Ungewissheit von Centaurea (Sei mein Augenlicht) ================================================================================ Kapitel 2: Kirschblüten ----------------------- „Yumi, hast du gehört was ich gesagt habe?“ Misaki zerrte am Ärmel der Schwarzhaarigen, die daraufhin aus ihren Gedanken schreckte. „Tut mir leid, was hast du gesagt?“ Die Kleine verzog ihr Gesicht zu einer Schmollmiene, was Yumi natürlich nicht sehen konnte. Seit jener Nacht im Wald schweiften ihre Gedanken immer wieder zu diesem merkwürdigen Mann, Sesshoumaru. Sie wusste immer noch nicht genau, was er nun eigentlich von ihr gewollt hatte und das bereitete ihr Sorgen. Würde er womöglich noch einmal zurückkommen? Oder war es ein einmaliges Treffen gewesen. Die junge Frau konnte nicht genau sagen, welche der beiden Möglichkeiten ihr lieber wäre. Dieser Fremde war eindeutig gefährlich und ein Dämon noch dazu, aber andererseits. Vorsichtig betastete Yumi ihre Stirn, an der sie noch etwas Schorf spüren konnte. Seine Stimme hatte sie in seinen Bann gezogen. Ein Schauer durchlief ihren Körper als sie die Erinnerungen daran wieder aufleben ließ. „Yumi!“ brüllte plötzlich jemand in ihr Ohr. „W..was?“ Anscheinend hatte Misaki fröhlich weitergeplappert, während die Schwarzhaarige ihren Gedanken nachhing. „Was ist heute nur mit dir los?“ Wollte das kleine Mädchen wissen. „Verzeihung, ich bin wohl etwas verträumt.“ Versuchte Yumi sich aus der Affäre zu ziehen. „Das kann man wohl sagen.“ In Misakis Stimme schwang immer noch etwas Wut mit. „Ich wollte wissen, ob du mit mir noch zu der großen Lichtung im Wald gehst.“ Wiederholte sie ihre Frage. „Ja, gerne, aber nur wenn deine Mutter nichts dagegen hat.“ Antwortete Yumi mit einem Lächeln. Misakis Wut verpuffte und sie klatschte fröhlich in die Hände. „Ich frag sie schnell.“ Wie ein Wirbelwind brauste sie davon. Die Schwarzhaarige mochte dieses Mädchen, sie war immer so voller Tatendrang und steckte alle mit ihrer Herzlichkeit an. In diesen Zeiten war so etwas selten geworden, immerhin bestand die ständige Gefahr eines Überfalls durch Banditen oder Dämonen. Das Misstrauen der Erwachsenen legte sich wie ein düsterer Schleier über die Herzen der Kinder. Man sagte es gäbe nichts Reineres als die Seele eines Kindes, dem konnte Yumi nur beipflichten. Da aber immer mehr Soldaten benötigt wurden und der Krieg viele Opfer forderte wurden diese reinen Seelen schon früh mit dem Tod und der Vergänglichkeit des Lebens konfrontiert. Schmerz und Leid vergifteten die Herzen und es blieb nur ein Schatten der früheren Unschuld übrig. Natürlich war es nicht überall so, aber Yumis Dorf befand sich in einem Krisengebiet und jemand wie Misaki, die offenbar niemals ihre Fröhlichkeit verlor, war selten geworden. „Sie hat Ja gesagt, aber nur, wenn wir bis Sonnenuntergang wieder hier sind.“ Rief das kleine Mädchen schon von weitem. „Gut.“ Antwortete die Schwarzhaarige und nahm Misakis Hand. Es war schon ein merkwürdiger Anblick, wie ein kleines Mädchen eine erwachsene Frau über die Äcker führte. Yumi wusste, dass sie Misaki vollkommen vertrauen konnte. Auch wenn sie ab und zu über einen Stein stolperte hatte Misaki sie noch niemals irgendwo gegenlaufen lassen. „Nicht so schnell.