Das rote Tuch von Crevan ================================================================================ Kapitel 22: Ein Stück Treibholz ------------------------------- Das etwas entfernte Zurückschlagen eines dicken Metallriegels und das darauf folgende Knarzen einer Tür ließ Malik aufschrecken. Abrupt und mit einem erschrockenen, hörbaren Einatmen auf den Lippen hob er seinen Kopf an, richtete seinen entgeistert fragenden Blick in die Düsternis vor sich. Im nächsten Moment wurde diese dann auch schon vom orangen Schein einer nahenden Fackel durchtrennt. Man hörte Schritte, leise hallten sie von den feuchten Steinwänden wider und kamen immer näher. Templer. Es war nur Einer. Gemächlich kam er den schmalen Gang herunter, nicht in dieser aufgebrachten Hast wie die drei Letzten. Malik ließ seinen fürchterlich schmerzenden Kopf wieder zurück an das harte Mauerwerk und sich mit der Schulter voran in die – einzige halbwegs 'saubere' - Ecke hier drin sinken, in der er seit... ja, seit wie lange schon hing wie eine lebende Leiche? Er wusste es nicht, hatte absolut keine Ahnung. Hier unten – zwischen widerlichem Moder, dem ganzen Dreck und der drückenden Finsternis, die nur gelegentlich vom markerschütternden Schreien Kranker oder Verletzter durchbrochen wurde, verlor man sämtliches Zeitgefühl. Es brachte nicht einmal etwas sich an den spärlichen 'Mahlzeiten', die hier heruntergebracht – nein, geworfen - wurden zu orientieren. Sie kamen viel zu unregelmäßig. Wenn sie denn überhaupt kamen. Dem bibbernden Assassinen erschien es jedenfalls so, als säße er schon seit Tagen in seiner viel zu engen Zelle deren glitschige Wände ihn noch zu erschlagen drohten. Er hatte vom besagten 'Essen' bisher nur eine Schüssel unidentifizierbarer Pampe und ein hartes Stück Brot zugeschoben bekommen; Erstere hatte er nach sehr langem Zögern schließlich hinunter gewürgt, denn sein knurrender Magen und sein schrecklicher Hunger hatten über seine bittere Sturheit gesiegt. Das alte Brot, das hatte er jedoch nicht angerührt. Denn bestimmt würde er es noch als Wurfgeschoss verwenden können, um einen dieser dreckigen Templer zu erschlagen. Tief atmete der kranke Kartograf aus und zog seine Beine eng an sich. Die grobe, schleißige Wolldecke, die er von einem der jüngeren Wachmännern bekommen hatte, hatte er sich um die Schultern gelegt und bis zu seinem Gesicht hochgezogen. Sie kratzte, stand vor Dreck und stank nach Schimmel; der Gedanke daran wo und an wem sie bisher schon gelegen haben musste widerte Malik so sehr an, dass er sich am liebsten übergeben hätte... doch sie war besser als nichts. Besser als nur eine simple, graue Leinenhose und entblößte Haut innerhalb dieser unterirdischen, eisig kalten Katakomben jedenfalls. Wo war er hier eigentlich? In Jerusalem? In einer Höhle unweit der umliegenden Dörfer? Ja, wo bloß? Man hatte ihm bei dem holprigen Marsch hierher die Augen verbunden... und die meiste Zeit war er ohnehin im Delirium gewesen; er sah sich bis jetzt nicht einmal Imstande die grobe Richtung einzuschätzen, in die man ihn gebracht hatte. Norden, Süden, Osten, Westen. Sie waren alle das Selbe, wenn man nicht bei Sinnen oder vorübergehend blind war. Ein trockener Husten schüttelte Malik's schwachen Körper, gefolgt von einem hörbaren Frösteln als er sein ungesund blasses Gesicht in die dunkle, fleckige Decke bei sich grub. Und es hörte nicht auf; seine angegriffenen Lungen rebellierten, brannten bei jedem Atemzug wie Feuer und versagten seit weniger Zeit immer wieder, wenn der kranke Assassine zwischen Geröchel und heiserem Gestöhne nach Atem rang. Gerade war es wieder einmal so weit. Es fühlte sich an, als zögen sich sämtliche seiner Rippen in seinem verkrampften Oberleib weiter und immer weiter zusammen. So weit, dass in seinen Brustkorb keine Luft mehr zu passen schien. Malik konnte nicht einatmen, stützte sich mit seiner unsteten Hand vor sich am nassen Boden ab, als er sich vornüber beugte und in eine japsende Schnappatmung verfiel. Er hörte nicht, wie sich andere Gefangene in den anliegenden Zellen über seinen schrecklichen Husten beschwerten als sich seine Finger in den Dreck zu seinen Knien krallten und er vergeblich nach Luft schnappte. Oh, Gott steh ihm bei, er würde hier unten noch elendiglich verrecken... Das Blickfeld des Mannes wurde in eine tiefe Schwärze getaucht, als er mit der brennenden Brust voran auf den Boden sank. Dann Hände, sie zerrten ihn auf die Beine. Eine Frau, sie zeterte herum. Ein Umhang, Rüstungsgeklapper, die Fackel, eine Ohrfeige, ein Stuhl. „Und du bist dir ganz sicher, dass er es ist?