Heap of shards von -Kuraiko ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Es war 7:55 Uhr. Trotz der frühen Stunde, war es bereits hell und die Sonnenstrahlen wärmten schon jetzt. Das perfekte Azurblau des Himmels, wurde nur von einigen wenigen Schäfchenwolken gestört. Es versprach ein schöner Tag zu werden. Die Schüler und Schülerinnen der 12 c warteten bereits in ihrem Klassenraum auf den Lehrer, den sie in der ersten Stunde haben würden. Die meisten hatten sich zu ihren Freunden und Klassenkameraden gesellt. Sie bildeten kleine Grüppchen und erzählten sich, was sie am Wochenende erlebt hatten. Bei dem herrlichen Wetter waren die Schüler gut gelaunt. Es fiel nicht mehr so schwer morgens aufzustehen, wenn es schon hell im Zimmer war. Die Fächer, welche sie heute hatten, würden gut zu ertragen sein und der Lehrer würde vermutlich wieder gute fünf Minuten zu spät in der Klasse erscheinen. Hätte ein Fremder die Klasse gesehen, er hätte nur eine ganze Schar lebensfroher, gut gelaunter junger Menschen entdeckt. Nun...der Schein trügte. Sie hatte einen Fensterplatz, etwa in der Mitte des Klassenraums. Das Mädchen hatte die Arme auf den Tisch gelegt und den Kopf darauf gestützt. Wie das helle Licht doch blendete. Die helle Haut der Schülerin, wirkte im Sonnenlicht noch heller, als sie schon war. Silbernes Haar hing ihr, zum Pferdeschwanz gebunden, den Rücken hinunter und schimmerte im Licht. Das Mädchen hatte die Augen geschlossen und blinzelte nur ab und an, um festzustellen, ob der Lehrer bereits da war. Ihre Iriden waren blutrot. Wer ihr in die Augen sah, der vergaß einen Moment zu denken. Rote Augen waren schon etwas Ungewöhnliches. In Kombination mit ihrer hellen Haut und den schlohweißen bis silbernen Haaren, gab ihr dies ein unheimliches Aussehen. Schon oft hatte sie kleine Kinder unbeabsichtigt in Angst und Schrecken versetzt. Schon oft hatten ihr streng gläubige, alte Leute 'Dämon' oder 'Teufel' hinterhergerufen. Und das nur, wegen ihrem Aussehen. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr Schädel jeden Moment zerspringen. Ihre Kopfschmerzen waren fast unerträglich. Das war gestern Abend eindeutig zu viel Alkohol gewesen. Nie wieder würde sie so viel trinken! Das schwor sie sich. Doch schon im nächsten Moment war ihr klar, das sie die guten Vorsätze vermutlich schon heute Abend wieder vergessen haben würde. Sie wusste, das es nicht gerade die beste Idee war, sich zu betrinken, wenn sie am nächsten Morgen um acht Uhr Schule hatte. Sie wusste, das der Alkohol früher oder später ihrem Körper schaden würde. Doch das war ihr egal. Auf solche Lappalien konnte sie keine Rücksicht nehmen, denn sie wusste auch, das ihr der Alkoholkonsum zumindest für einen kleinen Moment ein Rettungsanker war. Es war jedes Mal wieder eine Wohltat, wenn ihre Gedanken langsam träger wurden, wenn ihr Körper müde und antriebslos wurde und wenn sie wenigstens für einen Moment vergessen konnte. Wenn sie alles um sich herum für einen Moment ausblenden konnte. Allein dafür, nahm sie mögliche Konsequenzen in Kauf. Etwas traf sie am Rücken. Der Aufprall verursachte ein leises 'Pock', bevor die Papierkugel dann zu Boden fiel. Haku reagierte nicht darauf. Hinter ihr begann eine Gruppe von Schülern zu kichern. „Wie die schon wieder aussieht.“, hörte sie jemanden sagen. Die Anderen lachten. „Hast du was anderes erwartet? Die ist doch jeden Morgen so fertig.“ „Na, stimmt auch wieder.“ „Wollen wir Schneeweißchen nicht mal fragen, was sie nun schon wieder angestellt hat?“ Erneut begann die Gruppe zu kichern. Und wieder flog etwas durch den Raum. Die Silberhaarige zuckte zusammen, als das Geschoss sie genau zwischen den Schulterblättern traf. Im Gegensatz zu der Papierkugel, war der Anspitzer aus Metall und folglich um einiges härter. „Oh~, jetzt ist mir doch tatsächlich mein Spitzer aus der Hand gefallen.“, rief eine blonde Mitschülerin, gespielt überrascht, aus. „Hey, Albino! Wärst du wohl so nett ihn wieder aufzuheben?“, fügte die Andere hinzu. Angesprochene schluckte. Sie drehte sich nicht um, tat so, als hätte sie nichts gehört. Der Tag schien ganz genau so zu werden, wie jeder andere auch. Ein Tag, an dessen Abend sie sich nichts mehr wünschen würde, als endlich abschalten zu können. Ein Tag, an dem die Sakeflasche wieder nach ihr rief, denn sie wusste, das eben war erst der Anfang allen Übels für heute. Die Schüler hinter ihr lachten erneut. Sie gab sich alle Mühe sie zu ignorieren. „Wir reden mit dir, Mutant.“, mischte sich eine andere Klassenkameradin ein. „Ich wusste ja, das Albinos schlechte Augen haben, aber mir war neu, das sie auch noch taub sind.“, kicherte eine Türkishaarige. „Nicht zu vergessen, das sie scheinbar die Finger nicht von anderen Frauen lassen können.“ „Urg! Luka! Willst du, das ich heute Nacht wieder Alpträume bekomme?“ „Oh, sorry Meiko.“ Haku schloss die Augen. Hoffentlich kam der Lehrer bald in die Klasse, damit das alles zumindest für kurze Zeit ein Ende hatte. Doch eigentlich sollte sie es besser wissen. Natürlich zogen die Anderen im Unterricht nicht laut über sie her, doch die Blicke, das Gekicher und die fliegenden Zettel und Stifte reichten ihr schon. Ihre Gebete wurden erhört, als der Lehrer endlich den Klassenraum betrat. Sofort steuerten die Schüler und Schülerinnen wieder ihre Sitzplätze an. Im Gegensatz zu sonst, blickten nun jedoch alle neugierig nach vorne. Der Lehrer hatte eine, ihnen unbekannte Schülerin mitgebracht. „Guten Morgen Klasse.“, begrüßte der Mann ,Mitte vierzig, die Schüler erst einmal. Dann wandte er sich der Fremden zu. „Ich habe euch letzten Freitag schon erzählt, das wir eine neue Schülerin bekommen.“ Er drehte sich wieder zur Klasse und suchte mit den Augen, nach einem freien Sitzplatz. „Bitte stell dich doch kurz selbst vor.“, forderte er das Mädchen dann auf. Alle Augen ruhten nun auf der Neuen. Die Blicke der Schüler waren neugierig. Jeder versuchte das Mädchen einzuschätzen, sie schon jetzt in eine Schublade zu stecken, obwohl sie noch kein einziges Wort gesprochen hatte. Die Neue war eine recht kleine und zierliche Person. Sie hatte lange, goldblonde Haare, welche sie zu einem Seitenzopf gebunden hatte. Ihr Pony hing ihr teilweise ins Gesicht. Das, was wirklich fesselte, waren ihre goldgelben Augen. Ihr Blick war genau so durchdringend, wie der eines Raubvogels. Und obwohl sie nicht gerade die Größte war, strahlten ihre Haltung und ihr Blick Stolz und Selbstbewusstsein aus. „Ich heiße Neru und bin 18 Jahre.“, begann sie sich vorzustellen. „Ich bin neulich umgezogen und hab deshalb auch mitten im Jahr die Schule gewechselt.“ Obwohl das Mädchen sich gerade selbst vorstellte, wirkte sie irgendwie desinteressiert, um nicht zu sagen ein wenig genervt. Für Neru waren diese Formalitäten einfach überflüssig. Als die Blonde nichts weiter sagte, ergriff der Lehrer erneut das Wort. „Freut mich dich in der Klasse begrüßen zu dürfen, Neru. Ich hoffe das du schnell Freunde findest.“ Dann deutete der Lehrer auf den einzigen freien Platz im Raum. „Setz dich doch zwischen Haku und Kaito.“ Ohne etwas darauf zu erwidern, bahnte die Neue sich einen Weg durch die Klasse, stellte ihre Tasche auf dem Tisch ab und setzte sich auf ihren Platz. Für zwei Sekunden war es mucksmäuschenstill in der Klasse, dann begannen die Ersten zu tuscheln. „Oje, die hat ja ein Pech. Gerade den ersten Tag hier und dann diesen Sitzplatz.“ „Mir tut sie auch leid.“, kicherte eine andere Schülerin. Von jetzt auf gleich war es wieder laut in der Klasse. Schüler tuschelten, oder lachten direkt laut. Andere zeigten mit dem Finger auf Haku, nur um ihrem Sitznachbarn dann wieder etwas zuzuflüstern. „Leute BITTE! Seid jetzt ruhig, damit wir mit dem Unterricht beginnen können.