Die Legende von Sabakuno Temari von Ami_Mercury (Eine ShikaTema frei nach Disneys "Mulan") ================================================================================ Kapitel 1: Die Legende einer Liebe ---------------------------------- Mein Name ist Sabakuno Temari ... Ich bin eine Frau . Und damit ist mein einziger Lebensinhalt Hausarbeit, Fürsorge um meine Familie und – sobald ich verheiratet bin – Kinder gebären. Genauer gesagt wird von mir erwartet Söhne zur Welt zu bringen. Das ist für Frauen die einzige Möglichkeit in dieser Welt ihrer Familie Ehre zu erweisen. Warum? Warum muss ich ausgerechnet als Frau geboren worden sein? Ich will mehr sein als es von mir erwartet wird ... Ich will ich selbst sein! Mit all meinen Vorzügen und Vorlieben. Das Oberhaupt unseres verbündeten Staates ist auch eine Frau. Ihr Stammbaum ist allerdings der einzige Grund dafür ... und weil der nächste Anwärter noch nicht alt genug ist für das Amt des Hokage, des Hüters von Konohagakure. Das Dorf, in dem ich lebe, heißt Sunagakure. Es wird von meinem Vater reagiert, dem Kazekage. Kankuro ist der ganze Stolz unseres Vaters. Gaara und mich dagegen hasst er zutiefst ... Gaara ist in seinen Augen zu schwach. Und ich ... Er empfindet es als Schande, dass sein erstgeborenes Kind ein Mädchen ist. Ich kann nur hoffen, dass mein zukünftiger Mann nicht so sein wird, wie mein Vater ... Aber da er derjenige sein wird, der meinen Gemahl erwählt, ist mein Schicksal bereits jetzt besiegelt. Ich werde niemals frei sein ... Respektvoll kniete ich vor der Hokage nieder. Zwar teilte ich die allgemeine Überzeugung nicht, eine Frau sei nichts wert ... Dennoch war es ungewohnt. „Nara Shikamaru.“, sprach sie mich an, „Ich habe Botschaft von unseren Kundschaftern an der westlichen Grenze bekommen ... Uns steht ein Angriff der Rebellengruppe Akatsuki bevor.“ Erschrocken hob ich den Blick. Die Akatsuki waren ein Zusammenschluss von neun Rebellen, die es sich zum Ziel gemacht hatten, die fünf Kage zu stürzen. Ihr Anführer war Pain. Die Namen der anderen Mitglieder lauteten Konan, Itachi, Kisame, Deidara, Sasori, Kakuzu, Hidan und Zetsu. „Ich habe mich mit dem Kazekage beraten. Er ist bereit uns im Kampf zu unterstützen, aber unsere gewöhnliche Streitmacht wird nicht ausreichen, um die Akatsuki und ihre unzähligen Söldner zurückzuschlagen ... Darum werde ich einen Erlass veröffentlichen, nachdem jede Familie aus Konoha und Suna einen Mann für diesen Kampf bereitstellen muss.“, erklärte sie, „Dafür brauche ich einen geeigneten Ausbilder. Ich habe mich für dich entschieden, Nara Shikamaru ... Dein Talent als Gruppenführer, dein strategisches Können und deine Entschlossenheit zeichnen dich aus. Nimmst du diesen Auftrag an?“ Mit einer erneuten Verbeugung antwortete ich: „Hai!“ Der Klang des Gongs hallte durch die Straßen, verkündete die Ankunft eines Botschafters. Die Männer versammelten sich, die Frauen zogen sich in die Häuser zurück. Ich war wohl die einzige, die neugierig genug war, um vom Dach aus zu lauschen. Das Blatt-Symbol unseres Verbündeten erregte mein Interesse. „Im Namen der Hokage Senju Tsunade ... jede Familie hat einen Mann bereitzustellen, der die Armee unserer Allianz gegen die Rebellen unterstützt!“, rief er in schallender Stimme, „Der Kazekage persönlich befürwortet diesen Erlass.Tretet vor und tragt euren Namen.“ Ich zitterte, als ich mich vom Dach herunter gleiten ließ. Mein Vater hatte den Einberufungsbefehl unterstützt. Er selbst konnte aufgrund seiner Position natürlich nicht am Kampf teilnehmen; das bedeutete einer meiner Brüder musste gehen. Und da mein Vater die Entscheidung traf, wusste ich bereits, auf wen seine Wahl fallen würde ... Gaara! Mir blieb nicht viel Zeit. Trotzdem musste ich in unseren Familientempel, bevor ich meinen Plan in die Tat umsetzen konnte. Als ich vor den Steintafeln vor meiner Ahnen kniete, begann ich zu beten: „Okaa-sama ... hörst du mich? Ich kann nicht zulassen, dass Gaara sich in diesen Kampf begibt. Er würde das nicht durchstehen. Und ... du sollst nicht noch mehr leiden. Wo immer du auch bist. Ich weiß, du hast Gaara von ganzem Herzen geliebt ... Anders als Vater konntest du das Besondere in ihm sehen. Ich will weder Gaara, noch Kankuro verlieren ... Deshalb bitte ich dich, hilf mir!“ Über mir begann die hölzerne Figur eines Wiesels zu leuchten. Gebannt beobachtete ich, wie das Holz abbröckelte und weißes Fell darunter sichtbar wurde. „Temari-chan ...“, sagte das kleine, einäugige Wiesel, „Deine Mutter hat mich zu dir geschickt. Ich heiße Kamatari und bin ein Wächter der Familie Sabakuno, stets zu Diensten.“ Er verbeugte sich vor mir. Ich erinnerte mich an ihn ... Meine Mutter hatte mir einst von ihm erzählt. Sein Element war der Wind. Er kam und ging, wie die Luftströmung ihn trieb. Und doch kehrte er immer wieder in diesen Tempel zurück. Hoffentlich würde ich mit seiner Hilfe auch wieder zurückkehren. Die Schlange für diejenigen, die sich noch nicht eingetragen hatten, erfüllte den ganzen Platz. Mich schien niemand zu erkennen ... Nicht einmal die Bewohner, die mich seit Jahren kannten. Meine vier Zöpfe hatte ich gelöst und zu einem Haarknoten zusammen gebunden, meine Brust wurde mir einem Verband zurückgehalten. Nur meine türkisfarbenen Augen konnte ich nicht verstecken ... „Name?“, fragte mich der Schreiberling, als ich an der Reihe war. Ohne groß nachdenken zu müssen war mir ein Name eingefallen, der meiner Mission würdig war. „Daisuke.“, erwiderte ich starr, „Ich bin der Vertreter der Familie Sabakuno.