“ die scharfzüngige Frauenstimme schnitt in englischer Sprache durch den klammen Raum. Malik verstand sie. Es roch nach Moder, morschem Holz und feuchtem Stein, doch anders als im Kerker vermisste man den beißenden Gestank nach Fäkalien und verwendenden Ratten. „Ja, ganz sicher.“ brummte jemand als knappe Antwort zurück. Eine Hand grub sich daraufhin in Malik's wirres, dunkles Haar, drängte seinen hängenden Kopf zurück und brachte seinen Oberkörper damit auch in eine aufrichte Position. Holz drückte sich an seine Wirbelsäule. Der Dai stöhnte leise, als er benommen blinzelte und wollte sich an das Gesicht fassen. Doch seine Hand war an irgendetwas festgebunden worden, viel zu fest, sein wundes Handgelenk schmerzte höllisch, als er vergebens an seiner Fessel zerrte. Seine braunen, verklärten Augen wanderten unruhig suchend und schafften es kaum die zierliche Frau in Rüstung vor ihm zu fixieren. Ein paar verirrte, braune Haarsträhnen lugten unter ihrer Kettenhaube heraus und hingen ihr in das Gesicht, als sie sprach. Auf einmal in Arabisch. Redete sie etwa mit ihm? „Wo ist das Artefakt?“ Malik schien die drängende Dame überhört zu haben, flüchtig streifte sein apathischer Blick das rote Templerkreuz auf ihrem weißen Wappenrock. Die lieblose Hand im schwarzen Haar des jungen Kartografen packte fester zu, um die ruppigen Worte der Frau zu unterstreichen. Drohte sie Malik indirekt? War sie wütend? Wo waren sie hier? „Wo ist es, Assassine?“ knurrte die Gerüstete dem 25-Jährigen mit einem... so bekannten, westlichen Akzent in ihrem Ton entgegen, beugte sich dabei etwas näher zu seinem verdreckten Gesicht herab. Sie redete wie Altaïr. Hatte die selben Augen wie er. War sie Engländerin? Ah, sie roch angenehm. Passte nicht zu ihrem soldatischen, mannhaften Verhalten. Der junge Dai verengte die vom Fieber glasigen Augen schwach. „Du warst damals dort. Du hast es mit dir genommen nachdem du all unsere Männer getötet hast.“ herrschte die seltsame Templerin und rümpfte die hübsche Nase bei dem Gedanken an das Ausgesprochene angewidert „Also wo ist es? Sprich!“. Malik schwieg. Doch nicht, weil er sie nicht verstand. Sie hatte zwar einen starken Akzent, doch ihr Arabisch war beinahe makellos. Sie musste eine Art Gelehrte sein, wissbegierig und klug. Es gab nur wenige Frauen, die Fremdsprachen so flüssig beherrschten wie sie. Sie hatte innerhalb des Templerordens wohl einen hohen Rang inne, ungewöhnlich für eine Dame. Doch es machte sie zu einer potenziell gefährlichen Zeitgenossin; bestimmt musste sie sich innerhalb der vielen Männer des Ordens stets beweisen, um ernst genommen zu werden. Selbstbewusste Frauen hatten es nicht leicht. Ein kühles Lächeln kräuselte die trockenen Lippen Maliks, als er wieder verschwommen zu der Schimpfenden aufsah „Ha.“. Die Reaktion der pikierten Templerin kam wie erwartet: Sie schnalzte verärgert mit der Zunge und ließ Malik's Kopf ruckartig los, stieß jenen dabei ein wenig von sich fort, als wäre der gefesselte Mann ein dreckiges Stück Abfall, das man eigentlich gerne loswerden würde. „Ich glaube er versteht mich nicht, Noah.“ schnaubte sie, als sie damit anfing in dem kleinen, bedrückenden Raum nervös auf und ab zu gehen. Immer wieder trafen ihre stechenden Augen den Gefangenen. Gut, dass Blicke nicht töten konnten. Wobei... wenn Malik an das Kommende dachte wären Augen, die seinen Körper in diesem Moment tödlich aufspießten wohl erträglicher als- ja, was würde man mit ihm machen, wenn er nicht redete? Ihn foltern, bis er die Templer nach Masyaf lockte? Der Schwarzhaarige biss die Kiefer so fest aufeinander, dass es schmerzte und ließ sein brummendes Haupt wieder sinken. Seine ausdruckslosen Augen fingen dabei seine schmutzigen, nackten Füße ein bevor sie sich wieder schlossen. Er schien auf einem Stuhl zu sitzen. Hatte man ihm die Hand an die Armlehne gebunden? Hinter ihm stand jemand. War wohl dieser 'Noah', den die wohlriechende Furie vorhin angesprochen hatte. Und gerade dieser Kerl antwortete der Soldatin eben in seiner Muttersprache. Englisch. Ob diese Leute wussten, dass Malik den Großteil ihrer Worte verstehen konnte? „Ich denke schon, dass er dich versteht... ich meine-“ „Warum reagiert er dann nicht??