“, rief der Lehrer seine Klasse zur Ordnung. Die Rotäugige musterte die Tischplatte vor sich, als befände sich etwas sehr Interessantes darauf. Warum? Warum mussten die Anderen ihr jeden Tag aufs Neue das Leben zur Hölle machen? Konnten sie sie nicht einfach in Ruhe lassen? An der Tatsache, das sie allein war, konnte sie nichts ändern. Doch sie würde es vorziehen, allein zu sein und von den Anderen ganz einfach ignoriert zu werden. Die Neue, die nun neben ihr saß, würde sie vermutlich spätestens morgen ganz genau so behandeln, wie ihre anderen Klassenkameraden. Sobald sie Anschluss gefunden hatte und ihre Klassenkameraden dem Mädchen erzählt hatten, warum die Silberhaarige so zu verachten war, würde sie genau so sein wie alle anderen. Haku hatte es noch nie leicht gehabt. In der Grundschule hatten die anderen Kinder sie noch gruselig gefunden, in der weiterführenden Schule hatte man damit angefangen sie zu hänseln. Doch was konnte sie dafür, das sie rote Augen und fast weiße Haare hatte? Sie hatte es sich nicht ausgesucht. Nur wegen der unglücklichen Farbkombination, war sie noch lange kein böser Geist oder etwas in der Art. Bis vor etwa einem halben Jahr, war ihr Leben dennoch ganz erträglich gewesen. Sie hatte Anschluss in der Klasse gehabt. Doch dies hatte sich an diesem einen Abend geändert. Ein Abend hatte ausgereicht, um ihr ganzes Leben zu zerstören. Ein Abend und sie war zur Außenseiterin degradiert worden. Ein Abend und sie war zum Gespött der ganzen Schule geworden. Haku konnte förmlich spüren, wie zwei goldgelbe Augen sie aufmerksam ansahen. Doch sie wagte es nicht den Blick zu heben. Spätestens Morgen würde die Neue ihr ebenso das Leben zur Hölle machen, wie die Anderen es heute schon taten. Als es klingelte, verließen alle den Klassenraum. Die meisten Schüler hatten es eiliger auf den Pausenhof zu kommen, als morgens die Klasse zu erreichen. Die meisten hatten ihre Bento-Boxen mit in die Pause genommen, um zu frühstücken. Wieder begannen die Schüler und Schülerinnen munter zu quasseln. Auch die Silberhaarige verließ eiligst den Klassenraum. Jedoch beeilte sie sich aus einem anderen Grund als die Anderen. Sie wollte nicht möglichst schnell auf den Pausenhof, nein sie wollte einfach nur so schnell es ging von den Anderen weg. Bevor ihre werten Klassenkameraden sich wieder eine neue Gemeinheit einfallen ließen. Sie beeilte sich den Gang entlang zu gehen um das Treppenhaus zu erreichen. Wenn sie erst einmal draußen war, würde sie mit Sicherheit eine ruhige Ecke finden. Doch das Schicksal meinte es, wie so oft, nicht gut mit ihr. Sie hatte nicht mal das Treppenhaus erreicht, da hörte sie, wie sich ihr Schritte näherten. Dem Geräusch nach, trug die Person Schuhe mit Absätzen. Schon im nächsten Moment umarmte sie jemand stürmisch von hinten. Die Silberhaarige wusste, das die Umarmung mit Ärger gleichzusetzen war. Sie war wie erstarrt. Hatte sie denn wirklich NIE ihre Ruhe?! Da sie derzeit nur die Arme der Person hinter sich sehen konnte, konnte sie nicht mit Sicherheit sagen, wer es war. Nur das es sich um ein Mädchen handeln musste, und das sie blau lackierte Nägel hatte. Den rechten Arm ihrer Klassenkameradin zierte ein Tattoo. „Haku-chan!“, trällerte die Person hinter ihr im übertrieben fröhlichen Tonfall, bevor sie sie wieder losließ. Das war Lilys Stimme. Die Blonde lief einmal um die Silberhaarige herum, sodass sie sie ansehen konnte. „Hey, sag mal wie findest du die Neue?....Na? Sag schon, gefällt die Kleine dir?“ Sie zwinkerte ihr zu. „Sie ist doch süß, oder?“, mischte sich Gumi ein, welche wie üblich mit der Blonden rumhing. Haku war hin und hergerissen. Sollte sie den Boden anstarren, tatsächlich etwas antworten oder ganz einfach abhauen? Wobei...letztere Option fiel weg, da die beiden ihr sicherlich folgen würden. „Lasst mich doch einfach in Ruhe.“, versuchte sie ihre Klassenkameradinnen abzuwimmeln. Diese zeigten sich wenig beeindruckt. „Oh, ist blond etwa nicht dein Typ?“, stichelte die Grünhaarige. Lily zog ein Gesicht. „Wie herzlos!“, rief sie gespielt empört aus. „Das hatte ich ja ganz vergessen – du stehst eher auf Braunhaarige, richtig?“, machte Gumi weiter. Die beiden Freundinnen blickten sich an und kicherten. Die Silberhaarige wäre am liebsten im Erdboden versunken. Warum konnte man die Sache damals nicht einfach vergessen? Warum konnte man sie nicht einfach in Ruhe lassen?! Was ein paar verdrehte Tatsachen nicht alles bewirken konnten... „Lasst doch endlich Gras über die Sache wachsen. Das ist jetzt ein gutes halbes Jahr her.“ „Damit du uns beim Sport in der Umkleide bespannen kannst?“ Die Blondine zog eine Augenbraue hoch. „Urg, das ist gruselig.“, pflichtete die Grünhaarige bei. Dann griff sie nach dem Handgelenk der Anderen und zog sie ein paar Schritte weit mit sich. „Komm Lily, lassen wir Schneeweißchen mal allein. Wir wollen schließlich auch noch nen Platz in der Cafeteria bekommen.“ Dagegen hatte die Blondine nichts einzuwenden. Sie winkte Haku noch einmal zu und säuselte ein „Bye-Bye.“, bevor sie mit Gumi im Treppenhaus verschwand. Haku blieb für einen kurzen Moment stehen und wartete ab, bis ihre Klassenkameradinnen verschwunden waren. Ihr Laune hatte schon jetzt einen Tiefpunkt erreicht. Sie wollte einfach nur noch nachhause und sich in ihrer Wohnung verschanzen. Wenn sie daran dachte, das sie noch 4 Stunden durchhalten musste, dann wurde ihr ganz anders. Was für die Anderen ein lustiger Spaß war, war für die Silberhaarige die pure Hölle. Schließlich war sie es, über die man sich lustig machte. Inzwischen war dies fast so eine Art Hobby der ganzen Klasse geworden. Fast jeden Tag eine neue Gemeinheit, fast jeden Tag neuen Spott erdulden müssen. Die Rotäugige konnte einfach nicht mehr. Inzwischen hatte auch sie das Gebäude verlassen. Draußen war es unangenehm warm. Die Sonne brannte heute besonders intensiv und heiß auf die Erde herab. Die meisten freuten sich über das schöne Wetter, sie selbst hielt eher die Augen nach einem schattigen Plätzchen offen. Das starke Sonnenlicht war nicht gut für ihre Haut. Es brauchte nicht viel und Haku hatte sich einen Sonnenbrand eingefangen. Mit diesem Wissen, mied sie es meist, sich unmittelbar der Sonne auszusetzen. Dies wiederrum hatte zur Folge, das die Anderen wieder etwas fanden, um ihr das Leben zur Hölle zu machen. Spitznamen wie 'Vampir' oder 'Kellerkind' waren an der Tagesordnung. Als die Schülerin einen Platz unter einem Baum, recht weit am Rande des Schulhofs, gefunden hatte, setzte sie sich ins Gras und genoss es, einen Moment lang allein zu sein. Stille war ihr bester Freund und schlimmster Feind zugleich. Einerseits war es angenehm dem Spott der Anderen für einen Moment entkommen zu sein, andererseits war es auch ziemlich deprimierend als Einzige keinen Anschluss, keine Freunde, zu haben. Während sie im Schatten saß und die Pause genoss, bemerkte die Silberhaarige plötzlich, wie sich ihr eine Person näherte. Die Blonde blickte sich erst suchend um, schien dann gefunden zu haben wonach sie suchte und steuerte direkt auf sie zu. Haku hatte das Gefühl, als würde ihr Magen sich zusammenziehen. Ob die Anderen der Neuen schon Geschichten über sie erzählt hatten? Ob Neru gerade auf sie zusteuerte, nur um sich ebenfalls über sie lustig zu machen?...Doch wieso hatte die Andere dann niemanden im Schlepptau? Schließlich hatte das Mädchen sie erreicht. Blutrote und goldgelbe Augen trafen sich. Unterschiedlicher hätten allein ihre Blicke nicht sein können. Während in Nerus Augen der Stolz förmlich geschrieben stand, reflektierten Hakus eher Unsicherheit und Anspannung. „Hi.“, durchbrach die Blonde schließlich die Stille. „Hey...“ „Darf ich mich setzen?“ Auf dem Gesicht der Silberhaarigen war die Verwirrung nur all zu deutlich zu lesen. Die Stimme ihrer Klassenkameradin klang nicht unfreundlich, im Gegenteil. Sie konnte nichts Falsches in ihrer Stimme hören. Der Blick der Neuen, war wie üblich neutral bis genervt, was bei ihr ein Normalzustand zu sein schien. „Ja klar.“ Auf Hakus Lippen hatte sich ein leichtes Lächeln gelegt. Die Blondine setzte sich zu ihr, lehnte sich ebenfalls an den Baumstamm und sah zum Himmel. Kurze Zeit herrschte Schweigen. Die Neue kramte ein goldenes Handy aus ihrer Tasche und versendete eine SMS. Haku musste zugeben, das sie noch nie jemanden so schnell hatte schreiben sehen. „Wie findest du unsere Klasse so?“, ergriff nun die Silberhaarige das Wort. Die Stille wurde unangenehm, sodass sie beschloss etwas dagegen zu unternehmen, auch wenn sie sich nicht ganz wohl dabei fühlte. //Spätestens morgens macht sie dir auch das Leben zur Hölle. Vermutlich haben die Anderen sie sogar einfach nur zum Spaß hier vorbeigeschickt//, dachte die Ältere sich im Stillen. „Die Klasse? Das ist doch nur ein Haufen von Idioten.“, tat Neru ihre Meinung kund. Ihre Stimme klang ehrlich und energisch. Nun war es an Haku sie ungläubig anzustarren. „Huh?“ „Unreife Kinder, mehr sind das nicht.“, erklärte die Blondine, was sie mit ihrer Aussage eben gemeint hatte. Erneut stahl sich ein kaum merkliches Lächeln auf die Lippen der Größeren. Sie konnte nicht glauben, das jemand ihre Ansicht ganz offensichtlich teilte. „Die machen dir ja ziemlich das Leben zur Hölle.“, stellte Neru dann fest. Das Lächeln auf Hakus Lippen erlosch augenblicklich. Sie redete nicht gern über das Thema. Das die anderen sie hassten, war nicht zu verleugnen, doch hoffte sie, das die Andere nicht zu sehr nach dem Grund dafür nachbohrte. „Mag schon sein.“, antwortete sie schließlich. Ihr Blick wich dem Falkenhaften der Anderen aus. „Warum eigentlich?“ Angesprochene schluckte. Sie konnte ihr unmöglich die ganze Wahrheit sagen. Tat sie das, würde Neru vermutlich ganz genau so schnell abrücken, wie die Anderen es getan hatten. „Sieh mich doch an. Sie machen sich über mich lustig, weil ich anders bin.“ Nun war es an Neru die Andere ungläubig anzusehen. „Nur weil du ein Albino bist? Ich meine, Albinismus ist selten, aber das ist noch lange kein Grund jemanden wie einen Außerirdischen zu behandeln.“ „Tja, scheinbar schon.“ „Wie ich eben schon gesagt habe – ein Haufen von Idioten.“ Das Handy der Blonden piepte. Sie klappte es auf und begann erneut eine SMS zu schreiben. Wieder in einem unglaublichen Tempo. „Vielleicht hast du Recht.