“ Im Grund sollte es niemanden wundern, dass jemand so wichtiges wie der der Kazekage keinen seiner eigenen Söhne schickte. Sie kannten ihn eben nicht ... Wortlos überreichte mir der Schreiber eine Schriftrolle mit dem Namen meiner Familie und eine Karte, die zum Lager der Rekruten-Truppe führte. Es würde nicht leicht werden, das wusste ich schon jetzt. Es erschien mir absolut unmöglich mich genauso zu benehmen, wie die Männer im Lager. Kurz gesagt, ich fand es ekelerregend wie sie ungewaschen dasaßen oder sich immer wieder bügelten. Dies war nicht meine Welt ... Aber um meine Brüder zu beschützen musste ich in dieser Welt zurechtkommen. Mein Gang wurde langsamer, als ich das Zelt des Hauptmanns erreichte. Wenn er sich auch so benahm wie der Rest der Meute, war ich mir nicht sicher, ob ich die Zeit hier überleben würde – wobei Scharfsinnigkeit schlimmer wäre. Es konnte mir nichts schlimmeres passieren, als dass meine Tarnung aufflog und man mich als Frau enttarnte. „Ich bin bei dir, Temari-chan.“, flüsterte Kamatari, dessen Stimme nur ich hören konnte, „Hab keine Angst ...“ Stumm dankte ich meinem Freund für seine aufmunternden Worte. Allein konnte ich diese Scharade nicht durchstehen, aber mit seiner Unterstützung hatte ich zumindest eine winzige Chance. So betrat ich mit neuer Entschlossenheit das Zelt. Es war geräumig, aber sehr kahl eingerichtet. Außer dem Feldbett am Rande gab es nur einen niederen Tisch, auf dem ein Shogi-Spiel lag. Und der Mann, der hinter dem Brett saß, war wohl der Hauptmann. Das heißt, wenn man überhaupt »Mann« sagen konnte. Mir erschien er nicht älter als sechzehn Jahre. Wieder ein zu junges Leben, das sich dem Kampf verschrieben hatte ... Doch davon abgesehen ... ließ mich irgendetwas an ihm erstarren. Ob es an seinen unendlich braunen Augen lag oder an seiner Aura konnte ich nicht sagen. Ich wusste nur, er war anders als die anderen Männer, die ich kannte ... Selbst meine Brüder verfügten nicht über eine solch autoritäre Ausstrahlung. Nur sein Gesichtsausdruck ... Ich konnte es nicht anders beschreiben, er wirkte schlichtweg gelangweilt. Gähnend bewegte er die Shogi-Steine über das Brett. Sein imaginärer Gegner war wohl keine Herausforderung für ihn. Wie auch, wenn er eigentlich nur gegen sich selbst spielte. „Temari-chan! Hast du nicht etwas vergessen?“, erinnerte mich mein kleiner Freund, was mich aus meinen Gedanken riss. Ich räusperte mich, verbeugte mich leicht und stellte mich vor: „Mein Name ist ... Daisuke. Ich bin der Vertreter für die Familie Sabakuno aus Sunagakure.“ Meine Worte erregten offenbar seine Aufmerksamkeit. Er sah vom Spielbrett auf. Wahrscheinlich dachte er dasselbe wie alle, der große Kazekage könne keinen seiner eigenen Söhne einer solchen Gefahr aussetzen und schicke daher einen unbedeutenden niemand, der nicht einmal einen Clan vorzuweisen hatte. Doch der Augen meines neuen Vorgesetzten verrieten vor allem, dass ich es mit einem klugen Köpfchen zu tun hatte. Also wurde die Gefahrenstufe durchschaut zu werden wirklich erhöht ... „Ich bin Nara Shikamaru. Ich erwarte dich morgen zur ersten Trainingseinheit nach Sonnenaufgang auf dem Hauptplatz.“, sagte er mit monotoner Stimme. Nara Shikamaru ... gut zu wissen. So wusste ich wenigstens, wem ich besser weitestgehend aus dem Weg ging, beziehungsweise wen ich mit besonderer schauspielerischer Leistung bedachte. Ich verneigte mich noch einmal und ging. Den ersten Schritt hatte ich hinter mir. Die kommenden würden allerdings wesentlich schwieriger werden ... Er stand mit dem Rücken zur aufgegangen Sonne. Diesmal war der Blick seiner tiefbraunen Augen keinesfalls gelangweilt, sondern todernst. „Männer!“, erklang seine Stimme, „Hört mir jetzt gut zu! Es gibt drei Grundsätze, die ihr euch einprägen müsst, wenn ihr im Kampf gegen die Rebellen überleben wollt. Erstens ... eine Rüstung macht noch lange keinen Krieger aus euch. Verfallt nicht der Arroganz, indem ihr denkt, ein Teil der Armee mache euch unbesiegbar. Zweitens ... ihr kämpft nie allein. Eure Kameraden werden euch nicht nur mit ihrem Schwert unterstützen, auch ihr Herz und ihre Seele werden mit euch sein. Und drittens ... es sind nicht nur Kraft und Geschicklichkeit, sondern auch der Wille, der einen ans Ziel bringt! Vergesst niemals für wen und was ihr kämpft. Wenn euer Wille stark genug ist, könnt ihr jeden Feind bezwingen, der sich euch in den Weg stellt.“ Seine Ansprache jagte einen Schauer durch meinen Körper. Meine Nackenhärchen stellten sich auf, eine Gänsehaupt breitete sich über meine Arme aus. In diesem Augenblick verstand ich, warum man ihn für unsere Ausbildung ausgewählt hatte. Shikamaru war nicht nur intelligent, er besaß viele Eigenschaften, die ihn zu einem hervorragenden Anführer machten. Schnell schüttelte ich mich, um diese Gedanken loszuwerden. Was war denn mit mir los? Seit wann schwärmte ich so von einer einzigen Person? Solche Gedanken und mögliche Gefühle, die ihnen folgen konnten, konnte ich absolut nicht brauchen. Hier war ich nicht Sabakuno Temari ... sondern Daisuke. Ein Mann ... Ein Mann auf dem Weg zum Soldaten. Mehr nicht. Keine Frau. Also durfte ich auch nicht wie eine denken. Dumm nur, dass ich seit neunzehn Jahren gewohnt war, wie eine zu denken ... und es erst seit einem Tag darauf ankam dieses Denken umzustellen. Für einen kurzen Moment fragte ich mich, ob ich überhaupt wusste, worauf ich mich einließ. Aber was hatte Shikamaru gesagt? »Vergesst niemals für wen und für was ihr kämpft.