterbrochen. Von einem leisen rumpeln und einem ihrer kleinen Laute. Ein Eimer Eiswasser entleerte sich in meinen Magen und ich hatte Mühe mich an Ort und Stelle zu halten. Sie war nicht blass, ihre Wangen glühten und ihre Augen glänzten vom Fieber. „Hört auf.“ Befahl sie uns in ihrem versucht herrischen Ton. Mir stockte der Atem. Sie trug erneut dieses verfluchte Nachthemd. Ich sollte Cinna dafür eine rein hauen. Sie war so unbeschreiblich schön in diesem weich fallenden Stoff. Sie wirkte so verletzlich. „Katniss..“ flüsterte ich voller Sehnsucht und kontrolliert zurückgehaltenem Verlangen ehe ich es verhindern konnte. Aber wie so oft entging ihr die eigentliche Bedeutung. Stattdessen setzte sie diese niedliche Trotzmiene auf und fuhr mich vermeintlich bedrohend an. „Was willst du hier?“ Deutlich konnte ich die Tränen in ihrer Stimme hören. Aber wie sollte ich ihr all das was in den letzten Tagen geschehen war erklären? „Ich-..“ setzte ich an doch sie schnitt mir das Wort ab. Tränen schwammen in ihren tief blauen Augen. „DU HAST MICH VERLASSEN! PEETA DU WARST ES DER MICH VERLASSEN HAT!“ schrie sie mich schluchzend an und riss mir das Brot aus der Hand. Sie versuchte eindeutig es mir an den Kopf zu werfen, doch sie hatte nicht genug Kraft und so landete es an meiner Brust. Ich liebte sie. Genau hierfür liebte ich sie doch so sehr und wäre sie nicht so aufgelöst, ich hätte hell aufgelacht und sie in meine Arme gezogen. Noch ehe ich irgendwie reagieren konnte packte sie mich am Kragen, zog mich an sich und küsste mich. Ich war wie vom Blitz getroffen. Und noch ehe ich sie in meine Arme schließen oder den Kuss auf nur erwidern konnte stieß sie mich grob von sich und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Einen Moment stand ich perplex vor der geschlossenen Tür, dann breitete sich ein schiefes Lächeln auf meinen Lippen aus. Ich musste grinsen. Sie hatte nicht mit Gale geschlafen. Sie liebte mich. Grinsend drehte ich mich um und rannte beinahe Haymitch um der gerade mit einer weiteren Ladung Suppe von Hazelle kam. „Wieso grinst du so?“ fragte er skeptisch und ich hob eine Augenbraue. „Sie liebt mich.“ Grinste ich und Haymitch sah mich völlig entgeistert an. „Im Ernst. Irgendwann werde ich euch umbringen.“ Knurrte er und ich ging gut gelaunt an ihm vorbei nachhause. Damit waren die Grundfragen geklärt. Ich liebte sie, sie liebte mich. Nun blieb abzuwarten was Gale trieb und wie ich wieder gut machen konnte was ich so grandios verbockt hatte. Kapitel 11: Fate is an elegant, cold-hearted whore... ----------------------------------------------------- Fate is an elegant, cold-hearted whore She loves salting my wounds Yes, she enjoys nothing more I bleed confidence from deep within my guts now I'm the king of this pity party with my jewel encrusted crown I wanna tear apart your room to see if what you say is true Darling don't you lie, lie to me I wanna break into your heart to see why you want us apart Oh, I'm scared to death to find out what you think of me According to you we don't click, that's a blatant lie and you know it Angel, what are you hiding from me? If there is truly another secret lunch-break, working late lover then I would die, but at least then I'd be free Zehn Tage zuvor~ Gale Ihr Bild verfolgte mich. Ich lehnte an Beetees Schreibtisch und wartete darauf dass er mir endlich frei gab. Ich war nicht gerade erpicht darauf mit ihm über meine Gründe dafür sprechen zu müssen. Die Uhr tickte hinter mir und jedes Ticken grub sich mir in den Nacken. Tick. Tick. Tick. Ich bewegte leicht die Schultern um die Verspannung zu lockern. Unruhig wippte mein Bein. Ich wollte den Zug um 12 Uhr noch nehmen. Inzwischen war es halb zwölf. Meine gepackte Tasche stand neben mir auf dem Boden. Wo blieb Beetee? Unruhig stieß ich mich von der Tischkante ab und ging in dem vollen Büro auf und ab. Endlich öffnete sich die Tür und Beetee kam, in ein Dokument vertieft, rein. „Ah Gale, du bist schon hier?“ fragte er zerstreut und ich runzelte entnervt die Stirn. Ich wartete seit über einer Stunde. „Ja, ich bin hier. Ich brauche nur eine Unterschrift Beetee.“ Drängte ich ungeduldig und verschränkte die Arme vor der Brust. Beetee setzte sich hinter seinen Schreibtisch, legte die Mappe weg und lehnte sich zurück. Seine Fingerspitzen lagen aneinander und er sah mich mit diesem forschenden Blick an der mir mehr als deutlich verriet dass er nicht vorhatte meine Reisepapiere einfach so zu unterzeichnen. Da ich ihm hier unterstellt war konnte ich nicht ohne seine Unterschrift abreisen, auch wenn ich versucht war, dass Prozedere zu umgehen. „Warum möchtest du nach Distrikt 12.“ Fragte er ruhig und ich wusste das es nicht helfen würde ihn anzulügen. „Weil er sie zerstört.“ War meine simple aber wahre Antwort. Beetee nickte langsam. „Und du denkst du kannst ihn daran hindern indem du dich erneut zwischen ihn und Katniss stellst?“ seine feingeschwungene Augenbraue hob sich langsam. „Ich habe nicht vor mich irgendwo zwischen zu stellen. Aber sie ist dort alleine Beetee. Hast du ihren Gesichtsausdruck gesehen? Das Kleid in das Cinna sie gesteckt hat? Das ist nicht Katniss und ich werde den Teufel tun und hier sitzen und zusehen während sie sich in etwas verwandelt das sie nicht ist.“ Ich stützte mich mit beiden Händen auf dem Schreibtisch ab und sah Beetee direkt in die Augen. „Ich habe alles für dieses Mädchen aufgegeben, ich werde den Rest meines Lebens mit dem Wissen leben müssen das ich ihre Schwester umgebracht habe und ich kenne sie besser als jeder andere. Das Mädchen gestern im Fernsehen? Das ist nicht Katniss. Das ist wieder eine Kreation von Plutarch der schon wieder alle Menschen wie Schachfiguren in seinem neuen Lieblingsspiel herum schiebt. Beetee ich liebe sie, ich werde nicht zulassen dass wir sie eines Tages tot im Wald oder ihrem Haus finden. Denn genau dahin steuert sie wenn ich sie nicht aus dieser verfluchten Spirale ziehe und Peeta gewaltig die Fresse poliere.“ Presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Weißt du was seine letzten Worte zu mir waren? Was Peeta mir bei unserer letzten Begegnung nach ihrer Verhandlung zu mir gesagt hat? Ich werde mich um sie kümmern. Ich habe getan was ihr alle wolltet, ich habe sie alleine gelassen. Ich habe sie Peeta überlassen weil ihr alle mir mehr als deutlich gemacht habt, das er es ist den sie braucht und nicht ich. Was ihr dabei übersehen habt ist das ich auch ihr bester Freund bin. Ich habe nicht vor sie Peeta auszuspannen, das könnte ich gar nicht. Sie hat sich genauso für ihn entschieden wie dieses ganze verfluchte Land. Und wenn ich daran zugrunde gehen werde, ich werde dafür sorgen das Peeta und sie sich am Leben erhalten werden.“ Die Worte sprudelten nur so wütend aus meinem Mund. Ich bebte vor Wut aber offenbar hatte ich das richtige gesagt. Beetee nickte langsam. „Ich werde Haymitch sagen das du kommst, wir sollten dich ihr nicht einfach in die Arme rennen lassen. Laut Dr. Aurelius ist sie noch immer mehr als unstabil. Wir sollten es nicht schlimmer machen.