“, streute Haku ein. „Aber du solltest dir gut überlegen, ob du wirklich hier sitzen bleiben willst. Wenn sie dich mit mir sehen, werden sie dich sicher auch nicht in Ruhe lassen.“ Neru warf ihr einen angenervten Blick zu. „Ich lege gar keinen Wert darauf mit den Anderen auszukommen. Mit denen gebe ich mich so oder so nicht ab.“, stellte sie dann fest. Haku blickte sie ungläubig an. „Und warum bilde ich dann scheinbar eine Ausname?“ Angesprochene warf ihr zum ersten Mal ein Lächeln zu. Der Silberhaarigen wurde warm ums Herz. Wann hatte ihr das letzte Mal jemand ein aufrichtiges Lächeln zugeworfen? „Weil du viel ruhiger als die Anderen bist. Die sind mir zu nervig.“ Und mit diesen Worten tippte sie erneut auf ihrem Handy herum. So vergingen die Wochen. Nach wie vor ließen die Anderen das Mädchen nicht in Ruhe, doch sie hatte nun wenigstens eine Stütze im Leben. Haku verstand oftmals selbst nicht so recht, warum Neru sich eigentlich mit ihr abgab. Nur wegen ihr hatte das Mädchen keinen Anschluss in der Klasse gefunden, auch wenn sie immer beteuerte, das ihr das egal seie. Nur wegen ihr geriet die Blonde ständig mit anderen Mitschülern aneinander. Haku verstand wirklich nicht, warum die Jüngere sich so für sie einsetzte. Wenn sie gemeinsam auf dem Pausenhof standen, dann ließen die Anderen sie meist in Ruhe. Dies lag nicht daran, das sie irgendwie beliebter geworden wäre, sondern daran, das Neru jedes mal wieder dazwischen ging. Vielleicht war die Blondine nicht besonders groß, doch dafür war sie selbstbewusst und redegewand für drei. Sie ließ sich nichtmal ansatzweise auf der Nase herumtanzen. Die Anderen wussten das inzwischen. Immer, wenn jemand versucht hatte der Neuen krumm zu kommen, hatte sie auch schon einen passenden Spruch zum Kontern bereit, oder drehte ihm das Wort so im Mund herum, das am Ende der Klassenkamerad dumm da stand. Sie wollte keinen Kontakt zu den Anderen, doch sie wehrte sich gegen sämtliche Lästereien und wurde somit in Ruhe gelassen. Die Silberhaarige bewunderte den Mut der Kleineren wirklich. Wie schaffte sie es bloß, sich innerhalb kürzester Zeit einen solchen Respekt zu verschaffen? In ihrer Nähe hatte auch Haku Ruhe vor Mobbingversuchen der Anderen. Nur was sie nicht verstand...warum tat Neru das für sie? Warum beschützte sie sie und setzte sich so für sie ein? Warum nahm sie es in Kauf, ebenfalls zur Außenseiterin zu werden? Was war an ihr so besonders, das es sich lohnte, all diese Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen? Die Rotäugige verstand es wirklich nicht. Sie konnte an sich nichts außergewöhnliches finden. Im Gegenteil : die Anderen aus der Klasse hassten sie und machten sich ständig über sie lustig. Was Neru dazu bewegte sich trotzdem mit ihr abzugeben, das wusste nur die Blonde allein. Dennoch war das Leben der Silberhaarigen nicht gerade leicht. Auch wenn sie vor den Anderen 'sicher' war, wenn sie mit der Blonden zusammen war, bedeutete das für sie noch lange kein sorgenfreies Leben. Sobald sie einmal allein über den Flur ging, sobald sie außerhalb der Schule einem Klassenkameraden oder einem Schüler der Schule über den Weg lief, nutzten diese meist die Chance, um gleich doppelt so gemein wie sonst zu sein. Heute war wieder einer dieser Tage. Nach dem Unterricht war sie auf dem Nachhauseweg einigen Mitschülern in die Arme gerannt. Haku fragte sich, wie lange dieser Terror wohl noch so weitergehen würde. Bis sie ihr Abschlusszeugnis in der Hand hielt? Noch über die Schule hinaus? Das Mädchen saß allein in ihrem Appartement. Ihre Wohnung war spärlich und wenig persönlich eingerichtet. Sie reichte zum leben, doch gemütlich war es hier nicht. Auf dem Wohnzimmertisch vor ihr, stand ein leeres Glas. Mit einem leisen Seufzer führte die Silberhaarige die Flasche erneut an die Lippen, um einen Schluck Sake zu nehmen. Sie hatte es schon vor einer Viertelstunde dran gegeben aus dem Glas zu trinken. Was brauchte man Gläser, wenn es Flaschen gab? Gläser hatten die dumme Angewohnheit viel zu schnell leer zu sein. Ihr Kopf fühlte sich schwer, ihre Gedanken waren deutlich träger als sonst. Die Sakeflasche, welche sie in der rechten Hand hielt, schien gut und gerne zehn Kilo zu wiegen. Es war so schwer den Arm zu heben... Trotzdem, es reichte noch nicht. Nach wie vor verfolgten sie die Bilder von heute Nachmittag. Ein Schubser, Beleidigungen, Gelächter... Oh, wie sie es doch leid war! Warum konnte man sie nicht endlich in Ruhe lassen? Was hatte sie den Anderen bloß getan?! Sie spürte heiße Tränen in ihren Augen aufsteigen. Die Silberhaarige schluckte schwer, nahm erneut einen großen Schluck aus der Flasche. Sie wollte vergessen. ...einfach ausblenden, was heute schon wieder passiert war. Und das alles nur, wegen einem einzigen Abend vor ungefähr einem halben Jahr. Die Party..., bruchstückhafte Erinnerungen tauchten in ihrem Gedächtnis auf. Sie war so betrunken. Sie waren alle so betrunken gewesen. Und in einem Punkt hatten die Anderen im Grunde sogar recht : ja, sie war anders. Und ja, sie hatte damals starke Gefühle für ihre Klassenkameradin und Saufkumpanin gehabt. Aber es war damals nicht ihre Idee gewesen die Party frühzeitig gemeinsam zu verlassen, sondern die ihrer, damals ebenfalls stark angetrunkenen, Trinkgefährtin. Damals hatte sie sich nichts dabei gedacht. Oh sie war so naiv gewesen. Am nächsten Morgen war in der Schule dann die Hölle losgebrochen. Die Geschichten, welche plötzlich kursierten, waren alles andere als schön. //Ich hätte wissen müssen, das sie mich nicht liebt. Ich hätte wissen müssen, wie das endet...// Und ein weiterer Schluck Alkohol floss ihre Kehle herunter. Das Brennen im Hals spürte Haku schon gar nicht mehr. Ihre Wangen fühlten sich nass an. Sie wollte die Erinnerungen verbannen, zumindest für kure Zeit. Sie wollte wenigstens für ein paar Stunden ihrer ganz privaten Hölle auf Erden entkommen. Sie nahm noch einen Schluck. Viel war in der Flasche nicht mehr drin, wie sie ganz nebenbei feststellte. Die Schülerin stellte die Sakeflasche auf dem Tisch ab. Der Aufprall, als Holzplatte und Glasflasche sich trafen, verursachte ein lautes 'Pock'. Die Silberhaarige legte die Arme auf den Tisch und stützte den Kopf darauf. Wenn sie sich so im Raum umsah, dann hatte sie das Gefühl, als wenn die Inneneinrichtung sich langsam im Kreis drehen würde. Irgendwie war sie müde. Das Mädchen schloss die Augen. Auf Dauer machte dieses drehende Zimmer sie noch verrückt. Schlafen...einfach nur schlafen und abschalten, etwas besseres konnte sie sich gerade nicht vorstellen. So angetrunkenen wie sie derzeit war, bemerkte sie erst, das jemand in ihrer Wohnung war, als die Person sie leicht an der Schulter schüttelte. „Hey, aufwachen. Du kannst doch nicht vor dem Tisch schlafen.“ Erst als die Person sie erneut anstubste, öffnete Haku die Augen und hob den Kopf geringfügig an. „Mh...wer?“ Zu mehr war sie derzeit nicht fähig. Im nüchternen Zustand hätte sie sicherlich erschrockener reagiert, plötzlich nicht mehr allein in ihrer Wohnung zu sein. „Urg, du riechst wie ne wandelnde Sakeflasche, Haku.“ Die Person zog an ihr und bewegte sie dazu sich auf die Besucherin zu stützen, um aufzustehen. Die angetrunkene Silberhaarige murrte zwar, ließ sich aber auf die Füße ziehen. „Du willst mir nicht erzählen, das du schon wieder ne ganze Flasche getrunken hast?“ Goldgelbe Augen blickten sie tadelnd an. Die Jüngere zog sie vom Tisch weg, rüber zur Couch. „Weiß nicht, kann sein.“ Die Worte der Älteren waren nur mit viel Fantasie zu verstehen. Ihr war so schwindelig und sie war so müde. Warum konnte sie sie nicht einfach schlafen lassen? Was machte Neru überhaupt hier? Um ehrlich zu sein hatte Haku derzeit keinen Nerv sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Die Blonde sah manchmal eben spontan vorbei. „Verdammt, du bist schwer!“, keuchte die Blonde sichtlich angestrengt, da ihre Freundin sich auf dem Weg zum Sofa fast mit ihrem ganzen Gewicht auf sie stützte. Die Ältere war so betrunken, das es ihr schwer fiel überhaupt noch zu gehen. Endlich hatten sie das Sofa erreicht und Neru war froh, Haku auf der Couch abladen zu können. Eigentlich war die Silberhaarige ja schlank, doch sie im besoffenen Zustand zu stützen, war der zierlichen Blonden dann doch etwas zu viel. „Weißt du eigentlich das deine Wohnungstür offen stand?“, erkundigte die Blonde sich leicht genervt. Ihre Gesprächspartnerin blickte sie groß an. „Ach echt?“ „Hey! Sei lieber froh, das nur ich reingekommen bin und kein Einbrecher!“ „Das bin ich doch. Ich bin froh das du da bist.“ Auch wenn sie stockbesoffen und ihre Stimme nicht mehr als ein Lallen war, sie war froh das ihre einzige Freundin hier war. Sie war froh nicht allein zu sein. Wenigstens eine Person zu haben, die für sie da war und die nicht auf sie herab sah. Neru zog leicht fragend eine Augenbraue hoch. „Du siehst verheult aus.