« Ich musste kämpfen! Für Kankuro ... Für Gaara ... Und auch für mich selbst! Das Training war noch härter, als ich es mir vorgestellt hatte. Es gab mehrere obligatorische Übungen, die wir tagtäglich zwei Stunden lang absolvieren mussten ... Schießen mit Pfeil und Bogen, waffenloser Kampf, Hindernislauf, Überleben in der Wildnis, Reiten. Zusätzlich hatten wir noch zwei Stunden freies Training. Von unseren Aufgaben im Lager einmal abgesehen. An diesem Morgen wäre ich am liebsten einfach im Bett geblieben ... Ich wollte mich nicht schon wieder vor aller Augen blamieren. Im waffenlosen Kampf besiegte mich selbst der schwächste Gegner, beim Hindernislauf passierte mir ständig irgendein Missgeschick, das Überleben in der Wildnis – sprich im Wald- und Wiesengebiet – war mir aufgrund unserer Sandregion vollkommen unbekannt und das mir zugewiesene Pferd wollte einfach nicht auf meine Kommandos hören. Das einzige, was ich halbwegs beherrschte, war das Bogenschießen. Wahrscheinlich hätte ich sogar jedes mal ins Ziel getroffen, wenn ich nach der ersten Einheit nicht ein paar Männer hätte sagen hören, das Schießen mit Pfeil und Bogen sei eine unmännliche Art zu kämpfen, etwas für Schwächlinge, die im Nahkampf ohnehin keine Chance hatten ... Selbst Kamatari aufmunternde Worte konnten mir an diesem Tag keinen Trost spenden. Ich schleppte mich mehr durch den Tag, als dass ich wirklich anwesend war. Am Abend fiel ich geplättet auf mein Feldbett. In den vergangen Tagen und besonders in den letzten Stunden gewannen die Fragen in meinem Kopf immer mehr an Kraft ... Konnte ich meinen Plan wirklich durchziehen? Hatte die notwendige Kraft dafür? Sollte ich nicht lieber wieder dahin zurückgehen, wo ich hingehöre? Klar, ich wollte meine Brüder beschützen ... Aber reichte der Wunsch allein aus? Ich schloss die Augen und hörte plötzlich Worte in mir wieder hallen: „Es sind nicht nur Kraft und Geschicklichkeit, sondern auch der Wille, der einen ans Ziel bringt ...“ Es waren Shikamarus Worte ... Ihr Klang wärmte mich von innen. Ich spürte neuen Antrieb in mir aufsteigen und stand auf. Ich hatte dringend etwas zu erledigen. Der kühle Windhauch, der über mein Gesicht wehte, ließ mich leicht frösteln. Vielleicht war es für einen Hauptmann keine so gute Idee sich auf eine verlasse Wiese zu legen, wenn bereits die Nacht über einem hereingebrochen war. Aber tagsüber hatte ich nun einmal keine Zeit um den Himmel zu beobachten ... Leise Schritte erregten meine Aufmerksamkeit. Mir fiel niemand ein, der um diese Zeit wach sein sollte. Besonders niemand, der sich so geschickt bewegen konnte. Überrascht sah ich die Gestalt an, die sich mir genähert hatte. Es war Daisuke. Der Vertreter der Familie Sabakuno aus Sunagakure. Sein Vorgesetzter war der Kazekage. Und er ... man könnte ihn als tölpelhaft oder ungeschickt bezeichnen. Jedenfalls schien er nichts wirklich zu können. Wie gesagt, so schien es zumindest. Ich war anderer Meinung. Die genaue Beobachtung von ihm sagte mir, dass viel mehr in ihm steckte, als er zeigte. Sein Erscheinen in diesem Moment bewies es. Er war anders als die anderen, die ich ausbilden sollte. „Konbanwa, Hauptmann Nara.“, grüßte er mich höflich und verbeugte sich. Ich nickte ihm zu, den Gruß erwidernd: „Konbanwa, Daisuke. Was führt dich hierher?“ „Ich habe Euch gesucht ... um Euch etwas zu fragen. Oder eher um Euch um etwas zu bitten.“, antwortete er mit gestrafften Schultern. Neugierig sah ich ihn an. Es war das erste Mal, dass einer der Soldaten nicht nur aus Höflichkeit oder Etikette etwas zu mir sagte. „Ich möchte gegen Euch im Zweikampf antreten.“, erklärte Daisuke schließlich. Das überraschte mich noch mehr und ich hakte nach: „Gibt es dafür einen Grund?“ „Hai ...“, erwiderte er deutlich unbehaglich, „Ich habe eine Entscheidung zu treffen. Und der Ausgang des Kampfes soll mir dabei helfen.“ Wenn ich sagen würde, ich würde es verstehen, würde ich lügen. Ich verstand kein bisschen, was er damit meinte. Aber ... eigentlich musste ich es auch nicht verstehen. Es war nicht meine Aufgabe zu verstehen, sondern die Soldaten auszubilden. Wenn einer von ihnen also ein Problem hatte, war es meine Pflicht mich darum zu kümmern. Das war ich der Hokage und meinem Dorf schuldig. Ich bedeutete Daisuke sich neben mich zu setzen und fragte: „Siehst du die Sterne hinter den Wolken?“ Als er mit verständnislosem Blick den Kopf schüttelte, fuhr ich fort: „Ich auch nicht. Trotzdem weiß ich, dass sie da sind, und beobachte den Himmel bis sie sich zeigen.“ „In Suna ist der Himmel immer klar und ich kann die Sterne jede Nacht durch mein Fenster sehen.“, rutschte es ihm heraus, denn er legte sich schnell die Hände über den Mund. Daraufhin wurde ich ungewollt melancholisch: „„ ist schön ... Wer weiß, wie lange wir noch Zeit dafür haben. Wenn Akatsuki den Krieg gewinnt, werden wir den Himmel nie mehr sehen können.“ Schweigen legte sich über uns. Es war keine angespannte Stille, sondern eine friedliche Ruhe begleitet von einer stetigen, kühlen Brise. Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ich aufstand und Richtung Lager ging. Bevor ich außer Sichtweite war, sagte ich über die Schulter hinweg: „Ich erwarte dich morgen auf dem Hauptplatz. Bei Sonnenaufgang.