“ Ich knirschte mit den Zähnen. Was glaubte er denn was passieren würde wenn sie mich sah? Erneut verfluchte ich, dass ganz Panem dieses verschrobene Bild von mir hatte. Ihr Cousin. Ihr heimlicher Lover. Ich kannte sie seit sie 12 war verdammt! Ich hatte mehr Zeit mit ihr verbracht als mit meiner Familie. Meine Kiefermuskeln arbeiteten angespannt während ich darauf wartete das Beetee endlich seine Unterschrift unter die Papiere setzte. Mit einem ermahnenden Blick reichte er mir die Reisepapiere, ich griff nach meiner Tasche und begann zu rennen. Ich würde mit einem der Güterzüge nach Distrikt 12 fahren. Ich rannte die Gänge entlang, wich nur mühsam Menschen aus und schaffte es noch gerade so an die Bahnstation. Meine Brust hob und senkte sich schwer und ich reichte dem Mann meine Papiere. Er warf einen kurzen Blick darauf und winkte mich durch. Im vorderen Bereich gab es zwei Personen Wagons, ich bestieg den ersten und suchte mir einen Platz am Fenster. Nicht viele Menschen fuhren nach Distrikt 12. Schwungvoll beförderte ich meine Tasche in die Gepäckablage und ließ mich auf den Sitz fallen. Jetzt standen mir zwei Tage Zugfahrt bevor. Zwei Tage Ungewissheit. Mit ernster Miene sah ich aus dem Fenster. Die Landschaft flog an mir vorbei und ich hatte bei weitem zu viel Zeit nachzudenken. Ich wusste auf was ich mich gerade einließ. Der einzige der beschädigt aus dem ganzen hervorgehen würde war ich. Irgendwie lief es immer darauf hinaus dass ich sie verlor. Ich hatte sie an die Hunger Games verloren. Dann an Peeta, dann an Snow und schließlich an die Rebellion. Jetzt würde ich sie wieder verlieren. Erneut an Peeta. Meine Stirn legte sich in tiefe Falten als ich versuchte mich an den Jungen während unserer Schulzeit zu erinnern. Er war in Katniss Klasse, aber ich hatte nie wirklich mit ihm zu tun. Hin und wieder hatte ich ihn in der Backstube gesehen wenn der Bäcker Katniss und mir ein paar unserer Eichhörnchen abgekauft hatte. Aber ich hatte keine genauen Erinnerungen an ihn. Das erste Mal, dass ich ihn wirklich wahrgenommen hatte war beim Reaping. Danach begann mein persönlicher Spaziergang durch die Hölle. Für eine Weile konnte ich mir weiter einreden dass sie ihre Gefühle nur spielte. Das es nur ein brillanter Plan von Haymitch war der sie am Leben erhalten würde. Ich spendete alles was ich an Geld auftreiben konnte um sie in der Arena unterstützen zu können und dann wurden die Regeln geändert. War es zuvor ein Spaziergang, so kroch ich inzwischen mit blutigem, aufgerissenem Fleisch durch einen Säuresees am Boden des Höllenfeuers. Zu sehen wie sie ihn küsste war das härteste das ich je miterleben musste. Nicht einmal der Tod meines Vaters hatte ein dermaßen großes Stück aus meinem Herzen gerissen. Noch hatte ich einen Schimmer Hoffnung dass sie mich nicht aufgegeben hatte, dass es wie verzwickt auch immer, eine Chance für uns gab. Doch auch die verpuffte als ich sie küsste. Ich musste es wissen. Ich brauchte eine Antwort. Und die bekam ich. Ich hatte gesehen wie sie Peeta küsste, wie sie ihn ansah wenn sie ihn küsste. Nichts davon war in diesem Kuss. Und ich wusste ich hatte sie verloren. Die folgenden Wochen und Monate in Worte zu fassen war schlichtweg nicht möglich. Die Löcher die ich nach ihrer Nacht am Strand in die Wand meines Zimmers geschlagen hatte waren zusammen mit meinem Elternhaus nieder gebrannt. Meine Miene verhärtete sich und ich musste erneut gegen meine aufsteigende Wut ankämpfen. Katniss war so zerbrechlich. Sie war taff, stark, selbstbewusst und umwerfend. Aber unter all dem war sie unendlich zerbrechlich. Das feine Gerüst das sie aufrecht hielt war brüchiger als hundert Jahre altes Papier. Wenn man es nur an der richtigen Stelle antippte brach es in sich zusammen. Und Peeta hatte gezielt darauf eingeschlagen. Meine Hand ballte sich zu Fäusten. Wir hatten bis heute kaum mit einander gesprochen. Die einzige, wirkliche Unterhaltung zwischen uns fand in Tigris Keller statt. Ich erinnerte mich klar und deutlich an jedes einzelne Wort. Katniss hatte sich entschieden und ich bereute bis heute recht behalten zu haben. Es stimmte. So wie sie Peeta in der zweiten Arena geküsst hatte, hatte sie mich nie geküsst. Nicht einmal so angesehen. Ich schloss die Augen und war wieder im Keller. Dort lag sie, zusammen gerollt, verdeckt von jeder Menge Fell und alles woran ich denken konnte war sie zu beschützen. Sie daran zu hindern sich heimlich aus dem Keller zu schleichen und wie so oft alleine die Welt retten zu wollen. Peeta saß mit gegenüber. „I wonder how she’ll make up her mind.“ sagte er leise und ich musste selbst heute noch schnauben. Dass er es nicht sehen konnte, das er es nicht begriff war mir auch heute noch ein Rätsel. Meine Worte hallten durch meinen Kopf. „Oh, that I do know. Katniss will pick whoever she thinks she can’t survive without.“ Und das war ganz offensichtlich nicht ich. Denn ohne mich konnte sie überleben. Wenn ich an Peetas Stelle zusammen mit irgendeinem anderen Mädchen gezogen worden wäre, sie hätte überlebt. Sie hätte sich weiter um meine Familie gekümmert, um mich als Freund getrauert und sicher nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet was aus uns hätte werden können. Vielleicht lag es daran das sie damals noch so jung war. Gerade siebzehn. Ich war beinahe 19 und mir gingen eindeutig andere Dinge durch den Kopf. Ich fuhr mir mit einer Hand über den Dreitagebart. Ich war ersetzbar, ich war ihr wichtig und ja sie liebte mich. Aber nicht so wie ich es mir Jahrelang ausgemalt hatte. Wenn wir weggelaufen wären, nur wir beide. Lange vor den Hunger Games. Vielleicht wären wir direkt bis nach Distrikt 13 gekommen. Oder man hätte uns im Wald ermordet wie das junge Paar das vor unseren Augen von dem Hovercraft eingefangen worden war. It was pointless. Ich könnte mir tausend verschiedene Zukunftsversionen ausmalen. Und alle würden gleich Enden. Das Schicksal war nichts weiter als ein kaltherziges Miststück das sie mir immer genommen hätte. Egal in welchem Szenario. Für einen Moment wünschte ich mir erneut Katniss hätte mich damals im Capitol erschossen. Als ich von den Peacekeepern in den Laden gezogen worden war und sie meinen Ruf nicht verstanden hatte. Sie hatte es doch geschworen. Wir hatten es uns beide geschworen und ich war fest davon überzeugt an diesem Tag zu sterben. Mit ihr. Aber sie schoss nicht. Und hier saß ich. Auf dem Weg zu ihr zurück um sie erneut vor sich selbst zu schützen und ihr auf die Füße zu helfen. Es war wie damals, als ich ihr beibringen musste Fallen richtig zu stellen. Ein paarmal hätte sie sich beinahe mit dem scharfen Draht die Finger abgerissen wenn ich nicht aufgepasst hätte. Ein bitteres Lächeln umspielte meine Lippen. Joanna hatte mir mal neckend an den Kopf geworfen das ich der masochistischste Mensch war dem sie je begegnet war. Ich tat nichts lieber als mir Salz in die Wunden zu reiben. Aber was sollte ich sonst tun? Noch immer wachte ich morgens erschlagen und verzweifelt aus demselben Traum auf. Eine Lächelnde Katniss die mit meinem Kind in ihren Armen auf mich zu kam und mich küsste. Es war als wolle mein Verstand mir auf ewig unter die Nase reiben das ich niemals eine Zukunft haben würde. Jedenfalls nicht mit einer Frau und Familie. Ich konnte es nicht. Was nicht daran lag das ich es nicht versucht hätte. Nach ihrer Verhandlung und ihrer Rückkehr nach Distrikt 12 hatte ich angefangen auszugehen. Ich lernte Mädchen kennen. Versuchte mit aller Kraft Katniss aus meinen Gedanken zu verbannen. Erfolglos. Nach ein paar Wochen war ich abends Johanna über den Weg gelaufen. Sie war verändert. Weniger Kratzbürstig und deutlich weniger zerstört. „Sieh an, wen haben wir denn hier? Was hat dich nach Distrikt 2 verschlagen Loverboy?“ hatte sie spöttelnd gefragt und sich neben mich an die Bar gesetzt. Ihre Haare waren nachgewachsen und auch wenn man noch deutlich die Spuren des Morphiums sah war sie weniger abgedreht. Wir betranken uns hemmungslos was in einer Nacht in ihrem Apartment endete. „Du wirst sie nicht los wenn du sie nicht los lässt.