“, stellte sie dann fest. Anstatt eine Erklärung zu geben, lehnte Haku sich nur gegen die Schulter der anderen. Wie sich das Zimmer doch drehte.... „Sie würden dich in Ruhe lassen, wenn du dich endlich wehren würdest.“ „Jetzt wach endlich auf!“ Die Stimme der Blonden riss Haku aus dem Reich der Träume. Wie spät war es denn? Murrend drehte die Rotäugige sich auf die andere Seite und verschwand noch ein Stück mehr unter der Decke. Sie wollte noch nicht aufstehen. Sie hatte tierische Kopfschmerzen! Das war gestern wohl wieder etwas zu viel Sake gewesen. So endete das immer, wenn die Schülerin einen schlechten Tag hatte. Und schlechte Tage hatte Haku mehr als genug. „Wir müssen zur Schule!“ Nerus Stimme klang nun eindeutig genervter und ungeduldiger als eben. Um ihre Worte noch zu unterstreichen, schüttelte sie an der Schulter der Anderen. Langsam öffnete Haku die Augen und strich sich erst einmal ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Sie blinzelte. „Uh...lass mich doch schlafen. Ich hab furchtbare Kopfschmerzen.“ Als Antwort verschränkte die Jüngere nur die Arme vor der Brust. Stechend scharfe Augen, wie die eines Raubvogels, trafen tiefrote. „Du konntest dich gestern zusaufen, jetzt kannst du auch aufstehen und zur Schule gehen.“ Da war etwas Wahres dran. Auch wenn Haku es vorziehen würde noch etwas liegen zu bleiben, Nerus Blick verriet ihr, das sie diesen Gedanken gleich vergessen konnte. „Sklaventreiberin.“ „Schnapsdrossel!“ Die Blondine zog der Älteren die Decke weg und blickte sie abwartend an. Mit einem letzten Murren brachte die Silberhaarige sich schließlich dazu aufzustehen. „Na bitte, geht doch.“, stellte Neru nur fest. Langsam aber sicher wich die Müdigkeit der Älteren. Wie viel Uhr war es? So weit sie wusste, hatten sie heute um acht Uhr Schule. Draußen war es allerdings schon verdächtig hell. Dann bemerkte sie noch etwas. Was machte eigentlich Neru hier? Ein klein wenig irritiert blickte sie ihre Freundin an. „Sag mal, seit wann bist du eigentlich hier?“, wollte sie dann wissen. Und wie hatte die Andere überhaupt die Tür aufbekommen? Angesprochene seufzte genervt und verdrehte die Augen. „Ich wollte dich gestern Abend spontan besuchen kommen. Du hast die Tür offen gelassen, falls du es vergessen haben solltest. Und da du in einem so erbärmlichen Zustand warst, dachte ich mir, ich bleibe sicherheitshalber hier.“ „Du warst die ganze Nacht über hier? Das habe ich gar nicht bemerkt.“, gab Haku nach dieser Erklärung zu. Neru wirkte nur noch eine Spur genervter. „Das wiederrum habe ich gemerkt. Du hättest mich nachts beinah erwürgt.“, stellte sie fest. „Echt?“ Nun war es an der Silberhaarigen sich verlegen am Kopf zu kratzen. Sie hatte wirklich nicht gemerkt, das ihre einzige Freundin hier übernachtet hatte. „Tut mir leid Neru.“, fügte sie hinzu und warf der Anderen einen entschuldigenden Blick zu. Die Blonde murrte nur ein 'schon gut' und schob Haku dann entschieden in Richtung Kleiderschrank. „Zieh dich um und geh ins Bad. Wir müssen gleich los.“, forderte sie sie auf. Überraschenderweise sah Neru weder müde noch zerstruppt aus. Allem Anschein nach war sie schon seit einiger Zeit wach und war schon im Bad gewesen. Während die Silberhaarige sich neue Klamotten aus ihrem Kleiderschrank suchte und dann im Bad verschwand, begann sie erneut zu grübeln. Nach wie vor verstand sie nicht, warum die Blonde sich so um sie kümmerte. Sie wurde von der kompletten Klasse gehasst, aber ihr schien das egal zu sein. Sie verstand nicht, was an ihr so besonders war, das sie überhaupt mit ihr befreundet sein wollte. Wieso machte die Jüngere sich Sorgen um sie? Nicht nur einmal hatte das Mädchen versucht sie davon zu überzeugen, das Komasaufen keine Lösung für alles war. Wie oft war sie daran gescheitert... Sie setzte sich für sie ein, nahm sie vor den Anderen in Schutz und blieb sogar über Nacht, nur weil sie sich Sorgen um sie machte. Doch was konnte Haku schon zurückgeben? Sie hatte das Gefühl nicht wirklich etwas für die Blonde tun zu können, so gerne sie sich auch mal revanchiert hätte. Dann fiel ihr noch etwas auf. Die Jüngere hatte eben gesagt, das sie sie fast erwürgt hatte. Das bedeutete doch zwangsläufig, das sie sich beide irgendwie auf die Schlafcouch gequetscht hatten, da es hier sonst keine Schlafmöglichkeiten gab. Auf die blassen Wangen der Silberhaarigen legte sich ein Rotschimmer. Sie war gerade dabei ihre Haare zu kämmen und blickte dabei in den Badezimmerspiegel. Sie sah ganz genau so fertig aus, wie sie sich auch fühlte. Ihre Haut war ungesund blass, was ihre Augenringe noch stärker hervorhob. Die tiefroten Augen ließen sie da auch nicht gerade gesünder aussehen. Was derzeit noch sehr deutlich zu erkennen war, war die leichte Röte, die sich bei ihren Gedanken eben auf ihre Wangen gelegt hatte. Haku seufzte leise, während sie die Ablagefläche über dem Waschbecken nach einem Haarband absuchte. Sie hatte ja nichts dagegen mit ihrer einzigen Freundin auf dem Sofa zu schlafen, bloß erinnerte sie das schon an das nächste Problem. Sie hatte dem Mädchen nach wie vor nicht erzählt, was genau der Grund war, warum die Klasse sie seit gut einem halben Jahr noch mehr auf dem Kieker hatte als zuvor. Sie traute sich einfach nicht mit der Blonden ganz offen darüber zu reden. Wenn sie ihr erzählte, das sie auf Frauen stand, dann würde die Andere vermutlich abrücken und schnellst möglich Reißaus nehmen. Dieses Risiko wollte sie auf keinen Fall eingehen. Neru war die Einzige, die sich überhaupt mit ihr abgab. Zwar war die Blonde schnell genervt, neigte zu Sarkasmus und hielt mit ihrer Meinung nie lange hinter dem Berg, doch genau das schätzte sie so an ihr. Auch wenn das Mädchen einen guten Kopf kleiner war als sie selbst, war sie mutig für sie beide zusammen. //Was um alles in der Welt veranlasst dich bloß dazu, sich trotz allem mit mir abzugeben?//, fragte sie sich in Gedanken. //Wenn du die Wahrheit wüsstest. Wenn ich dir doch bloß sagen könnte, dass...// Ein Klopfen an der Badezimmertür riss sie aus den Gedanken. „Ja?“ „Mensch Haku, beeil dich! Wenn du weiter so trödelst, kommen wir noch zu spät zur Schule!“ Oh stimmte ja, die Schule. Vielleicht sollte sie sich wirklich ein wenig beeilen, anstatt gedankenverloren im Bad zu stehen. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Tatsächlich schafften die beiden es noch rechtzeitig zum Unterricht zu erscheinen. Die ersten vier Stunden des Tages verliefen ohne besondere Zwischenfälle. Hier und da tuschelten zwar einige Klassenkameraden, doch im Großen und Ganzen hielten sie sich heute zurück. Der Schultag hatte so harmlos angefangen. Haku hatte inzwischen die Hoffnung, das dies heute auch so bleiben könnte. Doch wie immer sollte es anders kommen. Als hätte das Mädchen nicht schon genug Ärger, heute sollte sie eine Überraschung der ganz besonders bösen Sorte erwarten. Die letzten beiden Stunden für heute waren Sport. Zwar war die Silberhaarige nicht gerade die Sportlichste, doch das war nicht der eigentliche Grund, warum sie dieses Fach so hasste. Sobald sie in der Halle waren, nutzten ihre Klassenkameraden meist die Gelegenheit, um sie ganz zufällig mit Bällen abzutreffen. Natürlich rein ausversehen verstand sich. Doch als Zielscheibe für Bälle dienen zu müssen, war nicht mal ihr größtes Problem an dem Fach. Das Schlimmste war es die Umkleide zu betreten. Es wunderte sie, das ihre Klasse Neru bisher noch nicht erzählt hatte, was genau vor einem halben Jahr passiert war. Die Silberhaarige konnte es kaum fassen, das bisher wirklich alle den Mund gehalten hatten. Doch gerade während des Sportunterrichts war das Risiko besonders hoch, das sich diese Tatsache bald ändern könnte, dessen war sie sich sehr wohl bewusst. Um nicht noch mehr Ärger mit den Anderen zu kriegen, als sie ihn ohnehin schon hatte, verschwand Haku wie selbstverständlich wieder in den Duschräumen um sich umzuziehen. Natürlich würde sie auch die Letzte sein, die die Umkleiden später verließ, wollte sie doch nicht als Spannerin dastehen. Natürlich hatte ihre einzige Freundin sich in den vergangenen Wochen schon oft über das ungewöhnliche Verhalten der Rotäugigen gewundert, doch hatte sie es bisher immer geschafft einige Ausreden zu erfinden, warum sie sich lieber allein umzog. Ja, es war wirklich ein Wunder, das ihre Klassenkameradinnen Neru bei dieser Gelegenheit noch nie gesteckt hatten, warum Haku tatsächlich jedes Mal in den Duschraum flüchtete, sobald die Klasse die Umkleiden betrat. In der Sporthalle angekommen, waren schon einige Schüler und Schülerinnen dabei sich aufzuwärmen, indem sie kurzerhand ein Basketballspiel angezettelt hatten und nun wie von Sinnen durch die Halle jagten. Haku blickte sich kurz suchend um und entdeckte die Blonde schließlich auf einer Bank sitzen. Vorsichtig bahnte sie sich einen Weg durch die Halle und gesellte sich zu ihrer einzigen Freundin. „Sag mal bist du im Duschraum eingeschlafen? Ich verstehe nicht, wie du immer so lange brauchen kannst, um dich umzuziehen?“, neckte Neru sie. „Ach weißt du, ich hetze mich eben nicht so gern.