Unverhoffte Nachbarn von Jeanne-Kamikaze- (Wenn Nachbarn interessant werden) ================================================================================ Kapitel 35: Ein fataler Abend ----------------------------- Das Veni, Vedi, Mangi! war ein italienisches Restaurant, welches sich seiner Beliebtheit erfreute und doch noch als Geheimtipp galt. Auch an diesem Mittwochabend, der so kalt und regnerisch war, erfreute es sich reger Kundschaft. Es lag direkt im Herzen Londons nicht unweit von einer Einkaufsstraße, sodass sich gerne junge Leute hier trafen um einen Shoppingtag ausklingen zu lassen. Catherine betrachtete den Steinbogen, der als Eingang diente, durchaus skeptisch. Das Gebäude war ein altes Backsteinwerk, doch die Besitzer hatten sich sehr viel Mühe gegeben, die Fassade wie alte römische Gebäude aussehen zu lassen. Menschen drängelten sich an ihr vorbei, verließen entweder schwatzend das Restaurant um noch etwas Trinken zu gehen, oder aber kamen gerade erst um ihre Reservierung anzunehmen. Molly hatte ihnen dieses Restaurant empfohlen. Nachdem Catherine frustriert in das Labor zurückgekehrt war, da in keinem ihrer Stammrestaurants ein Tisch zu bekommen war- war irgendwie ein verdammter Feiertag, den sie vergessen hatte, oder warum war es so schwierig einen Tisch zu bekommen?- hatte Molly ihr die Visitenkarten eben jenes authentischen, italienischen Restaurant gegeben, welches sie schon einige Male besucht hatte und wärmst weiterempfehlen konnte. Schließlich waren Catherine und Sherlock hierher aufgebrochen um zu Abend zu essen. Für etwas anderes wie zum Beispiel einen Schnellimbiss hätte Catherine Sherlock niemals bewegen können. Darauf würden sich seine verwöhnten Geschmacksnerven niemals herablassen und zu kochen hatte Catherine nach einen viel zu langem Tag auch keine wirkliche Lust. Darum hatte sie Mollys Vorschlag gerne angenommen und hatte zum Glück auch noch einen Tisch für die gewünschte Zeit ergattern können. Dies war es also nicht, was Catherine ein unbehagliches Gefühl im Bauch gab. Es war die Kundschaft. Diese war nicht bunt gemischt wie es bei Szene Restaurants üblich war, sondern bestand hauptsächlich aus Paaren. Sie würde sogar schätzen achtundneunzig Prozent der Besucher waren entweder Pärchen oder gar schon Ehepaare. Keine Mädels, die einen Abend mit einer leckeren Pasta oder Salat feierten, keine Jungs, die bei einem Wein oder Bier eine Saltimbocca genossen. Nein, die Klientel bestand eindeutig aus viel zu vielen, tiefe Blicke austauschenden Menschen und leisem Gekicher von jungen Frauen. Catherine holte tief Luft und sah sich um, wodurch sich ihr erster Eindruck nur bestätigte. „Und Molly war hier alleine essen?“, murmelte sie leise zu sich und steckte die Hände in ihre Tasche. Sherlock löste sich von der Speisekarte im Glaskasten, die er bis eben studiert hatte und zog die Visitenkarte aus der Tasche. „Zumindest stimmt die Adresse.“ Er hielt inne, runzelte die Stirn und drehte sich fragend dreinblickend zu ihr um. „Warum sollte Molly hier nicht alleine hingehen können?“ „Weil…öhm…na ja…ach, vergiss es!“ Sie wedelte mit ihrer Hand und seufzte innerlich. Wie sollte auch ausgerechnet Sherlock sehen, was mit diesem Restaurant nicht stimmte? Könnte er nicht und somit wäre jede Erklärung überflüssig. Sherlock blickte sie nur verwundert an, zuckte dann aber schließlich mit den Schultern und wandte sich ab. //Was kann schon passieren? Die Speisekarte klingt wirklich lecker und der Tisch ist nun einmal reserviert.//, dachte sie um sich zu beruhigen. Sie seufzte erneut und folgte dann Sherlock in das Innere des Restaurants. Es herrschte eine schöne, ruhige Stimmung in dem Restaurant. Leise Geigen oder Harfenmusik drang aus mehreren, versteckten Boxen in den Ecken des großen Speiseraumes, welcher in drei Teile unterteilt wurde. Im Mittelgang befanden sich links und rechts sechs hintereinander aufgereihte, runde Tische. An den Seiten und vor Kopf war es jeweils immer eine Reihe. „Kommst du, Cath, oder hast du bereits Wurzeln geschlagen? Es war schließlich deine Idee essen zu gehen.