“ Kamatari weckte mich sanft. Ich sah Sorge in seinem Blick. Ich hatte ihm nicht gesagt, warum ich gegen Shikamaru kämpfen wollte. Trotzdem blieb er an meiner Seite und machte mir keinen Vorwurf. Er war wirklich der beste Freund, den ich mir wünschen konnte. Mit meinem unsichtbaren Begleiter machte ich mich in leichter Trainingskleidung auf den Weg zum Hauptplatz. Waffen brauchte ich nicht, es würde ein waffenloser Kampf sein. Körperkraft, Geschick und Taktik waren alles, was wir benötigten. Shikamaru war bereits dort. Er saß gegen einen Holzpfahl gelehnt auf dem Boden. Seine Finger berührten sich in einer ungewöhnlichen Pose. Sein Gesicht war entspannt, seine Augen geschlossenen. Betete er etwa? Nein ... er legte sich vielmehr einen Plan für unser Aufeinandertreffen zurecht. Kaum war ich auf den Platz getreten, öffnete er seine Augen und stand auf. Wir verbeugten uns vor einander, um dem anderen unseren Respekt zu bezeugen. Dann nahmen wir Grundstellung ein; meine unterschied sich von seiner Haltung. Wahrscheinlich weil er zum einen viel erfahrener war – und eine anständige Ausbildung genossen hatte – und zum anderen weil er aus Konoha stammte. Ihr Kampfstil war dem unserem zwar ähnlich, aber ... ich würde sagen, sanfter. In Suna waren Kämpfe meist brutal und gnadenlos. Zumindest die Kämpfe, die mein Vater organisierte. Aber so würde ich mich nicht verhalten. Ich sammelte mich innerlich und eröffnete den Kampf mit einem einfachen Fausthieb, der von Shikamarus Unterarm geblockt wurde. Genau das hatte ich erwartet und setzte einen Tritt mit dem linken Bein nach. Woraufhin er gekonnt auswich. Nein, er wich nicht nur aus, er zog sich von mir zurück. Seine Bewegungen waren fließend, nicht vorhersehbar. Wie ... wie ein Schatten. Während ich ihn beobachtete, fiel mir wieder einmal sein Blick auf. Ich konnte in seinen Zügen lesen, wie er jeden Schritt plante und versuchte sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Fasziniert vergaß ich beinahe, wo ich mich befand. Bis ich im letzten Moment seinen Angriff bemerkte und den linken Arm zur Abwehr hochriss. Wir verharrten in dieser Position, setzten uns gegen fest. Klare Pattsituation ... Wir führten den Kampf auf geistiger Ebene über unsere Augen fort. Ich drohte in dem Braun zu versinken und ... sein Blick verriet mir, dass es ihm genauso erging. Also sprangen wir auseinander, um erst mal nach Luft zu schnappen. Die geistige Anstrengung war weitaus schlimmer als die körperliche. Doch noch hatte ich nicht vor aufzugeben. Ich hatte überhaupt nicht vor aufzugeben. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte sich, wie sich die Schaulustigen um uns scharten. Was gaben wir wohl für einen Anblick? Ein ranghoher Hauptmann, der mit einem niederen Soldaten ohne Nachnamen kämpfte ... Wirklich jämmerlich. Doch Shikamarus Worte rissen mich auf meiner aufkeimenden Traurigkeit: „Was ist los? Hast du deine Entscheidung bereits getroffen?“ Meine Entscheidung ... Natürlich. Ich kämpfte nicht grundlos gegen Shikamaru. Ich wollte wissen, ob ich für meine Brüder durchhalten konnte. Egal, was noch alles auf mich zu kommen würde. Der Gedanke an Gaara und Kankuro gab mir neue Kraft. Entschlossenheit pumpte durch meine Adern und ich spannte die Muskeln an. Dies würde mein letzter Angriff werden. Ich rannte auf Shikamaru zu ... und meine rechte Faust traf in Mitten ins Gesicht. Er taumelte zu Boden. Ich hielt mich erschöpft gerade noch so auf den Beinen. Die Jubelschreie der anderen hörte ich kaum. Meine Aufmerksamkeit galt einzig Shikamaru und dem Gefühl, das mich durchströmte. Kraft ... Ich hielt Shikamaru meine Hand hin. Er sah mich an und ergriff sie mit einem Nicken. „Arigato ...“, flüsterte ich, so dass nur er es hören konnte, „Du hattest recht. Es sind nicht nur Kraft und Geschicklichkeit, sondern auch der Wille, der einen ans Ziel bringt ...“ Die nächsten Tage durchlebte ich ohne wirklich zu bemerken, was vor sich ging. Nicht dass es mich meine Niederlage kränkte ... Mich beschäftigte mein Gegner. Daisuke ... Ich hatte zwar zuvor bereits gewusst, dass er anders war als die anderen, aber nun glaubte ich zu wissen, warum er anders war. So unglaubwürdig es auch war. Mich beschäftigte die Frage, was ich mit diesem Wissen anfangen sollte. Auf keinen Fall würde ich Meldung darüber machen. Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, erregte ein Stimmengewirr vor meinem Zelt meine Aufmerksamkeit. Ich ging hinaus um nachzusehen. Ein Mann, der das Konoha-Symbol auf seiner Kleidung trug, war eingetroffen. Ein Bote der Hokage ... Noch ehe er zu sprechen anfing, wusste ich, was er sagen würde: „Seid gegrüßt, Hauptmann Nara. Die Hokage schickt mich mit einer Botschaft allerhöchster Dringlichkeit. Ihr sollt Euch mit Eurer Einheit sofort auf den Weg nach Konohagakure zu machen. Akatsuki ist auf dem Vormarsch!“ Respektvoll dankte ich dem Boten und schloss für ein paar wenige Sekunden die Augen. Es war zu früh. Viel zu früh ... Sie waren noch nicht kampfbereit. Ich hatte es von Anfang an befürchtet ... Die Rebellen ließen nicht auf sich warten. Doch selbst wenn jeder einzelne von uns in diesem Kampf fiel, würde das vielleicht die Hokage und Konoha retten ... Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Überrascht schlug ich die Augen auf und erblicke tiefes Türkisblau. „Wir stehen hinter dir und deiner Entscheidung, Shikamaru ...“, sagte Daisuke nur für meine Ohren und erhob dann ihre Stimme, „Wir folgen Eurem Befehl bis in den Tod!