“ Hatte sie amüsiert verkündet als ich am nächsten Morgen auf ihrer Bettkante saß und versuchte die Schuldgefühle und die Alpträume von meinen Schultern zu stemmen. Es blieb bei dieser einen Nacht, auch wenn wir uns öfter über den Weg liefen. Schnaubend schüttelte ich den Kopf. Wieso dachte ich überhaupt über Johanna nach. Loverboy, oh loverboy. Hallte ihre Stimme spöttelnd durch meinen Kopf und ich verdrehte die Augen. Wir waren beide überflüssig geworden. Meine Mutter und meine Geschwister waren In Distrikt 12 in Sicherheit und gut versorgt. Offenbar bahnte sich etwas zwischen meiner Mutter und Haymitch an, nicht das mir das Gefiel aber was immer meine Mutter glücklich machte, würde ich ihr nicht nehmen. Draußen neigte sich der Tag seinem Ende zu, die Landschaft veränderte sich kontinuierlich. Ich aß ein paar der Brote die ich noch am Morgen geschmiert hatte und versank doch wieder in meinen Gedanken. Ich vermisste Katniss in einem Ausmaß, dass mir das Atmen schwer machte. Ich liebte sie mehr als mein Leben, mehr als meine Familie. Das was von meinem Herzen übrig war, bestand aus Steinbrocken die ich mit eisigen Stahlketten zusammen hielt. Ich hatte die Welt ausgesperrt und aufgegeben je etwas anderes als Sehnsucht nach ihr zu empfinden. Eine Sehnsucht die ich niemals würde stillen können, denn egal wie sehr ich die vermisste, wie sehr ich sie begehrte, ich würde ihr nie antun was Peeta tat. Ich würde sie niemals so ausnutzen und ihr das Herz brechen. Ich wusste sie würde mehr als empfänglich für mich sein. Aber das war nicht sie. Noch nicht. Dieses Mädchen mit den langen offenen Haaren war mir seltsam fremd. Es war Katniss und dann auch wieder nicht. Es tat entsetzlich weh zu wissen dass ich sie erst aus diesem Käfig würde befreien müssen ehe sie wieder alleine gehen konnte. Dass ich sie danach erneut verlassen musste verdrängte ich. Denn bei dem bloßen Gedanken daran begannen meine Hände zu zittern und ich fühlte mich elender als je zuvor. Ich sank tiefer in meinen Sitz und schloss die Augen. Lieber riskierte ich einen weiteren, mein Herz in Stücke fetzenden Alptraum als mich weiter meinen Gedanken zu überlassen. Die Meilen flogen an mir vorbei und irgendwie überstand ich die endlose Zugfahrt. Am Bahnhof erwarteten mich Haymitch, meine Mutter und meine Geschwister. Natürlich wusste Katniss von nichts. Ich ging gemeinsam mit meiner Familie und Haymitch zu dessen Haus, wobei wir vollkommen unbehelligt an Katniss Haus vorbei gingen. Offenbar machte sich Haymitch keine Sorgen das sie mich sehen könnte und allein das war schon mehr als genug Grund zur Sorge. Ich folgte Haymitch ins Haus und in das Zimmer das er mir zugedacht hatte. Ich hatte das Haus in seinem ursprünglichen Zustand gesehen. Zugemüllt, stinkend, widerlich. Die Hand meiner Mutter hatte es in ein wohnliches, angenehmes Haus verwandelt. Es roch nach frischem Holz, frischer Farbe und Waschmittel. Nur minimal konnte man den Alkoholgeruch darunter wahrnehmen. Es störte mich nicht. Ich warf meine Tasche auf das Bett und hielt Haymitch an der Tür auf. In einer festen Bewegung schob ich mich ihm in den Weg und versperrte ihm mit einem Arm den Weg. Er hob halb irritiert, halb amüsiert eine Augenbraue. „Wie geht es ihr.“ Fragte ich und fixierte ihn. „Wie soll es ihr gehen? Sie liegt im Bett und verkriecht sich vor der Welt. So wie die letzten Wochen auch.“ Er zuckte mit den Schultern und meine Augen verengten sich zu schlitzen. „Hat denn keiner von euch je versucht sie aus ihrem Haus zu holen?“ Haymitch lachte trocken und verschränkte schief grinsend die Arme vor der Brust. „Hast du je erlebt das Miss Everdeen mal macht was man ihr sagt? Genaugenommen war es meine Idee das Peeta sie verlässt.“ Ich bebte und starrte ihn fassungslos an. „Oh jetzt sieh mich nicht so heldenhaft an. Du hättest das gleiche vorgeschlagen wenn du hier gewesen wärst und dir dieses Trauerspiel hättest mitansehen müssen. Sie verkriecht sich und heult wie nicht was. Hat lange genug gedauert das sie begriffen hat was du vor allen anderen wusstest.“ Wut wallte in mir auf. Ich wollte Haymitch meine Faust ins Gesicht rammen. „Easy Loverboy. Es geht ihr gut. Sie fängt sich wieder. Wer sich jedoch noch nicht gefangen hat ist unser Freund Peeta. Der Kerl ohne den sie nichts mehr ist. Und der.. nicht du bist.“ Grinste er dunkel und ich atmete bebend vor Zorn ein. „Wieso habt ihr mich dann herkommen lassen.“ Fragte ich knurrend. „Aus demselben Grund aus dem Peeta Katniss verlassen musste. Sie muss dich los lassen und Peeta sollte mal für einen Moment erleben was es bedeutet sie an dich zu verlieren.“ Haymitchs Worte waren erschütternd war, sie spiegelten meine Gedanken wieder und doch klangen sie aus seinem Mund so viel härter und verletzender. „Sie braucht dich und ich denke auch du solltest sie endlich gehen lassen. Du bist kein schlechter Kerl Gale, du bist ein brillanter Kopf wie Beetee aber wenn du dich weiter an sie klammerst wirst du untergehen. Sang und Klanglos. Und sie wird es sich ihr Leben lang vorwerfen und es weder dir noch ihr je verzeihen können.“ Meine Kiefer waren fest aufeinander gepresst, meine Hände zu Fäusten geballt. Aber er hatte Recht. Und wieder grub ich ganze Salzblöcke in meine von wundbrandbefallenen Wunden. Es sollte die einzige Unterhaltung zwischen Haymitch und mir bleiben. Der nächste Tag dämmerte grau und dunkel und es begann in Strömen zu regnen. Unruhig lief ich in Haymitchs Wohnzimmer auf und ab und fragte mich wie ich es fertig bringen sollte mit ihr zu sprechen ohne sie und auch mich in den Abgrund zu stoßen. Sie war so verletzlich im Moment, es würde ein Windhauch reichen und sie würde fallen. Und was war mit mir? Ich hatte ihr nichts entgegen zu setzen außer meiner zerschundenen Seele und dem was von meinem Herzen übrig war. All das gehörte ihr, würde immer ihr gehören. Was war falsch daran an das Mädchen zu denken das ich liebte, mir zu wünschen das ich sie halten konnte. Ich ließ mich in einen der neuen Sessel fallen. Alles. Einfach alles daran war falsch. Stumpf und abwesend blieb ich in dem Sessel sitzen während die Uhr der einzige Beweis dafür war dass die Zeit weiterlief. Draußen rauschte der Regen. Die Stille wurde von einem Ruf durchbrochen. Sofort fuhr ich hoch. Jemand hatte ihren Namen gerufen. Noch ehe ich die Tür erreichte hämmerte es gegen eben jene. Ich riss sie auf und wir beide erstarrten. Peeta. Für einen Moment musterte ich ihn perplex. Er war inzwischen fast so groß wie ich und hatte wieder deutlich an Muskelmasse zugelegt. Meine Augenbraue hob sich langsam. „Was..“ begann er doch offenbar war er genauso überrascht wie ich. Ich musterte ihn, sah zu Katniss Haus in dem alles dunkel war und zu seiner durchweichten Kleidung. Was zur Hölle hatte er diesmal angerichtet?! „Ist was passiert?“ fragte ich, meine Wut auf ihn mühsam unterdrückend. „Katniss ist in den Wald gelaufen.“ Erklärte er und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. Was dachte er denn, das ich ihm eine rein hauen würde? Damit würde ich warten bis ich sicher war das er es verdient hatte. „Ich fang sie wieder ein.“ Knurrte ich und stieß ihn grob beiseite, ich wusste wohin sie laufen würde. So wie ich immer gewusst hatte wo ich sie finden würde. „Ich komme mit.“ Sagte Peeta in einem Anflug von Heldenmut, was ihm einen genervten Blick von mir einbrachte. Das letzte was sie jetzt brauchte war Peeta der durch den Wald stolperte und mich abbremste und sie nur noch mehr verwirrte. „Nein. Wirst du nicht.“ Entschied ich bestimmt. Wenn er mit kam würde sie entweder weg rennen und ich würde sie Stunden lang suchen müssen, oder aber ich dürfte mit ansehen wie die beiden über einander herfielen. Beides keine Szenarien die ich miterleben wollte. Mal abgesehen davon dass er mit seinem Bein absolut nicht geeignet war bei diesem Wetter durch den Wald zu laufen. Ich musste an Katniss Ausdruck denken als er sie beim Tanz so verletzt hatte. Kalte Wut brodelte in mir und meine Hand zuckte. Das zwischen uns würden wir irgendwann klären müssen. Aber im Moment stand einzig und allein Katniss im Vordergrund und ich wusste ich würde sie finden und heile nachhause bringen. Wer wusste schon in welchem Zustand Peeta sie zurück bringen würde. „Du findest sie ohne mich nicht und mit dir werde ich nicht gehen. Ende der Debatte. Verzieh dich in deine Backstube Mellark und lass Katniss in Ruhe. Du hast mehr als genug angerichtet.