“ „Vielleicht ist er noch zu benommen?“ „Er spricht eher kein Arabisch sage ich dir.“ „Ach, sieh ihn dir doch an! Natürlich ist er von hier. Die Haut, das Gesicht...“ Die rasende Frau seufzte langgezogen und fasste sich genervt an die Schläfen, als schmerze ihr der Kopf. Womöglich tat er dies auch. Und wenn nicht, dann würde er das bald. Dafür würde Malik schon sorgen. „Louis hat ihn im Tempel gesehen, er ist es ganz bestimmt. Er hat seinen Cousin abgeschlachtet als wäre er ein wildes Tier. Man vergisst das Gesicht eines solchen... Monsters nicht, Maria.“ Monster. Aus den Augenwinkeln lugte der bestürzte Dai zu den beiden Diskutierenden hin. Ob sie wussten, was ihre Leute im Tempel getan hatten? Wussten sie wie Jene – wo sie doch eindeutig in der Überzahl gewesen waren – auf zwei junge Assassinen eingeschlagen hatten, als gäbe es keinen Morgen? Wussten sie, dass damals ein Novize sein Leben hatte lassen müssen? Kadar. Malik spürte wie ihm die Resignation aus den schlaffen Gliedern wich und einer tosenden Wut Platz machte. Doch er beherrschte sich. Er durfte seinen starken Emotionen nicht nachgeben. Nicht jetzt. „Das ändert nichts daran, dass er womöglich kein Arabisch spricht.“ „Vielleicht spricht er einfach einen anderen Dialekt. Wir sollten nach jemandem schicken, der das beherrscht.“ schlug der blonde Mann vor, als er zu Malik herüber sah. Mit einem Nicken orderte diese 'Maria' dem jüngeren Templer daraufhin an nach einem Übersetzer zu suchen und eben diesen hierher zu bringen. Es dauerte nicht besonders lange, bis sie sich daraufhin wieder dem Gefangenen zuwendete: „Verstehst du mich?“ begann Maria ungeduldig, als sie sich erneut vor dem unkooperativen Malik aufbaute. Der Assassine mit den hängenden Schultern sah nicht zu ihr auf, betrachtete seine Füße nur wieder matten Blickes und ballte die Hand in seinem Rücken zur Faust. Schwindlig. Ihm war so verdammt schwindlig. „Sprichst. Du. Arabisch?“ die Frau redete nun auf einmal ziemlich abgehakt mit dem Dai und betonte ihre Worte völlig übertrieben - so als wäre er ein kleines, dummes Kind, das nicht verstand. Und der bedrohte, mit seinem Bewusstsein ringende Malik tat gut daran nicht zu antworten. Er wollte sich dumm stellen, unschuldig und vollends ahnungslos vielleicht. Niemals würde er nämlich die Bruderschaft verraten und somit das Kredo brechen – so wie Altaïr, dieser Hund, es getan hatte. Ja, eher würde er durch das Schwert dieses viel zu selbstbewussten, überheblichen Weibes hier sterben anstatt seine Brüder zu hintergehen. „Spiel bloß keine Spielchen, Assassine. Ich warne dich!“ war einer der letzten Sätze, die der Angeschlagene vernahm, ehe er sich wieder zurück in die süße Ohnmacht sinken ließ. Wieder schlug jemand zu, doch er fühlte keinen Schmerz. Alles war ihm egal. Kalter Grund unter nackten Füßen, es war kalt, Malik's Zähne schlotterten. Eine tiefe Männerstimme fragte ihn Dinge in verschiedenen Sprachen und arabischen Dialekten. Er verstand nicht. Es hatte keinen Sinn, man brachte ihn zurück, er hustete und schmeckte Blut. „Du sollst was essen. Die bringen mich um, wenn ich dich verhungere.“ drang es dumpf und so... falsch an Malik's Ohren. Seine Lippen öffneten sich um ein Stück; doch nicht etwa, um dem gefüllten Löffel vor seinem Gesicht Einlass zu gewähren. Der kratzenden Kehle des versehrten Kartografen entkam ein tiefes, schmerzliches Ächzen und er öffnete die Augen. Gerötet sahen sie einem jungen, blonden Mann entgegen – es war derjenige, der ihm die Decke gegeben hatte. Die Decke. Wo war sie hin? „Na los.“ drängte der Templer unbeholfen und setzte Malik das Essbesteck an die halb geöffneten, rissigen Lippen. Wie im Delirium schlug der Assassine schwerfällig zu; kraftlos, doch stark genug, um den gefüllten Löffel vor sich in einem kleinen Bogen fort zu schlagen. Der Mann mit den hellen Augen bei ihm schnaubte entnervt, zeigte aber erstaunlich viel Geduld für Typen seines Schlages. Wieder redete er auf Malik ein und erst in diesem Moment fiel dem benebelten Kartografen auf, dass er die Stimme und Erscheinung des Anderen kannte. War das hier dieser Noah? „Du essen, Assassine. Oder trinken. Hey. Verstehst du die Worte, die ich spreche?