“, sagte Sherlock mit lauter Stimme und blickte zu ihr. Erst jetzt bemerkte Catherine, dass sie unter dem Steinbogen stehen geblieben war um sich das Restaurant genauer anzusehen. Ein feiner Geruch nach Wein, Pasta und Pizza stieg Catherine in die Nase, als sie sich zu Sherlock gesellte, der bereits sich zum Oberkellner begeben hatte. Der junge Mann im Anzug sah kurz von seinem Reservierungsbuch auf, als sie ihm ihren Namen nannte, und hob beinah etwas skeptisch die Augenbraue. Catherine schluckte und fühlte sich schlagartig unwohler. Sie wusste, dass sie von Äußerem her sogar noch jünger aussah, als sie wirklich war- zu ihrem Pech. Kein Wunder also, dass der Kellner doch etwas brüskiert dreinsah. Schließlich handelte es sich hier um ein Restaurant speziell für Paare und selbst im liberalen London kann ein solcher vermeintlicher Altersunterschied für seltsam empfunden werden. Unruhig blickte sie sich um, ob nicht vielleicht Jemand hier war, der sie kennen könnte, während der Kellner einen etwas älteren Mann heranwinkte, der Sherlock und sie zu ihrem Tisch geleiten sollte. Der Kellner führte sie einmal durch den ganzen Raum des Restaurants. Catherine wusste nicht, ob es Paranoia war, aber sie hatte das Gefühl, dass sich einige der Gäste zu ihr umdrehten und vor allem ihr einen abschätzigen Blick zu warfen. Catherine wurde richtig flau im Magen und diese wenigen Meter zu ihrem Tisch fühlten sich wie ein Spießroutenlauf an. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hatten sie ihren Tisch im hinteren Teil des Saals erreicht. Es war ein schöner runder Tisch mit einer weißen Unter- und einer roten Oberdecke. Weiße Lilien standen in der Mitte des Tisches und zwei kleine Kerzen brannten. Links von ihrem Tisch führte eine Treppe nach oben- Catherine vermutete, dass es dort zu einem Veranstaltungsraum ging- während zur Rechten ihres Tisches eine Bambuswand sie von ihren Tischnachbarn abschirmte. Generell war es sehr ruhig hier. Die Gespräche der Gäste drangen kaum bis zum hinteren Teil durch, wodurch sich unterhalten ruhig von statten gehen kann. Catherine lächelte den Kellner halb unsicher, halb dankbar an, als er mit einem Ausstrecken der Hand ihnen ihren Tisch zeigte. Beide setzten sich an den Tisch- je zu einer Seite- und als der Kellner fragte, ob sie gerne eine Flasche Wasser für den Tisch hätten, nickte Catherine nur. Kurz notierte dieser es auf seinen Zettel, reichte ihnen die Menükarte und verließ dann den Tisch. Sherlock, der seinen Mantel bereits an eine Garderobe gehängt hatte, öffnete gleich die in braunes Leder gefasste Karte, dann schaute er sich kurz im Restaurant um. „Ein guter Platz.“, stelle er zufrieden fest und schaute wieder zurück in die Speisekarte. „Nun können wir reden, ohne dass unsere Tischnachbarn uns hören.“ „Ja, das stimmt.“, antwortete Catherine und seufzte leise. Sherlock runzelte irritiert die Stirn und sah sie fragend an. „Was ist los? Du bist unglaublich nervös seitdem wir eingetreten sind?“ Anstelle zu antworten, zuckte Catherine kurz mit den Schultern und ließ einmal ihre Augen durch den gesamten Raum wandern, was Sherlock nur noch mehr verwirrte. Warum benahm sie sich so, als wäre sie eine Spionin im Feindesgebiet? Ihre gesamte Körperhaltung war angespannt und unbewusst huschten ihre Augen von einer Seite zur anderen, beinahe so, als erwartete sie angegriffen zu werden. „Mi---Mir gefällt nur die Atmosphäre hier nicht.“, erklärte sie schließlich und kaute unbehaglich an ihrer Unterlippe. Sie wollte ja wirklich nicht so angespannt sein, aber für sie fühlte es sich an, als würden sie unter einem grellen Scheinwerfer sitzen und hätte die Aufmerksamkeit des Raumes inne. Nicht existierende, abwertende Blicke schienen sich förmlich in ihren Körper zu bohren und dies konnte sie natürlich nicht vor Sherlock verbergen. Sherlock setzte sich gerader hin und sah sich für einige Zeit sehr intensiv um, analysierte und beobachtete den gesamten Raum, konnte aber nichts feststellen, was solches Unbehagen bei Catherine bewirken könnte. „Warum? Was ist denn falsch mit ihr?“ „Ich weiß auch nicht…“, sagte Catherine schüchtern und versteckte sich beinahe hinter ihrer Speisekarte, um das rote Glühen ihrer Wangen zu verbergen. Sie wusste doch selbst, dass sie völlig überreagierte, aber dieses flaue Gefühl in ihrem Magen blieb. "Sie ist zu...zu..." „Zu was?“, fragte Sherlock vermeintlich ungeduldig, doch Catherine konnte auch Besorgnis in seiner Stimme hören. Seine durchdringenden Augen beobachteten sie genau und versuchten so eine Antwort zu finden. „Romantisch.“, spuckte es Catherine beinahe schon aus und holte tief Luft, als sie es ihm endlich gesagt hatte. „Was?“, fragte Sherlock ungläubig und sah sich noch einmal. Erst jetzt bemerkte er die romantische Musik, die aus dem Lautsprecher dröhnten, die Kerzen, die sich auf jedem Tisch befanden. Er roch den leichten Geruch von Rosen in der Luft und als er sich die Gäste näher betrachtete, so entdeckte auch er endlich, dass diese fast ausschließlich aus Pärchen, Ehepaaren oder Affären bestanden. „Oh…“, sagte er darauf, blinzelte aber dennoch und blickte fragend an. „Und?“ „Und?“ Sie beantwortete seinen mit einem ungläubigen ihrerseits. „Und?“ „Ja, und? Wo liegt dein Problem?