“ Die umstehenden Soldaten fielen in den Kampfschrei mit ein. Ich lächelte ... und nickte. Die Disziplin der Männer überraschte mich und wir erreichten die Grenzen eher als gedacht. Und damit liefen wir direkt in die Arme unsere Gegner. Zwei Mitglieder von Akatsuki hatten sich auf dem Weg zum Dorf verschanzt. Die enorme Gegnerzahl erschreckte mich zutiefst. Meinen Leuten ging es nicht anders. Aschfahle Gesichter, mutlose Augen, geknickte Haltungen. Die Söldner, welche für die Rebellen kämpften, sahen gefährlich und gnadenlos aus. Auf manchen Rüstungen konnte ich eingetrocknete rote Flecken erkennen ... Das Blut früherer Opfer. Trotz des Schauers, der mir kalt über den Rücken lief, holte ich tief Luft und rief: „Denkt an die Grundsätze, die ich euch zu Beginn des Trainings erklärt habe. Keiner von uns ist unbesiegbar, doch wir kämpfen nicht allein ... und unser Wille kann stärker sein als jedes Feuer! Kämpft gegen die Söldner und haltet euch von den Akatsuki fern. Um die werde ich mich kümmern ...“ Ich musste mich nicht umdrehen, um den erneuten Schrecken sehen zu können. Meine Entscheidung war wahnsinnig ... Ein Akatsuki war gefährlich. Zwei von ihnen absolut tödlich. Aber wir waren zahlenmäßig bereits soweit unterlegen, dass ich keinen von ihnen entbehren konnte. Wir mussten alle bis zum Äußersten gehen ... Die Spannung lud die Luft beinahe elektrisch auf. Ich machte den ersten Schritt, langsam. Dann begann ich zu rennen. Unter mir erbebte der Boden von den vielen, die mir folgten. Der Beschreibung zufolge, welche ich von der Hokage erhalten hatte, handelte es sich bei den beiden Akatsuki um Kakuzu und Hidan. Kakuzu trug stets eine schwarze Maske über dem Gesicht und seine Augen funkelten grünlich, was ziemlich beängstigend aussah. Hidans Aussehen dagegen war eher harmlos. Nicht aber seine Waffe. Eine dreiblättrige Sense ... Ich schluckte, doch der Kloß in einem Hals wollte nicht weichen. Ich konnte nicht leugnen, dass Angst mich durchzuckte. Nur ein Narr hätte keine Angst gehabt ... Trotzdem atmete ich ruhig, um mich zu konzentrieren. Die Rüstung lag schwer auf meinem Körper, was mich weniger wendig machte. Und die eingeschränkte Sicht, die der Helm zuließ, war ebenfalls nicht gerade vorteilhaft ... Ich war es nicht gewöhnt in solcher Monteur zu kämpfen. Das konnte noch mehr meinen Tod bedeuten, als meinen Schutz. Also tat ich das einzig – für mich – Vernünftige und streifte die Rüstung vom Körper. Die Akatsuki beobachten mich derweil. Hidans Blick wirkte arrogant, Kakuzus wissend. Das bedeutete, ich hatte es mit einem Draufgänger und einem Strategen zu tun. Beides keine Art von Gegner, den ich mir ausgesucht hätte. Ich zog das Schwert aus der Scheide und warf diese zu Boden. Im Kampf würde sie mich nur behindern. Als Schutzschild war sie nicht stark genug. Besonders nicht gegen eine Sense. Sie war mein momentan größtes Problem ... Ihre Reichweite übertraf mein Schwert bei weitem. Dafür war sie auf kurze Distanz unbrauchbar. Hidan würde demnach versuchen mich auf Abstand zu halten ... ich musste also seine Deckung durchbrechen und seinen Rumpf angreifen. Mit erhobenem Schwert ging ich auf sie zu. Hidan trat mir entgegen, Kakuzu blieb zurück. Wollte er etwa nicht am Kampf teilnehmen? Umso besser. So hatte ich vielleicht ein winzige Chance ... Oder auch nicht. Bereits nach dem ersten Schlag verstand ich, dass ich Hidans wirbelnde Attacke nicht umgehen konnte. Ich konnte nicht näher an ihn heran. Selbst mit dem Bogen, der um meine Schultern hing, hätte ich keine Chance gehabt ... Davon abgesehen, dass ich ein miserabler Schütze war, war der Angriff zu vorhersehbar. Hidan könnte den Pfeil mit Leichtigkeit zerschneiden. Blieb nur eine Möglichkeit. Kämpfen und auf einen schwachen Moment warten. Wenn er nur einen schwachen Moment zeigen würde. Jeder meiner Ansätze zu einem Angriff wurde zunichte gemacht. Hidan drängte mich immer weiter zurück. Meine Arme waren mit Schnittwunden übersät, das Blut färbte meine Kleidung dunkel. Dem nächsten Streich konnte ich geradeso ausweichen ... doch dafür stolperte ich über etwas und fiel rücklings zu Boden. Ausgeliefert blieb ich vor ihm liegen. Es zerriss mir beinahe das Herz, wie schön das Licht war, das sich an der Spitze des obersten Sensenblattes brach. Dieses Licht würde das Letzte sein, was ich in diesem Leben als Nara Shikamaru sehen würde ... Es war tröstlich und gleichzeitig unglaublich grausam. Ergeben schloss ich die Augen. Ich wollte den Triumph in Hidans Gesicht nicht miterleben ... Aber der erwartete Schmerz blieb aus. „Shikamaru!“, rief mich eine vertraute Stimme, „Reiß dich zusammen! Weißt du nicht mehr, was du gesagt hast? »Vergesst niemals für wen und für was ihr kämpft.«“ Schlagartig hob ich meine Augenlider wieder. Die Szene erschien mir unwirklich ... Schlichtweg unmöglich. Über mir stand in geduckter Haltung Daisuke. Die Sense drohend über ihm. Doch sie bewegte sich nicht ... Ich spähte an Daisuke vorbei und sah, was die Waffe am Angriff hinderte. Es war ein Fächer! Mich überkam der Drang laut aufzulachen, den ich mühevoll unterdrückte. Ich hatte recht gehabt mit meiner Vermutung. Ich wusste, warum Daisuke so anders war. Und es freute mich. „Es wäre mir sehr recht, wenn du endlich auf die Beine kommen würdest!“, zischte Daisuke zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch, „Ich kann ihn nicht mehr lange aufhalten.“ Augenblicklich kam ich hoch und zog mich zurück. Daisuke verpasste Hidan einen Tritt in die Bauchgegend. Das Mitglied der Akatsuki fiel zu Boden. Ich hatte wohl genauso erbärmlich gewirkt ... Wenn nicht noch mehr. Daisuke wartete nicht bis sich Hidan erholt hatte. Ein weiterer Tritt, diesmal gegen seine Hand, entwaffnete ihn. Die Sense glitt über den Boden. „Ich sage es nur ein einziges Mal, also hör´ gut zu.“, sagte Daisuke, auf Hidan sitzend, die spitzen Metallstifte des Kampffächers an seinen Hals gepresst, „Ich werde dich nicht töten. Du bist besiegt ... Lebe mit dieser Schande weiter und denk´ darüber nach, wie du dein Leben sinnvoller gestalten kannst. Aber ich warne dich ... Werden wir uns erneut im Kampf als Feinde begegnen, werde ich keine Gnade mehr kennen.