Ein Leben wie dieses von Juju ================================================================================ Prolog: Eine Überraschung ------------------------- Das schrille Klingeln des Telefons ließ Sora jäh aus dem Schlaf schrecken. Erschrocken riss sie die Augen auf und war mit einem Schlag wach. Ihr Herz pochte wild gegen ihren Brustkorb, so sehr war sie erschrocken. Stöhnend griff sie schließlich nach dem Hörer. „Hallo?“, krächzte sie. „Sora, ich muss dir was erzählen!“, rief eine aufgeregte Stimme am anderen Ende der Leitung. „Mimi? Bist du das?“, fragte Sora müde und ließ sich zurück in die Kissen sinken. „Ja, wer denn sonst? Stör ich dich gerade?“ Sora war einige Sekunden sprachlos. „Ob du mich störst? Es ist mitten in der Nacht!“ „Also nicht.“ Mimi kicherte und Sora verdrehte die Augen. „Nein, tut mir Leid, es ist nur so wichtig, dass ich nicht warten konnte. Außerdem hab ich gerade nicht damit gerechnet, dass es bei euch nachts ist.“ Sora warf einen Blick auf die leuchtende Digitalanzeige ihres Weckers, die drei Uhr einundzwanzig anzeigte. „Wann lernst du das mit dem Zeitunterschied endlich?“, murmelte Sora gähnend. „Das ist ja das Schöne, ich brauche es nicht mehr lernen. Ich komme zu euch!“, verkündete Mimi und Sora konnte ihr Strahlen förmlich hören. „Was?“, rief sie aufgeregt. „Ehrlich? Wann?“ „Zum nächsten Schuljahr!“, antwortete Mimi begeistert. „Ich komme zu euch in die zweite Klasse der Oberschule!“ Dann kam sie genau genommen nicht zu Sora, sondern zu Izzy in die Klassenstufe, aber Sora beschloss, das einfach unerwähnt zu lassen. „Ist ja toll! Wie kommt das denn?“, fragte Sora überrascht und begeistert zugleich. „Mein Vater muss von der Arbeit her ein Jahr nach Japan, weil seine Firma doch auch einen Sitz dort hat. Und da hat er natürlich alles daran gesetzt, nach Tokio zu kommen und es hat geklappt!“, erzählte Mimi atemlos. „Ist ja super! Was für ein Zufall, dass du auf unsere Schule kommst“, sagte Sora. „Ja, also das steht noch nicht ganz fest, aber ich bettel einfach ein bisschen und dann kriegen wir schon die Wohnung in der Nähe eurer Schule“, erwiderte Mimi kichernd. Sora schüttelte lachend den Kopf. Sie hatte keinerlei Zweifel, dass ihre Freundin das tatsächlich hinbekommen würde. Immerhin war sie für ihre Eltern die Prinzessin und die würden alles tun, um sie glücklich zu machen. _ Eigentlich wurde Kari wieder wach, weil sie Durst hatte, doch nachdem sie einen Schluck aus der Wasserflasche neben ihrem Bett getrunken hatte, hielt sie etwas ganz anderes davon ab, wieder einzuschlafen. Hörte sie da nicht ein Schluchzen? Unschlüssig stand sie auf und ging zu ihrer Zimmertür, um zu lauschen. Ja, eindeutig, ihre Mutter schluchzte. So leise wie sie konnte, öffnete sie die Tür und schlich in die offene Küche, wo sie ihre Mutter am Esstisch sitzend vorfand. Sie hatte den Kopf auf die Arme gelegt, die wiederum auf dem Esstisch lagen und ihre Schultern zitterten. Vor sich hatte sie eine Packung Taschentücher liegen. Kari bekam plötzlich Herzrasen. War etwas Schlimmes passiert? Eine Mutter durfte doch nicht weinen. Sie war doch immer die Starke gewesen, die Kari getröstet hatte, wenn sie traurig war. Wie versteinert stand Kari wenige Meter vom Tisch entfernt und starrte entsetzt ihre Mutter an. Schließlich bewegte sie sich wie in Zeitlupe auf sie zu und setzte sich leise auf den Stuhl ihr gegenüber. Yuuko hob den Kopf, als sie den Stuhl über den Boden scharren hörte. Das Gesicht, von dem alle sagten, sie hätte es an Kari weitergegeben, war rot gefleckt, die Augen geschwollen, die Wangen nass. Eilig nahm Yuuko sich ein Taschentuch und tupfte sich die Augen ab. „Wa-was ist denn?“, brachte Kari schließlich mit brüchiger Stimme hervor. Wo war denn ihr Vater? Hatte er nicht mitbekommen, dass es ihrer Mutter schlecht ging? „Nichts, nichts“, antwortete Yuuko hastig mit belegter Stimme und verbarg das Gesicht hinter einer Hand. „Geh lieber wieder schlafen, du musst doch morgen wieder in die Schule.