“ „Mein Problem…“, wiederholte Catherine und holte tief Luft um ihn auf Grund seiner Insensibilität nicht an die Gurgel zu springen. „Mein Problem ist, dass ich nicht will, dass die Leute denken, dass wir hier ein Date haben.“ Sherlock wandte sich ihr zu und seine Augen funkelten amüsiert. „Warum, Cath, warum machst du mit mir Schluss?“, fragte er mit einem theatralischen Schniefen in der Stimme, doch das Glimmen blieb in seinen Augen. „Ich kann mich doch ändern!“ Catherine weitete ihre Augen vor Schock, grummelte und bewarf ihn mit ihrer Serviette, als er leise lachte. „Nicht lustig, Sherlock.“ Deutlich verstimmt verschränkte Catherine die Arme vor der Brust und ließ sich gegen ihre Stuhllehne fallen, während sie Sherlock missbilligend ansah. Als er bemerkte, dass sein Witz nicht den gewünschten Erfolg hatte, hörte Sherlock auf zu lachen und seufzte. „Du kennst Niemanden hier und wirst es höchstwahrscheinlich auch niemals. Du solltest dich nicht so sehr darum kümmern, was Fremde von dir denken, Catherine.“ Sie erwiderte den durchdringenden Blick Sherlock mit einem ebenso ernsten. Sie holte tief Luft, fuhr sich durch die Haare und sprach dann leise, aber kraftvoll: „Aber nachdem was geschehen ist, Sherlock, solltest du doch realisiert haben wir schädlich die Meinung der Öffentlichkeit sein kann.“ Verzweiflung spiegelte sich in ihren Augen, als sie ihn ansah und Sherlock meinte sogar kurz wieder Tränen in ihren hellblauen Augen zusehen. Obwohl viel Kraft in ihrer Stimme gelegen hatte, hatte er dennoch gehört wie sie leicht zitterte. „Du bist berühmt, Sherlock.“, fuhr sie mit Nachdruck fort. „Sie werden alles hinterfragen was du tust und auch jeder um dich herum. Das beinhaltet auch mich und ich würde es wirklich gern vermeiden, dass Gerüchte über mein nicht existierendes Liebesleben die Runde machen. Danke.“ Seitdem Sherlock zurückgekehrt war, hatte er bereits einige spektakuläre Fälle gelöst und somit war die Presse erneut wieder auf ihn aufmerksam geworden. Mittlerweile wurde erneut eifrig über seine Fälle berichtet und die Presse stürzte sich auf alles um ihn herum. Catherine glaubte ja, dass es eben seine Andersartigkeit, seine Arroganz, war, die ihn so anziehend wie das Licht für Motten machte. Es gab ihm eine sehr mysteriöse Aura, die unglaublich faszinierte. Schließlich war es ihr selbst nicht anders ergangen zu Beginn ihrer Geschichte. Gierig folgten sie all seinen Schritten in der Öffentlichkeit in der Hoffnung, dass sie etwas finden, als Erste, dass ihm etwas normales gab, diesen Zauber brach. Wieder runzelte Sherlock wieder die Stirn, lehnte sich im Stuhl zurück und trank ein Schluck Wasser. „Warum? Wird es nicht von der Gesellschaft erwartet, dass man ein erfülltes Liebesleben oder zumindest häufig wechselnde Sexualpartner hat? Das gibt dir doch eher etwas Normales.“ Sherlock vorheriges Amüsement verschwand und er blickte sie nur noch ruhig an. Es war ihm schon öfter aufgefallen, dass das eine von Catherines Schwächen war. In ihr hauste wirklich großes Potential, doch sie kümmerte sich zu sehr um das was andere von ihr denken. Zwar versuchte sie das häufig zu verstecken, doch Sherlock hatte längst bemerkt, dass ihr Selbstvertrauen eher dem Selbstschutz diente und gar nicht echt war. Zwar entsprach dies dem Verhalten, was durchaus von erwachsenen Menschen erwartet wurde, doch Sherlock beobachtete nur zu oft wie sie sich damit Dinge verbaute. Catherine hingegen schnaubte nur verächtlich und fixierte ihn mit einem stechenden Blick. „Etwas Normales?“, wiederholte sie verstimmt und kräuselte ihre Nase. „Ja, klar, besonders weil eine Beziehung mit Sherlock Holmes so was von normal wäre. Es wäre alles, außer das!“ Sie schüttelte ungläubig ihren Kopf. „Man…und du vergisst dabei auch einen ganz wichtigen Punkt, Sherlock.“ „Ach wirklich?“ Sherlock blinzelte und legte seinen Kopf schief. „Welchen denn?“ „Vielleicht die Tatsache, dass ich irgendwann gerne einen realen festen Freund hätte.“ „Warum solltest du denn das wollen?“, schnaubte Sherlock beinah schon angewidert und er verzog seine Mundwinkel, als hätte er etwas Verdorbenes gegessen. Catherine hingegen blinzelte nur einige Male. Das hatte er gerade doch nicht wirklich gefragt, oder? Oh Gott, warum las Sherlock nicht endlich das Buch, was sie ihm vor einiger Zeit geschenkt hatte? Sie konnte ihm doch nicht alles erklären. „Was ich gerne möchte, ist glaube ich etwas, worüber ich am besten Bescheid weiß, glaubst du nicht auch?“ Sie stützte ihre Wange in ihre Hand und sah ihn sichtlich verstimmt an und ihre Stimme genervt, als sie fortfuhr: „Und Niemand will in Konkurrenz mit Sherlock Holmes stehen. Heißt, wenn die Klatschmagazine aus uns ein Pärchen nehmen, werde ich für immer Jungfrau bleiben. Oh man, ich bin so froh, dass meine beiden Freunde so halbwegs damit zurechtkommen.