“ Mit diesen Worten stieg Daisuke von seinem Körper. Hidan blieb einfach liegen. Er biss sich auf die Unterlippe, seine Hände waren zu Fäusten geballt. Daisukes Worte hatten ihn getroffen ... Sein Versagen war eine Schande. Ich war mir sicher, er hatte ebenfalls erkannt, wer ... oder was Daisuke in Wirklichkeit war. Was die Schande nur umso schwerer wiegen ließ ... Wir hatten unser Lager vor den Toren Konohas aufgeschlagen. Meine Wachschicht war zwar bereits vorüber, aber ich fand einfach keinen Schlaf. Shikamaru wusste es ... Ich hatte es in seinem Blick gesehen. Natürlich überraschte mich das nach meinem Auftritt nicht. Wer benutzt schon einen mit Metall verstärkten Fächer ... Nur Frauen. Ich konnte mich also nicht beschweren. Ich selbst hatte Kamatari darum gebeten, sich in seine wahre Gestalt zu verwandeln. Auch davon hatte Mutter mir einst erzählt ... Ein Geräusch kündigte meinen Besuchern an, auf den ich ganze Zeit wartete. Mir war klar gewesen, dass es mich noch in dieser Nacht aufsuchen würde. Mit ausdrucksloser Miene drehte ich mich zu Shikamaru um. „Wie heißt du?“, fragte er mich. Ein trauriges Lächeln huschte über meine Lippen. Er wollte wissen, wen er melden musste ... Meine Stimme war leiser, als ich es mir gewünscht hätte: „Temari. Sabakuno Temari. Erstgeborenes Kind des Yondaime Kazekage.“ Der Schock stand ihm buchstäblich ins Gesicht geschrieben. „Warum bist du dem Einberufungsbefehl gefolgt?“, fragte er weiter. Im ersten Moment wollte ich schweigen, dann änderte ich meine Meinung und sagte: „Wegen meiner Brüder ... Um sie zu beschützen.“ „Das ist bewundernswert.“, erwiderte Shikamaru und verblüffte mich damit total, „Ich kenne deine Brüder zwar nicht, aber sie können sich glücklich schätzen eine Schwester wie dich zu haben.“ Zorn durchzuckte mich und ich musste mich beherrschen nicht zu schreien: „Glaubst du, ja? Die Realität sieht leider anders aus! Wegen mir bekommen sie tagtäglich den Hass meines Vaters zu spüren! Selbst Kankuro verschont er nicht, wenn er mich beschützt! Nur wegen mir leiden sie!“ Ich brach ab und sank zu Boden ... Das war die Wahrheit. Eigentlich war Kankuro ja der ganze Stolz unseres Vaters. Deshalb ertrug er es wohl nicht, dass sein geliebter Sohn sich gegen ihn stellte, wenn er die beiden Schandflecken der Familie – meist grundlos – bestrafte. Einfach nur weil sie existierten ... Ich weinte. Die Tränen liefen haltlos über meine Wange. Das Schluchzten unterdrückte ich ... Es war so lange her, dass ich wirklich geweint hatte. Ich hatte gedacht, ich hätte längst keine Träne mehr gehabt. Dabei hatten sie sich nur angestaut gewesen ... Shikamaru hatte ich fast vergessen ... Bis er mich in seine Arme zog und mir beruhigend über den Rücken streichelte. Seit dem Tod meiner Mutter hatte ich keine Umarmung mehr zugelassen. Nicht einmal von meinen Brüdern. Doch in dieser Sekunde brauchte ich sie. Die Wärme, den Schutz, die Geborgenheit, die Zuflucht. Als ich mich endlich beruhigt hatte – ob Stunden oder nur Minuten vergangen waren, konnte ich nicht sagen – flüsterte Shikamaru: „Ich werde dich nicht verraten ... Weder deinen Namen, noch deine Tränen.“ Ich konnte nichts erwidern. Ich lag einfach nur weiterhin in seinen Armen und schloss die Augen. Die Rolle des »Daisuke« fiel mir am folgenden Tag noch viel schwerer als sonst. Shikamaru kannte mein Geheimnis und hatte meine Träne gesehen ... Ich kam kaum darum herum ihn anzustarren und breit anzugrinsen. Damit hätte ich mich allerdings gleich selbst anzeigen können. Shikamaru salutierte vor den Wachen, die vor dem Tor Konohas standen. Er sagte etwas zu ihnen, das ich nicht verstand. Wahrscheinlich ging es um ein Treffen mit der Hokage. Seltsamerweise richteten die beiden Wächter plötzlich ihren Blick auf mich und Shikamaru schien zu versteifen. Mit einem unbehaglichen Gefühl beobachtete ich, wie einer der beiden Männer auf mich zu kam, und in einem gefühllosen Ton ansprach: „Sabakuno Temari, auf Befehl des Kazekage nehmen wir Euch in Gewahrsam. Leistet keinen Widerstand.“ Mein Innerstes zerbrach. Seine Worte hallten dumpf in mir wieder. Auf Befehl des Kazekage ... Ich hatte zwar gewusst, dass mein Vater mich hasste, aber dass er mich verraten würde ... Das war zu viel für mich. Kraftlos sank ich in die Knie. Der Mann packte meinen Arm und ich schlurfte hinter ihm her. Wie von weit her, hörte ich Shikamaru rufen: „Temari!“ Ich biss mir auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. Er konnte mir nicht mehr helfen ... Warum? Warum? Warum? Die Frage schoss mir immer wieder durch den Kopf. Ihr Blick, als man ihr sagte, ihr eigener Vater habe sie verraten ... Diesen Blick werde ich nie vergessen. Mehr als Qual, mehr als Schmerz, mehr als Trauer. Reine Verzweiflung. Ich hatte ihr nicht helfen können. Ich hatte ihr nicht mal folgen oder mit der Hokage sprechen können. Kaum war Temari abgeführt worden, brach der Großangriff der Akatsuki auf Konoha los. Jeder verfügbare ... Mann, ob Soldat oder nicht, stellte sich den Eindringlingen entgegen. Aus den Augenwinkeln sah ich mit einem Mal einen Schatten auf mich zufliegen. Ich duckte mich hastig, nicht in Lage zu erkennen, was es gewesen war. Da ertönte eine fast piepsige Stimme: „He, du! Komm gefällst hoch und hilf mir Temari zu retten!“ Ich horchte auf. Hastig sah ich um. Da war niemand. Bis ich ein leichtes Gewicht auf meiner rechten Schulter spürte und dort ein kleines, weißes Wesen erblickte. „Jetzt schau nicht so!