“ „Mama, warum weinst du?“, fragte Kari verzweifelt, ohne auf sie einzugehen. Sie war selbst schon den Tränen nahe. Yuuko stand wackelig auf und nahm die Taschentücherpackung. „Kari, bitte. Es ist alles okay. Geh wieder schlafen.“ Sie lächelte ein sehr gezwungen aussehendes Lächeln und ging an Kari vorbei ins Badezimmer. Kari starrte eine Weile die geschlossene Badezimmertür an und stand auf, um in ihr Zimmer zurückzugehen. Ihr großer Bruder stand im Türrahmen seines eigenen Zimmers und Kari erschrak kurz, als sie ihn in der Dunkelheit ausmachen konnte. „Hat sie schon wieder geweint?“, fragte er leise. „Schon wieder?“ Irritiert sah Kari ihn an. „Hab sie letztens schon mal erwischt“, antwortete Tai nüchtern, als hätte er ihre Mutter beim heimlichen Rauchen gesehen. „Ich glaube, sie streiten sich oft in letzter Zeit.“ „Mama und Papa?“, fragte Kari verwirrt. Tai nickte nur, wünschte seiner Schwester eine gute Nacht und ging wieder in sein Zimmer. Auch Kari kroch wieder in ihr Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Ihre Eltern stritten sich oft? Weshalb hatte sie davon noch nichts mitbekommen? _ Es klingelte endlich zur Pause und nachdem Izzy seine Mitschriften beendet hatte, verließ er den Raum und ging auf den Pausenhof. Eigentlich hatte er vorgehabt, die Pause mit ein paar Jungen aus seinem Jahrgang zu verbringen, doch jemand machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Tai, Matt und Sora, das unzertrennliche Trio, kamen auf ihn zu, was Izzy wunderte, verbrachten sie doch sonst nie die Pause mit ihm. Fragend sah er sie an. „Kommst du kurz mit, T.K. und Kari suchen? Ich muss euch was erzählen“, sagte Sora und lächelte. Izzy zog die Augenbrauen hoch und sah Tai an, der nur mit den Schultern zuckte. Schließlich nickte er und ging mit den drei Freunden auf die Suche nach den Jüngeren. Die Mittelschule von T.K. und den anderen und Izzys Oberschule teilten sich ein Schulgelände, weshalb sich die Freunde jeden Tag in der Schule sahen, was manchmal praktisch, aber auch anstrengend sein konnte. Zu viert machten sie sich auf den Weg zu der Band, an der T.K. und Kari meistens die Pause verbrachten und fanden sie dort gemeinsam mit Yolei und ein paar anderen. Die drei sahen sie fragend an, als sie ihre Freunde kommen sahen. „Was gibt es?“, fragte Yolei. „Ich muss euch was erzählen. Habt ihr kurz Zeit?“, fragte Sora nun auch sie. Die drei Jüngeren sahen sich kurz an, nickten und folgten den vier Älteren einige Meter weg von der Gruppe. Izzy war wirklich gespannt, was nun folgen würde. Er beobachtete, wie Sora sich durch das rote Haar fuhr und sich räusperte. „Also, es gibt eine Überraschung. Mimi kommt nämlich nächstes Schuljahr hierher“, erklärte sie. „Was? Wirklich?“ Yoleis Augen leuchteten und Izzy musste sich ein Grinsen verkneifen. Alle anderen machten verdutzte Gesichter. Er selbst wusste es schon, da Mimi es ihm in einer E-Mail mitgeteilt hatte. Seit Jahren schrieben sie sich gegenseitig regelmäßig Mails und vor wenigen Tagen hatte ihn eine Mail von ihr erreicht, in der sie ihm diese Neuigkeit mitgeteilt hatte. „Das ist ja mal was“, sagte T.K. und verschränkte die Arme vor der Brust. „Hat sie keine Lust mehr auf Amerika?“ „Ist ja toll, wie lang wird sie bleiben?“, fragte Kari. „Wie kommt das denn?“, fragte Tai. Sora erklärte ihnen alles, was sie wissen wollten, und machte dann ein verlegenes Gesicht. „Ich hab mir überlegt“, begann sie, „dass wir ja vielleicht eine Willkommensparty für sie schmeißen könnten. Also da sollte die ganze alte Truppe zusammengetrommelt werden und vielleicht noch ein paar aus der Schule, die sie kennt. Wärt ihr dabei?“ Izzy sah in die Runde und auch die anderen warfen sich gegenseitig Blicke zu. Schließlich stimmten alle mit einem Schulterzucken und Kopfnicken zu. „Klar, warum nicht?“, meinte Tai grinsend. „Dann sehen wir uns endlich mal alle wieder. Ist doch super.