Miscast von Rockryu (Wenn die Prinzessin den Prinzen retten soll) ================================================================================ Kapitel 8: Die Hohe Kunst des Stehlens -------------------------------------- Schreibflow... Mal sehen, wie lange er anhält. Warum ist das Kapitel am Ende so ernst geworden? Das war so nicht geplant! @hide_sama: Sorry, dass ich dir erst jetzt antworte, Kapitel 7 hat bereits auf Freischaltung gewartet, als du kommentiert hast... Ja, wenn ich dieses Konzept irgendwo gefunden hätte, wäre ich damit auch skeptisch gewesen. Aber schön, dass es dir doch gefällt. Der Meisterdieb ist eigentlich ein sehr hübsches und irgendwie untypisches Märchen. Keine Prinzessinnen und Könige und so und die Charaktere haben auch mehr individuelle Eigenschaften, als es in Märchen üblich ist. Ließ es mal, dürfte in jedem größeren Sammelband von Grimms Märchen zu finden sein. Vielleicht auch im Internet, da hab ich noch nie geguckt. Mach dir nichts draus, dass du es nicht kennst, ich hab zwei Märchen im Konzept, von denen ich zwar den Inhalt, aber nicht den Namen weiß. Und bei einem Königshaus werde ich improvisieren müssen, weil mir die geeigneten Märchen ausgegangen sind. *** Pata wusste noch nicht so recht, wie er es machen sollte, aber er wollte zunächst Kontakt zu dem Pferd aufnehmen. Heath war so nett gewesen, ihm das Geschirr abzunehmen, das störte ihn jetzt nur. Möglichst leise trottete er über den Hof, wo die letzten Bauern, die Ware hergebracht hatten, ihre Karren abfuhrbereit machten. Mo begleitete ihn. Er betrat leise den Stall. Dort bot sich ein wahrhaft einzigartiger Anblick: Sieben Wächter saßen auf Strohballen um eine Laterne. Und hinter ihnen in einem Stallplatz stand ein prächtiger schwarzer Hengst mit einem – für Menschen nicht sichtbaren, aber für andere Pferde umso deutlicheren – extrem missmutigen Gesichtsausdruck. Der Grund dafür war klar: Er war angebunden, ein ziemlich dicker Wächter hing schlaff in seinem Sattel, ein Bursche saß seitlich hinter ihm und hielt seinen Schweif und ein hagerer Man saß vor ihm und hielt die Zügel. Pata hielt Abstand, um die Wächter nicht auf sich aufmerksam zu machen und machte sich für den Hengst mit einem leisen Schnauben bemerkbar. *Ich schätze, ich muss nicht fragen, wer das Lieblingspferd des Königs ist*, meinte Pata auf Pferdisch, einer Sprache, die für Menschen völlig unhörbar ist. *Nein*, grummelte der Hengst. *Hol mich hier raus.* *Das habe ich vor. Aber vorher muss ich diese Typen außer Gefecht setzten. Hast du vielleicht ne Idee?* *Wenn du ein Mensch wärst, könntest du ihnen Alkohol mit Schlafmittel andrehen. Zu Alkohol sagen die nicht nein. Ich werde nie verstehen, was die Menschen an dem giftigen Zeug finden.* *Gute Idee*, fand Pata. *Warte hier auf mich.* Er schlich sich hinaus. Auf dem Hof fand er das vor, was er erhofft hatte. Ein einzelner Bauer mit einem Handwagen, auf dem nur ein paar persönliche Besitztümer lagen, machte sich gerade auf den Weg. Es war eigentlich gar nicht seine Art, so vorzugehen. Aber im Moment wusste er nichts Besseres. Daher verdrängte er das Unbehagen und sprach den Mann an. „Heda, guter Mann. Warte.“ Der Bauer drehte sich um und sah ein großes braunes Pferd, das mit ihm sprach. „Du hast nicht viel, nicht wahr? Ich könnte dich nicht direkt reich machen, aber ich kann dafür Sorgen, dass du in nächster Zeit keine Sorge um die nächste Mahlzeit haben musst.