“, wich die Silberhaarige der Frage aus. Sie hasste es, zu einer Notlüge greifen zu müssen, doch sie traute sich einfach nicht ihrer einzigen Freundin die Wahrheit zu erzählen. Zwei goldgelbe Augen durchbohrten sie förmlich mit einem stechenden Blick. Es war deutlich zu sehen, das die Jüngere ihr nicht glaubte. Doch Neru kam nicht dazu ihre Bedenken zu äußern, da just in diesem Moment der Lehrer die Sporthalle betrat. Heute stand erst einmal Völkerball auf dem Programm. Die Klasse wurde in zwei Gruppen aufgeteilt, die Hallenbänke wurden in die Mitte der Halle geschoben, um das Spielfeld zu trennen und schon konnte es losgehen. Der Rotäugigen war klar, das sie wieder eine der Ersten sein würde, die am Spielfeldrand stehen würden. Kein Wunder, wenn man die Zielscheibe der gesamten gegnerischen Mannschaft war. Dazu kam noch, das sie derzeit ihren Gedanken nachhing. Sie war sich fast schon sicher, das Neru das Gespräch von eben, nach dem Sportunterricht fortsetzen wollte. Aber...was erzählte sie ihr dann? Sie wollte sie nicht ewig anlügen. Doch die Wahrheit zu sagen, traute sie sich schlicht und ergreifend nicht. Allein schon bei dem Gedanken, das ihre einzige Freundin sich angewidert von ihr abwenden könnte, wurde ihr ganz anders. Sie wollte nicht schon wieder allein sein. Sie wollte auf keinen Fall die einzige Person verlieren, die ihr wichtig war. Bisher war sie den geworfenen Bällen ganz automatisch ausgewichen, doch nun rauschte ein Ball auf sie zu, dem sie nur noch schwer entkommen konnte. Sie versuchte es trotzdem. Das Geschoss flog genau in Augenhöhe auf sie zu und so einen Treffer wollte sie vermeiden. Haku warf sich also herum, machte einen schnellen Ausfallschritt zur Seite und..registrierte zu spät, das eine ihrer Mitschülerinnen fast neben ihr stand. Zu spät um noch ausweichen. Sie hatte zu viel Schwung um zu stoppen, prallte unglücklicherweise mit der Türkishaarigen zusammen und beide fanden sich eine Sekunde später auf dem Boden wieder. Von einem Moment auf den Anderen schien die Zeit still zu stehen. Die Hallentemperatur fiel mindestens um 10°. Die Silberhaarige musste sich gar nicht erst umsehen um zu wissen, das alle Blicke auf ihr ruhten. Teils geschockte, teils hassende aber durch die Bank weg bohrende Blicke. Sie hatte sich bei dem Sturz nicht verletzt, war sie doch weich gelandet. Weich gelandet...das war wohl das größte Problem. Wie in Zeitlupe wanderte ihr Blick runter zu ihrer Klassenkameradin, auf die sie unglücklicherweise gefallen war. Der allseits beliebten Türkishaarigen stand der Schrecken über den kleinen Unfall selbst noch ins Gesicht geschrieben. Doch ganz langsam fand das Mädchen in die Realität zurück, begriff, was genau eben passiert war. Dann lief die Zeit wieder normal. Haku erwachte aus ihrer Starre, sprang vom Boden auf und reichte ihrer Klassenkameradin die Hand, um sie ebenfalls wieder auf die Füße zu ziehen. So langsam, wie zähflüssiger Honig einen Löffel herunter lief, so langsam begann ihr zu dämmern, in welchen Schwierigkeiten sie steckte. „Oh Gott, das tut mir leid Miku! Ich hab dich nicht gesehen!“, fand sie ihre Sprache schließlich wieder. Angesprochene blickte erst die Rotäugige, dann die ausgestreckte Hand an. In ihrer Mimik veränderte sich etwas. Der Schrecken und die Überraschung wichen aus ihrem Blick und machten einem hasserfüllten Funkeln platz. Ohne nach der Hand der Silberhaarigen zu greifen, stand sie vom Boden auf und klopfte eventuellen Dreck von ihrem Klamotten. „Hey Albino, vielleicht solltest du dir ne Brille kaufen. Wäre für die Leute in deinem Umfeld sicher von Vorteil.“, durchbrach Mikus Stimme die schon fast unwirkliche Stille. Von jetzt auf gleich fingen die Klassenkameraden an zu tuscheln. Sie taten das, was sie immer taten. Haku war die Lästereien der Anderen gewohnt, doch wusste sie, das sie diesmal nicht mit einem blauen Auge davonkommen würde. „Hast du keine Augen im Kopf?!“, rief einer ihrer Mitschüler durch die Halle. „Was fällt dir ein Miku umzurennen?!“, empörte sich eine weitere Person. „Alles in Ordnung mit dir?“ hörte sie Luka fragen, welche sich in der Zwischenzeit rüber zu Miku gesellt hatte. „Lass bloß die Finger von ihr.“, mischte Gakupo sich ein, welcher nach wie vor hinter einer der Hallenbänke stand, die das Spielfeld trennten. Der Lehrer sagte etwas um die Aufruhr ein wenig zu schlichten, wurde jedoch überhört. Die Silberhaarige wusste nicht, in welche Richtung sie zuerst blicken sollte. Von überall prasselten Stimmen auf sie ein. So war das immer. Wenn einer mit Beleidigungen anfing, dann dauerte es nicht lange, bis die halbe Klasse mit einstimmte. „Sagt mal, seid ihr eigentlich komplett bescheuert?!“ Nerus Stimme klang schneidend scharf. Ihre Augen blitzten vor Wut. Obwohl sie recht klein war, war die Klasse von einem Moment auf den Anderen still. Die meisten starrten nun sie an, nicht mehr Haku. Die Blonde stemmte die Hände in die Hüften und blickte ihre Mitschüler an. „Wie armselig seid ihr bitte?! Das war ein dummer Unfall, mehr nicht.“,fuhr sie fort. Zwei Klassenkameradinnen begannen wieder zu tuscheln, verstummten jedoch sofort wieder, als sie bemerkten, das zwei raubvogelartige Augen genau in ihre Richtung starrten. „Wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr von jetzt auf gleich zur Zielscheibe der ganzen Klasse ernannt werdet? Und wie fändet ihr es wohl, wegen so einem nebensächlichen Unfall so angemacht zu werden?“ Neru wartete nicht auf eine Antwort, sondern schritt durch die Menge um sich zu ihrer Freundin zu gesellen. Die meisten Schüler machten ihr sofort Platz, wussten sie doch, wie unangenehm sie werden konnte. Es trennten sie noch etwa 10 Meter von der Silberhaarigen, da versperrten ihr Meiko und Kaito den Weg. „Sag mal für wen hälst du dich eigentlich hier so große Töne zu spucken?“, verspottete die Braunhaarige sie. „Du traust dich was, Kleine.“, grinste der Blauhaarige sie an. „Einer muss Idioten wie euch nun mal die Stirn bieten.“, stellte Neru ungerührt fest, schubste ihre Klassenkameradin ein Stück zur Seite und ging seelenruhig weiter. „Hey!“, entrüstete Meiko sich hinter ihr, doch sie ignorierte sie einfach. Schließlich blieb die Blonde vor Haku stehen und warf ihr einen leicht fragenden Blick zu. „Ist alles okay mit dir?“ Auf den sonst so blassen Wangen der Rotäugigen bildete sich ein nicht zu übersehender Rotschimmer. Zum einen, weil ihr die volle Aufmerksamkeit der Klasse so unangenehm war, zum anderen, weil sie nicht fassen konnte, das Neru sich schon wieder stark für sie gemacht hatte. Zögerlich nickte sie also. „Warum...tust du das alles für mich?“, erkundigte sie sich leise bei ihrer einzigen Freundin. Diese blickte im ersten Moment irritiert zu ihr hoch, dann legte sich ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen. „Ach weißt du, ignorier die ganzen Deppen einfach.“ Das war zwar keine Antwort auf ihre Frage, doch die Silberhaarige entspannte sich ein wenig. „Danke.“ Nach dem Aufruhr wurde der Sportunterricht zwar fortgesetzt und niemand machte sie noch dumm an, doch Haku hätte die Hand dafür ins Feuer gelegt, das das erst die Spitze des Eisbergs gewesen war. Die Blicke einer gewissen Gruppe verrieten es ihr. Zwar sagten ihre Mitschüler nichts mehr, doch etwa eine Hand voll Leute durchlöcherten sie förmlich mit Todesblicken. Sie fühlte sich unwohl in ihrer Haut. Wie gerne hätte sie einfach mit jemandem den Platz getauscht. Sie wünschte sich, einfach mal einen Tag keinen Ärger zu haben. War es denn so schwer, einen einzigen Tag im Leben in Ruhe gelassen zu werden? Einmal nicht verspottet oder beschimpft zu werden? Die Zeit verging und schließlich suchten die Schüler und Schülerinnen wieder die Umkleiden auf. Neru wollte erst vor den Umkleiden auf sie warten, doch die Silberhaarige bestand darauf, das sie sich draußen vor der Sporthalle treffen würden. Um weiterem Ärger aus dem Weg zu gehen, huschte Haku an den anderen vorbei und verschwand im Duschraum, in dem sie ihre Klamotten vor dem Sportunterricht auch gebunkert hatte. Da sie hier eh so schnell nicht mehr raus konnte, beschloss sie sich auch Zeit beim umziehen zu lassen. Die Rotäugige faltete ihr Sportzeug zusammen und stopfte es zurück in die Sporttasche. Ohne sich wirklich dabei zu beeilen, schlüpfte sie wieder in ihre normalen Sachen. Nachdem sie sich umgezogen hatte, blieb ihr nichts anderes übrig als zu warten, bis die Anderen die Umkleide endlich verlassen hatten. Ihr Blick blieb an einem Spiegel hängen, welcher genau über einem Waschbecken angebracht worden war. Sie verzog missbilligend das Gesicht, als sie ihr Spiegelbild genauer studierte. Ja, sie hatte eindeutig zu wenig geschlafen. Ihre Haut wirkte noch blasser als sonst, um nicht zu sagen ungesund. Unter ihren Augen zeichneten sich leichte Ringe ab und den tiefroten Iriden konnte man die Müdigkeit förmlich ansehen. Sie seufzte leise. Sie hatte sich diesen Körper nicht ausgesucht. Andere wären vielleicht sogar stolz darauf gewesen, etwas besonderes zu sein, doch für Haku war dies eher ein Fluch. Die Anderen hatten sie zur Aussätzigen degradiert. Manchmal wünschte sie sich nichts mehr, als einfach auszusehen wie jede andere auch. Vielleicht schwarze oder braune Haare, braune Augen und durchschnittlich groß. So würde sie vermutlich in der Menge untergehen. //Mach dir nichts vor. Sie wären sogar hinter dir her, wenn du ganz gewöhnlich aussehen würdest//, meldete eine innere Stimme sich zu Wort. Allein die Tatsache, das sie sich nicht für Männer interessierte und das, was vor etwa einem halben Jahr passiert war, würden sie immer eine Außenseiterin sein lassen, ganz egal wie sie nun aussah. Haku wurde aus ihren Gedanken gerissen, als jemand die Tür zum Duschraum öffnete. Ein wenig irritiert blickte sie in Richtung der Tür. „Die Anderen sind schon aus der Umkleide und haben sich längst auf den Heimweg gemacht.