“, sagte es barsch, „Ich bin Kamatari, der Schutzgeist von Temaris Mutter. Und du wirst gefälligst helfen, weil ich die verdammte Tür nicht selbst öffnen kann!“ Ich ignorierte das aufsässige Gehabe des Wesens und erwiderte: „Warum sind wir noch hier? Sag´ mir, wo Temari sich befindet!“ Ich hastete die dunkle Treppe in den Keller des Hokage-Turms hinunter, durch die Gänge und blieb atemlos vor einer Gittertür stehen. In der hintersten Ecke kauerte eine Gestalt. Ich erkannte die blonden Haare, die offen herunterhingen. „Temari ...“, flüsterte ich kaum hörbar und gleichzeitig unglaublich erleichtert. Sie fuhr hoch. Ein gerötetes Gesicht starrte mich aus geschwollenen Augen an. Das Türkisblau leuchtete unnatürlich hell im Zwielicht. Sie blinzelte ein paar mal, um klar sehen zu können. Sicher glaubte sie nicht, was sie sah. Im nächsten Moment sprang sie auf und stürzte zum Gitter. „Shikamaru!“, rief sie schwach aus, „Und Kamatari!“ Glücklich berührte ich ihre Hände, die auf sie um die Stäbe geschlossen hatte. „Ich werde dich hier raus holen.“, erklärte ich entschlossen und zog ein mehrfach gebogenes Metallstück aus dem Ärmel. Damit versuchte ich das Schloss zu knacken. Als ich das hoffnungsfrohe Knacken hörte, dankte ich meinem Vater stumm für seine viele Talente. Temari fiel mir um den Hals und ich drückte sie fest an mich. Sie im Arm zu halten fühlte sich so richtig an ... Vollständig. Erleichtert vergrub ich mein Gesicht in ihrem Haar. Nie wieder würde ich zulassen, dass man sie mir wegnahm ... Als wir die letzte Treppe betraten, sahen wir gerade noch wie zwei Personen ins erste Stockwerk liefen. Der Stoff ihres Mantels ließ uns beide inne halten. Blutrote Wolken auf dunkelstem Schwarz ... Die Akatsuki. „Dort liegt das Büro der Hokage.“, sprach ich unverwandt. Unsere Blicke begegneten sich. Zustimmung lag in ihren Augen. Sie dachte dasselbe wie ich, wir mussten die Hokage retten! Eilig folgten wir den beiden Akatsuki nach oben. Ich zog mein Schwert. Temari hielt ihren Kampffächer in Händen. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Im Grunde verdankte ich meine Rettung vor Hidans Sense also auch dem kleinen Wiesel. Im Büro erwartete uns ein bizarrer Anblick. Senju Tsunade lag gefesselt am Boden. Über ihr stand eine Frau, die spitze Nadeln in den Händen hielt. Ihre blauen Haare identifizierten sie als Konan, die rechte Hand des Anführers. Pain selbst saß auf dem Stuhl der Hokage. Sein Äußeres jagte mir ein Schauer über den Rücken. Die Beschreibung kam dem, was ich sah, einfach nicht gerecht – überall ragten Metallstücke aus seinem Gesicht. Angewidert richtete ich den Blick wieder auf die Hokage. Sie war bei Bewusstsein, aber unsagbar erschrocken. Plötzlich dämmerte mir, warum mir die Nadeln nicht ganz unbekannt waren. Senju Tsunade galt als hervorragende Heilkundige und Kräuterfrau. Um ihre Arznei zu verabreichen benutzte sie exakt solche Nadeln. Das wusste ich, weil ich als kleiner Junge einmal eine giftige Pflanze gegessen hatte und sie meinem Körper so das Gegenmittel zuführte. Gegenmittel ... Gift ... ich nickte kaum merklich, zum Zeichen, dass ich verstanden hatte. „Pass auf, Temari.“, flüsterte ich meiner Begleiterin zu, „Die Nadeln der Frau sind vergiftet ...“ Auch sie nickte. Dann deutete sie von mir zu Pain. Wieder nickte ich. Das Ganze erfolgte in wenigen Sekunden. Sodass Konan und Pain erst von uns Notiz nahmen, als wir mit einem Schrei zum Angriff übergingen. Temari wand sich der Blauhaarigen zu. Ich hielt die Schwertspitze drohend in Richtung des Anführers. Neidlos musste ich anerkennen, dass sie direkt zum Gegenangriff übergingen, ohne sich gegenseitig abzusprechen oder anzusehen. Sie waren gut aufeinander eingespielt ... Ich durfte nicht vergessen, sie waren noch viel gefährlicher als Kakuzu und Hidan. Die Frau mit den blauen Haaren warf die Nadeln nach mir. Ich vernahm einen panischen Laut, der von dem Knebel im Mund der Hokage gedämpft wurde. Doch dank Shikamarus Warnung war ich vorbereitet. Ich duckte mich, rollte leicht zur Seite. Meine Gegnerin ließ mich nicht einmal aufstehen, da kamen bereits die nächsten Nadeln auf mich zugeflogen. In einer gekonnten Bewegung schloss ich den Fächer in meiner Hand und schlug damit nach der tödlichen Bedrohung, die mit einem Klirren zu Boden fiel. Diesmal war ich diejenige, die keine Zeit zum Erholen gab, und beschrieb mit dem wieder geöffnetem Fächer einen Bogen, der auf ihre Hand zielte. Die letzten Nadeln landeten ungefährlich auf dem Boden. Ich hielt meinen Fächer drohend erhoben, da erreichte mich Shikamarus Stimme: „Warum hat Akatsuki Konoha angegriffen?“ „Weil wir die Kage stürzen wollen.“, kam die bissige Antwort zurück. Nachsehen, was er tat konnte ich nicht, aber seine erneute Aufforderung klang wütend: „Lüg´ mich nicht an! Ich weiß, dass es einen Grund geben muss, warum ihr so plötzlich hier aufgetaucht seid.“ „Du bist nicht so dumm, wie du aussieht.“, gab der Anführer zu, „Der Kazekage hat uns ein äußerst großzügiges Angebot gemacht.“ Es war meine Stimme, die daraufhin knurrend fragte: „Warum?“ „Das habe ich ihn auch gefragt. Schließlich ist er mit diesem verdammten Dorf verbündet.“, erzählte er finster, „Er hat gelacht ... und gesagt, ein Krieg sei lohnender als ein Bündnis. Außerdem könne er so die Missgeburt, die sich sein Sohn schimpft, endlich loswerden.