“ „Sorge um die Mahlzeit hat hier keiner“, meinte der Mann. „Herr Karyu ist ein guter König, trotz seiner Launen. … Aber ich würde gern Medizin für meine kranke Frau kaufen. Und der König kann uns nicht bedingungslos beschenken. Kannst du mir da helfen, Pferd?“ Er wähnte sich in einem schönen Traum, darum wunderte er sich nicht. Es war ein langer Tag gewesen und wenn sein Hirn ihm nun für ein paar Stunden Hoffnung vorgaukelte, wollte er das jetzt genießen. „Wenn du tust, was ich dir sage, wirst du nicht nur ihre Behandlung finanzieren können, sondern ihr auch ein Kleid mit Spitze und einen Ring aus Gold kaufen können.“ „Was soll ich tun?“ „Wenn du mir für heute Nacht deinen Wagen und einen Satz seiner Kleidung leihst und dich in den dort drüben gelagerten Heuballen zur Ruhe legst ohne Fragen zu stellen, schenke ich dir zwei Flaschen Süßfelder Sauerkirschenschnaps und drei Flaschen Unterberger Rotwein aus den Jahren des Nachtregens.“ Die Augen des Mannes weiteten sich. Diese Spirituosen waren praktisch unbezahlbar, zumindest für Seinesgleichen. Wenn er sie verkaufen würde… „Es liegt Kleidung auf dem Wagen“, sagte er nur, ließ diesen stehen und verschwand in Richtung der Heuballen. Soweit, so gut, jetzt kam der schwierige Teil. Pata konzentrierte sich. Hände, Finger zum Greifen, platte Füße, nackte Haut, ein schmaler Körper… Er öffnete die Augen und sah so scharf und fokussiert wie noch nie, aber sein Gehör fühlte sich seltsam stumpf an. Er wagte ein paar Schritte. Die Bewegungsabläufe müssten eigentlich im Programm mit drin sein. Er durfte einfach nicht darüber nachdenken. Kurzerhand griff er nach der Kleidung. Es gefiel ihm nicht wirklich, seinen ganzen Reiseproviant zu opfern. Aber, wie Miyavi sagen würde, immer positiv denken. Musste er ihn wenigstens nicht mehr schleppen. Er lud alles auf den Handkarren, bis auf die fünf Flaschen, die er dem Bauern versprochen hatte. Es waren insgesamt ungefähr 6 Liter Flüssigkeit, aber der Alkoholgehalt reichte für 20 Männer. Mo tauchte wieder auf, im Maul eine kleine Flasche mit einem starken Schlafmittel. Pata wollte gar nicht wissen, wo er es herhatte. Es reichte, um drei Ochsengespanne einzuschläfern. Jetzt musste er es nur noch unter den Alkohol rühren. „Pst, Yoshiki!“ „Hrm, was?“ Yoshiki blinzelte verschlafen. „Willst du morgen auf König Karyus Lieblingspferd in den Hof reiten?“ „Du klaust es doch“, nuschelte Yoshiki. „Aber für dich. Du schläfst am Besten außerhalb dieser Burg weiter.“ „Mann, Pata… WAS ZUM…?!“ Sofort saßen alle kerzengerade. Pata fühlte sich gar nicht wohl dabei, so angestarrt zu werden, schon gar nicht in dieser ungewohnten Gestalt. „Macht nicht so einen Lärm. Ich bin noch nicht fertig“, meinte er vorwurfsvoll. „Also können falladasche Streitrösser sich tatsächlich in Menschen verwandeln“, meinte Sugizo fasziniert. Die anderen starrten nur. „Kommst du jetzt, Yoshiki?“, grummelte Pata. „Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.“ Eine halbe Stunde später schlief Yoshiki nah der Residenz unter einem Baum und die Wächter des Lieblingspferdes im tiefen Delirium. *Ich bin beeindruckt*, gab der Hengst zu. *Aber ich würde gern wissen, was für eine Art Gestaltwandler du bist.* *Ich bin nur ein falladasches Streitross*, meinte Pata. *Da bin ich beruhigt. Und wie willst du diese Typen von mir runterkriegen?