“ Einen Moment schien er mir widersprechen zu wollen, er ballte die Hände zu Fäusten, aber schließlich nickte er nur und presste ein „Finde sie.“ zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. Ich nickte und rannte los. Ich hätte sie im Schlaf gefunden. Wir hatten noch nie Worte gebraucht um uns zu verständigen oder im Wald zu finden. Wir waren so aufeinander eingestellt dass es beinahe etwas empathisches hatte. Geräuschlos trugen mich meine Füße durch den Wald zu unserem Platz. Je näher ich unserem Treffpunkt kam, desto lauter hämmerte mir das Herz in der Brust. Ich atmete bebend gegen meine Sehnsucht nach ihr an, versuchte mich zu erinnern warum ich hier war. Dass sie nicht mir gehörte. Nie mir gehören würde. Und dann sah ich sie. Sie stand auf dem Felsen auf dem wir so oft zusammen gesessen hatten und schrie in den Wald. Ich blieb wie angewurzelt stehen als ich hörte was sie schrie. Schmerz durchfuhr mich und Schuld. Prim. Ich musste mich an einen der Bäume lehnen und presste mir eine Hand auf den Mund. Ich wusste sie würde es mir nie verzeihen. Ich schloss die Augen, versuchte nicht zu genau auf das zu hören was sie sagte. Aber wie hätte ich es nicht hören sollen, sie schrie schließlich laut genug das man sie sicher bis Distrikt 13 hören konnte. Und dann begann sie mich anzuschreien. Einen Moment lang dachte ich sie hätte mich entdeckt, doch sie stand noch immer mit dem Rücken zu mir. Und was sie mir vorwarf war so wahr dass es mich nicht länger hinter den Bäumen hielt. „Du bist nicht hier! DU SOLLTEST HIER SEIN! DU BIST MEIN BESTER FREUND VERDAMMT! ICH BRAUCHE DICH UND DU HAST MICH ALLEINE GELASSEN! DU HAST ES VERSPROCHEN! DU HAST GESCHWOREN MICH NICHT ALLEIN ZU LASSEN! WO BIST DU?!“ brüllte sie in den Wind und ich kam auf sie zu. „Hier.“ Sagte ich laut und deutlich, und trat zwischen den letzten Bäumen hervor. Ihr Kopf fuhr herum und ihr Anblick war ein Schlag ins Gesicht. Katniss. Meine Katniss. Mager, nass, wunderschön, mit ihrem Zopf und in ihrer Jagdjacke. Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Ich hatte mit dem aufgehübschten Mädchen gerechnet das ich im Fernsehen gesehen hatte. Nicht mit dem Mädchen das ich jede Nacht in meinen Träumen sah. Ich hatte lange Haare und ein Kostüm erwartet. Aber das war sie, meine Katniss, unverkennbar. Ich gab einen hilflosen, sehnsüchtigen Laut von mir und wie auf Kommando bewegten wir uns beide aufeinander zu. Die Sehnsucht nach ihr zerriss mich mit solcher Wucht das ich mich nicht aufhalten konnte. Ich fing sie auf und sofort schoben meine Arme sich um sie. Es waren ihre Lippen die meine fanden und ich wehrte mich nicht. Wie sollte ich.. wie könnte ich? Ich presste die Augen zusammen und unterdrückte den Schmerz der mich in die Knie zu zwingen drohte. Falsch.. falsch.. falsch.. egal. Ich presste sie an mich, küsste sie mit all dem so lange unterdrückten Hunger. Himmel ich wollte diese Frau so sehr das es mich um den Verstand brachte. Ich war auch nichts weiter als ein Mann, der eine Frau liebte. Ich wollte mich nur einmal nicht zusammen reißen. Nur einmal noch den Menschen den ich über alles liebte spüren und halten. Unser Kuss war anders als alle zuvor. Wir waren beide so ausgehungert nach Nähe und Berührungen, das uns nichts mehr hielt. Ich pinnte sie vor mich an einen Baum und gab mich der Illusion hin. Nur einmal.. nur ein letzte Mal ehe ich sie endgültig für immer an den verfluchten Bäcker verlieren würde. Katniss.. Katniss.. KATNISS! Alles in mir schrie ihren Namen. Nur widerwillig löste ich unseren Kuss und sah sie an. Ihre Wangen glühten und sie sah so lebendig und echt aus. Sie sah aus wie sie selbst, aber ein Blick in ihre sehnsuchtsvollen Augen verriet mir das sie noch nicht vollständig sie selbst war. „Du bist zurückgekommen.“ Flüsterte sie und strich über meine Wange. Ich erschauderte unter der Berührung die ich mir so oft in meinen Träumen ausgemalt hatte. Mühsam schluckte ich gegen den Kloß an der mich zu ersticken drohte. „Ich werde immer zu dir zurückkommen.“ Antwortete ich leise, dunkel. Meine Stimme klang tiefer, so mühsam musste ich das Verlangen darin verbergen. „Warum.“ Fragte sie flüsternd und ich hätte am liebsten aufgewimmert vor Schmerz. Sie zerriss mir die Brust Stück für Stück. Ich wollte es ihr sagen. Nur dieses eine Mal. Sie würde es wie so oft nicht ernst nehmen, würde nicht sehen wie ernst es mir war. Aber ich musste es ihr sagen. „Weil ich dich liebe.“ Mein Herz brach als ihr ihren Blick sah. Natürlich nahm sie mich nicht ernst. Also bestätigte ich ihre Vermutung. „Und weil Peeta ein Arschloch ist das dich nicht verdient.“ Ihr helles Auflachen brannte wie Flammen auf meiner Seele. Und wieder wusste ich dass ich sie nie würde mich haben können. Nie. Nie. Nie. Tick. Tick. Tick. Ich schluckte den Schmerz herunter so wie ich es immer getan hatte. Ich war stärker als sie, das war ich immer und so würde ich auch jetzt stark für uns beide sein müssen. „Du siehst anders aus als bei dem Fest.“ Sagte ich leise, löste eine Hand und zog ihren deutlich kürzeren Zopf sanft über ihre Schulter nach vorne. Ich ließ ihr durch meine Finger laufen, um mich später daran erinnern zu können wie sich ich seidenweiches Haar anfühlte. „Mehr nach dir selbst.“ Meine Stimme drohte zu brechen also sah ich sie einfach nur an. Ich konnte sehen wie sehr sie mich brauchte, dass sie mich brauchte. Und das allein war schon schlimm genug. Ich spürte das mein Körper so nah an ihrem zum Leben erwachte und würde ich uns nicht sofort aus diesem Wald schaffen könnte ich mich glatt vergessen. „Du bist eiskalt Catnip.“ murmelte ich an ihren Lippen und küsste sie erneut. Ich hatte immer vor Augen das jeder Kuss unser letzter sein könnte. „Uhum~..“ schnurrte sie und ich vertiefte unseren Kuss. Ich wollte mir jedes Detail einprägen. Denn was war alles was ich für den Rest meines Lebens bekommen würde. Ein Leben in Einsamkeit am Ende von Panem, weit weg von ihr und ihrem Leben hier. Verzweifelt zog ich sie an mich, küsste sie als gäbe es kein Morgen mehr. Was es für mich auch nicht geben würde. Sie bewegte sich in meinen Armen, ich konnte förmlich hören wie die Rädchen in ihrem Kopf klickten und dann biss sie mich in die Unterlippe. Ich wusste an wen sie dachte und es war als hätte sie mir ins Gesicht geschlagen anstatt mir nur in die Unterlippe zu beißen. Damit war also dieser Moment auch vorbei. Ich schnaubte amüsiert, neckend. So wie früher. „Wenn ich dich nicht nachhause bringe kriegst du noch ne Lungenentzündung.. in deinem Zustand.“ Ich mühte mich ausgelassen zu klingen und piekte ihr demonstrativ in den viel zu flachen Bauch. „Hast Geld für drei und bekommst nichts zu essen?“ neckte ich sie und lachte leise als sie mich zu boxen versuchte. Es war erschreckend wie wenig Kraft sie noch hatte. Ich musste sie nachhause bringen, sonst fing sie sich wirklich noch was ein. Langsam ließ ich sie wieder sinken, bis sie stand. Ich dachte daran das ich bei Haymitch würde schlafen müssen, das ich sie nicht weiter beschützen könnte wenn ich nicht direkt bei ihr war und entschied das mir egal war was Haymitch und der Rest der Welt dachte. Das hier war eine Sache zwischen Katniss und mir. „Mein Haus steht leider nicht mehr. Hast du ein Gästezimmer frei?“ fragte ich und konnte für einen kurzen Moment nicht verhindern das mir Dinge durch den Kopf gingen die es zwischen uns nie geben würde. „Du kannst auf dem Boden vor meinem Bett schlafen.