“ „Ich bin auch dafür“, sagte T.K. und Izzy entging der Blick nicht, den er Kari zuwarf. _ Erschöpft stöhnend lehnte Joe sich in seinem Stuhl zurück und gönnte sich eine kurze Pause von seinen Aufzeichnungen. Seit drei Stunden durchgängig lernte er nun schon wieder für die Aufnahmeprüfung. Aber er musste einfach auf diese verdammte Universität. Er musste! Aber er hatte keine Ahnung, was sie alles verlangen würden. Was passieren mochte, wenn er die Aufnahmeprüfung nicht bestand, mochte er sich gar nicht erst vorstellen. Als er sich gerade wieder seinen Unterlagen widmen wollte, fiel ihm auf dem Bildschirm seines Computers ein blinkendes Symbol auf. Er hatte eine E-Mail bekommen. Kurz überlegte er, ob er sie einfach ignorieren und weiterlernen sollte, doch wahrscheinlich war es eh nur Werbung und das ständige Blinken würde ihn nur ablenken. Also rückte er seine Brille zurecht und klickte mit der Maus auf das Symbol. Die Mail war von niemandem, der ihm Viagra verkaufen wollte, sondern von Izzy. Er legte den Kopf schief und musterte den Betreff, hatte er doch schon ewig nichts mehr von Izzy oder einem der anderen gehört. Hey Joe, wie geht es dir so? Bist du gerade dabei, dich an Unis zu bewerben? Ich schreibe dir, weil ich dir etwas mitteilen will. Mimi zieht anscheinend für ein Jahr nach Tokio und wird an meine Schule gehen. Sora hat vorgeschlagen, dass wir eine Willkommensparty für sie geben könnten, dann sehen wir uns endlich mal alle wieder. Ein Termin steht noch nicht fest, aber es soll eine Überraschung werden. Was hältst du davon? Wenn du Lust hast zu kommen, würde ich dich auf dem Laufenden halten. Viele Grüße Izzy Verblüfft las Joe sich die Mail noch ein zweites Mal durch, ehe er auf „Antworten“ klickte. _ Müde hatte Davis den Kopf auf die Hand gestützt und starrte den Hinterkopf des Mädchens vor sich an. Ihr walnussfarbenes Haar glänzte in der Sonne, die zum Fenster an der rechten Wand des Klassenzimmers herein schien und noch weniger Lust auf Unterricht machte. Plötzlich drehte Kari sich um und richtete ihre dunklen Augen direkt auf seine. Auf ihren Lippen lag ein schiefes Lächeln. „Wo warst du eigentlich schon wieder in der Pause?“ Verwirrt erwiderte er ihren Blick. „Na Fußball spielen, wo sonst?“ „Entschuldige, ich dachte, du hast auch irgendwann mal was anderes im Kopf“, entgegnete das Mädchen und lachte leicht. Bei diesem Klang wurde Davis wie immer warm ums Herz und er wollte sie am liebsten die ganze Zeit lachen hören. Eigentlich wusste sie doch, was er sonst noch im Kopf hatte außer Fußball... „Du hättest mich ja besuchen kommen können“, sagte er und versuchte, sie lässig anzulächeln. Sie lächelte zurück und warf mit einer Kopfbewegung ihr schulterlanges Haar nach hinten, wobei es einen blumigen Duft verströmte, der Davis verrückt machte. „Wir haben in der Pause mit Tai und den anderen gesprochen“, erzählte sie und neigte den Kopf in Richtung T.K., der einige Plätze von ihnen entfernt saß. „Mimi kommt ein Jahr nach Tokio und geht hier zur Schule. Wir wollen eine Willkommensparty veranstalten. Du bist doch auch dabei, oder?“ Anfangs war Davis verärgert über das „wir“, mit dem sie T.K. und sich selbst meinte, doch der Ärger wich Verblüffung, als sie weitersprach. „Mimi kommt? Ist ja cool.“ Er hatte zwar seit Ewigkeiten überhaupt keinen Kontakt mehr zu dem verrückten Mädchen mit den damals pinken Haaren, doch er hatte sie eigentlich immer gemocht. „Klar bin ich dabei. Wann soll die Party denn steigen?“ „Wissen wir auch noch nicht“, antwortete Kari schulterzuckend. „Sobald sie eben hier ankommt.“ „Und wann wird das sein?“, fragte Davis weiter. „Irgendwann im März“, antwortete Kari, was im Läuten der Schulglocke, das den Unterrichtsbeginn ankündigte, fast unterging. „Sag Ken Bescheid, ja?“, fügte sie noch hinzu, ehe sie sich wieder umdrehte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)