Hilfe, mein Freund ist eine Frau! von Caro-kun ================================================================================ Kapitel 1: +++ -------------- „Ich mache eine Kompletterneuerung!“ Das waren Janoschs Worte gewesen, als er sich von mir verabschiedet hatte. Ein Grinsen war gefolgt und dann war er ohne weitere Erklärung gegangen. Ich ließ ihn gewähren. Wenn ihm sein Kleidungsstil nicht mehr gefiel, sollte er ihn eben ändern. Ich mischte mich da nicht ein. Hatte ich noch nie. Schließlich war ich mit Janosch zusammen, weil er einen aufgeschlossenen, wenn auch leicht verrückten Charakter hatte. Weil er, wenn wir mit anderen unterwegs waren, für zwei redete und es somit nicht auffiel, dass ich die meiste Zeit schwieg. Weil er Spaß und immer wieder neuen Schwung in mein Leben brachte. Deswegen liebte ich ihn. Und das würde sich auch niemals ändern! Aber ein bisschen neugierig war ich schon, das musste ich durchaus zugeben. Kompletterneuerung. Das bedeutete immerhin etwas völlig anderes, als bisher. Um Wildleder hatte Janosch bis zu diesem Zeitpunkt einen großen Bogen gemacht. Oder weiße Hemden mit Krawatte, überlegte ich. Pink hatte er auch noch nie getragen. Geistesgegenwärtig schaltete ich den Fernseher aus, damit ich in Gedanken seinen nichtexistenten Kleiderschrank besser durchgehen konnte. Oder wollte er sich am Ende die Haare schwarz färben, um mit mir im Partnerlook durch die Straßen zu ziehen? „Ich bin wieder da!“ Das war er! Ich setzte mich auf, da ich bis eben auf dem Sofa gelegen hatte und wollte ihn gerade meinerseits begrüßen, als die Wohnzimmertür aufgestoßen wurde. „Na, was sagst du?“ Ich sagte gar nichts. Ich erstarrte! Starrte mit offenem Mund auf dieses Etwas im Türrahmen, was gerade eindeutig mit Janoschs Stimme gesprochen hatte. Das konnte nicht sein! Aber das war er, unverkennbar. Nicht nur die Stimme, auch Statur und Größe passten. Selbst seine Gesichtszüge konnte ich unter der Schminke erkennen. Schminke! Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig und ein gurgelnder Laut verließ meine Kehle, mehr brachte ich aber immer noch nicht heraus. Janosch trug eine lange, dunkle Perücke und tatsächlich Wimperntusche, Lidschatten, Lippenstift und Rouge. Fassungslos glitt mein Blick weiter über eine dunkelviolette Pelzstola, ein langärmliges, fliederfarbenes Kleid, Netzstrumpfhosen und schwarze Ballerinas. Mit jedem Zentimeter sackte mir das Herz mehr in die Hose und es sträubten sich mir sämtliche Nackenhaare. „Das ist die … Kompletterneuerung?“, krächzte ich. „Ja!“, lächelte er, „Gut, nicht? Und alles für dich, Robbie!“ Ich schnappte nach Luft. Das musste ein Alptraum sein! Das war doch nicht mehr mein Janosch! Ich spürte, wie sich Panik in mein taubes Bewusstsein kämpfte. Und mit der Panik kam auch die Wut. „Sag mal, spinnst du? Wie kommst du dazu, hier so aufzukreuzen?“, schrie ich ihn an und sprang auf, „Und was soll das überhaupt für einen Sinn haben? Ich bin schwul, schon vergessen? Ich kann mit Frauen nicht das Geringste anfangen!“ Janosch wich vor mir zurück und legte sich die Hand auf das Herz. Er schien ehrlich erschrocken zu sein, doch das war mich gleichgültig, weil ich in dem Moment bemerkte, dass er sich auch noch die Nägel lackiert hatte. In derselben grässlichen Farbe, wie sein Kleid! Ich ballte die Hände zu Fäusten und hatte zum ersten Mal in meinem Leben den Wunsch ihn zu schlagen. Netter Mensch hin oder her, das hier ging eindeutig zu weit! Röhrenjeans und bauchfreie Shirts konnte ich ohne Probleme tolerieren, aber keine Frauenklamotten. Da könnte ich schließlich gleich das Ufer wechseln. „Aber ich bin doch auch keine Frau!“, versuchte sich mein Freund nun zu verteidigen. „Doch! In dem Aufzug schon! Du siehst aus wie meine Tante!“ „Ehrlich? So schlimm?“, er blickte an sich herunter. „Ja, verdammt!