* Zugegeben, jetzt könnte Pata Miyavis oder hides Hilfe gebrauchen. Aber er musste es alleine schaffen. Er betrachtete die Konstruktion nachdenklich. Wenn… *Gibt es hier irgendwo Seile?* *Klar doch.* Den Jungen und den Hageren hatte Pata rasch abgespeist. Dem einen drückte er ein Stück Seil, dem anderen etwas Stroh in die Hand. Der Dicke im Sattel erwies sich als schwieriger. Mithilfe des Hengstes schaffte er es schließlich, die Seile so unter dem Sattel durchzuziehen, dass er diesen an den Deckenbalken aufhängen konnte. Das hätte schiefgehen können, sie hatten ein wenig rumprobiert und sich gegenseitig angemeckert. Dass sie den Sattel nicht mitnehmen konnten, war kein Problem, Pata wusste, dass Yoshiki hervorragend ohne Sattel ritt. Beide Pferde bemühten sich, möglichst leise zu sein, als sie sich aus der Residenz schlichen. Der Bauer erwachte kurz vor Morgengrauen und schlagartig überkam ihn das Schlechte Gewissen. Er war heute nicht bei seiner Frau gewesen. Nun musste er sich beeilen. Er hatte einen wunderschönen Traum gehabt, es war Zeit, sich um die Realität zu kümmern. Jedoch stockte er, als er in den Haupthof trat. Dort stand sein Handwagen und darauf lagen fünf Flaschen feinster und teuerster Spirituosen. Daneben stand ein großes, braunes, ungezäumtes Pferd wie ein stummer Wächter. Konnte es denn sein, dass der Traum doch wahr war? Er kam näher, doch das Bild löste sich nicht auf. „Danke!“ Ein einzelnes Wort und eine Verbeugung, aber sie kamen aus tiefstem Herzen. Der Mann beeilte sich, nach Hause zu kommen und das Pferd trottete gemütlich zu den Gästeunterkünften. Yoshiki wurde von den ersten Sonnenstrahlen des Tages geweckt. Ein schwarzer Hengst stand neben seinem Schlafplatz. Die Residenz war nicht weit, man konnte sie von hier sehen. „Du bist also Karyus Lieblingspferd? Gehen wir gleich zurück, oder warten wir, bis dort unten das Chaos ausgebrochen ist?“ Das Pferd schnaubte verächtlich. „Ganz meine Meinung“, sagte Yoshiki. König Karyu wurde von einem schrillen Kreischen geweckt. Genervt grummelnd drehte er sich auf die Seite. Er hasste es, wenn sich frühmorgens irgendwelche Mägde vor Spinnen erschreckten. Schon dämmerte er wieder weg, da flog krachend seine Schlafzimmertür auf. „Er hat es geschafft! Er hat es wirklich geschafft“, schrie Hizumi. „Und deswegen weckst du mich?“, knurrte Karyu. „Der Schrei, den der Wächter, der im Sattel saß, beim Erwachen ausgestoßen hat, dürfte dich auch geweckt haben.“ „… der sollte mal seine #*#% untersuchen lassen. Wie hat Yoshiki das geschafft?“ „Wissen wir nicht genau. Die Soldaten sagen, da war ein Bauer, der ihnen Wein gebracht hat, aber nicht viel, und der hatte definitiv nicht zu Yoshikis Gefolge gehört. Dann sind sie eingeschlafen und er hat den Sattel mit dem Mann drauf an der Decke aufgehängt.“ „Hol die Meute. Ich will sie mir ansehen.“ Yoshikis Gefolge trat tatsächlich vollzählig vor Karyu, Tsukasa, Hizumi und Zero im Hof an – ohne Yoshiki. Die Wachmänner bestätigten: Der Bauer von gestern Abend war nicht dabei. Karyu war ratlos, und das machte ihn wütend. hide bemerkte seinen Gesichtsausdruck und meinte lächelnd: „Keine Sorge, er kommt zurück. Das Pferd hat gar keinen Wert für ihn.“ „Wie hat er das gemacht?