Das rote Tuch von Crevan ================================================================================ Kapitel 20: Leer ---------------- Auf leisen Sohlen hielt Malik auf das Bett im Hinterbereich des ruhigen Assassinenbüros zu. Schwach flatterte sein schwarzer Mantel dabei hinter ihm her, er hatte alle Fenster geöffnet und eine laue Brise blies durch das niedrige Gebäude wie durch ein zugiges Vogelhaus. Ja, 'Vogelhaus' war in gewisser Hinsicht vielleicht sogar passend, nicht wahr? Der sich leise räuspernde Dai hatte seinen bestickten Rafiksmantel locker an der Vorderseite geschlossen, ein roter Schal wand sich um seinen Hals. Es war das Tuch seiner verschiedenen Mutter; es diente ihm nicht nur als Erinnerungsstück, das unter seinem Tresen lag und ihn an bessere Zeiten erinnerte, sondern Malik hatte durchaus noch einen praktischen Nutzen dafür. Ab und an eben; wenn er krank war zum Beispiel. Und, verdammte Scheiße, das war er im Augenblick auch und zwar ziemlich. Er versuchte ein Husten zu unterdrücken und fröstelte, als seine braunen Augen auf die zusammengerollt schlafende Frau auf seinem Bett sanken. Seit knapp einer Woche 'hauste' sie hier im Büro Jerusalems, war nur selten wirklich zur Besinnung gekommen und hatte dabei nur wenig gegessen oder getrunken. Aber gut, davon immerhin genug, um knapp über die Runden zu kommen. Karim's hohes Fieber war erst gestern wieder abgeklungen, ihr Zustand hatte sich nur quälend langsam verbessert und stabilisiert. Seit das geschundene Mädchen in Maliks hartem Bett ruhte, hatte er selbst – und meist auf den Kissen im überdachten Vorgarten - nicht oft durchgeschlafen. Immer und immer wieder war sein versehrter Besuch nachts unter lautem Schreien und wild um sich schlagend erwacht, Karim hatte fantasiert, ihre entzündeten, tiefen Wunden ihren dünnen Körper gemartert. Einmal war sie dann beinahe gestorben... der alarmierte Malik hatte sie gerade noch so am Leben halten können, hatte schon geglaubt es wäre zu spät. Aber nun gut... seit gestern Mittag war Karim's Stirn nicht mehr sengend heiß, sie selbst viel, viel ruhiger und ihre entzündeten Verletzungen waren dabei abzuschwellen. Es war also an der Zeit das abgemagerte Assassinen-Bündel langsam wieder zurück in das Hier und Jetzt zu holen, denn es musste unbedingt etwas essen. Mit einer, mit süßem Haferbrei gefüllten, kleinen Schüssel in seiner Hand ließ sich der fürsorgliche Kartograf bei der Schlafenden auf dem Bett nieder. Sich das volle Behältnis auf den Schoß stellend musterte er die Dunkelhaarige und streckte kurz daraufhin seine vorsichtige Hand nach ihr aus, um sie ihr auf eine Schulter zu legen „Karim.“. Die Stimme des kranken Mannes ging ruhig, doch war vollkommen heiser. Oh, bei allen Göttern, seine verdammten Halsschmerzen brachten ihn noch um. Also wirklich, es war unglaublich! Wie konnte sich jemand bloß bei solch trockenen und warmen Wetterverhältnissen erkälten?? Die Hand tätschelte die junge Frau etwas und ein sanftes „Hey...“ verließ die rauen Lippen Maliks. Wenige Momente später regte sich Karim dann schließlich. Endlich. Sie murrte leise, ächzte und fasste sich an das fahle Gesicht. Sie blinzelte matt und rieb sich bald schon die braunen, vernebelten Augen. Letztere suchten den Dai nach vielen tiefen Atemzügen verwirrt und schienen Probleme damit zu haben klar zu sehen. Unruhe legte sich über die blasse Miene des Mädchens; sie bekam ganz offensichtlich Angst und wusste nicht so recht wo sie sich befand. Klar, sie war ja auch noch nie in Malik's Schlafzimmer gewesen. Ein leises, verschrecktes Wimmern verließ ihre Kehle als sie sich aufrichten wollte um zurückzuweichen, beides aber eher schlecht als recht schaffte. „Ruhig. Ich bin's, Malik. Du bist in Sicherheit.