“, verkündete Gumi, als seie es das Normalste der Welt. Der Blick der Silberhaarigen wurde noch eine Spur fragender. Wieso kam sie extra rein um ihr das zu sagen? „Ja...und?“, erkundigte sie sich daher ein wenig skeptisch. Gumi betrat nun den Duschraum und gab die Tür wieder frei. Die Nächste, die den Raum betrat, war Luka. Die Rosahaarige war zwar eher als ruhige und freundliche Person bekannt, doch Haku wusste, das das so nicht ganz stimmte. Zu oft hatte sie schon das genaue Gegenteil erlebt. Und das Funkeln in ihren Augen sagte mehr als 1000 Worte. „Das heißt wir sind allein.“, beantwortete sie anstelle der Grünhaarigen Hakus Frage. „Naja, kommt drauf an wie man allein nun definiert.“, ergriff diesmal Lily das Wort und schob sich an Luka vorbei in den Raum. Ein flaues Gefühl breitete sich mit rasanter Geschwindigkeit im Magen der Silberhaarigen aus. Sie hatte schon im Sportunterricht geahnt, das die Sache noch nicht gegessen war, doch begriff sie erst jetzt, das sie tatsächlich in Schwierigkeiten steckte. „Und warum seid ihr dann noch hier? Ich glaube ich versteh nicht ganz...“ Die Frage hatte eher beiläufig klingen sollen, doch ihre Stimme klang unsicher. Ein nervöses Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Naja, weißt du...wir wollten mit dir reden.“, antwortete Gumi gespielt harmlos. „Ihr könnt reinkommen, die anderen Mädels sind alle schon draußen und wir haben uns umgezogen.“, hörte sie Meiko von der Tür der Umkleide aus sagen. Kurze Zeit später betraten auch die Braunhaarige und Miku, gefolgt von Kaito und Gakupo den Raum. Der Silberhaarigen wurde kalt. Eiskalt. Sie kam sich vor wie in einem schlechten Film, als die anderen begannen einen Kreis um sie zu bilden. „Sag mal, sind die Augen von Albinos wirklich so schlecht, das sie ganz spontan Menschen übersehen?“, stichelte der Blauhaarige. Die anderen kicherten, während Haku sich wünschte sich spontan in Luft auflösen zu können. Zuvor hatte sie es nur geahnt, jetzt wusste sie, das sie bis zum Hals in Schwierigkeiten steckte. „Nein, das glaube ich ehrlich gesagt nicht.“, mischte Gakupo sich ein, wurde jedoch von Lily unterbrochen. „Weißt du Kaito, das Schicksal meint es einfach nur nicht gut mit dir. Erst deine Freundin und jetzt stürzt sie sich sogar schon auf deine kleine Cousine.“ „Vielleicht bin ich jetzt bis ans Ende meines Lebens traumatisiert.“, jammerte Miku und zog ein Gesicht. Die Rosahaarige ging einen Schritt auf Haku zu. Die Rotäugige, die nicht wusste in welche Richtung sie sich zuerst drehen sollte, schluckte. „D-Das in der Sporthalle war ein Unfall. Das war bestimmt keine Absicht!“, versuchte sie ihren Kopf noch einmal aus der Schlinge zu ziehen. „Wer's glaubt wird selig!“ Mit diesen Worten versetzte Luka ihr einen Schubs, der sie nach hinten taumeln ließ. „Aaah!“ Die Silberhaarige rechnete schon damit sich jeden Moment auf dem Boden wiederzufinden, doch prallte sie nur gegen eine Person die hinter ihr stand und sie festhielt. „Hey, hey, pass auf das du nicht fällst.“, verspottete der Lilahaarige sie. Die Rotäugige hatte das Gefühl als würde ihr Magen sich zusammenziehen. Ein eiskalter Schauer lief ihr den Rücken herunter. Angst begann in ihr aufzusteigen. Diesmal war es nicht das altbekannte Unwohlsein, das sie immer überkam, wenn die anderen über sie herzogen, nein diesmal war es wirklich Angst. Sie wusste nicht, was die Gruppe sich noch alles hatte einfallen lassen. Die heutige Aktion war heftiger als alles, was ihre Klassenkameraden bisher ausgeheckt hatten. Sie suchte mit dem Blick den Kreis nach einer Lücke ab. Irgendeine Möglichkeit, die sie nutzen konnte um ihren Mitschülern zu entkommen. Die Silberhaarige sträubte sich gegen den Griff, in dem Lukas Freund sie nach wie vor hielt, doch anstatt loszulassen, verstärkte er seinen Griff nur noch. „Wo willst du denn hin? Wir haben gerade erst angefangen zu reden.“, erkundigte Miku sich scheinheilig. „Lasst mich doch einfach gehen!“ Diesmal war es die Blondine, die spöttisch eine Augenbraue hochzog. „Also wirklich Schneeweißchen. Wo bliebe denn da der Spaß, wenn wir dich jetzt schon gehen ließen? „D-der Unfall vorhin tut mir leid, wirklich...“ Langsam wusste Haku nicht mehr, was sie noch sagen sollte um die Anderen dazu zu bewegen sie in Ruhe zu lassen. Ihr Herz raste. Warum? Warum wurde immer sie zum Mobbingopfer Nummer 1 ernannt?! Konnten die sich nicht einmal einen anderen aus der Menge picken? Als nächste ging Meiko einen Schritt auf sie zu. Die Silberhaarige senkte den Blick. Nach wie vor hielt Gakupo sie fest. Den Plan, in einem günstigen Moment so schnell es ging aus dem Duschraum zu stürmen, konnte sie wohl vergessen. „Hey, hier Spielt die Musik!“, stellte ihre Mitschülerin fest. Zeitgleich zog sie Haku an den Haaren, um sie dazu zu bringen sie anzusehen. Der Griff, mit dem ihre ehemalige Saufkumpanin sie am Schopf gepackt hatte, schmerzte. Haku biss die Zähne zusammen, um den Anderen nicht auch noch den Gefallen zu tun und zu zeigen, das sie ihr weh taten. Tiefrote und rotbraune Augen trafen sich. Sie war schockiert über die Mischung aus Hass, Ekel und Ablehnung, welche sich im Blick der Anderen spiegelte. Die eisige Kälte im Blick der Person, für die sie einst so viel empfunden hatte, war schlimmer als ein Schlag ins Gesicht. „Weißt du, selbst wenn das eben in der Sporthalle wirklich nur ein Unfall war, das was du damals angestellt hast, werde ich dir nie vergessen.“ Die Stimme der Braunhaarigen war schneidend scharf. „Vielleicht könnte ich dich sogar verstehen, wenn ich damals denn etwas angestellt hätte! Aber...du weißt genau so gut wie ich, das das nicht wahr ist.“ Zu ihrer eigenen Überraschung klang ihre Stimme merkwürdig heiser. Irgendwie resigniert. Auf das was dann kam, war die Silberhaarige nicht vorbereitet gewesen. Die Hand ihrer Klassenkameradin traf mit überraschender Geschwindigkeit ihre rechte Wange. Ihr Kopf wurde von der Wucht des unerwarteten Schlags nach links gerissen. Ihre rechte Gesichtshälfte brannte heftig. Während die Gruppe in schallendes Gelächter ausbrach, machte Haku sich nicht einmal die Mühe den Kopf zu wenden um Meiko einen fassungslosen Blick zuzuwerfen. „So, hast du nicht? Du kannst jeden hier auf der Schule fragen was genau vorgefallen ist. Mir die ganze Zeit die ganz normale Freundin vorzuspielen, nur um dich dann an mich ranzumachen. Du bist so ekelhaft!“ Zwar sah sie ihre Mitschülerin nicht an, doch musste sie dies auch gar nicht um zu wissen, das diese ein spöttisches Grinsen aufgesetzt hatte. Der Lilahaarige ließ sie los. Die Schülerin landete wie ein Sack Mehl auf dem Boden. „Hey, geh mal weg da.“, forderte Gumi ihn auf. Ihre Stimme klang ganz so, als wäre ihr eine neue gemeine Idee gekommen. Nachdem Gakupo tatsächlich ein Stück zur Seite gegangen war, näherte die Grünhaarige sich seitlich der Wand und streckte den Arm aus. Haku hatte keine Ahnung was sie nun schon wieder vor hatte. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt die weißen Fliesen des Duschraums anzustarren. Die Silberhaarige kämpfte mit den Tränen, welche heiß in ihren Augen anstiegen. Etwas weiter links hörte sie Lily amüsiert loslachen. „Oh Gott, Gumi! Das ist zu genial!“ Einen Moment später wusste sie, was sie Blonde damit gemeint hatte. Die Grünhaarige hatte vorsichtig den Schalter der Dusche betätigt, unter der Haku derzeit saß. Lauwarmes Wasser prasselte auf sie nieder. Ihre Kleidung, sowie ihre schlohweißen Haare klebten binnen Sekunden nass an ihrem Körper. Sie nahm das Gelächter der Anderen nur noch am Rande wahr. Das Wasser der Dusche vermischte sich mit salzigen Tränen. Das...das war zu viel! Die Schülerin blieb wie gelähmt auf dem Boden sitzen, während die Gruppe sich köstlich über ihren 'kleinen Scherz' amüsierte. Haku war davon überzeugt das es nicht mehr schlimmer kommen konnte. Was hätten die Anderen sich als Steigerung nun auch noch einfallen lassen sollen? Sie schlagen oder treten? Überrascht stellte die Silberhaarige fest, das sie das nicht mehr im Geringsten interessieren würde. Worte waren manchmal schlimmer als Schmerzen. Die ganzen Gemeinheiten die sie nun schon seit Wochen und Monaten ertrug...das war einfach zu viel. Sie konnte nicht mehr! Ihr Schutzwall, den sie die ganze Zeit mehr schlecht als recht um sich erbaut hatte, war in viele kleine Scherben zerfallen. Fast genau so schnell und plötzlich, wie ein Kartenhaus, das von einem Windstoß erfasst wurde. Doch...wieder sollte sie eines besseren belehrt werden. Immer, wenn ein Mensch dachte es könnte nicht mehr schlimmer kommen, dann spielte das Schicksal der Person einen üblen Streich und es kam unweigerlich noch schlimmer. „Ich glaub ich spinne! Was geht denn hier ab?! Was zur Hölle habt ihr Idioten nun schon wieder angestellt?!