“, knurrte Karyu nur. Da hörte man einen Hufschlag. Unter tosendem Applaus des Gesindes und seines Gefolges ritt Yoshiki auf den König zu. Er saß aufrecht und majestätisch und er genoss es sichtlich, so gefeiert zu werden. Vor dem König zügelte er den Hengst. Ein selbstbewusstes Lächeln zierte sein Gesicht. „König Karyu. Ich bringe euch euer Pferd zurück.“ „Die erste Aufgabe hast du gemeistert“, sprach Karyu würdevoll. „Nun ist es Zeit für die Nächste. Heute Nacht werden Prinz Tsukasa und Ritter Hizumi in diesem Gemach schlafen.“ Er deutete auf ein Fenster über ihm, im zweiten Stock. „Deine Aufgabe ist es, Prinz Tsukasas Laken, auf dem er schläft, und den Ring an seinem Finger zu stehlen.“ „Du hättest diesen Triumph verdient, Pata.“ „Ach was. Dir macht so was doch viel mehr Spaß. Betrachte es als Geschenk an dich und Toshi. Ich war nicht eben das nützlichste oder tollste Pferd…“ „Blödsinn! Auf dich war immer Verlass!“ „Wann…“ „Ja, Pata“, mischte sich hide ein, „es ist dir vielleicht nie aufgefallen, weil es uns immer irgendwie gut ging, aber es hat uns allen geholfen, dass du einfach da warst und Ruhe ausgestrahlt hast.“ Er trat zu dem Pferd und kuschelte sich an seinen Hals. „Du bist doch unser Freund.“ Pata sagte gar nichts mehr. „Und wer hat den schlauen Plan für heute Nacht?“, fragte Sugizo in die Runde. „Das ist jedenfalls nichts, was Pata machen kann.“ „Ich könnte es schaffen, wenn Tsukasa allein wäre“, meinte Gackt. „Aber da das nicht der Fall ist, und hier nur von Stehlen und nicht von Rauben die Rede ist…“ „Hast Recht, das ist nichts für euch zwei. Ihr seid unsere Kämpfer, nicht unsere Trickser“, fand hide. „Mir fehlt das Vertrauen in meine Fantasie für so was“, behauptete Heath. Niemand widersprach ihm. Er war entweder zu pessimistisch oder konnte seinen Knacks nicht rechtzeitig abrufen. Doch er hatte Yoshikis Triumphzug am Morgen genauso genossen wie die anderen. „Ich hab kein gutes Gefühl dabei, es mit Magie zu versuchen. Dabei könnte so viel schiefgehen“, erklärte Miyavi seine Zurückhaltung. „Was seht ihr mich so an? Ihr wisst doch, dass ich normalerweise in das Zimmer reinspazieren und erst um das Laken bitten und es dann einfordern würde“, blaffte Yoshiki. hide grinste breit. „Damit steht der Sieger fest. Keine Sorge, ich hab einen Plan. Und auch ich werde unserem Yo-chan den Triumphzug schenken. Das kann keiner so gut wie er.“ Im Gegensatz zu Pata hatte hide bereits einen richtigen Plan. Doch es gab einige Feinabstimmungen, die Vorbereitung bedurften. Nach Einbruch der Dunkelheit schwebte er zum Fenster des Schlafzimmers. Levitation war nicht einfach, aber hide fiel sie vergleichsweise leicht und er war entschlossen genug, den kräftezehrenden Aspekt eine Weile zu ignorieren. Die Fensterbank war ein wenig breiter als das Fenster selbst, daher konnte er dort stehen und lauschen, ohne gesehen zu werden. „Hizumi?“ „Hm?“ „Es macht mich nervös neben jemandem zu liegen, der eine Nagelkeule bei sich hat. Meinst du nicht, du übertreibst es?“ „Solange ich hier bin, stiehlt dir keiner irgendwas.“ „Und was, wenn du Prinzessin Yoshiki den Schädel einschlägst? Dann haben wir alle Schwierigkeiten.“ Tsukasa klang vorwurfsvoll. Offenbar erschreckten ihn die Ausmaße, die die Sache annahm. Während es für Hizumi anscheinend ums Prinzip ging. „Keine Sorge. Ich ziele nicht auf den Kopf.