“ der Ältere zog seine Hand langsam wieder von der verschüchterten Karim fort „Du warst eine Woche lang vollkommen weggetreten, die Anderen haben dich gerettet. Erinnerst du dich?“. Die Frau starrte dem Kartografen einige Momente lange irritiert entgegen, ließ ihr Haupt dann aber wieder zurück in das weiche Kissen sinken. Sie seufzte leise und fasste sich an den wirren Kopf. Malik schwieg währenddessen geduldig, gab ihr somit Zeit um sich etwas auf sich selbst zu besinnen und das Geschehene zu rekapitulieren. Er beobachtete sie eingehend, zeigte sich erleichtert darüber, dass Karim zum ersten Mal seit Tagen ansprechbar war. Und sie hatte ihn zudem auch noch erkannt... das war gut. Es dauerte eine ganze Weile, bis Karim still zum zweiten Versuch ansetzte sich aufzusetzen. Mit Mühe schaffte sie dies auch; sie saß nach entgeistertem Geblinzel, Strecken von matten Gliedern und leisem Gejammer über ihre Hüfte mehr oder weniger aufrecht da. Ihre Wunden mussten höllisch schmerzen. Malik hatte sie zwar gut versorgt, doch seine Medizin war kein allmächtiges Wundermittel. Sie betäubte Körper – und manchmal auch den Geist – lediglich etwas; mehr konnte er nicht tun. „Hast du Hunger? Du musst etwas essen.“ der besorgte Malik hob die Schüssel mit dem Haferbrei und nickte auffordernd in Karim's Richtung. Gern hätte er ihr etwas Anderes, Schmackhafteres angeboten, doch Dinge wie Fleisch, Obst oder rohes Gemüse konnte man ihrem Magen momentan nicht zumuten „Hier.“. Schweigend, doch mit großen, hungrigen Augen und zittrigen Händen nahm das Mädchen die kleine Schale entgegen. Beinahe verschüttete sie deren Inhalt dabei auf dem Bett, erlangte aber in letzter Sekunde noch die Kontrolle über ihre fahrigen Finger. Stumm steckte sie sich dann ein paar Löffel der spärlichen Mahlzeit in den Mund, senkte ihren Blick dabei nachdenklich auf die volle Schüssel vor sich. Wieder blieb der anwesende Kartograf nur ein ruhiger, leise hustender Beobachter. Jedenfalls bis zu dem Punkt, an dem Karim plötzlich erschrocken und unter irgendeiner, erschütternden dunklen Erkenntnis zu ihm aufsah. Mit geweiteten Augen starrte sie dem 25-jähirgen Dai nun plötzlich entgegen und ihr Löffel fiel ihr fast aus der Hand. Ein Zittern beutelte ihren schwachen Körper bevor sie sich vollends versteifte und den Atem anhielt. Der Mann hob seine Brauen an, bedachte das bange Mädchen mit forschendem Blick. War Karim gerade eingefallen, dass ihre kleine Lüge ans Licht gekommen sein musste? Ihr angeschlagener Kopf hatte wohl gerade erst jetzt realisiert, dass sie nicht mehr ihre zerrissene Robe und keine enge Brustbinde, doch stattdessen weite, zu große Schlafkleidung trug. Es lag für sie nahe, dass sich der schwarzhaarige Dai um sie gekümmert haben musste – und dazu gehörte nicht nur das Verbinden von Wunden oder das Einflößen von Medizin. Karim zuckte zusammen, als Malik das drückende Schweigen brach: „Ich weiß es, ja.“. Er lächelte schwach, als die Verwundete die Luft scharf einzog. Ihre Hände hielten sich an den Rändern der Schüssel auf ihrem Schoß fest, als gäbe ihr dies ein wenig Halt in dieser – für sie wohl sehr schrecklichen – Situation. Ihre großen, braunen Augen wurden glasig, ihre Stimme tonlos „Wa... was..?“. „Und ich bin auch der Einzige.“ setzte der bedächtige Mann seufzend fort „Keine Sorge. Es bleibt dabei.“. Karim kaute sich auf der Unterlippe herum und ihre Augen fingen damit an unruhig zu wandern, Malik glaubte eine kleine Träne in ihrem Augenwinkel aufblitzen zu sehen. Ihre Unterlippe begann leicht zu beben, die junge Frau schluchzte laut auf. Und, ach du liebe Güte, im nächsten Moment schon fing sie damit an herzzerreißend zu weinen. Dicke Tränen bahnten sich ihren Weg an ihren bleichen Wangen hinab, als sie sich mit gesenktem Haupt einen weiteren Löffel Brei in den Mund stecken wollte. Malik spürte, wie sich ein dicker Kloß in seiner Kehle bildete und er verengte seine Augen in einer mitfühlenden Miene „Karim... keine Angst, du musst nicht weinen.