“ natürlich verstand der schweigsame Malik. Doch es wäre ihm wahrhaftig lieber gewesen, hätte der Soldat wieder Englisch gesprochen. Er hätte es wohl um Weiten besser verstanden als dieses fürchterliche Arabisch. II Der sonst so schnell alarmierte Malik mit dem leichten Schlaf - aus dem er stets sofort erwachte wenn Gefahr drohte - regte sich erst als Stiefel nah vor ihn traten. Zu spät. Novizenfehler. Kraftlos hob er seinen Kopf an, als er die müden Augen aufschlug und beinahe vollkommener Dunkelheit entgegensah. Beinahe schon gleichgültig hob er sein zu schweres Haupt dem unerwarteten, großen Besucher entgegen. Leise rasselte ein schweres Kettenhemd gegen Metallplatten, als sich der fremde Krieger zu dem Gefangenen am feuchten, dreckigen Boden herunter beugte. Der fiebrige Kartograf protestierte tonlos, als ihn der grimmige Templer daraufhin am Oberarm packte und ihn mit einem Mal auf die Füße zog. Schweigend zerrte der Gerüstete Malik dann auf die offenstehende Zellentür zu, bugsierte ihn nach draußen, auf den schmalen Gang. Der überrumpelte Schwarzhaarige ließ sich dort gegen die feuchtkalte Steinwand sinken und hatte große Mühe damit aufrecht stehen zu bleiben. Denn die schier endlose Zeitspanne, die er hier unten verbracht hatte hatte ihn komplett ausgemergelt und sein Kreislauf protestierte lautstark. Er hatte nur wenig getrunken und so gut wie nichts gegessen, noch immer plagte ihn seine schlimme Grippe und der asthmatische Husten, seine blutig geschlagene Nase und die wunden Lippen schmerzten. Er wusste nicht einmal wer ihm in das fahle Gesicht geboxt hatte, wusste nicht wann. Zeit war hier, in dieser stinkenden Düsternis kein Begriff. Vielleicht war Malik ja nur Stunden lange in Gefangenschaft gewesen, vielleicht aber auch Tage oder gar Wochen. Das Einzige woran man dies messen hätte können war der fortgeschrittene Dreitagesbart im blassen Gesicht des Mannes. Doch bisher hatte er nicht darauf geachtet. Er hatte bis dato ja schon riesige Probleme damit gehabt überhaupt zu unterscheiden ob er träumte, wach oder der Ohnmacht nahe war. Und hätte er gerade sein Spiegelbild gesehen... er wäre wohl einmal wieder in Letztere gefallen. Wieder ergriff man ihn und zog ihn von der stützenden Wand fort. Ein Arm legte sich um seine Taille und schob ihn voran – eine ungewohnte und irgendwo viel zu intime Geste für die unfreundlichen Wachmänner hier unten. Wo brachte man ihn hin? Zu Maria? Zu dem Übersetzer? Tse. Niemals würde dieses Dreckspack ein Wort aus ihm heraus bekommen! „Los, weiter.“ meinte der raue Kerl neben dem leise keuchenden Dai, welcher Schwierigkeiten hatte mit dem hastenden Templer mitzuhalten. Er stolperte mehr als dass er ging, biss sich auf die blutige Unterlippe und atmete schwer. Wenn ihn nicht die Templer umbrachten, dann würden dies seine Lungen ziemlich bald tun... dessen war er sich sicher. Au. Scheiße. Um seinen Gleichgewichtssinn ein wenig zu stabilisieren und sich nicht nur auf den starken Arm des fremden Kriegers neben sich verlassen zu müssen, fasste Malik's fahrige Hand immer wieder zur Seite, streifte rissiges Gemäuer, feuchte Holzverschläge, eisige Gitterstäbe, breite Waffenständer- Am Rande seines schwankenden Bewusstseins stutzte der Asssassine und hielt taumelig inne. Waffenständer. Seine schmutzigen Finger mit den verdreckten Nägeln schmiegten sich an den Griff einer Holzstange. Speer. Hellebarde. Irgendsoetwas eben. Er hob damit zu. Auf unsicheren Beinen und mit zitternden Knien schlug Malik dem Wachmann bei sich nun plötzlich die massive Stangenwaffe gegen den Stahlhelm. Mit letzter Kraft bäumte er sich so gegen seinen eindeutig überlegenen Widersacher auf, wankte nach einem zweiten Hieb jedoch schon überfordert stöhnend zurück und hustete. Der attackierte Templer hatte nach dem ersten Schlag gegen seinen geschützten Kopf etwas Zeit gebraucht um sich zu fassen, doch nun setzte er zum Gegenangriff an. Barsch fasste er im dezenten, rötlich flackernden Fackellicht nach Malik, fluchte dabei leise in Arabisch. Der aufgebrachte Gefangene wich – mehr durch Glück als Geschick – ab, versuchte seinen Husten zu unterdrücken und stieß mit der langen Hellebarde in seiner Hand wieder gegen seinen Gegner. Malik streifte aber nur stählerne Armschienen, ehe er auch schon von geschickten Fingern entwaffnet und selbst von der Holzstange getroffen wurde. Mit einem lauten Poltern fielen Stangenwaffe und Mann zu Boden; schmerzhaft kam der besiegte Dai neben der Hellebarde am Steinboden auf und gab einen schmerzverzerrten Laut von sich. Der verstimmte Templer vor ihm murrte entnervt und bückte sich erneut nach dem sich sträubenden Dai; grob wollte er den Verletzten wieder auf die wackligen Beine hieven. Er flüsterte dabei irgendetwas vor sich hin, doch Malik verstand ihn kaum. „Nein...