“ Damit wusste hide alles, was er wissen musste. Er schlich sich in die Küche und klaute einen übriggebliebenen Topf Rote Grütze, den er mit Wasser verdünnte. Dann holte er eine Leiter und zwei halbvolle Säcke aus dem Stall. Mit der Grütze schüttete er eine rote Spur von unter dem Fenster aus, die über das halbe Gelände ging und sich irgendwo in einem Gebüsch an einer Mauer verlor. Die Reste spritzte er auf die Leiter. Aus den Säcken formte er mithilfe von Magie ein Gebilde, das wie eine menschliche Silhouette aussah und vergewisserte sich, dass im gegenüberliegenden Stall ein Heubodenfenster offen war. Und die ganze Zeit über zierte ein im wahrsten Sinne des Wortes diebisches Lächeln sein Gesicht. Nun kam die Stunde der Wahrheit, in der es vor allem auf Timing ankam. Er lehnte die Leiter ans Fenster und leise Geräusche teilten ihm mit, dass dies bereits bemerkt wurde und jemand das Fenster öffnete. Mit der Sackpuppe bewaffnet kletterte er hinauf, aber anstatt selbst zum Fenster reinzusehen, hielt der nur die Puppe hin. Die prompt von Hizumi im Dunkeln mit der Keule bearbeitet wurde. „Hizumi!“, rief Tsukasa entsetzt. Den Moment nutzte hide, um die Puppe mit Magie beschleunigt im Heuboden verschwinden zu lassen und selbst hastig die Leiter herunter zu klettern. Er huschte um die Ecke und versteckte sich in einem Gebüsch. Von Oben drangen Stimmen herunter. „Ich hab ihn an der Schulter erwischt, er ist verletzt. Ich finde ihn!“ „Hizumi, vielleicht sollten wir…“ „Du bleibst hier! Pass ja auf.“ Hizumi kletterte selbst die Leiter herunter, die Keule im Anschlag. Er fand die „Blutspur“ und folgte ihr mit dem Eifer eines losgelassenen Jagdhundes. Was immer der nimmt, er sollte es lassen, dachte hide trocken und ging über zu Phase C. Er wartete kurz, dann kletterte er die Leiter hinauf bis ganz nach oben. „Tsukasa!“, bellte er. Er hatte schon immer gut mit seiner Stimme spielen können und Hizumis Kommandostimme war nicht schwer zu imitieren, wenn man wusste, wie man die eigene Stimme rau klingen ließ. „Hizumi, ist alles in…“ „Gib mir das Laken und den Ring!“ „Was?“ „Gib sie mir! Der Kerl da draußen ist zu allem fähig, wenn du es nicht mehr hast, bist du außer Gefahr.“ „Ich glaube nicht, dass Prinzessin Yoshiki…“ „Wer auch immer da draußen ist, es ist nicht Yoshiki. Und jetzt gib mir die Sachen, sofort!“ Tsukasa gehorchte eingeschüchtert. hide hatte ihn richtig eingeschätzt: Er spürte, dass das Spiel beängstigende Formen annahm. Mit seiner Beute flüchtete hide, so schnell es ihm möglich war. Er wollte auf keinen Fall dem echten Hizumi in die Arme laufen. Die Sonne würde erst in einer knappen Stunde aufgehen, doch der wüste Fluch, der die Stille zerriss, weckte ausnahmslos jeden in der Residenz. Yoshiki saß kerzengerade in seinem Bett und pfiff anerkennend durch die Zähne – oder versuchte es, eigentlich konnte er das nicht. Dieser Fluch war selbst für seine Begriffe heftig. „Klingt, als warst du erfolgreich, hide.“ Grinsend rechte hide ihm das Laken und den Ring. „Der arme Tsukasa tut mir Leid.“ Hizumi sah blass und angefressen aus, Tsukasa lediglich müde, als Yoshiki bei Sonnenaufgang die besondere Art des Triumphzuges wählte: Mit betonter Nonchalance kam er, das Laken über der Schulter und den Ring in der Hand, aus den Gästequartieren geschlendert. Wieder wurde er von tosendem Jubel begleitet. „Prinz Tsukasa, ich glaube, das gehört euch.