“ Sherlock atmete laut aus und nahm noch einen Schluck Wasser. „Warum solltest du eine Beziehung haben wollen? Es ist so anstrengend.“ „Nun, weil ich zumindest noch ein bisschen normal bin und einfach das Bedürfnis verspüre eine zu haben.“, erklärte Catherine schlicht, zuckte mit den Schultern und trank ebenfalls einen Schluck. Ihre ganze Haltung, Körpersprache war gereizt und angespannt. Sherlock bemerkte wie die Wut in ihr wieder zu kochen begann. „Sollen wir nicht lieber das Thema wechseln, bevor wir wieder anfangen zu streiten und sie…“ Er deutete auf die anderen Gäste. „…anfangen zu denken, dass wir wirklich ein Paar sind. Catherine schnaubte und rieb sich genervt über die Stirn. „Fein. Aber seit wann weißt du, wann es am besten ist einen Streit zu vermeiden?“ „Ich habe es immer gewusst.“, grinste Sherlock amüsiert und seine Augen leuchteten. „Es war nur irrelevant.“ „Achso…“, murrte Catherine. „Also hast du dich nur wie ein unsensibler Klotz aufgeführt um uns zu ärgern?“ Sie schüttelte den Kopf und es ist wohl nicht verwunderlich, dass ihre Stimme ziemlich spöttisch war. Sherlock hingen grinste noch breiter und sagte schlicht: „Exakt.“ Catherine rollte mit den Augen und haute ihren Kopf auf den Tisch. Das Besteck klirrte von der plötzlichen Vibration und sie vergrub ihr Gesicht in ihren Armen. „Großartig…“, grummelte sie nur. „Kein Soziopath…nur ein gespielter.“ „Mehr oder weniger.“, sagte Sherlock in seinem typisch nüchternen Ton. „Manchmal war es eine wirklich gute Ausrede.“ „Ja…das habe ich schon verstanden“, sagte Catherine gedehnt, aber nicht mehr ganz so verstimmt. Sherlock ungewöhnliche Antwort hatte ihren Ärger durch Unglauben ersetzt. Er meinte sogar, dass er vorhin ein kurzes amüsiertes Funkel gesehen zu haben, aber der jungen Frau war es immer noch zu unbehaglich in diesem Restaurant. Zu seinem Glück jedoch gab sie ihren Konfrontationskurs auf. Sie nahm sich die Speisekarte und sah sie sich an um das Thema auf diese Art und Weise zu beenden. Dieses Vorhaben trug aber nur sehr kurz Früchte, denn ein Blick in eben jene verdarb ihr erneut mächtig die Laune. Sie seufzte schwer und stöhnte nur: „Oooh, wie wundervoll.“ „Was? Was ist diesmal dein Problem?“, erwiderte Sherlock nun sichtlich genervt und legte die Speisekarte ab. „Die meisten Gerichte sind Platten für zwei. Für zwei, Sherlock!“ „Und wo liegt das Problem? Sie sind gut gemischt und für jeden Geschmack etwas dabei.“ „Du verstehst es wirklich nicht, richtig?“ Sie schüttelte den Kopf und blickte ihn müde an. „ich glaube ich nehme nur einen Salat.“ Sherlock hob skeptisch eine Augenbraue und starrte sie ungläubig an. „Nur einen Salat? Du? Du hasst Salat, wenn er nur Beilage ist und du hast gesagt, dass du heute noch nichts gegessen hast.“ Catherine zuckte mit den Schultern. „Und?“ Sherlock seufzte und in diesem Moment kam seine väterliche Art durch. „Catherine, ehrlich, du grübelst zu viel. Niemand kann uns sehen.“, sagte er ruhig und tätschelte kurz beruhigend ihre Hand. „ABER…“, setzte Catherine verzweifelt an und hob ihren Blick. Plötzlich veränderte sich etwas in Sherlock. Er sackte ein wenig in sich zusammen und seine Augen bekamen einen leicht traurigen Ausdruck. „Wäre es wirklich so schlimm mit mir einer Beziehung zu sein?“, fragte er völlig überraschend und blickte Catherine an. War er wirklich so unausstehlich, dass allein der Gedanke solch eine heftige Reaktion hervorrufen würde? Auch wenn er es nicht zugab, ihr starker Protest hatte ihn schon ein wenig verletzt. Das war etwas, dass sich in den drei Jahren verändert hatte. Früher hätte ihn das vollkommen kalt gelassen, denn da hatte er seinen Schutzpanzer noch besessen, doch nun gab es einige wenige Menschen, die ihn durchaus verletzen konnten. Auch die Worte von Molly gingen ihm durch den Kopf und das, was Catherine ihn an den Kopf geworfen hat. War er wirklich dermaßen unsensibel? Natürlich war er sich dessen bewusst, dass er häufig aneckte und nicht immer der verständnisvollste Mensch der Welt war, aber dass Catherine wegen solch einer Bagatelle dermaßen reagierte, das stimmte ihn doch nachdenklich. „Ja, ja, wäre es.“, antwortete Catherine nur abwesend und setzte somit nochmal nach. Traurig senkte Sherlock den Blick und konnte es nun nicht mehr verbergen. Die Selbstzweifel hatten nun ihn, ihn, gepackt. Den sonst wohl selbstbewusstesten Menschen, den es gab. „Bin ich wirklich solch ein schlechter Mensch?