“ wisperte der Kartograf etwas geistesabwesend vor sich hin, als man ihn wieder hochgezogen hatte „Nein nein...“. „Still.“ „Ah. Lass los, ich-“ Malik's strubbeliger Kopf wurde durch eine Ohrfeige herumgerissen ehe er überhaupt realisierte, das er – einmal wieder - geschlagen worden war. Ruckartig schubste ihn der verdammte Templer gegen die nahe Mauer, fixierte ihn dort mit zwei starken Händen. An einer davon fehlte ein Finger. „Ich sagte: still.“ fauchte der dominante Mann Malik leise entgegen, als er ihn förmlich an die modrige Wand genagelt hielt. Eiskalt und spitz – den Worten seines Gegenübers ähnlich - drückte sich das unebene Mauerwerk in den bloßen Rücken des Assassinen und er sog die Luft scharf ein. Dann erst bemerkte er den fehlenden Finger an der einen Hand, die ihn im Schach hielt und er weitete seine geröteten, Augen. „Novize.“ schimpfte der Gerüstete vor ihm leise, als er den starrenden Malik wieder von der Wand fort zerrte. Der plötzlich sehr bereitwillige Kartograf ließ dies auch augenblicklich zu und taumelte mit dem Anderen mit. Altaïr. „Ich habe zwei Tage gebraucht, um mir diese dämlichen Klamotten zu besorgen und hier rein zu kommen.“ schnaubte der hektische Mann unter dem Helm „Wenn du mir das mit zu lautem Gejammer vermasselst, bring ich dich um, Malik, ich schwör's dir.“. Altaïr. „Ich werde dich daher auch sicher nicht tragen. Geh neben mir her wie ein braver Gefangener und mein Plan geht auf. Verstanden? Niemand wird etwas merken.“ Der sprachlose Jüngere schluckte schwer, als ihn der Adler Masyafs über eine schmale Treppe nach oben zerrte. Seine Hand klammerte sich fest an weichen Stoff zwischen metallenen Rüstungsteilen und dicken Lederriemen. „Und lass gefälligst los. Wie sieht das denn aus?“ Die Finger gruben sich fester, ja, hilfesuchend an die mehrschichtige Kleidung des Führenden. Altaïr. III Altaïr's Englisch war wie gewohnt fehlerlos und seine Aussprache frei von jeglichem Dialekt, als er mit den beiden Soldaten sprach. Bewundernswert. Man hätte meinen können er käme aus dem Westen und hätte die Sonne über Syrien nicht länger als wenige Wochen gesehen. Mit hängenden Schultern und tief gesenktem Kopf stand Malik neben ihm; seine Glieder waren schwer wie Blei und sein Kopf fühlte sich so an, als trampelten gerade tausende Kamele über ihn hinweg. Doch die Anspannung, die das Adrenalin erbarmungslos in seinen schwachen Leib trieb, ermöglichte es ihm aufrecht stehen zu bleiben und seine labilen Sinne ein wenig auf seine nahe Umgebung zu konzentrieren. Aufmerksam. Er musste aufmerksam bleiben. Sie befanden sich mittlerweile offenbar im oberen Bereich des Gebäudes in dessen dreckigen Kerkern man ihn festgehalten hatte. Rötlich warmes Licht der Dämmerung schien durch die wenigen Fenster herein; es war so schwach und dennoch wollte es den energielosen Malik blenden. Seine empfindlich gewordenen Augen würden sich nur schleppend wieder an die Lichtverhältnisse hier oben gewöhnen... „Ich bringe den Ketzer zum Hinrichtungsplatz. Er soll heute bei Tagesanbruch mit drei Anderen gehängt werden.“ kam es trocken über die Lippen Altaïrs. Seine aufrechte Haltung verlieh ihm nicht unbedingt das Aussehen eines Verunsicherten – im Gegenteil. Auch seine Stimme klang gespielt selbstsicher und vollends überzeugt. „Ich wusste nicht, dass heute eine Hinrichtung stattfindet.