“ Als Yoshiki Tsukasas trauriges Gesicht sah, als er die Sachen entgegennahm, fragte er sich, was hide wohl gemacht hatte. Karyu knurrte leise. „Auch die zweite Prüfung hast du bestanden, Prinzessin. Aber die letzte wird die schwerste sein. Hizumi und Zero werden dort im alten Wachhaus am Tor übernachten. Stehle sie von da.“ „Ich soll…“ „Ja, du hast richtig verstanden. Stehle mir meine besten Männer.“ „Es tut mir Leid, Hizumi. Ich weiß nicht, was passiert ist. Aber ich könnte schwören, ich hätte dir die Sachen gegeben.“ Tsukasa wirkte am Boden zerstört. Aber nicht so sehr wie Hizumi, der mit den Tränen kämpfte. Karyu und Zero tauschten besorgte Blicke. „Diesmal werde ich euch nicht enttäuschen! Niemand kann mich euch stehlen! Eher lasse ich mir den Schädel einschlagen“, schluchzte Hizumi und den anderen dämmerte langsam, was sein Problem war. Er wollte nicht versagen. Er liebte seinen König und seinen Prinzen und wollte für sie immer nur das Beste geben, was er hatte. Das war sein Leben. Wenn er versagte, hatte er nicht die nötigen Fähigkeiten dazu. Inzwischen bemerkte auch Karyu, dass ihm das Spiel über den Kopf wuchs und er zu hoch gesetzt hatte. Nun mussten seine liebsten Männer darunter leiden. „Zero“, sagte er leise, „es ist nur ein Spiel. Wir wissen das, aber Yoshiki weiß es nicht. Er hat mehr zu verlieren als wir. Pass auf Hizumi auf, für ihn geht es um was ganz anderes. Und kämpft gegebenenfalls nicht zu sehr. Ich will nicht, dass ihr euch verletzt.“ „Habt ihr Tsukasas Gesicht gesehen?“ Heath wirkte etwas blass. „Ich habe alle Register gezogen. Und möglicherweise das Vertrauen zwischen Tsukasa und Hizumi zerstört“, murmelte hide schuldbewusst. „Für Hizumi ist das tödlicher Ernst. Ich werde mich nicht noch mal mit ihm anlegen.“ „Wir können jetzt nicht aufgeben“, sagte Sugizo. „Für Hizumi und Zero sind ihre Prinzen das Allerwichtigste auf der Welt“, meinte Pata. „So wie unsere Prinzessin für uns“, stellte Gackt fest. Yoshiki hatte nur nervös an seiner Kleidung rumgezwirbelt, jetzt sah er auf und schlug die Faust in die Handfläche. „Vielleicht gibt es eine Möglichkeit.“ Er sah sich um. „Miyavi! Fielen dir durchführbare Möglichkeiten ein, Hizumi und Zero zu entführen?“ „Mehrere…“ „Gut. Dann drehst du das Ding heute Nacht. Derweil werden mir hide und Pata genau erklären, wie sie vorgegangen sind. Du wirst das anschließend auch tun.“ „Was hast du vor?“, wollte Heath wissen. „Vertraut mir. Ich weiß, dass ich oft unbedacht bin, aber diesmal weiß ich, was ich tue.“ Es war keine große Sache. Miyavi spazierte einfach ins Wachhaus, legte die beiden mit einem Betäubungszauber lahm. Dann fesselte er sie und ließ sich von Gackt beim Abtransport helfen. Yoshiki und Gefolge bezogen in Sichtweite der Residenz Stellung und warteten den Morgen ab. Als die beiden Ritter erwachten, machte Hizumi ein wenig Theater, aber Zero konnte ihn beruhigen. Und als die Sonne schließlich aufging, hoben sie Hizumi in Patas Sattel und Gackt hob Zero auf seine Arme. Dann zogen sie in die Residenz ein. Diesmal gab es keinen Applaus, nur angespanntes Schweigen. Karyu und Tsukasa erwarteten sie, blass, übermüdet und schweigend. Yoshiki trat vor sie und begann zu sprechen. „Auch die dritte Aufgabe wurde erfüllt, König Karyu. Aber nicht von mir, genauso wenig wie die anderen. Ich hätte keines deiner Besitztümer stehlen können. Ich bin nur eine launische, aufbrausende Prinzessin. Aber