“. Wieder fasste die achtsame Hand des jungen Dais nach dem verbitterten Mädchen vor sich, seine Finger strichen durch deren zerzaustes Haar als er mit rauer und beschwichtigender Stimme weitersprach „Ganz ruhig...“. „Tut mir- tut mir so leid-“ nuschelte Karim irgendwo zwischen Tränen und ihrem Essen hervor, kniff die nassen Augen zusammen und japste leise „Ich wollte nicht-“. „Shht. Es ist in Ordnung.“ Völlig verloren hob die Gesellin ihren Kopf nun abermals und schluckte ihren letzten Bissen Haferbrei schwer hinunter. Die verzweifelte Hilflosigkeit in ihrem Blick traf Malik's Herz wie tausend Messerstiche; oh, sie tat ihm so leid. Karim verschüttete ihren Haferbrei im folgenden Augenblick beinahe erneut, doch nicht aufgrund ihrer zitternden Glieder sondern weil sie sich Malik aberplötzlich entgegen beugte. Der Dai konnte die Schale mit dem Essen gerade noch davor bewahren umzukippen indem er etwas überrumpelt und reflexartig danach haschte. Ehe er sich versah hing das weinende Mädchen dann schon an ihm. „Danke... danke...“ mit brechender Stimme und geschwächten Armen war sie ihm um den Hals gefallen und drückte ihr Gesicht nun schluchzend an seinen Oberkörper. Ein wenig perplex – doch erleichtert - hielt Malik die arme Seele fest, drückte Karim vorsichtig an sich und schloss dabei die Augen. Es war nicht das erste Mal, dass er jemandem in solch einer misslichen Situation beistand. Doch das letzte Mal war Jahre her. II Ein weiterer Tag verging ohne dass Malik dem besorgten Informanten Jerusalems – Karim's Mentor – Entwarnung über den gesundheitlichen Zustand der Gesellin oder eine Nachricht nach Masyaf schicken konnte. Und wenn er genau darüber nachdachte... dann war dies wohl auch gut so. Vielleicht... ja, vielleicht sollte er eine Falschmeldung über den Tod des 'Bruders' aussenden, um es Karim damit zu ermöglichen unterzutauchen. Sie konnte doch nicht weiterhin und unter dem Vorwand männlich zu sein in den Rängen der Bruderschaft weiterarbeiten? Nein, dieses morbide Schauspiel war viel zu gefährlich. Der gedankenverlorene, nach wie vor kranke Dai entzündete gerade etwas süßlich duftendes Räucherwerk, als die tapsige Frau den Raum betrat. Aus den Augenwinkeln sah er zu ihr hin, musterte sie skeptisch und hielt in seinem Tun inne. Karim war gerade aus dem verdunkelten Schlafzimmer in den vorderen Teil des Gebäudes getreten und stand nun etwas verloren und unweit von Malik hinter dem Tresen. In eine frische Gesellenrobe gehüllt – der Büroleiter hatte stets einige saubere Ersatzmonturen vorrätig – und sich die Kapuze in das Gesicht ziehend stand sie da und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Sie räusperte sich vorsichtig, um nach der Aufmerksamkeit des 'beschäftigten' Kartografen zu haschen – augenscheinlich hatte sie noch nicht realisiert, dass er sie schon bemerkt hatte. Aber natürlich hatte er sie gesehen und verstohlen gemustert; er hatte seine Augen immer überall, denn das war sein Job. Malik schenkte Karim seine offenkundige Aufmerksamkeit schließlich mit einem leichten Lächeln im müden Gesicht „Schön dich auf den Beinen zu sehen. Wie geht es dir?“ „Hm. Gut. Glaub ich.“ „Das ist toll.