“ Das Herz der Silberhaarigen setzte einen Moment aus, als sie die laute, aufgebrachte Stimme ihrer einzigen Freundin hörte. Wie in Zeitlupe drehte sie den Kopf in Richtung Tür. „N-Neru...?“, stammelte sie genau so geschockt wie überrascht. Hatte die Blonde nicht draußen vor der Sporthalle auf sie warten wollen? Wie viel Zeit war denn inzwischen vergangen, das sie wieder zurück zu den Umkleiden gewandert war? Im Normalfall wäre Haku froh gewesen, wenn Neru sich zwischen sie und die Anderen stellte um ihr zu helfen, doch heute war das anders. So weit wie ihre Klassenkameraden heute gegangen waren, war ihr absolut klar, was nun kommen musste. „Wir? Ach, gar nichts.“, antwortete die Braunhaarige mit einem übertrieben scheinheiligen Grinsen. „Vielleicht solltest du lieber fragen, was Schneeweißchen angestellt hat.“, verbesserte Lily. „Ach, und das wäre?!“, schnaubte Neru. Die Wut in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Luka ging auf sie zu, legte ihr einen Arm um die Schultern und zog sie fast schon freundschaftlich rüber zu den Anderen. „Wie wäre es, wenn wir dir eine Geschichte erzählen?“, schlug sie vor. Angesprochene erdolchte sie nur fast mit Blicken. „Ja genau. Ich denke du hast ein Recht darauf zu wissen, warum wir sie alle hassen.“, mischte Gumi sich ein. Die Zeitschaltuhr für die Dusche schaltete sich aus. Endlich stoppte das Wasser, welches die ganze Zeit über auf Haku niedergeprasselt war. Die Silberhaarige war einem entgültigen Nervenzusammenbruch nahe. Sie musste ihre Mitschüler stoppen, bevor sie Neru wirklich noch die Geschichte erzählten, die nun schon seit einiger Zeit in der Schule kursierte. „Nein! Das könnte ihr nicht machen!“ „Ach nein? Können wir nicht?“, erkundigte Kaito sich. „Ich fang an!“, rief Miku aus. Die Türkishaarige ging einen Schritt auf Neru zu. Diese wiederrum schubste Lukas Arm von ihrer Schulter und ging an Miku vorbei, um sich vor Haku zu stellen. „Nein! Bitte! Alles nur das nicht!“ Entsetzter hätte Hakus Stimme nicht klingen können. Wenn ihre Klassenkameradin ihr DAS jetzt erzählen würden, sie war sich sicher, das Neru sich auf der Stelle angeekelt von ihr abwenden würde. Sie würde sie genau so hassen und verspotten, wie die anderen es schon jetzt taten. Allein schon der Gedanke daran war zu viel für sie. „Ich wüsste nicht was so schlimm sein sollte, das ihr das Recht hättet sie so zu behandeln.“ Mit festem Blick musterte das zierliche Mädchen die Gruppe. Das Herz der Silberhaarigen hämmerte von innen gegen ihre Brust. Nein! Nein! Nein! Sie konnte sich Nerus entsetzten Blick schon lebhaft vorstellen. Sie würde nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen und sie würde wieder ganz genau so allein sein, wie sie es noch vor ein paar Wochen war. Als Miku dann zu reden begann, war die Rotäugige sich fast zu 100% sicher, das der Rest ihrer kleinen Welt nun auch noch in viele kleine Scherben zerspringen würde. „Weißt du Akita-san, bis vor etwa einem halben Jahr sah Haku einfach nur anders aus als wir.“, fing sie an. „Als wir dann die Zeugnisse am Ende des elften Schuljahrs bekommen haben, hat unsere Klasse beschlossen das ganze in einer Kneipe hier in der Nähe zu feiern.“ „Bis zu dem Zeitpunkt hat niemand von uns geahnt, das unser Schneeweißchen anders ist.“, ergänzte Luka. „Ich war an dem Abend sturzbetrunken und sie war so nett und hat angeboten mich nach Hause zu bringen.“, ergriff Meiko das Wort. „Was soll ich sagen? Ich hab mir wirklich nichts dabei gedacht.“ Sie legte eine Künstlerpause ein und räusperte sich. „Zumindest so lange nicht, bis sie mir an die Wäsche gehen wollte.“ Einen Moment lang war es still im Raum. „Das muss man sich mal vorstellen, was?“, mischte sich nun auch Kaito ein. „Tut die ganze Zeit über so, als wenn sie keiner Fliege etwas antun könnte, nur um an mein Mädchen zu kommen.“ „Ne ziemlich krasse Geschichte, mh?“, mit einem Grinsen sah der Lilahaarige rüber zu Neru. „Sie hat uns das das ganze letzte Schuljahr verheimlicht. Naja, vermutlich damit sie uns in der Umkleide ansehen kann.“ Lily zog ein angeekeltes Gesicht. „Ich will gar nicht an den Ausflug ins Schwimmbad denken, bei dem die Schülerinnen unserer Klasse sich die Gruppenumkleide geteilt haben.“, pflichtete Gumi ihr bei. „Und? Hat sie bisher die Finger wenigstens von dir gelassen?“, erkundigte Miku sich. Hakus Sicht verschwamm immer wieder, da immer neue Tränen sich in ihren Augen sammelten. Jetzt war alles aus. Vermutlich würde Neru spätestens jetzt nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen. Sie könnte es ihrer einzigen Freundin nicht einmal verübeln. Die ganze Zeit über hatte die Blonde sich für sie eingesetzt und vor der Klasse verteidigt. Nie hatte sie sich wirklich dafür revanchieren können. Und nun erfuhr sie auch noch ihr größtes Geheimnis auf diese Art und Weise. Woher sollte die Jüngere auch wissen, das diese Geschichte größtenteils aus verdrehten oder erfundenen Tatsachen bestand und nur ein kleines Fünkchen Wahrheit enthielt. Wie gern hätte sie ihr die ganze Sache erklärt, doch fehlte ihr einerseits die Kraft dazu, noch traute sie sich ihren Klassenkameraden zu widersprechen. Die hätten ihr vermutlich einfach nur das Wort im Mund herum gedreht, sodass sie am Ende noch schlechter dastehen würde. Sie wünschte sich nichts mehr, als doch endlich im Erdboden versinken zu können! „Mal abgesehen davon, das ich euch kaum ein Wort von all dem glaube : das ist wirklich alles? Nur weil Haku sich möglicherweise nicht für Jungs interessiert behandelt ihr sie so?!“ Nerus Stimme klang schneidend scharf und wütend. Mit ihrem falkenhaften Blick durchbohrte sie die Anderen förmlich. Haku glaubte sich verhört zu haben. Was? Hatte die Blonde das gerade wirklich gesagt? Sie störte sich gar nicht daran? Das alles war kein Traum? Sie konnte es nicht fassen! Gern hätte die Silberhaarige etwas gesagt, doch stellte sie fest, das die ganze Sache ihr die Sprache verschlagen hatte. Mehr als ein Schluchzen brachte sie nicht zu Stande. „Ihr terrorisiert sie die ganze Zeit über nur wegen so einer Nichtigkeit?“, hakte ihre einzige Freundin noch einmal nach. „W-wie meinst du das jetzt?“ Gumi hatte diese Antwort ziemlich aus der Bahn geworfen. Auch die Anderen blickten nicht gerade geistreicher drein. „Sonst habt ihr keine Probleme?“, erkundigte Neru sich erneut. „Wir? Nein, ich wüsste nicht was WIR für Probleme haben sollten.“ Überraschenderweise war es Luka, die sich am schnellsten wieder gefangen hatte und antwortete. Die Augen der Blondine funkelten. Haku wusste nicht warum, aber irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, das das Mädchen darauf gewartet hatte, das ihre Mitschülerin genau das antwortete. „Ach, ganz sicher? Es wundert mich das gerade du das sagst, Megurine-san.“ Nun war es an der Rosahaarigen eine Augenbraue hochzuziehen. „Ich versteh nicht was du meinst. Worauf willst du hinaus?“ „Was ist zum Beispiel mit deinem Freund? Ich werde das Gefühl nicht los, das er dir da etwas sehr wichtiges verschwiegen hat.“ Ein wenig irritiert blickte Luka rüber zu dem Lilahaarigen. „Gibt es denn irgendetwas, das ich wissen sollte, Schatz?“ Angesprochener wirkte plötzlich ein wenig nervös, schüttelte dann jedoch den Kopf. „Nein, ich wüsste nicht was.“ Neru hatte in der Zwischenzeit nach ihrem Handy gegriffen, tippte kurz auf dem Display herum und zeigte ihrer Klassenkameradin dann ein Foto. „Na das hier zum Beispiel. War eher Zufall das ich's gesehen hab, aber...ich dachte vielleicht würde es dich ja interessieren.“ Luka warf einen Blick auf das Handydisplay, musterte das Foto und schaute dann immer ungläubiger drein. Im nächsten Moment wirbelte sie auch schon herum und funkelte Gakupo an. „D-Das glaub ich jetzt nicht! Seit wann verarschst du mich mit der?!“ Der Lilahaarige hob ein wenig aus der Bahn geworfen die Hände. „Hey, ich kann das erklären...“ „Und du?! Du nennst dich Freundin und spielst mir jeden Tag die heile Welt vor?!“ Haku kam sich vor wie im falschen Film. Was ging denn jetzt ab? Die sonst so ruhige Luka sah so aus, als wollte sie sich jeden Moment auf die Blondine stürzen. Diese überlegte einen Moment wie sie mit der Situation umgehen sollte, setzte schließlich ein Grinsen auf und ging dann in die Offensive. „Was kann ich dafür, wenn du ihm viel zu zahm bist, huh?