“ meinte eine der beiden Wachen etwas argwöhnisch und Malik's nervöser Blick suchte den Adler in dieser prekären Situation beinah schon flehend. Ach, nie im Leben hätte er es sich gedacht jemals in solch einer gefährlichen Lage dermaßen hilflos zu sein wie jetzt. Nicht einmal damals in Solomon's Tempel war es so... so schlimm gewesen. Denn damals hatte er seine Waffen gehabt, seine vor böse forschenden Blicken schützende Kapuze, flinke Füße und zwei fähige Hände. Gerade, da hatte er nichts von alldem. Nur einen unberechenbaren Begleiter in einer fremden Rüstung und einem undeutbaren Gesicht hinter einer neutralen, grauen Stahlmaske. Genau Jenen, der ihm in seiner schlimmen Vergangenheit alles genommen hatte – seine Familie, sein Herz, seinen Arm. Dass er gerade auf genau diesen Mistkerl bauen und ihm sein Leben anvertrauen musste war eine Tragikomik des Schicksals, so schien es. Es gefiel Malik nicht, doch er hatte keine andere Wahl als mit zugeschnürter Brust und einer irrsinnigen Unruhe in sich neben seinem listigen Bruder stehen zu bleiben und den Todgeweihten zu mimen. Halbnackt, krank und unter den amüsierten Blicken der anwesenden Templerwachen. Das einzig Gute an der ganzen Sache war vermutlich, dass er seine Nervosität nicht verbergen und sich unbeteiligt geben musste. Denn ein Gefangener, den man zu einer Hinrichtung führte war im Normalfall bestimmt genauso ruhelos und verzweifelt wie er selbst. „Dann weißt du es nun besser.“ ertönte es seitens Altaïr. So ruhig wie er sprach hätte man meinen können seine Nerven wären Stahlseile und nicht bis zum Zerreißen gespannt. Doch angespannt, das waren sie, nicht wahr? Warum? Was sollte es ihn eigentlich kümmern entdeckt zu werden? Er würde in seiner Aufmachung und den ganzen Waffen, die er bei sich trug bestimmt nicht ums Leben kommen. Nur Malik. Was kümmerte Altaïr schon das Leben eines Bruders, den er im Grunde nicht ausstehen konnte? Der unruhig atmende Dai biss sich auf die Innenseite der Wangen und ballte die Hand zur Faust, als er seinen Blick wieder gen Grund sinken ließ. Unruhig zuckte einer seiner Mundwinkel zur Seite und es erforderte eine extreme Selbstbeherrschung nicht allzu heftig zu zittern. „Von wem kommt der Befehl?“ hakte einer der englischsprachigen Wachmänner nach. Er klang dabei jedoch nicht misstrauisch – eher neugierig. War das gut? „Von oben.“ im Gegensatz zu dem Templer klang Altaïr mittlerweile recht genervt. Nicht gut. „Wie jetzt?“ „Was sollten ihn ein paar simple Ketzer kümmern? Die Befehle-“ „Wenn Meister de Sable will, dass irgendjemand hingerichtet wird, wird derjenige hingerichtet. Oder willst du mir sagen du hinterfragst seine Entscheidungen und den Orden?“ „W-was? Nein. Nein natürlich nicht.“ „Dann sind wir uns einig. Lasst mich nun durch, ich bin spät dran.“ „S-sehr wohl. Möge der Vater des Verstehens dich leiten.“ Ein Brummen seitens Altaïr und die beiden Wachen traten beiseite, ließen ihn tatsächlich passieren. Das war ja einfach gewesen. Zu einfach. Der verkleidete Assassine zog den perplexen Malik sofort bestimmend mit sich. Schnellen Schrittes und ohne auf die stolpernden Füße des geschwächten Gefangenen achtend hielt er nun durch den schmalen Durchgang auf den nächsten, weiten Raum zu. Es war ein hohes Bauwerk mit einem großen, hölzernen Tor am gegenüberliegenden Ende, in dem sie sich nun befanden. Säulen stützten den massiven Dachstuhl und für Malik's sensible Augen viel zu helles Licht brach durch bunte Glasfenster herein, zeichnete hübsche Muster auf den Boden. Lange Holzbänke reihten sich hier zwischen drei Gängen dicht aneinander, überall brannten Kerzen und der süße Geruch von Weihrauch lag in der Luft. Die Augen des entgeisterten Dais weiteten sich, als er verunsichert um sich sah und dabei angestrengt blinzelte. Eine Kirche? Sie befanden sich in einer Kirche? Was zum- „Warte hier.“ wisperte Altaïr plötzlich als er den ratlosen Malik viel zu plötzlich zur Seite drängte – in den Schatten einer lebensgroßen Mariendarstellung. Sie befanden sich abseits des Hauptganges des nahezu leeren Gotteshauses, im Nebenschiff und verborgen vor den Blicken eines einzigen Templers, der neben dem Haupteingang an der Wand lehnte und verhalten mit einem Priester sprach. Man konnte nicht verstehen, was sie sagten, sie waren zu weit entfernt. Bang sah Malik Altaïr hinterher, als der Assassine in Templermontur von der Seite aus langsam auf die beiden Fremden zuhielt wie ein Raubtier auf seine Beute. Er bewegte sich dabei beinah schon lautlos fort – bemerkenswert bei der plumpen Ausrüstung die er trug. Von Säule zu Säule schlich er, setzte seine Füße in den Schatten vorsichtig voreinander und verschwand schließlich aus Malik's Sicht. Der Kartograf fühlte in diesem Moment, wie sich sein rebellierender Magen zusammenzog und suchte mit unruhig wandernden Augen nach seinem Kumpanen. Wo war er hin? Wo war Altaïr? Hatte er ihn alleine gelassen? Oh nein. Schwer atmete der fiebrige Schwarzhaarige in seiner