“ der junge Dai klappte sein metallenes Räuchergefäß zu nachdem er die Kohle darin entzündet hatte und wendete sich Karim nun zur Gänze zu. Von oben bis unten betrachtete er sie – sie sah wieder aus wie gewohnt: Wie der männliche, 17-jährige Assassinengeselle und Informantenlehrling Karim Al-Mawardi. Doch der argwöhnische Malik wusste es nun besser. Jedenfalls in dem Punkt, wenn es um das Geschlecht der verunsicherten Kurzhaarigen ging. Wie viel von dem was er über sie wusste stimmte wohl tatsächlich? Und was war gelogen? „Willst du etwas essen, Karim?“ gab der matte Dai von sich bevor er sich schon wieder halb abwendete, sich den Ärmel vor Mund und Nase hielt und niesen musste „Uh...“. „Nein danke. Ähm...“ ein wenig paranoid blickte Karim nun in den Büroraum hinein, suchte aufmerksam nach weiteren Anwesenden. Sie schien sich trotz ihrer weiten Robe und der Kapuze nicht allzu wohl zu fühlen. Verständlich. „Wir sind allein. Die beiden Brüder von heute Morgen sind schon wieder auf dem Weg nach Masyaf...“ „Ja..?“ „Ja.“ „Mhm.“ sich auf der Unterlippe herumkauend lenkte die unruhige Dame ihre Augen wieder zu Malik hin. Der Dai stand nun an seinen Tresen gelehnt da, hob seine Brauen etwas an. „Karim?“ „Was..?“ „Ich denke wir müssen uns mal unterhalten. Ist dir das recht?“ „J-ja. Natürlich, Dai.“ Ein klein wenig Erleichterung breitete sich ob des guten Willens der Anderen auf Malik's Miene aus. Er nickte auffordernd in die Richtung des Stuhls mit dem weichen, blauen Kissen darauf, der hinter seinem langen Tresen stand und auf dem er für gewöhnlich saß, wenn er in Büchern schmökerte oder während der Arbeit etwas aß. Die folgsame Anwesende ließ sich ohne weitere Umschweife oder fragende Blicke auf der Sitzgelegenheit nieder. Mit den verkrampften Händen auf den Knien starrte sie dem Grund zu ihren Füßen entgegen und schwieg, wartete angespannt auf die stichelnden Fragen des neugierigen Kartografen. „Wie heißt du wirklich?“ der 25-Jährige schob die dicken Bücher und gerollten Karten auf dem Tresen hinter sich beiseite und setzte sich – aus Ermangelung eines zweiten Sessels - auf die hölzerne Ablage. Seine Beine baumeln lassend saß er der Gesellin zugewandt da und fächelte sich heiser räuspernd fahle Weihrauchschwaden vor dem Gesicht fort. „Karim Al-Mawardi.“ „Deine Eltern haben dir einen Jungennamen gegeben?“ „Nein. Aber ich habe mich nie mit dem Namen, den sie mir gegeben haben identifizieren können. Ich bin Karim.“ die nervöse Frau sah nicht auf und Malik legte seinen verwirrten Kopf etwas schräg. Seine Augenbrauen zogen sich nachdenklich zusammen und er fuhr sich mit den Fingern durch den kurz gehaltenen, dunklen Kinnbart. Das, was die Andere von sich gab irritierte ihn nicht zu knapp. „Du hast einen männlichen Namen angenommen, weil dir dein Weiblicher nicht gefiel? Es gibt auch viele schöne Namen für Mädchen.“ „Ich wollte nie ein Mädchen sein.“ gab Karim leise von sich, man verstand sie kaum. „Wie meinst du das?“ „Ich habe mich schon immer als Junge gesehen. Ich habe mich nicht verstellt, um in die Bruderschaft aufgenommen zu werden.“ so etwas... Seltsames hatte der - an und für sich recht erfahrene - Büroleiter noch nie gehört. Eine Frau, die sich selbst als Mann ansah? Warum sollte man das tun? Er verschmälerte die Augen, als könne er dadurch in die verworrene Seele des leise seufzenden Mädchens hineinsehen. Gelang ihm aber nicht. „Du willst mir sagen, du wärst... nunja, ein Mann in einem Frauenkörper?“ seltsam, ja, doch interessant. „Ja.“ „Und das war schon immer so?“ „Ich glaube, ja.“ „Hm.“ Der junge Dai schwieg nun, versuchte seine Gedanken und die neuen Erkenntnisse über sein Gegenüber zu ordnen. Er wusste dabei nicht recht, ob ihm der 'einfach nur etwas weibische und exzentrische Karim' oder 'die weibliche Version davon, die sich ab und an zu burschikos verhielt' besser gefiel. Eher Ersterer. Aber das hatte wohl mit... anderen Dingen zu tun. Malik atmete tief aus und kratzte sich am Hinterkopf; er fühlte sich wahrlich ein bisschen... unbeholfen was das Ganze hier anging und wollte das Gespräch vorerst in eine andere Richtung lenken. „Und wie alt bist du?