“ Der Rosahaarigen schien die Situation über den Kopf zu wachsen. Anstatt die ganze Sache vor der versammelten Mannschaft zu klären, drehte sie sich um und stürmte aus dem Duschraum. „Hey! Jetzt warte Luka!“ Miku beschloss das es besser wäre nach ihr zu sehen und beeilte sich ihre beste Freundin noch einzuholen. „Na ganz toll hinbekommen!“, murrte Gakupo frustriert und machte ebenfalls Anstalten den Raum zu verlassen. „Was denn? Irgendwann hätte sie's eh rausgefunden.“Als wenn sie nichts mit der Sache zu tun hätte, zuckte Lily die Schultern und sah dann rüber zu Gumi. „Komm, wir gehen. Das wird mir hier zu bunt.“ Die Grünhaarige stand noch einen Moment irritiert im Raum herum, bis sie reagierte. „Äh...ja, ich komm ja schon.“ „Und schon fünf weniger.“, kommentierte Neru trocken. Dann wandte sie sich den Anderen zu. „Und? Geht ihr freiwillig oder..?“ Nachdem Luka, Miku, Gakupo, Lily und Gumi den Raum verlassen hatten, waren nur noch Meiko, Kaito, Neru selbst und Haku anwesend. „Zu zweit macht das keinen Spaß mehr. Los, komm jetzt.“, räumte die Braunhaarige zähneknirschend ein und wandte sich zum Gehen. „Ohne die Kleine wärst du aufgeschmissen, Albino.“, kommentierte Kaito, sah noch einmal kurz rüber zu Haku und folgte dann seiner Freundin. „Kümmert euch in Zukunft erstmal um eure eigenen Probleme, bevor ihr euch in das Leben anderer einmischt! Probleme scheint ihr mir ja alle genug zu haben!“, rief die Blonde ihnen nach. Haku und Neru blieben allein im Raum zurück. Die Rotäugige hörte, wie die Tür der Umkleide zugezogen wurde. Sie konnte es nicht fassen. Neru hatte die ganze Gruppe spielend leicht in die Flucht geschlagen und hatte dafür kaum mehr als ein einziges Foto gebraucht. Doch was sie noch weniger glauben konnte : nach all dem, was die Anderen Neru erzählt hatten, hatte sie sie nach wie vor beschützt. Sie hatte sich überhaupt nicht von dem, was ihre Klassenkameraden gesagt hatten, beeindrucken lassen. Oder konnte es sein, das sie den Anderen nur nicht glaubte und das alles deshalb so leicht nahm? Das wäre natürlich auch eine Möglichkeit. Und schon der Gedanke daran verunsicherte die Silberhaarige. Währendessen hatte ihre einzige Freundin sich vor sie gekniet und strich ihr einige verirrte Strähnen aus dem Gesicht. „Diese Idioten! Diesmal sind sie wirklich zu weit gegangen!“, regte sie sich auf. Dann wurde Neru jedoch wieder etwas ernster und ruhiger. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, wollte sie wissen. Es kam nicht oft vor, das der stechend scharfe Blick der Blondine einmal weich wurde, doch nun sah sie Haku schon fast mitfühlend an. Diese nickte kaum merklich. „Ja...geht schon.“ Die Jüngere stand wieder auf und reichte ihrer Freundin eine Hand, um auch sie vom Boden hochzuziehen. Gemeinsam gingen sie rüber in die Umkleide und setzten sich auf eine der hölzernen Bänke. „Erzählst du mir, was damals wirklich passiert ist?“, erkundigte sich Neru dann. Und schon stieg wieder diese Panik in Haku auf. Was, wenn sie ihr die Wahrheit erzählte und sie diese dann doch nicht so positiv auffasste, wie erhofft. Sie schluckte und kämpfte gegen den Klos in ihrem Hals. So oft wie die Blonde sie nun schon in Schutz genommen hatte, hatte sie vielleicht wirklich das Recht darauf, die Geschichte so zu hören, wie sie damals wirklich passiert war. „Also schön.“, antwortete sie schließlich. Anstatt etwas zu sagen, blickte Neru sie nur aufmerksam an. „Damals waren wir wirklich mit der ganzen Klasse in dieser Kneipe. Zumindest der Punkt ist wahr. Du musst wissen, das Meiko und ich damals öfter zusammen etwas trinken gegangen sind. Wir haben uns eigentlich immer gut verstanden und ja...ich fürchte das es wahr ist, das ich damals wirklich bis über beide Ohren in sie verknallt war.“, gab die Rotäugige zu. Sie legte eine kurze Redepause ein und blickte abwartend rüber zu Neru. Sie versuchte irgendwie aus ihrer Mimik schlau zu werden. Überrascht bemerkte sie, das die Blondine nicht wie befürchtet angeekelt drein blickte, sondern nach wie vor nur aufmerksam und neugierig. „Wir haben an dem Tag wirklich viel getrunken. Allerdings war sie es, die mich gebeten hat sie nach Hause zu bringen, weil sie schon nicht mehr gerade gehen konnte.“ Erneut stoppte sie kurz, nur um sich verlegen am Kopf zu kratzen. „Weißt du, bei ihr weiß man manchmal nicht, ob sie sich gerade nur einen Scherz erlaubt oder etwas ernst meint. Als wir an dem Abend schließlich an ihrer Haustür angekommen waren, hat sie mich plötzlich geküsst. Sie fand das wohl einfach nur lustig und ich...ich war so besoffen das ich die Situation falsch interpretiert habe. Ich hab damals all meinen Mit zusammengenommen und ihr meine Gefühle gestanden.“ Haku seufzte frustriert. „Sie fand das plötzlich gar nicht mehr witzig und hat ziemlich heftig darauf reagiert. Und am nächsten Morgen kursierten dann auch schon Gerüchte in der Schule, die mich als die totale Perverse dargestellt haben.“ Unsicher wartete die Silberhaarige nun auf die Reaktion ihrer einzigen Freundin. Sie hatte ihr endlich die Wahrheit erzählt, obwohl sie sich die ganze Zeit davor gefürchtet hatte. Davor, wie die Blonde wohl mit der Situation umgehen würde. „Warum hast du mir nie davon erzählt?“ Haku fragte sich, ob diese Reaktion nun gut oder schlecht war und wurde unweigerlich noch etwas nervöser. „Weil ich Angst hatte, das du nichts mehr mit mir zu tun haben willst.“, gestand sie. Neru seufzte nur und schüttelte den Kopf. „So ein Quatsch. Wie kommst du denn auf die Idee? Nur deswegen?“ „Na sieh dir an wie die Anderen reagiert haben, als sie Wind davon bekommen haben.“ „Aber vermutlich auch nur, weil sie die Geschichte mit verdrehten Tatsachen gehört haben und jeder sich wieder etwas neues dazu erfunden hat. Außerdem bin ich nicht die Anderen, klar?“ Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen knuffte die Jüngere sie. Die Silberhaarige konnte es nicht fassen. All die Zeit hatte sie Angst vor diesem Gespräch gehabt und Neru reagierte so gelassen, wie man es sich nur vorstellen konnte. „Du...ekelst dich wirklich nicht vor mir?“ „Natürlich nicht! Was denkst du eigentlich von mir?!“ Erneut bahnten sich Tränen einen Weg über Hakus Wangen. Diesmal waren es allerdings Freudentränen. Sie war so froh, das ihre beste Freundin nach wie vor zu ihr hielt und sie im Gegensatz zu den meisten Anderen nicht schief ansah. Sie war einfach nur so unglaublich froh! „Hey, jetzt fang nicht schon wieder an zu heulen, du Schussel.“ Neru bedachte sie mit einem gespielt genervten Blick, bevor sie sie in eine Umarmung zog. „Deine Klamotten...ich bin doch ganz nass von der Dusche.“, gab Haku sofort zu bedenken. Überraschenderweise schüttelte die temperamentvolle Blondine nur den Kopf und drückte sie noch etwas fester. „Zerbrich dir in Zukunft nicht mehr über solche Kleinigkeiten den Kopf, sondern red einfach drüber, ja?“ Die Rotäugige, die sich an ihre beste Freundin gelehnt hatte, nickte nur. „Versprochen. Und danke, das du mir eben schon wieder aus der Patsche geholfen hast.“ Auf Nerus Lippen stahl sich ein schelmisches Grinsen. „Ach, das gehört zum Service.“ Daraufhin musste auch Haku leicht Lächeln. „Und weißt du was?“, begann die Blonde. „Eh? Na was denn?“ „So anders wie du denkst, bist du gar nicht.“ Bevor sie noch wusste wie sie das eben Gesagte aufzufassen hatte, hatte ihre beste Freundin sich auch schon zu ihr rüber gebeugt. Kurz berührten Nerus Lippen ihre Stirn, dann war die Blonde auch schon aufgestanden und rüber zur Tür der Umkleide gegangen. Die plötzliche Erkenntnis reichte aus, um Hakus Wangen im Bruchteil einer Sekunde einen interessanten Rotton annehmen zu lassen. Dank ihrer blassen Haut, fiel der Blush sofort ins Auge. „H-Hey! Was war das denn?“, erkundigte sie sich verlegen und überrascht zugleich. Neru hatte währendessen bereits die Tür der Umkleide geöffnet und blickte sie über die Schulter an. Auch auf den Wangen der stets genervten, eher barschen Schülerin, hatte sich eine nicht zu übersehene Röte gelegt. „Jetzt komm schon. Du bist nach wie vor patsch nass. Wenn du dich nicht langsam mal um trockene Klamotten bemühst, bist du morgen krank.“ Und schon war sie nach draußen auf den Flur getreten. Immer noch ein wenig neben der Spur erhob Haku sich von der Bank. //Neru ist eben nicht die Person die mit Freundlichkeit um sich wirft. Das eben scheint ihr wohl alles abverlangt zu haben.// Inzwischen hatte sich ein deutlich sichtbares Lächeln auf Hakus Lippen gelegt. „Jetzt warte! Ich komm ja schon!“ Auch die Silberhaarige setzte sich in Bewegung und beeilte sich um ihre Freundin auf dem Flur einzuholen. ~~~~~~~~~ Diese FF lag jetzt bestimmt schon ein gutes halbes Jahr in einem Ordner in meinem Laptop herum, aber irgendwie bin ich nie dazu gekommen sie fertig zu schreiben. Ursprünglich sollte 'Heap of shards' ein One Shot werden, aber dann wurde die FF doch ein wenig zu lang und so habe ich mich entschieden zwei Kapitel daraus zu machen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)