dunklen, verschobenen Befürchtung durch und presste sich in seinem Wahn an die Statue vor sich, als könne er dadurch unsichtbar werden. Seine heiße Stirn drückte er dabei an den kühlen Marmor, um seinen stechenden Kopfschmerzen entgegen zu wirken. Stille. Nur die leisen Stimmen der beiden gesprächigen Männer am Haupttor waren entfernt zu hören. Malik begann damit sich auf sie zu konzentrieren, um sich irgendwie von seinem viel zu schnell pochendem Herzen und seiner unerklärlich anschwellenden Angst abzulenken. Ihm wurde übel, dann schummrig. Was sollte er bloß tun? Altaïr war fort. Er war fort. Der 25-Jährige fasste sich mit kalten Fingern leise keuchend an die wunden Lippen und ging langsam in die Knie. „Malik.“ die vertraute Stimme drang so leise an die Ohren des wirren Dais, dass er es kaum schaffte sie zu vernehmen „Malik, verdammt.“. Der schlappe Mann wurde gerüttelt und öffnete seine braunen Augen wieder um einen Spalt weit. Sein schmaler Sichtbereich bestand gerade nur aus seltsam ineinander verschwommene Formen, sie drehten sich und tanzten wild mit vielen kleinen Lichtpunkten. Der Mann lag mit der Brust voran auf hartem Stein, seine schwache Hand lag neben seinem Kopf. Leicht zuckten seine Finger, strichen dabei durch irgendetwas... Warmes, Flüssiges. Ein lautes, jämmerliches Ächzen verließ die brennende Kehle Maliks, als er noch einmal barsch geschüttelt wurde und er lenkte seinen Blick nach oben. Es roch nach Erbrochenem, ihm wurde schon wieder schlecht. „Shht. Kein Mucks, verstanden? Wir müssen weg.“ Altaïr. Malik spürte, wie sich eine Hand ungewohnt vorsichtig unter seinen matten Körper schob und ihn aufrichtete. Sein Kopf war viel zu schwer und zu benommen, als dass er es geschafft hätte ihn zu heben. Was war los? Er wollte schlafen. Was wollte der Adler? Unkoordiniert fasste er nach dem Mann, der ihn in diesem Moment auch schon hochhob und seine Fingerspitzen trafen wieder auf grobes Leder und hartes Metall. Kühl und schmerzhaft drückten sich stählerne Rüstungsteile an seine Seite und er jammerte leise in sich hinein. Ein Seufzen. „Ich sagte sei still...“ Dann setzte sich Altaïr auch schon in Bewegung. Buntes Licht streifte über das bleiche Gesicht des Dais; resigniert ließ er es mit der Wange voran an den Hals des Älteren sinken. Er verstand nicht was vor sich ging, sah nur all die Farben, fühlte den schnellen Atem des anderen Assassinen an seinem Ohr vorbeistreifen und hörte die hastigen Schritte von dicken Sohlen auf planem Grund. Sein Geist war in diesem Augenblick ein Seiltänzer zwischen lockender Ohnmacht und einer verzerrten Wirklichkeit, die vor seinen verklärten Augen keinen Sinn machen wollte. Und im nächsten Moment schon würde diese erneut kippen. IV Es war dunkel, als Malik seine braunen Augen seufzend aufschlug. Wie in seiner kleinen, beengenden Zelle, an die er sich auf groteske Art und Weise bereits so sehr gewöhnt hatte. Doch der fahle Geruch nach Urin und Verwesung, die stickige Luft und die kratzige Decke fehlten. Stattdessen roch es nach Regen und alten Büchern. Warum? Wo war er? Der angeschlagene Mann hob seinen Kopf an, richtete seinen Oberkörper auf und spürte einen dicken Kloß in seinem schmerzenden Hals. Eine unerklärliche Panik machte sich auf einmal in ihm breit, er sah ängstlich um sich und er gewöhnte sich nur langsam an die düsteren Lichtverhältnisse im Raum. Was... was war passiert? Ein Bett. Er saß auf einem Bett. Sanfter Mondschein fiel durch ein offenes Fenster herein und tauchte den Mann, der sich ihm gerade unter leisem Waffengeklapper näherte in ein markantes Weiß. Es wurde lediglich von dem Gemisch aus Rot und Braun um dessen Mitte entzwei getrennt. Alarmiert sah Malik zu dem beschatteten Gesicht des Anderen auf und rutschte auf seiner weichen Ruhestätte zurück. Doch ein Stein fiel ihm im nächsten Moment schon vom schweren, schnell klopfenden Herzen und er sprach mit heiserer Stimme, als ihn die Erkenntnis traf. „Altaïr...“. „Du bist wach. Gut.“ „Wo-“ „Wir sind bei dem Informanten. Das Büro ist im Moment noch zu gefährlich.“ „Wir sind in Sicherheit...?“ „Ja.