“, flüsterte er leise und seine Stimme zitterte. Catherine runzelte irritiert die Stirn, hatte sie doch bisher nicht die Veränderung in Sherlock nicht bemerkt, da sie noch immer durch die Speisekarte schaute. Als sie jedoch den traurigen Blick in seinen Augen sah, seufzte sie leise. „Nein, kein schlechter Mensch. Du bist nur…Ich würde selbstfixiert sagen, aber nicht in diesem narzisstischen Bedeutungen wie es die meisten Menschen verstehen. Es ist nur, dass du manchmal vergisst, dass es noch andere Menschen gibt. Mit ihren eigenen Problemen, Gefühlen, Bedürfnissen, dem Wunsch nach Aufmerksamkeit, Beachtung und Anerkennung. Da du dies öfters vergisst, fühlen sich die Menschen verletzt und je näher sie dir sind, desto mehr ist dies der Fall, obwohl es logisch wäre, dass sie eigentlich wissen müssten, dass du dies eigentlich nicht willst. Es ist einfach…“ Sie zögerte kurz und überlegte. „Du verlierst dich in deinen eigenen Bedürfnissen, deiner Arbeit, deinen Gedanken. Nach einer Weile, fühlen sich die Menschen dann vernachlässigt. Niemand kann so etwas für immer ertragen, egal wie gut deine Intentionen eigentlich waren diese Beziehung einzugehen. Nun, keine normale Person zumindest.“ Sherlock holte tief Luft und stieß diese leise aus. Klang ja nicht gerade rühmlich für ihn. „Oh…“ Sie runzelte nur noch mehr die Stirn, nun sichtlich verwirrt darüber wie traurig es ihn zu machen schien. In diesem Moment war all ihr Unbehagen und Frust verschwunden. „Hey…“, flüsterte sie sanft. Zärtlich umfasste sie eine Hand von ihm und drückte sie. „Das macht aus dir keine schlechte Person. Sherlock, du bist ein guter Mensch, nicht nur ein großartiger. Wenn halt auch nur ein wenig schwieriger zu handhaben als ein durchschnittlicher.“ Sie lächelte ermutigend und strich kurz über seinen Handrücken. „Das was du damals getan hast für uns, was du bereit warst auf dich zu nehmen um uns zu schützen, beweist dies mehr als all die hohlen Worte, die leere Versprechungen, die die Menschen von sich geben. Du bist für die Menschen da, die dir wichtig sind, wenn auch auf eine außergewöhnliche Art und Weise. Diese zu verstehen wird für die meisten Menschen wohl immer umöglich bleiben, aber wir schätzen sie. Ich glaube einfach nur, dass diese Art in einer Beziehung zu Schwierigkeiten führen könnte, weil, wenn man einen Menschen liebt, Sherlock, dann kann die kleinste Kleinigkeit unglaublich verletzen. Das heißt aber nicht, dass du ein schlechter Mensch bist.“ „Das klingt nicht gerade überzeugend.“, sagte Sherlock leise. „Sherlock…“, setzte Catherine noch einmal an und drückte seine Hand erneut. „Wenn du wirklich ein schlechter Mensch wärest, glaubst du ernsthaft, wir würden uns solche Mühe geben mit dir klarzukommen, dich zu mögen und dich als unseren Freund zu haben? Du bist ein guter Mensch, besser als es die meisten je sein werden, doch du zeigst es auf eine sehr außergewöhnliche Art.“ Sherlock hob den Kopf, sah ihr in die Augen, seufzte aber schließlich und nickte. „Ich glaube dir.“, sagte er dann zu ihrer Erleichterung. Sherlocks Traurigkeit hatte sie bekümmert und Catherine war sich für einige Zeit nicht sicher gewesen, ob sie die richtigen Worte finden würde um es ihn verständlich zu machen. „Aber ist es wirklich so unangenehm für dich mit mir hier zu sein?“ Catherine lächelte und drückte seine Hand ein letztes Mal zur Beruhigung, bevor sie sie wieder freigab und sich in ihrem Stuhl zurücklehnte. „Ja, ist es. Aber das hat nichts mit dir zu tun…nun nicht mit dir als Person. Es sind eher die Umstände. Du kannst vielleicht das mediale Interesse um deine Person ignorieren, Sherlock, aber ich kann es nicht. Mich…nun…mich macht es nervös.“ „Cath…“, sagte er sanft, als er nun endlich ein wenig zu verstehen begann, was sie so bekümmerte. „Es ist egal, was andere von dir denken und es sollte vor allem nicht dein Verhalten beeinflussen.“ „Ich weiß das, Sherlock.“, erwiderte Catherine verzweifelt und blickte heftig auf. „Glaub mir, ich weiß es. Rein logisch gesehen, macht das alles Sinn, aber ich bin dennoch besorgt. Eine falsche Bewegung, ein falsch gewähltes Wort und alles kann wieder so werden wie damals.“ Ihre Stimme wurde immer leiser und sie schluckte hart. Hilflos umklammerte sie nun ihre eigenen Hände und fuhr sich immer wieder mit ihren Schneidezähnen über ihre Unterlippe. Dies war ihre größte Angst. Dass eben jenes Horrorszenario wiederkehren könnte. Es beängstigte sie so sehr, dass es Catherine vollkommen beklemmte und unnötig unruhig stimmte. „Wenn ich einen Fehler mache…“, fuhr sie flüsternd fort. „Könnte es nicht nur mich betreffen…es könnte auch dir schaden.“ Sherlock sah sie überrascht an und er starrte sie an. So sehr dachte sie an ihn? So sehr sorgte sie sich um ihn. Selbst Sherlock konnte in diesem Moment nicht kalt bleiben. Diese kleinen Worte rührten ihn. „Ich schätze es, dass du dir darüber Gedanken machst, Cath, wirklich, aber…bitte denk nicht zu sehr darüber nach, ja?