“, ich rang die Hände und begann vor lauter Verzweiflung auf und ab zu gehen. Wenigstens hatte mein Gehirn nun wieder begonnen zu arbeiten. Ich war dieses Wochenende bei dem Geburtstag meiner Mutter gewesen. Irgendetwas musste in der Zwischenzeit mit Janosch passiert sein. Irgendetwas ganz Furchtbares. „Du sagst mir jetzt auf der Stelle, wer dir diesen Mist eingeredet hat!“, verlangte ich. Er zögerte, zuckte die Schultern und ich konnte sehen, wie er sich innerlich wandt: „Ich war am Samstag aus. Hab zufällig Chris getroffen und der hat mich mit ein paar von seinen Freunden bekannt gemacht – oder Freundinnen, je nach dem, wie man es sieht. Aber ich sag dir, das sind ganz ehrliche Leute, Robin. Nett, lustig – du würdest sie mögen!“ „Die Transen aus der Innenstadt interessieren mich nicht!“, fauchte ich und baute mich in meiner vollen Größe vor meinem Freund auf, was wenig nützte, da ich immer noch zu ihm aufblicken musste, „Du wirst diesen Fummel jetzt ausziehen. Sofort!“ Janosch verzog beleidigt den Mund. „Können wir damit nicht bis heute Abend warten?“, bat er, „Es hat gerade so viel Mühe gemacht mich anzuziehen!“ Stöhnend vergrub ich mein Gesicht in einer Hand und taumelte schon beinahe wieder ein paar Schritte zurück. Ich fühlte mich mit einem Mal kraftlos und erschöpft. Und völlig überfordert. „Hey, jetzt mal im Ernst …“, sagte ich kläglich, „das bleibt jetzt nicht für immer so, oder?“ „Kleiner, was hast du denn gegen das Outfit?“, fragte Janosch. „Ich bin schwul! Was soll ich denn mit einem Freund in Frauenkleidern? Das hat doch null Sex-Appeal. Absolut Null!“, jammerte ich, „Das bist doch überhaupt nicht mehr du!“ Janoschs Augenbrauen schossen in die Höhe und verschwanden fast vollständig unter seinen künstlichen Ponyfransen. „Dann findest du mich sonst also attraktiv?“ „Natürlich!“, platzte es unüberlegt aus mir heraus, „Alles ist attraktiver als das hier!“ Im nächsten Moment sah ich nur noch Flieder. Es dauerte eine Weile, bis ich registrierte, dass Janosch mich umarmte und mein Gesicht sanft an seine Schulter drückte. Wenigstens roch er noch männlich. Ich schloss die Augen und ließ mich gegen ihn sinken. Seufzte erleichtert. So war es fast wieder wie gewohnt. „Und ich dachte schon, ich würde dir gar nicht mehr gefallen!“, ich konnte die Erleichterung auch aus seiner Stimme deutlich heraushören, „Weißt du, wie viel Energie ich die letzten Wochen darauf verschwendet hab, mich für dich herzurichten? Aber du hast nie was gesagt. Also hab ich mir gedacht, warum nicht mal die andere Extreme ausprobieren?“ „Ich hab verstanden!“, murmelte ich, „Und ich verzeihe dir. Aber nur, wenn du dich jetzt umziehst!“ Lachend lockerte er die Umarmung ein wenig. „Nein, ich hab da eine viel bessere Idee!“, er lehnte seine Stirn gegen meine und beugte sich somit über mich, „Das lass ich dich heute Abend machen, und den Mann in mir wieder zum Vorschein bringen!“ Er neigte den Kopf, um mich zu küssen, doch ich duckte mich blitzschnell unter ihm weg und brachte wieder etwas Abstand zwischen uns. „Wage es ja nicht!“, keuchte ich. „Kleiner, jetzt sei nicht albern, ich wollte doch nur …“ „Ich und albern?“, unterbrach ich ihn leicht hysterisch, „Du trägst Lippenstift! Und dieses Kleid werde ich dir ganz sicher auch nicht ausziehen! Wie soll das denn gehen, wenn ich noch nicht mal weiß, wie du da überhaupt reingekommen bist?“ „Darüber kannst du dir immer noch Gedanken machen, wenn es soweit ist!“, er legte mir den Arm um die Schulter, „Ich lade dich jetzt auf einen Kaffee ein, was hältst du davon?“ „Nein, das geht nicht! Du kannst so nicht nach draußen! Weißt du eigentlich, wie du aussiehst?“ Doch Janosch achtete nicht auf meine Proteste, sondern schob mich unerbittlich in Richtung Tür. „Jetzt zier dich nicht, Robbie. Wir tun einfach so, als wäre ich deine Tante!“ +Ende+ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)