“ Über Malik's Lippen kam ein erleichtertes, tiefes Ausatmen, als er sich wieder etwas zurücksinken ließ und er fasste sich an das zu warme Gesicht. Altaïr blieb währenddessen vor dem Bett stehen und schien nachzudenken; er zögerte sehr lange ehe er sich schließlich auf der Schlafgelegenheit niederließ. Den breiten Rücken dem jüngeren Dai zugewandt saß er da und fuhr sich gedankenverloren über das Kinn. Malik versuchte währenddessen das Geschehene der letzten Tage in seinem Kopf revue passieren zu lassen. Eine Sache, die er schnell aufgab, denn noch immer fühlte sich sein Schädel an wie durchgerüttelt, sein Denken war seicht. Er vermochte es daher nicht einen richtigen, schlüssigen Gedanken zu fassen – und vielleicht war das ob des heiklen Themas auch gerade gut so. Er war hier sicher. Das war das Einzige, das momentan zählte. Altaïr hatte ihn gerettet. Malik's Augen fixierten den Älteren müde. Für viele lange, stille Augenblicke blieb er so liegen. Schließlich war es der wieder etwas zur Ruhe gekommene Malik, der das zähe Schweigen brach „Altaïr?“. Der Angesprochene sah sofort über seine Schulter hinweg zu dem kranken Kartografen hin. Fragend musterte er den Schwarzhaarigen, der sich gerade wieder etwas aufsetzte. Bei Allah, Malik hätte nie geglaubt, dass Sitzen so schwer sein konnte... „Was ist?“ Der Dai mit den wirren Haaren und dem Dreitagebart benötigte ein paar Atemzüge, bis er sich schließlich zur nächsten Geste durchrang: Er räusperte sich und breitete seinen schwachen Arm leicht aus „Komm her...“. Der irritierte Altaïr runzelte auf diese ungewöhnlich freundliche Aufforderung hin vermutlich die Stirn. Malik konnte dies nicht sehen; zu weit hatte der in sich gekehrte Assassine seine weiße Kapuze in sein Gesicht gezogen, doch der Kartograf kannte sein Gegenüber so gut, dass er dessen Mimik erahnte. Ein klein wenig wendete sich der Ältere Malik jetzt zu, doch weiter ging er nicht. Warum nicht? Hatte er etwa ganz plötzlich Berührungsängste? Es war nicht passend. „Komm her, Altaïr.“ Malik spürte, wie sich die Matratze unter dem Gewicht des anderen, unerwartet nachgiebigen Assassinen etwas absenkte, als dieser nun endlich nah zu ihm heran rutschte und seinen Kopf gegen den Schwarzhaarigen sinken ließ. Der Dai drückte den weiß Gerobten eng an sich und grub sein Gesicht an dessen Schulter, fühlte Hände an seinem Rücken. Es war eine unerklärliche Emotion, die ihn daraufhin beutelte – ein ihn übermannendes Gemisch aus Erleichterung, Bedauern und Geborgenheit. „Danke...“ seine zittrigen Finger krallten sich fest an den Stoff der hellen Uniform des Anderen und er glaubte, dass tief in seinem Innern gerade irgendetwas brach - oder eher: sich löste. „Danke, Altaïr.“. „Malik-“ „Du hättest nicht kommen müssen. Und trotzdem bist du es, du hast mir das Leben gerettet.“ wisperte der Jüngere gegen die Kleidung Altaïrs und sprach damit eher zu sich und seine Gedanken aus als auf eine Antwort zu warten. Doch eine Antwort, die ihn quälend stechend im Herzen traf, die kam: „Hast du etwa geglaubt, dass ich nicht auftauche? Ich dachte, du kennst mich.“ „Ich kannte dich.“ sprach Malik so leise und undeutlich, dass man es kaum vernehmen konnte; er rang mit sich „Früher.“. „Malik...“ „Ich dachte, ich würde sterben...“ „Aber das bist du nicht.“ „Ich hatte Angst. Solche Angst.“ „Hey...“ „Ich habe gedacht ich... ich-“ Ein leises Seufzen seitens des Adlers ließ Malik verstummen und ungleichmäßig ausatmen. Ja, was hatte er gedacht und befürchtet? Dass er sterben würde – und was noch? Dass man seinen Leichnam niemals fände? Dass sein Büro verwahrlosen würde? Hatte er befürchtet Altaïr niemals mehr wieder zu sehen..? Ja, das hatte er. Malik hielt sich so krampfhaft an dem ruhigen Assassinen vor sich fest, als wolle er ihn heute gar nicht mehr loslassen. Wie an ein Rettungstau klammerte er sich an ihn, wie ein Schiffbrüchiger an ein Stück Treibholz in reißenden Fluten. Und im Grunde... war Altaïr dies heute auch gewesen, nicht? Oh, er war ihm so dankbar. „Du solltest dich hinlegen, du glühst. Und du lallst wie ein Betrunkener.“ murmelte der ältere Mann in das zerzauste Haar Maliks hinein, machte jedoch keinerlei Anstalten Jenen von sich zu drücken sondern hielt ihn weiterhin fest. Es wirkte beinahe so als wolle er noch etwas sagen, wusste aber nicht wie. Es fiel dem leise hüstelnden Dai nicht auf. „Nein... mir geht es gut...“ krächzte der Kranke; er wollte sich nicht hinlegen, konnte nicht schlafen. Er wollte hier genau so sitzen bleiben wie er es gerade tat. Altaïr durfte nicht wieder gehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)