“ Yumi konnte sich gerade noch so abfangen, bevor sie mitten im Dreck gelandet wäre. „Tut mir leid, ich bin nur so aufgeregt, der kleine Kirschbaum den wir eingepflanzt haben müsste doch jetzt blühen.“ Erklärte Misaki mit leuchtender Miene. „Stimmt ja.“ Yumi ließ sich von der Aufregung des Mädchens anstecken und lief eine Spur schneller. Die Beiden hatten vor einigen Jahren einen Kirschkern in der Mitte der Lichtung eingepflanzt, als eine Art Symbol ihrer Freundschaft. Nach wenigen Minuten waren sie endlich angekommen. Misaki ließ Yumis Hand los und rannte davon. „Er blüht, Yumi, da sind ganz viele Kirschblüten!“ Schrie sie freudig, während die Schwarzhaarige sich langsam auf ihre Stimme zubewegte. „Wirklich?!“ Yumi war endlich an dem kleinen Baum angekommen und ließ sich ins Gras sinken. „Sie sind wunderschön, ich wünschte du könntest sie sehen.“ In Misakis Worten schwang etwas Trauer mit. Yumi war ihre beste Freundin und sie fand es unfair, dass alle anderen sehen konnten nur sie nicht. „Schon in Ordnung. Du musst einfach mein Augenlicht sein.“ Vorsichtig nahm Misaki die Hand der Schwarzhaarigen und führte sie über einen der dünnen Äste bis hin zu einer kleinen Blüte. Behutsam strich Yumi darüber, fühlte die seidigen Blütenblätter und fuhr die Staubblätter entlang. „Sie sind hellrosa. In der Mitte sind sie etwas dunkler und außen am Rand der Blütenblätter fast weiß.“ Erklärte Misaki, während Yumi noch immer fühlte. „Die Staubbeutel sind gelb, so wie bei allen Blumen.“ Die junge Frau lächelte und ließ ihre Hand sinken. „Danke, jetzt hab auch ich eine Ahnung, wie sie aussehen.“ Yumi war nicht von Geburt an blind, sie wusste daher, was sie sich unter den einzelnen Farben vorstellen konnte. „So und jetzt muss ich mich noch dafür rächen, dass ich wegen dir fast hingefallen wäre.“ Grollte sie mit dunkler Stimme, was Misaki zusammenzucken lies. „Mach dich bereit.“ Yumi hob bedächtig ihre Hände, nur um Misaki kräftig durchzukitzeln. „Aufhören. Ich mach‘s auch nie wieder.“ Japste das Mädchen mit Lachtränen in den Augen. „Das hättest du wohl gerne.“ Kicherte Yumi und kitzelte weiter. Nach einiger Zeit lagen die beiden Mädchen lachend in der Wiese und hielten sich den Bauch. „Das war schön.“ Flüsterte Yumi und die Kleine neben ihr nickte. Urplötzlich hörte man ein tiefes Donnern. Yumi schreckte auf, als auch noch panikerfüllte Schreie über die Lichtung drangen. „W..was war das?“ Misaki hatte sich nun ebenfalls aufgesetzt und klammerte sich an Yumis dunkelblauen Kimonoärmel fest. „Ich weiß es nicht.“ Flüsterte die Schwarzhaarige, als ihr ein beißender Geruch in die Nase stieg. „Misaki, siehst du hier irgendwo Rauch?!“ fragte sie aufgebracht. In solchen Momenten hasste sie es nichts sehen zu können. „Ja, ich sehe eine dicke schwarze Wolke direkt über dem Dorf.“ Schluchzte das Mädchen. „Mama, Papa ihnen ist doch nichts passiert, oder?“ Yumi drückte das Mädchen kurz an sich. „Ich weiß es leider nicht.“ Flüsterte sie. „Wir müssen nachsehen, aber ganz vorsichtig in Ordnung?