“ Er blickte sie bittend an. Er wollte nicht, dass Catherine ihr Verhalten um ihn herum veränderte. Er mochte den entspannten, lockeren, oft ziemlich bissigen Umgang, den die beiden miteinander pflegten und wenn dies auf Grund von der Presse verschwinden würde, wäre das sehr bedauerlich. Um ehrlich zu sein, er wusste dann nicht, ob er sich dann noch mit ihr umgeben könnte. Schließlich war es genau das, was er an ihr schätzte. Catherine hingegen schloss nur die Augen und strich sich ihre Haare über die Schulter. „Ehrlich, Sherlock, ich bin besorgt. Wir…“ „Catherine…“, unterbrach Sherlock sie bestimmt. „Das sollte uns nicht den Abend verderben. Nun gut, es mag ja vielleicht sein, dass dies ein Restaurant ist, dass normalerweise von Paaren besucht wird. Aber seit wann interessiert es uns, was normale Menschen tun?“ Sie blickte ihn mit einem seltsam nachdenklichen Blick an und seufzte. „Du hast ja Recht, Sherlock. Es sollte mich nicht so sehr kümmern. Ich meinte, es ist ein nettes Restaurant und wir sollten einfach den Abend genießen.“ Es klang eher als würde sie sich Mut zusprechen und Gründe suchen um hier zu bleiben. Etwas, das Sherlock bekümmerte, auch wenn er es selber gar nicht so empfand. Stattdessen zeigte er ein kleines Lächeln. „Das klingt schon eher nach dir, Catherine.“ Damit blickte er wieder in die Speisekarte. „Aber, Sherlock, eine Frage müssen wir noch klären.“, sagte sie geheimnisvoll und hob ihre Augen von der Speisekarte. „Und die wäre?“ „Wer wird bezahlen?“, fragte sie amüsiert und wedelte mit einem Löffel vor der Nase herum, der zu ihrem Kaffee gehörte. Sherlock hingegen sah sie skeptisch an und zog eine Augenbraue hoch. „Wer wird bezahlen? Das ist ja wohl deine Aufgabe, schließlich hast du mich eingeladen.“, erklärte er ruhig und trank einen Schluck Wein, den er bereits beim Kellner bestellt hatte. „Das ist schon richtig.“, gab Catherine in ruhigen Ton zu und legte einen liebreizenden Augenaufschlag hin, obwohl dieser bei Sherlock natürlich völlig unbeachtet blieb. „Aber für solch ein Restaurant habe ich wahrlich nicht genügend Geld dabei.“ Seitdem Catherine überfallen worden war, trug diese nur noch so viel Geld wie möglich bei sich. Alles, was mehr als fünfzig Pfund kosten sollte, bestellte sie online und ließ es sich nach Hause liefern. Auch ihre Bankkarte nahm sie nur dann mit, wenn sie wusste, dass sie noch Geld abheben müsste. Glücklicherweise war Sherlock in den Stunden ihres Überfalls geistesgegenwärtig gewesen und hatte Mycroft Bescheid gegeben, dass er ihre Bankkarte sperren sollte und dass sie neue Ausweispapiere von ihm bekomme. Das hatte ihm natürlich nicht behagt, doch er wusste zu gut, was ein gewiefter Dieb- und ein verzweifelter noch dazu- mit solch einer Beute anstellen konnte. Deshalb hatte Catherine nun Vorbereitungen getroffen, damit bei einem erneuten Angriff der Schaden nicht ganz so groß ist und sie Sherlock nicht erneut zur Last fallen würde. „Dann haben wir ein Problem.“, erwiderte Sherlock. „Dich dachte du würdest mich einladen. Ich habe kein Geld.“ „Dir ist aber schon bewusst, dass diesen einen Denkfehler beinhaltet, Sherlock, oder? Normalerweise ist es die Aufgabe des Mannes, die Frau einzuladen.“ Catherine blickte ihn amüsiert an und wartete darauf, was er erwidern würde. „Das stimmt, aber das würde ja voraussetzen, dass wir auf einem Date wären.“ Sherlock blieb durchweg gelassen und lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück. Catherine hingegen schnaubte, sah ihm in die Augen, konnte sich dann aber ein Lachen nicht verkneifen. „Guter Punkt.“, gestand sie ein. „Also, was machen wir nun? Ich kann wirklich nicht bezahlen.“ „Du könntest Geschirr spülen.“, schlug er vor. „Und meine wundervollen Hände ruinieren? Tzzz…also bitte!“, kicherte Catherine und zwinkerte ihm zu. „Aber ich soll dies tun?“, lachte Sherlock. „Nun, hast du Geld?“ „Was, wenn ich nein sage?“, fragte Sherlock und seine hellblauen Augen leuchteten sie neugierig und amüsiert zugleich an. „Dann.“, sagte Catherine gedehnt, denn sie wusste, dass ihr nächster Vorschlag ihn schwer treffen würde. Sherlock hingegen beobachtete sie und zog eine Augenbraue hoch, denn er kannte den Gesichtsausdruck von ihr nur allzu gut. „Müssen wir wohl Mycroft anrufen.“ „Niemals!“, rief Sherlock ungehalten aus und haute auf den Tisch, dass die Weingläser klirrten. Und die Wasserflasche ihres Tisches Erzitterten. In ihrer unmittelbaren Umgebung wurde es unbehaglich still und einige der Gäste drehten sich zu Sherlock um, dessen Nasenlöcher bebend Luft ausstießen. Seine Brust hob und senkte sich schwer, während seine glühenden Augen Catherine beinahe durchbohrten. Diese drehte sich allerdings lachend zu den beunruhigten Gästen zu und winkte beschwichtigend ab. „Beruhige dich, Sherlock.