“ pampte sie mich an und es sprengte den letzten Felsbrocken meines Herzens in Stücke. Woher sollte ich die Kraft nehmen ihr zu widerstehen? Sie gehen zu lassen. Ich liebte sie. Verflucht. In einer wütenden Geste hob ich ihr Kinn an und küsste sie erneut. Sollte Mellark doch in seinem Mehl verrotten. Er würde um sie kämpfen müssen. Wenn er sich nicht als würdig erwies und nicht endlich den Arsch hoch bekam und um sie kämpfte würde ich ihn eigenhändig erwürgen. Um sie meine Wut nicht spüren zu lassen löste ich den Kuss und brachte möglichst viel Abstand zwischen uns. Ich machte mehrere Schritte von ihr weg und wartete. Da stand sie. Mit diesem unbeschreiblich süßen, verwirrten Ausdruck. Ich lachte gequält. Wie sollte man sie denn nicht lieben? Ich ging zurück und nahm ihre kalte Hand, schob meine Finger sicher um ihre. Sanft hauchte ich ihr einen Kuss auf die Wange und zog so lange an ihrem Arm bis sie sich endlich bewegte. Ich konnte sie nicht los lassen. Mit jedem Schritt den wir uns ihrem Haus näherten, näherten wir uns meinem Ende. Ein Entschluss formte sich in mir. Etwas das mir schon oft durch den Kopf gegangen war und das ich aus verschiedensten Gründen immer sofort wieder verdrängt hatte. Doch all diese Gründe waren nicht mehr existent. Grimmige Entschlossenheit erfasste mich. Ich würde Katniss ihr Leben zurückgeben und dann würde ich sie verlassen. Endgültig. Mit diesem Entschluss vor Augen fiel einiges an Gewicht von meinen Schultern. Ich würde nicht ewig leiden müssen. Nur noch ein bisschen. Für sie. Wir waren beide klatschnass und standen und bebend und tropfend im Flur gegenüber. Nur das schummrige Resttageslicht das noch nicht vom Gewitter verschlungen worden war erhellte den Flur. Die Spannung zwischen uns war zum Greifen nahe. Ich hob die Hände und streifte ihr die Jacke ihres Vaters von den schmalen Schultern. „Komm.“ Flüsterte ich und nahm erneut ihre Hand. Ich erinnerte mich noch grob an die Aufteilung ihres Hauses und fand recht schnell das Badezimmer. Ich musste sie aufwärmen. Bestimmt setzte ich sie auf dem Klodeckel ab und ging vor ihr auf die Knie. Mit ruhigen Bewegungen schälte ich erst sie und dann mich aus den nassen Stiefeln. Im Licht der Kerze die ich geholt hatte war sie unerträglich schön. So blass, schmal und unwirklich. Sie wusste wirklich nicht wie schön sie war. Erst jetzt fiel mir wirklich auf das auch ihre Haut sich vollkommen verändert hatte. Um sie nicht länger anzusehen drehte ich mich zur Badewanne und drehte das Wasser auf. Meine Hände bebten und ich musste alles an Selbstbeherrschung aufbringen das ich noch besaß. Erst als ich sicher war das ich nichts Unüberlegtes tun würde stand ich wieder auf und zog sie sanft auf die Füße. Und wieder riss ein Blick aus ihren Augen alle Barrieren nieder. Nachdenklich musterte ich sie und hob unsere verschränkten Hände zwischen uns. Betrachtete unsere verschlungenen Finger. Trocken schluckte ich gegen die Sehnsucht an. Der bloße Gedanke dass ich es hätte sein können, das ich derjenige hätte sein können der sie für den Rest seines Lebens küssen und halten und lieben durfte brachte mich um. Sie zitterte. Und plötzlich wurde mir klar dass sie sicher außer diesem verfluchten Tag am Strand weder Peeta noch einem anderen Mann je so nahe gekommen war. Ich musste die Augen schließen und erneut trocken schlucken. Sie würde mit mir schlafen. Ich wusste dass sie es tun würde, wenn ich denn wollte. Ich wusste was Hormone mit Mädchenköpfen anstellten wenn die Sehnsucht nur groß genug war. Aber ich kannte auch den Preis. Sie war in vielem noch so unerfahren und so hart das auch war, ich war nicht derjenige mit dem sie all das erleben sollte. Denn wir beide würden es unser Leben lang bereuen und all meine Bemühungen wären umsonst gewesen. Sie reckte sich mir hungrig entgegen, wollte mehr, doch ich bremste sie. Ich schluckte alles Verlangen mühsam herunter und umfasste sanft ihr Gesicht. Ich küsste sie sanft, liebevoll und kämpfte gegen den Schmerz in meiner Brust an. Ihre Finger gruben sich haltsuchend in mein Tank-top. Ich wünschte sie wüsste welche Wirkung sie gerade auf mich hatte. Wie schwer es mir fiel sie nicht.. aber nein. Ich war der Falsche. Scheiße. Sanft fuhren meine Hände über ihre Arme, ihre Seiten. Ich umfasste sacht ihre Seiten und meine Daumen schoben sich unter ihr Shirt. Ich erschauderte vor unterdrücktem Verlangen. Falsch. Falsch. So falsch. Meine Hände gehorchten mir nicht, schoben ihr Shirt höher und ich umfasste ihre schmale Taille. Ihre Haut war seidenweich und Stromschläge durchfuhren mich. Ihr Wimmern schoss mir direkt in die Lenden und ich musste den Kuss lösen. Wenn ich nicht das letzte bisschen Verstand auch noch verlieren wollte musste ich sie bremsen. Sanft schob ich sie von mir. „Wir haben Zeit.“ Versuchte ich sie langsam auf das vorzubereiten was ich ihr jetzt sagen musste. Ich wappnete mich gegen ihren Blick. Sie ließ die Hände sinken, ich sah wie es in ihrem Kopf arbeitete. Ich musste die Arme vor der Brust verschränken um das Zittern meiner Hände zu verstecken. „Im Grunde willst du doch gar nicht dass ich es bin.“ Sagte ich traurig lächelnd. Ihr Blick war genauso traurig aber nicht gebrochen. Ich konnte nichts in ihr zerbrechen, ich war nicht der den sie wollte. Uff. Ich hätte mich am liebsten vor Schmerz gekrümmt. Aber so konnte ich sie nur in meine Arme ziehen und festhalten. Denn wie immer musste ich sie beschützen, sicherstellen dass es ihr gut ging. Meine Gefühle waren egal. „Es tut mir so leid Gale..“ flüsterte sie und ich zwang mich zu einem Lächeln. „Ich weiß. Ich würde es auch vorziehen das du mich liebst. Aber das tust du nicht. Ich habe es gesehen.“ Ein Hauch Bitterkeit schimmerte durch meine warme Stimme, aber sie schien es nicht zu merken. „Ist es falsch dass ich dich trotzdem behalten will?“ ihre Frage brachte mich tatsächlich zum Lachen. Meine geliebte, unschuldige, hilflose Katniss. Sie wollte immer alle behalten und beschützen. „Ist es. So falsch wie nur irgendwas.“ Grinste ich ehrlich und musste schmunzeln. „Aber wie hätte ich dich hier alleine lassen können während Peeta..“ ich brach den Satz ab. Wieder spürte ich Wut in mir aufsteigen, hielt sie aber so gut es ging zurück. Ich spürte die kontrollierte Wut. „Geh baden Katniss, ich sehe mal ob ich was zu essen finde.“ Ich musste hier raus. Ihr Seufzen war mir unter die Haut gefahren. Noch immer lächelnd verließ ich das Bad, doch kaum das die Tür hinter mir zufiel sanken meine Mundwinkel und ich musste mich schwer atmend an die geschlossene Tür lehnen. Hilflos beugte ich mich vor und stützte die Hände an die Knie, atmete gegen den Schmerz, die Sehnsucht und all diese verfluchten Gedanken an die mich beinahe zu Boden rissen. Bebend verließ ich ihr Zimmer und lief schnell rüber zu Haymitch um mir trockene Sachen zu holen. Er war noch immer nicht zurück, also zog ich meine Tasche vom Bett im Gästezimmer und rannte zurück. Im Arbeitszimmer zog ich mich aus und trocknete mich notdürftig ab. Ich zog mich um und setzte Wasser für Tee auf. Dann ging ich wieder hoch und horchte an der Tür. Sie weinte. Hilflos lehnte ich die Stirn an die Badezimmertür und legte die flache Hand darauf. Wäre ich Peeta und nicht ich selbst. Ich würde mit ihr in der Badewanne sitzen und sie trösten. Aber ich durfte nicht. Ich konnte nicht. Stumm stand ich da und wartete, hörte das Wasser plätschern. Plötzlich schnappte sie im Bad nach Luft. Ich hatte die Hand schon am Türgriff als mir durch den Kopf ging, dass wenn ich diese Tür öffnete, Katniss nackt vor mir in der Badewanne sitzen würde. Und ich hatte nicht nur Sorge dass ich mich dann endgültig vergessen würde, nein ich war mir sicher dass der Anblick meinen Alpträumen neues Futter geben würde und sie noch um einiges grausamer gestalten würde. „Katniss?“ fragte ich stattdessen und lauschte. „Es geht mir gut..“ wimmerte und schniefte sie, sicher Katniss, dir geht es hervorragend. Dachte ich und schnaubte. Ich hörte wie sie aus der Wanne stieg und wich sicherheitshalber zurück. Nur im Handtuch, mit offenem, nassem Haar und völlig aufgelöst öffnete sie dir Tür und ich wusste ohne Fragen zu müssen um wen sie geweint hatte. Natürlich. Mein Auftauchen musste all den Schmerz um Prims Verlust in ihr aufgewühlt haben. Primrose. Süße, unschuldige, kleine Primrose. Ich hätte mein Leben für sie geben. Ich hätte an dem Tag in der Capitol sterben sollen. Ich, nicht sie. Das würde ich mir mein Leben lang vorwerfen. „Prim.