“ Yumi stand auf und zog Misaki mit hoch. Eigentlich würde sie viel lieber erst einmal alleine nachsehen, damit die Kleine nicht in Gefahr geriet, aber da sie nichts sehen konnte, brauchte sie einen Führer. Innerlich verfluchte sie ihr Handicap und griff nach der Hand des Mädchens. „Misaki, hör mir zu, du musst mir genau sagen, was du siehst hast du verstanden? Wir werden jetzt schön langsam zurücklaufen und sobald du jemanden entdeckst, den du nicht kennst sag es mir.“ „Okay.“ Schniefte das Mädchen und die Beiden liefen los. „Au, verdammt!“ fluchend stemmte Yumi sich wieder in die Höhe. „T..tut mir leid.“ Immer noch kullerten Misaki die Tränen über die Wangen. „Schon in Ordnung.“ Versuchte Yumi sie zu beruhigen. Während der letzten Meter war sie gegen Büsche und Steine gerannt, aber das kleine Mädchen war im Moment viel zu ängstlich, um besser aufpassen zu können. „W..wir sind jetzt am Waldrand und der Rauch wird immer dichter.“ Versuchte Misaki Yumi auf dem Laufenden zu halten. „Okay, wir müssen uns unentdeckt anschleichen, glaubst du das bekommen wir hin?“ Sie spürte das Nicken der Kleinen. „Gut, dann los.“ Im Zickzack liefen sie über die Felder und Wege, während sie sich immer wieder hinter Felsen wegduckten. „Siehst du schon jemanden?“ „Nein. Aber fast alle Hütten sind zerstört. Yumi es ist so schrecklich.“ Wieder begann die Kleine zu Schluchzen. „Schhh, ich bin ja bei dir. Hab keine Angst.“ Behutsam strick Yumi dem Mädchen über den Rücken, als ein lauter Knall zu hören war und einer der Hütten in die Luft flog. „Ahh!“ Misakis schrie laut auf und drückte sich noch enger an ihre Freundin. „Es wird alles gut.“ Yumis Stimme zitterte bei ihren Worten. Es war unüberhörbar, das hier etwas Großes im Gange zu sein schien. Gerade, als sich die Schwarzhaarige weiter vorarbeiten wollte durchbrach der Schrei einer Frau die Stille. Irgendwie kam ihr diese Stimme bekannt vor und das nicht nur ihr. „Mama!“ Misaki hatte sich von Yumi losgerissen und stürmte direkt in das zerstörte Dorf. „Nein! Misaki komm zurück! Das ist zu gefährlich!“ Jetzt lief auch Yumi los. Sie kannte den Aufbau des Dorfes und würde sich auch ohne das Mädchen einigermaßen orientieren können. „Misaki!“ rief sie noch einmal und stolperte kurz darauf über einen der Steine am Wegesrand. Mit einem Keuchen lag sie ausgestreckt auf dem Boden. „So ein Mist! Wieso muss ich auch blind sein!“ schimpfte Yumi, während ihr die ersten Tränen über die Wangen liefen. Ihr wurde schlagartig bewusst, dass das Dorf, welches ihr von Geburt an eine Heimat gewesen war nun zerstört vor ihr lag. Ein schmerzhafter Stich durchfuhr ihre Brust und sie schaffte es nicht sich wieder vollends aufzurichten. „Hey, ich hab da jemanden gefunden!“ brüllte plötzlich ein Mann. Er war sehr nah, das konnte Yumi hören. Schwere Schritte ließen den Boden vibrieren, als der Fremde direkt vor ihr zum stehen kam. „Dein Geruch. Du bist es also, die wir töten müssen.“ Was?! Was hatte der Mann gerade gesagt? Sie töten? Aber warum? „Hey, ich hab das Mädchen gefunden!“ schrie der Fremde ins Nichts hinein. Kurz darauf hörte man weitere Schritte und zwei Männer gesellten sich zu dem Ersten. Yumi krabbelte zitternd zurück. Sollte das ihr Ende sein? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)