“, gluckste Catherine noch immer über Sherlocks wohl einziges Rotes Tuch auf das er zu stürmte wie ein blinder Stier. „Wir werden einen Weg finden.“ Sherlock holte tief Luft und nahm hastig einen Schluck Wein, bevor er ausatmete und sich somit beruhigte. „Nun, sieht danach aus, als müsste ich mein letztes Geld opfern.“, seufzte Sherlock schwer, doch ein amüsiertes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. „Oh, soll ich dich nun etwa bemitleiden.“, antwortete Catherine mit einem leicht sarkastischen Unterton und grinste. „Das wäre durchaus angebracht.“ „Oooooh…armer Sherlock.“ Ihr Ton war übertrieben mitfühlend, dass es nur noch spöttisch klang. Sie lehnte sich vor, klopfte auf seine Schulter und lehnte sich dann zurück. //Es ist ja nicht so, dass John die meisten alltäglichen Sachen bezahlen würde.//, dachte sie und schmunzelte innerlich. „Das ist nicht wirklich überzeugend.“ Sherlock verzog missmutig den Mund. „Okay, fein. Wir werfen unsere Ressourcen zusammen. Ist das für dich akzeptabel?“ Sie grinste und beendete ihren Satz in einen übelerregenden, verruchten Ton, den Marilyn Monroe beeindruckend gefunden hätte und doch gleichzeitig derbe übertrieben war. „Mr. Holmes?“ Sherlock hingegen blinzelte und sprach in einem strikten, väterlichen Ton: „Nur, wenn du mir verspricht nie wieder in diesem Tonfall mit mir zu reden. Das ist verstörend.“ Catherine grinste glücklich. „Deal.“ Danach besprachen die beiden, was sie bestellen sollten und entschlossen sich eine Platte mit verschiedensten Pastagerichten zu teilen. Daraufhin gab Sherlock die Bestellung auf und orderte nun einen Wein, der zu ihrem gewählten Gericht passte. Diese Gelegenheit nutzte Catherine um über seine Weinkenntnisse zu witzeln und ihn damit aufzuziehen, ob sie hier nicht vielleicht doch einem Lord gegenüber saß. Natürlich hatte ihm das nicht gefallen und er hatte heftig protestiert oder spöttisch gekonnt, sodass Catherine nicht widerstehen konnte und ihn immer weiter aufzog. Als der Wein kam, hatten beide aus ihrer Witzelei heraus begonnen über das Klassen- und Bildungssystem zu diskutieren, wo Sherlock auch weiterhin beteuerte, dass er keiner adligen Abstammung war. „Ich will dich nur nochmal daran erinnern, dass ich dir nicht alles glaube, was du mir erzählst, Sherlock.“, erwiderte Catherine und beendete damit die Diskussion mit einem Schmunzeln. „Zum Wohl, My Lord.“ Sie hob ihr Glas und entlockte Sherlock ein genervt erklingendes Grollen, obwohl er immer noch grinste. Er genoss einfach diese Spiele mit ihr. „Zum Wohl, meine Lady.“ Sie nippten an ihren Wein, den Sherlock als gut befanden hatte, warteten bis der Kellner gegangen war und diskutierten dann über ihre Arbeit. Obwohl das Restaurant gut besucht gewesen war, als Sherlock und Catherine eingetroffen waren, wurde ihre Mahlzeit schnellgeliefert. Auf einer schönen Kupferplatte mit drei Teelichtern wurden fünf verschiedene, fein aufgetischte Nudelvarianten hergerichtet. Es duftete herrlich nach Sahnesoße und nach fruchtigen Wein und so verwunderte es nicht, dass es ein schöner Abend wurde. Eifrig diskutierten sie über Gott und die Welt, witzelten und zogen sich gegenseitig auf, während sie Wein tranken und köstliche Pasta aßen. Anschließend folgten noch ein ausgedehntes, süßes Dessert und mehrere Cappuccino beziehungsweise Kaffee. Aber alles Schöne musste irgendwann ein Ende haben, egal wie gelöst die beiden waren und wie köstlich sie sich auch amüsierten und somit rief Sherlock nach dem Kellern und verlangte die Rechnung. Dieser kam schnell mit Gefragten und entfernte das schmutzige Geschirr vom Tisch. Sherlock zog seine Geldbörse aus seiner Jackettasche hervor und schüttelte den Kopf, als Catherine in ihre Handtische griff um ihre herauszuholen. „Nicht, Catherine. Das geht auf mich.“, sagte er ruhig und begann das Geld abzuzählen. Catherine hingegen hielt inne und sah ihn verwirrt an. „Ich dachte, du hättest kein…“ „Ich habe gelogen.“, unterbrach er sie trocken und doch lächelte er wie immer. Catherines Mund fiel hinan und sie starrte ihn verblüfft an. „Sherlock!“ „Es bracht dich dazu dich wieder normal zu verhalten, nicht wahr?“ Er lächelte beinah väterlich und ein Ausdruck lag in seinem Blick, den Catherine bisher noch nie gesehen hatte. Sie starrte ihn an, ihr Mund öffnete sich wie das Maul eines Fisches auf dem Trockenen, doch kein Laut entrang ihrer Kehle. Sie war einfach wortlos und sie wusste beim besten Willen nicht was sie davon halten sollte. Irritiert ließ sie sich in ihren Stuhl zurückfallen. „Du wahrhaft ein Stück Arbeit, Sherlock.“ Sie lächelte ihn warm an. „Ich meine ein wirklich hartes Stück Arbeit.“ „Danke.