“ „21.“ „21??“ der vor den Kopf gestoßene Kartograf stutzte, zeigte seine Verwunderung offen und weitete seine braunen Augen etwas. In seinem Unglauben schüttelte er sein brummendes Haupt. Das durfte doch nicht wahr sein! Karim war nur drei Jahre jünger als er? Und er hatte gedacht er habe es hier mit einer naiven Jugendlichen zu tun! Wahrscheinlich... wegen der kurzen Haare seiner Kollegin. Kurze Haare ließen Frauen jung aussehen – so wie es eine Langhaarfrisur bei den meisten Männern tat. „Hat dein alter Mentor, Tarek, Bescheid gewusst?“ Malik sah wie sich die ohnehin schon so angespannten Finger der bedrängten Frau in ihre graue Hose krallten und sie den Kopf etwas einzog. So, als wolle sie vor den nachhakenden Worten des anderen Assassinen in Deckung gehen. Sie antwortete nicht, sondern atmete nur tief und hörbar ein. Der Dai musterte sie durchdringenden Blickes „Karim?“. Wieder keine Antwort. „Ich muss das wissen, es ist wichtig...“ „Ich... ich habe ihn geliebt, Malik. Ich-“ die Dunkelhaarige fasste sich mit einer Hand an die Augen und verdeckte diese somit, als ihre Stimme versagte. Der erschrockene Mann versteifte sich für einige Sekunden und starrte die Andere fassungslos an, schluckte trocken. Wie..? Karim hatte- „Was?“ „Wir waren ein Paar. Niemand hat etwas geahnt...“ wisperte die Jüngere mutlos, als sie ihr blasses Gesicht unter der spitz zulaufenden Kapuze nun in beide Hände grub. Verzweiflung und tiefe Trauer mischten sich in ihren Tonfall, ließen sie wimmern „Vier Jahre lang. Tarek hat gesagt wir verlassen Masyaf irgendwann.“ „Karim...“ „Er wollte... er wollte mich heiraten.“ Der Dai atmete leise durch und presste die Lippen leicht aufeinander. Oh je. Er hatte nicht geahnt, dass die Geschichte rund um die anwesende Gesellin solch tragische Ausmaße annehmen würde. Die verzwickte Misere mit dem Geschlechtertausch und Karim's verhängnisvoller Rolle in der Bruderschaft war doch schon genug des Guten. Und nun auch noch das hier. „Ich habe ihn so sehr geliebt... warum musste er sterben?“ Ein bedauerndes Seufzen entkam Malik, als er seinen mitleidigen Blick von der Frau abwendete und seinem hohen Bücherregal betrübt entgegensah. Unweigerlich tanzten Bilder vor seinem geistigen Auge umher – Bilder aus schönen Kindheitstagen, von seiner lieben Mutter und dem kleinen Jungen mit dem roten Schal und der Vorliebe für Datteln. Malik's Finger wanderten gedankenverloren und völlig unbewusst an das Tuch, das er um seinen schmerzenden Hals trug. Kadar. „Manchmal sterben Menschen, die uns lieb sind, Karim. Und wir müssen es akzeptieren... man kann ihnen nicht ewig hinterher trauern, verstehst du?“ die breiten Schultern des Mannes sanken ein Stück weit und er zwang sich zur eisernen Fassung; er suchte die Assassinengesellin wieder mit traurigen Augen und mit einer plötzlich so viel älter anmutenden Miene. Nein, er würde hier und jetzt nicht damit anfangen über seine eigenen Probleme und Sorgen, über schlechte Träume und finstere Gedanken zu sprechen. Er war ein angesehener Dai, kein verlorener Hilfesuchender. „Tarek hätte nicht gewollt, dass du dich wegen ihm fertig machst. Hm? Das hätte er doch nicht?“ „N-Nein. Nein...“ „Siehst du...“ „Tut mir leid. Ich fühle mich manchmal einfach so... so leer. Ohne ihn.“ Ein freudloses Lächeln kroch über die trockenen Lippen des Dais, als seine dunklen Augen die Frau zu seiner Linken erneut suchten. Leer. Ja, das kannte er. „Ich weiß.“. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)