ich habe Männer, gute Männer, die alles für mich tun würden. In der ersten Nacht ging mein sprechendes Pferd in deinen Stall, sprach sich mit deinem Pferd ab, und bestach einen armen Bauern, um den Wächtern einen Schlaftrunk zu geben und deinen Hengst aus seinem Stall zu holen. In der zweiten Nacht bereitete meine Leibhexe einen Trick, mit dem er Hizumi aus dem Zimmer lockte und dann imitierte er dessen Stimme, um Tsukasa glauben zu machen, sein treuer Freund fordere ihn auf, ihm das Diebesgut zu geben. Und heute Nacht ging einer meiner Männer einfach in das Wachhaus und betäubten deine Männer mit einem Zaubertrick. Zu nichts davon wäre ich in der Lage gewesen. Meine Männer haben es für mich getan. Nicht weil ich es ihnen befohlen habe oder weil ich sie dafür bezahle, sondern weil sie mich lieben, mich und meinen Bruder. Um uns zu helfen, haben sie gegen ihre eigenen Prinzipien und Ideale gehandelt. Und doch sind in meinem Gefolge hier auch Männer, die nichts dazu beigetragen haben, einfach weil sie es nicht konnten. Und auch diese Männer würde ich um nichts auf der Welt missen wollen. Sie geben ihr Bestes für mich und ich kann ihnen bedingungslos vertrauen. Ihre Liebe zu mir ist das Wertvollste, was ich besitze. So verhält es sich auch mit euren Männern. Wir konnten ihre Körper aus dem Wachhaus nehmen, aber ihre Herzen waren wertlos in unserer Hand. Vielleicht kann man als Außenstehender solch ein Vertrauen zerstören, aber man kann es nicht stehlen, niemals. Diese Männer sind nur in euren Händen etwas wert. Ich möchte, dass ihr dies wisst, wenn ich sie euch nun zurückgebe.“ Heath und Gackt schnitten Hizumi und Zero die Fesseln durch und die beiden traten zögernd zu Karyu und Tsukasa. Karyu schien mit den Tränen zu kämpfen, aber er lächelte. „Ich hoffe, ihr könnt mit vergeben, Prinzessin Yoshiki, und auch ihr, meine Freunde. Ich wollte testen, wie weit ihr zu gehen bereit seid und habe euch und die Menschen, die mir am wichtigsten sind, verletzt. Bitte nehmt diesen Stein, und meinetwegen auch alles andere, was euch an meinen materiellen Besitztümern wertvoll erscheint. Aber gebt niemals die Suche nach eurem Bruder auf. Was wäre schließlich eure Liebe zu euren Männern wert, wenn nicht einmal euer Bruder auf euch zählen könnte?“ „Was soll das heißen, ‚ihr wolltet uns testen’?“, fragte Yoshiki argwöhnisch. Karyu war plötzlich sehr unbehaglich zumute. „Nun ja… Ich habe nie gesagt, dass ihr das Diadem nicht bekommt, wenn ihr es nicht schafft, oder?“ Heath und hide konnten Yoshiki gerade noch festhalten, bevor er auf Karyu losgehen konnte. Die wüsten Verwünschungen aus seinem Mund jedoch konnten sie nicht aufhalten. hide lächelte den König entschuldigend an. „Ich glaube, es ist besser, wenn wir nicht länger bleiben. Aber keine Sorge, in einem Monat ungefähr könnt ihr wieder gefahrlos nach Großwaldreich reisen, bis dahin hat er sich beruhigt.“ Yoshiki und die anderen packten zusammen und reisten sofort ab. Erst als er in einem geschlossenen Raum und mit seinen Freunden allein war, wagte es der Herrscher von Dunkelwald, zu weinen. Das sagte diesen mehr, als eine wortreiche Entschuldigung. Hizumi nahm ihn tröstend in den Arm. Dazu war er als Freund schließlich da. *** Heute hab ich mal nichts weiter zu sagen. Wir sehen uns beim nächsten Kapitel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)