“ Flüsterte ich und sie nickte hilflos. Zum ersten Mal hielten wir einander nur fest. „Du konntest nichts dafür..“ schniefte sie und ihre Finger gruben sich mein Shirt. „Doch Katniss, konnte ich. Und du hast es gesehen. Du hast gesehen dass das was Beetee und ich dort fabrizierten falsch war.“ Bitterkeit überrollte mich zusammen mit Trauer und Leid. Ich war es der die Bomben entworfen hatte. Inzwischen hatte ich auch Gewissheit. Es waren meine Bomben. Angeblich hatte es einen Spion bei den Rebellen geben. Aber das war Propaganda Schwachsinn der Coin postum noch schützen sollte. Mir hatte ein Blick in Beetees Augen gereicht als ich ihm die Frage stellte. Wir wussten es beide. Das war etwas das ich Katniss niemals würde sagen können. Vorsichtig hob ich sie mir in ihrem dicken Handtuch auf die Arme und trug sie zum Bett, wo wir uns Arm in Arm zusammen kuschelten und festhielten. All die sexuelle Spannung die noch vor wenigen Minuten geherrscht hatte war verpufft. Wir waren nur wir selbst. Beste Freunde die sich über einen unersetzlichen Verlust trösteten. Und ich wusste endlich dass sie mir verziehen hatte. Ich blieb neben ihr liegen während sie schlief, wachte über ihren schlaf und hielt sie tröstend als sie schreiend aus einem Alptraum aufwachte. Ich konnte nicht schlafen. Stumm lag ich da, hielt sie fest und weinte um Prim und das Leben das man uns genommen hatte. Erst in den frühen Morgenstunden schlief Katniss wieder ein. Ich befreite mich um mir etwas Wasser zu holen und als ich zurück kam war ihre Stirn schweißbedeckt und glühte. Ich rief Cinna an und machte mich sofort auf den Weg zu ihm. Offenbar hatte ich sie nicht schnell genug warum und trocken bekommen. Vielleicht war ihr Körper aber auch einfach nicht mehr ansatzweise so widerstandsfähig wie früher. Ich war gezwungen herum zu sitzen und zu warten. Wieder wusste ich nicht worauf ich eigentlich wartete. Ich wurde regelmäßig von meiner Mutter angerufen die mich bat Suppe und Grießbrei und was nicht alles zu holen, das Katniss eh nicht essen würde. Sie schlief wie ein Stein. Da mir nichts anderes übrig blieb begann ich eine Mauer um den Trümmerhaufen meines Herzens zu ziehen. Stein für Stein zog ich die Mauer hoch. Ich musste mich gegen das wappnen was noch kommen würde. Katniss und Peeta happily ever after. Meine Kiefermuskeln spannten sich erneut an. Stöhnend rutschte ich in dem Sessel tiefer und fuhr mir fluchend mit beiden Händen übers Gesicht. Cinna war oben bei Katniss, weshalb ich nicht hoch gehen wollte. Wie sollte man sich gegen so etwas wehren? Wie verhindern dass man vollkommen zerfetzt wurde? Ich musste. Ich konnte es. Ich war stark genug. Ich musste stark genug sein, ein letztes Mal nur um sicher zu sein das es ihr für den Rest ihres Lebens an nichts mangeln würde. Um sicher zu sein das sie glücklich war. Dann könnte ich sie auf ewig verlassen und endlich schlafen. Wenn ich für immer schlief, würde sie noch immer in meinen Träumen sein? Gegen Abend riss mich leises Klopfen an der Tür aus meinen trübsinnigen Gedanken. Ich wusste dass meine Mutter noch mal nach Katniss sehen wollte und öffnete unbedacht die Tür. Oh. Ich hatte nicht damit gerechnet dass es so bald losgehen würde. Aber da stand er. Der Junge mit dem Brot. Die Situation triefte nur so vor unterschwelliger Ironie. Also gut. Ich würde das Spiel spielen. „Was willst du.“ Fragte ich gelassen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich will zu Katniss. Ich habe ihr etwas Brot mitgebracht.“ Süß. Dachte ich und schnaubte amüsiert. Ich war gespannt ob er sich wehren würde, ob er es begriff oder noch immer der naive Bäckersjunge war der zwei Arenen und eine gewaltige Ladung Trackerjacker Gift gebraucht hatte um zu kapieren das sie ihn auch liebte. „ Nett von dir aber wie kommst du darauf, dass ich es ihr geben würde?“ fragte ich herausfordernd. „Weil du genauso wie ich weißt das sie es braucht und weil es nur ein Geschenk ist.“ Er klang bemüht ruhig, aber das ging doch schon in die richtige Richtung. „Ich habe sie dir anvertraut. Ich habe sie für dich aufgegeben, weil sie sich für dich entschieden hat. Und alles was dir dazu einfällt ist ihr das Herz zu brechen und dir eine neue zu suchen?“ knurrte ich vorwurfsvoll und versperrte ihm demonstrativ die Tür. „Nein Gale, du bist abgehauen und hast sie mir überlassen damit ich mit dem was von ihr übrig ist klar komme. Du hast sie nicht gesehen. Du hast nicht gesehen wie kaputt und fremd sie war. Und du wachst nicht nach jeder Begegnung mit ihr von Träumen auf in denen ihr verstümmelter Körper dich umbringen will. Erzähl mir nichts von dem was DU aufgegeben hast! Ich habe ALLES für sie aufgegeben! IMMER!“ Am liebsten hätte ich ihm eine Rein gehauen. Was hatte er denn aufgegeben? Er würde sie bekommen, er hatte sie bekommen. Immer. Ich konnte unsere Küsse noch immer an einer Hand abzählen. Eiskalte Wut stieg mir zu Kopfe. „Du kennst sie nicht wenn du ernsthaft nicht gesehen hast dass sie noch immer sie selbst ist. Das sie dich braucht! Sie braucht dich mehr als sie mich je brauchen wird! Ich bin ein billiger, schlechter Ersatz für dich. Für all das was du ihr verwehrst. Die haben mit deinem Verstand gespielt? Aber nicht mit deinem Herzen. Ich schwöre dir Peeta, wenn du ihr noch einmal das Herz brichst, breche ich dir alle Knochen.“ Drohte ich wütend, doch ehe wir aufeinander losgehen konnten hörte ich sie hinter uns. Katniss. Sofort fuhr mein Kopf herum. „Hört auf.“ Befahl sie uns bemüht würdevoll. Ich war stolz auf sie. Endlich zeigte sich auch bei ihr Kampfgeist. „Was willst du hier?“ Aber das täuschte wie ich feststellen musste. Ihre Stimme war brüchig von Tränen. „Ich-..“ setzte Peeta an doch Katniss drängte sich an mir vorbei und schnitt ihm das Wort ab. Ich lehnte an der Flur Wand und hätte genauso gut unsichtbar sein können. „DU HAST MICH VERLASSEN! PEETA DU WARST ES DER MICH VERLASSEN HAT!“ schrie sie Peeta schluchzend an und riss ihm das Brot aus der Hand. Sie versuchte eindeutig es ihm an den Kopf zu werfen, doch sie hatte bei weitem nicht genug Kraft und so landete es an seiner Brust. Ich erstarrte als sie ihn am Kragen packte, zu sich zog und ihn küsste. Es war eine Sache das im Fernsehen zu sehen. Eine Vollkommen andere sie direkt vor mir stehen zu haben während sie Peeta küsste. Das so sorgfältig errichtete Fundament meiner schönen, neuen Mauer bröckelte und zerfiel. Stumm blieb ich an der Wand stehen als sie dir Tür zu schlug. Es rauschte in meinen Augen und ich musste die Augen schließen. Nur eine Sekunde, gib mir nur eine Sekunde Catnip.. flehte ich sie innerlich an. Doch sie brach direkt vor mir zusammen und begann bitterlich zu weinen. Um ihn. Nur um ihn. Ich verfluchte mich mit allen Flüchen dir mir bekannt waren während ich sie vorsichtig aufhob und nach oben trug. Dafür würde ich Peeta wenigstens die Nase brechen. Kapitel 12: He's the one I look right through --------------------------------------------- Katniss Ich saß auf Gales Schoß, hatte mich in seinen Armen klein gemacht und weinte leise. Meine Hand grub sich haltsuchend in den Stoff seines Hemdes. Ich spürte noch immer Peetas Lippen auf meinen und die Sehnsucht nach ihm machte es mir schwer zu atmen. Immer wieder schniefte ich unkontrolliert und brach erneut in Tränen aus. Inzwischen hatte ich Schluckauf und trotzdem saß Gale stoisch da, hielt mich und streichelte mir beruhigend über den Rücken. „E-er ist selb-selbst schuld.“ Hickste ich schniefend und fuhr mir mit dem Handrücken über die Nase. Von meinem Taschentuch war nicht viel übrig. Es lag zerpflückt in meinem Schoß. Haymitch rumorte in der Küche und ich zuckte leicht zusammen. Gale schmunzelte und strich mir eine Strähne aus der Stirn. „Findest du nicht dass du genug um ihn geweint hast?