“ Wie genau es passierte, wusste ich nicht. Aber auf einmal war Shikamaru bei mir, hielt mich wieder in seinen Armen. Es kamen keine Träne mehr. Ich hatte endgültig alle verbraucht ... Es war Wut, grenzenlose Wut, die in mir aufflammte. Damit war mein Vater zu weit gegangen. Er hatte diesen ganzen Angriff der Akatsuki auf Konoha und den Einberufungsbefehl nur eingefädelt, um Gaara zu töten ... „Es ist vorbei.“, hauchte Shikamaru, der meine Gefühlsregung nicht mitbekommen hatte. Ich befreite mich von ihm und antwortete: „Nein, es ist noch nicht vorbei. Nicht für mich ... Mein wahrer Gegner ist nicht Akatsuki. Es ist mein Vater ... Gegen ihn muss ich kämpfen. Vor ihm muss ich Gaara und auch Kankuro beschützen ... Deshalb, Shikamaru ... Sayonara!“ Ich stand auf, wandte mich zur Tür und wollte hinaus rennen, da erklang eine Stimme, die ich nicht kannte, von der ich aber sofort wusste, wem sie gehörte: „Warte, Sabakuno Temari! Willst du gehen, um deinen Vater zu töten? Dann bist du nicht besser als er selbst ...“ Obwohl ich dachte, meine Tränen wären versiegt, spürte ich welche in meinen Augen aufsteigen. Ich wirbelte zur Hokage herum und schrie verzweifelt: „Was soll ich denn tun?“ „Dein Vater ist der Kazekage ... Darum wiegt sein Verbrechen besonders schwer.“, erwiderte sie ruhig, „Er hat den Friedensvertrag mit Konohagakure gebrochen und einen Handel mit den Rebellen geschlossen ... Um seinen eigenen Sohn töten zu lassen, hat er seine Landsleute in einen Kampf geschickt, den er selbst veranlasst hat. Sei versichert, dies wird nicht ungestraft bleiben! Nicht solange ich Hokage bin!“ Ihre letzten Worte sprach sie mit solcher Kraft aus, dass ich unter ihrer Macht wieder auf den Boden sank. Erschöpft, erschlagen, ausgelaugt und unendlich erleichtert nickte ich. Der Alptraum würde ein Ende haben. Gaara, Kankuro und ich würden frei sein ... Nach der Kapitulation ihres Anführers versiegte die Gegenwehr der Akatsuki und ihrer angeheuerten Söldner. Die Rebellen wurden gefangen genommen und aus den Reichen der fünf Kage verbannt. Die Söldner wurden auf andere Weise bestraft. Wie wusste ich nicht. Und das war vielleicht auch gut so. Ich sah an mir hinunter und lächelte leicht. In einem Kimono fühlte ich mich definitiv wohler als in Männerkleidung. Obwohl ... im Kampf war sie sehr praktisch gewesen. Aber sollte ich in meinem Leben noch einmal etwas in dieser Art tragen – nie mehr würde ich meinem Haar eine solche Frisur verpassen. Das war einfach grässlich gewesen ... Es überraschte mich, wie ... eitel ich nach all den Ereignissen noch sein konnte. Aber meine Haare waren mir nun einmal heilig! Mein Blick wanderte zu meiner Umgebung. Ich lief eine schmale Straße zwischen den Wiesen entlang. Konoha war wirklich wunderschön ... So ganz anders als meine Heimat. Grün ... die Farbe der Hoffnung. Und Braun, wie seine Augen ... Ich erstarrte, als ich bemerkte, dass mich genau diese Augen ansahen. Wenige Meter vor mir entfernt stand Shikamaru. Nun da ich ihn bemerkt hatte, kam er auf mich zu. Direkt vor mir blieb er stehen und nahm meine linke Hand mit einem Blick, den ich als verlegen bezeichnen würde. „Ich ...“, begann er und sah zur Seite, während er sich am Hinterkopf kratzte, „Ich habe noch nie ein Mädchen, wie dich kennengelernt ... Du bist nicht wie die anderen. Du ... Du bist wie der Hauch des Windes. Aufbrausend und zugleich sanft. Du folgst unbeirrbar deinem Weg und überwindest jedes Hindernis ...“ Ich spürte, die Wärme auf meinen Wangen und erwiderte leise: „So stark wie du mich beschreibst, bin ich nicht ... Nicht wirklich. Ich wollte stark sein ... Deshalb dachte ich, ich könne meine Brüder nur beschützen, indem ich ihren Platz einnehme ... Aber es waren deine Worte, die mir die Kraft gegeben haben, wahrhaft stark zu sein, Shikamaru.“ Ein dankbares Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Shikamaru wurde schlagartig ernst. Er sah mir direkt in die Augen. Entschlossenheit strahlte mir entgegen. „Wenn es meine Worte waren, die dich stark gemacht haben ... dann ist wohl an der Zeit, dass auch ich wirklich stark bin.“, sagte er und zog mich näher an sich heran, „Ich werde nicht mehr weglaufen ... sondern das tun, wofür ich bislang zu feige war.“ Bevor ich vollständig erfassen konnte, was ich gehört hatte, lagen seine Lippen auf meinen. Zart, vorsichtig. Eine Woge der Überraschung und Freude überkam mich. Ich schloss die Augen und erwiderte seinen Kuss ... Das war es, was ich mir gewünscht hatte, seit ich ihm begegnet war. Ich bin Sabakuno Temari ... Das erstgeborene Kind des Yondaime Kazekage, der aufgrund seines Verrates des Amtes als Hüter von Sunagakure enthoben wurde. Seine Nachfolge hat Gaara angetreten. Trotz seiner Jugend vertrauen die Dorfbewohner ihm. Sie wissen, er wird unser Dorf mit all seiner Kraft beschützen. So, wie ich versucht habe ihn und Kankuro zu beschützen. Indem ich ihren Platz in der verbündeten Armee von Konoha und Suna einnahm. Während dieser Zeit als »Daisuke« und begleitet von dem Schutzgeist meiner Mutter Kamatari, begegnete ich Nara Shikamaru ... Wir kämpften Seite an Seite gegen die Rebellengruppe Akatsuki und schon bald durchschaute er mein Schauspiel. Als ich im Ausbildungslager ankam, dachte ich, das schlimmste, was mir passieren könne sei, dass man mich erkennen würde. Heute allerdings kann ich sagen, es war mein Glück. Er ist mein Glück ... Denn er ist derjenige, den ich bald meinen Gemahl nennen darf. Ein Mann, der mich respektiert, schätzt und liebt ... Obwohl ich eine Frau bin. Eine Frau, die einfach nur sie selbst ist ... genau, wie ich es mir schon immer gewünscht habe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)