“ fragte er sanft und ich hob hicksend den Kopf. „N-Nein.“ Schniefte ich demonstrativ, konnte aber nicht verhindern dass ich lächeln musste. Lachend zog er mich sacht an einer Strähne. „Der Idiot stand grinsend vor deiner Tür und hat mir erklärt dass er dich liebt. Könnt ihr das nicht endlich beenden?“ fragte Haymitch und rumpelte in mein Wohnzimmer, er aß ein dick mit Butter beschmiertes Brot. Mein Brot. Oder was davon übrig war. Ich runzelte die Stirn und sah Haymitch entgeistert und vorwurfsvoll an. Was nicht annähernd so würdevoll wirkte wie ich hoffte, schließlich hüpfte ich jedes Mal leicht wenn ich hicksen musste. Ich hasse Schluckauf, dachte ich resigniert und hickste doch selbst in meinen Gedanken. Haymitch ließ sich amüsiert grinsend in den Sessel uns gegenüber fallen. „Das ha-hat er nicht.“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust und setzte mich etwas auf. Gale entkam ein leises ‘uhmph‘ als ich ihm dabei meinen Ellenbogen in den Magen drückte. Haymitchs Augenbraue hob sich. „Hat er. Ich dachte das mit dem Boytrouble hätten wir langsam mal hinter uns Sweetheart.“ Grinste er und ich schnaubte wütend. Peeta hatte grinsend vor meiner Tür gestanden? Direkt nachdem ich ihn geküsst hatte und ihm die Tür vor der Nase zu geschlagen hatte? Was Besseres war ihm nicht eingefallen? Ich atmete bebend ein und rutschte weiter auf Gales Schoß rum was diesen gequält stöhnen lies. „Scht.“ Befahl ich und verschränkte meine Arme fester vor der Brust. Nur langsam sank die eigentliche Bedeutung von dem was Haymitch mir gerade gesagt hatte in mein Bewusstsein. Peeta liebte mich. Er hatte es Haymitch gesagt, direkt nachdem ich ihn geküsst hatte. Abgesehen davon das er es verdammt noch mal mir hätte sagen sollen, waren das mit Abstand die besten Nachrichten seit langem. Lange Zeit saß ich einfach nur nachdenklich auf Gales Schoß. Haymitch war in meinem Sessel eingeschlafen und schnarchte und Gale hing offenbar seinen eigenen Gedanken nach. Dachte ich zumindest bis er mich leise ansprach. „Peeta war es der mich dir hinter her geschickt hat. An dem Tag als es so geregnet hat. Ich war in Haymitchs Haus und habe mir den Kopf darüber zerbrochen welchen Grund ich dir für mein Auftauchen erzählen könnte. Und dann stand er vor der Tür. Würde er sich auch nur eine Spur besser im Wald auskennen, er wäre dir nachgegangen.“ Ich erstarrte und sah Gale aus großen Augen an. Aber das war der Tag an dem Peeta mit diesem Mädchen in der Küche war. Oder? Ich blinzelte und versuchte mich zu erinnern. Ich hatte kurz vorher diesen Alptraum in dem.. in dem ICH es war die Peeta erstickte. Angestrengt versuchte ich mich an das zu erinnern was ich in seiner Küche gesehen hatte. Erinnerungsfetzen und Traumbilder mischten sich und ich musste mich wirklich konzentrieren. Nein. Da war nur Peeta. Er hatte mich angesehen und deshalb war ich weg gelaufen. Ich hatte mich selbst bei ihm gesehen. Ein hilfloser Laut entkam mir und ich vergrub das Gesicht in den Händen. Hatte ich Peeta schon wieder Unrecht getan? Ich atmete tief durch und versuchte mich zu konzentrieren. Versuchte mich an mich selbst zu erinnern. An meine Wut und meine Willensstärke. Ich grub in meinem Verstand nach Bildern die mir Kraft gegeben hatten. Aber alles was ich dort fand war Brachland. Schmerz und Erinnerungen die ich nie wieder erleben wollte. Und doch sprudelten sie in mir hoch. Ich versteifte mich und meine Hände verkrampften sich um den Saum meines Nachthemdes, den ich in einem Versuch mich an der Gegenwart festzuhalten umklammert hatte. Der Moment als ich durch die Asche meines Geburtshauses lief. Als ich nicht gegen Steine sondern Schädel stieß. Als mich leere Augenhöhle aus Gesichtern anstarrten die ich niemandem mehr zuordnen konnte. Ich begann leicht zu zittern. Gales Abweisendes Verhalten, der Moment als the Nutt von Gale halb in die Luft gesprengt wurde und tausende Menschen unter Schutt begraben wurden. Der Sekundenbruchteil als ich angeschossen wurde. Johanna nachdem sie den Test nicht bestanden hatte und ich ihr das Säckchen mit Nadeln brachte. Und Prim. Prim die ihre Ziege bekam. Prim die mich anflehte Buttercup nicht zu ertränken. Eine singende, lachende Prim. Der Moment als Gale mit Prim und Buttercup in letzter Sekunde in den Schutzbunker gerannt kam. Die grauenhafte Sekunde als Gale von den Peacekeepern weg gezerrt wurde und ich nicht schießen konnte. Gales zerschundener, von den Peitschenhieben aufgerissener Rücken. Bilder über Bilder über Bilder rollten in einer gewaltigen Welle über mich hinweg. Als wolle mir mein Verstand in einer einzigen, schmerzhaften Minute die letzten zwei Jahre in jedem Detail vor Augen halten. Und dann war Peeta da. Seine Blicke, seine Gesten, seine Berührungen. Unser erster Kuss, der Schreck als er den Nightlock gefunden hatte, die unerträglichen Sekunden als ich dachte er wäre tot. Erstickt gab ich ein gurgelndes Geräusch von mir und presste mir eine Hand auf die Lippen. Ich hatte nie solche Angst um ihn gehabt wie in diesem Moment. Nein das stimmte nicht. Der Moment in der Arena war nichts verglichen mit dem als Gale mir sagte das Peeta in die Capitol verschleppt worden war. Peeta was taken Prisoner. He is thought to be dead. Erst jetzt, Monate, ein ganzes Leben später wurde mir klar dass ich ohne ihn nicht würde leben können. Niemals. Das der bloße Gedanke ihn verloren zu haben, ohne mich von ihm verabschiedet zu haben, nicht zu ertragen war. Für einen Moment spürte ich mich selbst wieder. Einen Hauch dessen was ich früher gewesen war. Mir ging so vieles durch den Kopf und ich wusste ich musste alleine sein. Ich stieg vorsichtig von Gales Schoß und warf ihm einen kurzen Blick zu der ihn an Ort und Stelle hielt. Leise stieg ich die Treppe hoch in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Es gab Dinge die ich verdrängt und nicht verarbeitet hatte. Erlebnisse und Situationen von denen ich wusste dass ich sie würde hinter mir lassen müssen um weiter zu leben. Ich setzte mich auf mein Bett, zog die Knie an und legte meine Arme darum. Lange Zeit saß ich nur so da. Dachte über alles nach was zwischen Gale und mir war, über das was hätte sein können und über meine Gefühle für ihn. In der Capitol war keine Zeit über all das nach zu denken. Ich hatte ein Ziel und die Gewissheit nicht lebend davon zu kommen. Doch all das war jetzt nicht mehr relevant. Denn ich war am Leben. Ich hatte alles überlebt. Gale hatte Recht, ich hatte eindeutig genug um Peeta geweint. Es gab Momente in denen ich mich unendlich jung und verletzlich fühlte. In denen ich so leicht zerbrach und sicher war nie wieder ganz zu werden. Aber es gab genauso Momente in denen ich merkte dass ich älter geworden war. Das ich lernen musste neu mit Dingen um zu gehen. Es waren tiefe, aufwühlende Gedanken die mich an diesem Nachmittag erfüllten und vieles hervorbrachten das mir zuvor nicht klar gewesen war. Draußen wurde es bereits dunkel und ich wusste das es sicher nach Zehn war. Aber es gab noch etwas das ich tun musste. Eine Sache ohne die ich nicht würde schlafe können, geschweige denn die nächsten Tage in Angriff nehmen können. Ich stieg vom Bett und öffnete die Schublade meiner Kommode. Sie war voller Hosen, T-Shirts, Pullover und anderer bequemer Kleidung die Cinna mir mitgebracht hatte. Aber das war nicht was ich jetzt brauchte. Ich war ihnen entwachsen. Ich drehte mich und sah mein Spiegelbild in der Fensterscheibe. Offenes Haar, mein Nachthemd, Barfuß. Ich schmunzelte und strich mir eine Strähne hinters Ohr. Wieso nicht. Da ich offenbar alle wichtigen Gespräche mit Peeta in meinem Nachthemd führte konnte ich das auch ruhig weiter tun. Ich schlich mich runter und aus der Haustür. Ich wollte von niemandem aufgehalten werde, erst recht nicht von Gale. Den würde ich mir später vorköpfen. Erst mal hatte ich das Ganze mit Peeta zu klären. Die Kiesel waren noch warm und ich lief geradewegs auf Peetas hell erleuchtetes Haus zu. Ich bemerkte eine Bewegung in der Küche und sah ihn durchs Fenster. Stoisch ging ich weiter auf seine Haustür zu, ich hatte sie noch nicht ganz erreicht als er die Tür öffnete. Fragend sah er mich an und stolperte überrascht zurück als ich ihn in seinen Flur schob und die Tür hinter mir zu stieß. So würde Gale uns nicht sehen. Nur.. für alle Fälle. Denn was ich als nächstes tat würde ihm nur wehtun. Aber ich musste es tun. Für mich. Ich hob die Arme, schob sie um seinen Hals und küsste ihn. Nicht so wie vor wenigen Stunden. Ich küsste ihn so wie ich es seit Wochen und Monaten tun wollte. Meine Hände krallten sich in sein Haar und als seine Arme sich endlich um mich legten entkam mir ein sehnsuchtsvoller Laut und ich presste mich enger an ihn. Wir küssten uns mit einem solchen Hunger das ich bald schon keine Luft mehr bekam. Und wieder stellte ich fest das Gales küsse nichts im Vergleich zu Peetas waren. Erregend, dunkel, aufregend ja. Aber das was Peeta mit meinem Kopf und Körper anstellte während er mich küsste, all das was er in mir auslöste, war um so vieles stärker und tiefgehender. Schmetterlinge stürmten meinen Bauch in Scharen und mein ganzer Körper begann zu kribbeln. Je enger er mich hielt, desto sehnsüchtiger presste ich mich an ihn. Meine Lippen teilten sich und er vertiefte unseren Kuss. Hilflos klammerte ich mich an ihn. Ich liebte ihn so sehr. Er war es. Er allein. Alles war richtig. Tief atmete ich den vertrauten Duft ein. Peeta. Mein Peeta. Minuten lang blieben wir so im Flur stehen bis er mich an die Flur Wand pinnte und mir ein hilfloses Keuchen entkam. Es war alles so viel intensiver als mit Gale. Ich war nicht aufgelöst oder wütend, ich war ganz bei mir und konnte in vollen Zügen all das genießen das nur Peeta in mir auslösen konnte. Seine Hände fingen meine ein und zogen sie über meinen Kopf an die Wand. Unsere Finger schoben sich ineinander und ich musste lächeln. Es war etwas vollkommen anderes ihn zu küssen mit dem Wissen das wir beide uns wirklich liebten. Umso schwerer fiel es mir den Kuss zu lösen. „Peeta..“ setzte ich an doch seine Lippen wanderten über meine Kinnlinie, glitten meinen Hals entlang und verweilten in meiner Halsbeuge. Ich atmete bebend ein. Meine Brust hob und senkte sich hilflos. „Peeta ich muss..“ er schnitt mir mit seinen Lippen das Wort ab, erstickte meinen Protest mühelos. Sein Körper hielt mich mühelos an Ort und Stelle. Ich spürte seine Muskeln unter dem dünnen Shirt das er trug. Mein Nachthemd bot mir kaum Schutz, es war ein Hauch Stoff zwischen mir und Peeta. Und wieder fragte ich mich was mich nur ritt permanent in diesem Nachthemd herum zu laufen. Richtig, in diesem Fall hatte ich es gegen Peeta benutzt. Well it backfired. Hilflos wimmernd bog ich den Kopf in den Nacken als seine Lippen erneut meinen Hals malträtierten. Er löste unsere Hände und fuhr über meine Seiten. Ich schlang die Arme erneut um seinen Hals und fuhr mit den Fingern durch seinen Nacken und seine Haare. Es fiel mir mehr als schwer mich an mein eigentliches Ziel zu erinnern. Schwer atmend löste ich eine Hand und legte sie ihm auf die Brust um ihn sacht von mir zu drücken und zu bremsen. Unter meinen Fingerspitzen spürte ich, dass sein Herz genauso schnell schlug wie meines. Aus aufgewühlten Augen sahen wir einander an. „Peeta.. ich muss mit dir sprechen.“ Flüsterte ich, doch es klang bei weitem nicht so bestimmt wie ich hoffte. Meine Stimme bebte vor Verlangen. Das war etwas das ich nur einmal, in der Arena am Strand erlebt hatte. Es überrumpelte mich jedes Mal. Aber ich musste das klären. Auch seine Brust hob und senkte sich schwer, seine sonst so hellen Augen waren dunkel vor Begierde die ich nicht befriedigen würde. Peeta stützte seine Hände rechts und links neben meinem Kopf ab. „Ich höre.“ raunte er dunkel und seine Stimme sandte mir Schauer das Rückrad hinab. Es kostete mich einiges an Überwindung und Willenskraft ihn nicht sofort wieder an mich zu ziehen. „Das mit uns.. ich..“ verflucht. Ich hatte mir meine Worte so genau überlegt. Aber ich hatte Peetas Wirkung auf mich nicht mit einkalkuliert. „Ja?“ schnurrte er, ignorierte meine Hand an seiner Brust, beugte sich vor und fuhr mit der Nase sacht meinen Hals hinauf. Ich erschauderte. Sacht biss er in mein Ohrläppchen. „Das mit uns..?“ flüsterte er an meinem Ohr und mir wurden die Knie weich. Bebend atmete ich ein. „Kann so nicht weitergehen.“ Brachte ich hervor und er lachte leise, hauchte einen Kuss auf meine Ohrmuscheln. „Uhum..“ hauchte er und ich musste die Augen schließen. „Peeta bitte.. ich…“ Mühsam schob ich ihn wieder mit beiden Händen von mir und hielt ihn auf Armeslänge vor mich. Seine Augenbraue hob sich langsam. „Ich liebe dich aber ich kann so nicht einfach mit dir zusammen sein. Nicht nach allem was war. Wir haben uns beide verändert, wir sind nicht mehr die Menschen die wir vor den Hunger Games waren. Und ich finde wir sollten uns neu.. neu verlieben. Bring mich dazu mit dir zusammen sein zu wollen.“ Sprudelte es aus mir hervor. So in der Art hatte ich es mir zurechtgelegt. Nur das meine Stimme bebte und ich sicher war das meine Augen vor Sehnsucht genauso dunkel waren wie seine. Peetas Stirn runzelte sich leicht, dann wanderte seine rechte Augenbraue in einem perfekten Bogen nach oben. „Ich soll dich überzeugen?“ fragte er und schon in dem Moment da er es sagte war mir klar dass ich es falsch formuliert hatte, denn dem Kuss der darauf folgte hatte ich absolut nichts entgegen zu setzen. Hilflos gruben sich meine Hände in sein Shirt und ich zerfloss in seinen Armen wie Butter in der Sonne. „Ich meine es ernst Peeta..“ versuchte ich es erneut, doch er grinste nur. „Ich auch.“ Und wieder fing er meine schon ganz wundgeküssten Lippen ein. Wenn ich nicht erneut etwas äußerst dummes und unüberlegtes tun wollte, dann musste ich ihn bremsen. Musste ich uns beide bremsen. Denn zugegeben, ich war genauso an meinem Dilemma beteiligt. Mühsam befreite ich mich, tauchte unter seinen Armen hinweg und wich an die Haustür zurück. „Wir sollten uns die Möglichkeit geben uns neu kennen zu lernen. Bis dahin sollten wir uns nicht sehen und unsere Leben leben und.. sehen wie es weiter geht.“ Beendete ich meine Rede und verschränkte die Arme vor der Brust, direkt über meinem wild flatternden Herzen. Einen Moment lang sah es so aus als wolle er widersprechen, mich wieder an sich ziehen, aber dann nickte er. „Okay. Nur damit ich das richtig verstehe, ab morgen kenne ich dich praktisch nicht mehr? Ist es das was du.. damit meinst?“ Seine Augenbrauen hoben sich fragend und auch er verschränkte die Arme vor der Brust. „So in der Art. Ich.. wir sollten beide wissen wer wir sind ehe wir..“ ich brach den Satz ab und lief rot an. Soweit hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gedacht. Sex war mit Kindern verbunden und die wollte ich nicht. Aber der bloße Gedanke an Peetas Körper so dicht an meinem verwandelte meine Knie in Pudding. Ich musste, ob ich wollte oder nicht, mit meiner Mutter sprechen. Denn das letzte was ich wollte war aus einem meiner überforderten Impulse heraus mit Peeta zu schlafen und schwanger zu werden. Ich erschauderte, diesmal vor Grauen. Himmel wo kamen diese Gedanken nur her? Ein Blick in Peetas dunkle Augen war Antwort genug. Richtig. Seinetwegen. „Convince me.“ Flüsterte ich, drehte mich auf dem Absatz um und rannte zurück nachhause. Gale streckte den Kopf aus der Tür als ich durch meinen Flur lief und die Treppe hoch lief. Aber er kam mir nicht nach. Mit wild rasendem Herzen fiel ich auf mein Bett und zum allerersten Mal seit Jahren, brach ich in glückliches Lachen aus. Echtes, glückliches Lachen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)