“, sagte Sherlock und lächelte, als hätte sie ihm gerade einen Oskar verliehen. Der Kellner kehrte sobald zurück, Sherlock reichte ihm dann doch seine Kreditkarte und verließ den Tisch. Alsbald kehrte er zurück und wünschte ihnen einen wunderschönen Abend und dass er hoffe, sie bald wieder begrüßen zu dürfte. Catherine hoffte dies allerdings nicht, dankte ihn aber, während Sherlock ihn ignorierte. Sie standen beide auf und wollten sich auf den Weg zum Ausgang machen, doch dazu mussten sie das gesamte Restaurant erneut durchqueren. Während Sherlock sich nur auf den Ausgang fokussierte, bemerkte Catherine wie ihnen die anderen Gäste skeptische Blicke zuwarfen. Einige von ihnen waren gar so höflich, dass sie sich zu ihnen umdrehten und hinter hervorgehaltener Hand tuschelten. Catherine behagte dies nicht und plötzlich veränderte sich ihre Körpersprache. Sie hob ihre Schultern und senkte ihren Kopf um sich so gegen das Geflüster abzuschirmen. Sherlock allerdings war zu konzentriert um dies zu bemerken. Ein älteres Ehepaar drehte sich nach ihr um. Der Mann, ungefähr Ende fünfzig mit schütterem Mann und Übergewicht, schnaubte und die Frau warf ihr einen brüskierten Blick zu. „Wie obszön.“, sagte die Frau unverhohlen. „Was glaubst du, Hermann, wie viel jünger ist sie? 15 Jahre vielleicht.“ „Möglich.“, grummelte er und zog seine Augenbrauen hinab. „So etwas sollte nicht erlaubt sein. Als ob dies wahre Liebe sein könnte. Sie will nur sein Geld“, keifte die Frau beinahe und sie schien mit jedem Wort Galle zu spucken. Der Mann nickte nur zustimmend und doch betrachteten seine Augen sie vollkommen unverhohlen mit gierigem Glanz. Catherine hatte all dies gehört und ihre Augen bekamen einen traurigen, tief verletzten Ausdruck. Warum sagten sie es nicht direkt? Warum sprachen sie es nicht aus? Für sie war sie nichts weiter als eine Hure. Sie holte kurz zittern Luft und beschleunigte dann ihre Schritte bis sie Sherlock erreicht hatte und versuchte zu überhören, was die Gäste sagten, doch jedes Wort tat weh, als wäre es ein spitzer Dolch. Sie war schlicht zu sensible um dieses boshafte Gerüchtegeschwätz zu ignorieren. Sherlock hingegen stand nun schon bereits an der Eingangstür und wartete auf sie. „Cath, beeil dich. Wir sollten nicht zu spät nach Hause kommen.“ Er bezog sich hierbei natürlich darauf, dass John meinen könnte, dass passiert sein könnte, doch für die Anwesenden konnte es durchaus anders interpretiert werden, wenn sie denn gewillt waren dieses zu tun und bei Gott, das waren sie. „Ich komme.“, antwortete sie hastig und schlurfte zu ihm, während ihr Körper noch immer in Abwehrhaltung war. Sherlock bemerkte es und platzierte eine Hand an ihren Ärmel um sie nach draußen zu führen. Er lehnte sich zu ihr hinab und flüsterte in ihr Ohr: „Bist du in Ordnung?“ Catherine holte tief Luft und versuchte nicht zu zeigen wie sehr sie verletzt war. //Ich sollte mich auf Situationen wie diese vorbereiten. Unsere Beziehung erscheint seltsam für Außenstehende. Was denke ich denn da? Das ist es selbst für mich. Kein Wunder, dass alle denken, dass wir in einer Beziehung sind.// Noch einmal holte sie tief Luft, bevor sie antwortete. „Ja, alles in Ordnung, Sherlock. Ich bin nur ein bisschen träge von all dem Essen.“ Sie lächelte überzeugend. In all den Jahren hatte sie gelernt ein perfektes, falsches Lächeln zu zeigen, sodass Sherlock und John sich nicht sorgten. Es war ihre Art stark zu sein und die beiden zu unterstützen. Würde es ihnen helfen, so würde sie stets lächeln, auch wenn sie innerlich weinte. Ihr seltsames Verhalten war Sherlock natürlich nicht entgangen. Catherine lächelte noch immer, wandte dann aber den Kopf ab. Sherlock hingegen betrachtete sie, ohne dass sie es bemerkte, da sie den Boden mit ihren Blick gerade zu aufspießte. Er seufzte leise, aber er wusste, dass er keine wahre Antwort von ihr erhalten würde, selbst wenn er sie fragen würde. Auch das war eine Form der Loyalität. Ihre Form. Sie verließen das Restaurant und liefen durch das geschäftige Nachtleben Londons. Es war ein Freitagabend und viele Leute waren auf den Straßen. Ein Paar passierte sie und das Mädchen sah sie an, während sie ihre Nase rümpfte. London war zwar liberal, tolerant und anonym, doch Kleingeister gab es überall und jeder Mensch liebte es andere zu missachten, wenn er sich selbst dadurch besser fühlte. Catherine bemerkte ihren seltsamen Blick und hörte wie sie leise etwas flüsterte. Diese kleinen, geflüsterten Worte waren so abgrundtief, dass sie ihr Herz hinabzogen. Catherine zuckte sich zusammen und sie schlang ihre Arme um sich. Tränen begannen ihre Augen zu füllen und sie zitterte. Sherlock sah zu ihr hinab und beschloss, das dies genug war. „Komm mit!“, flüsterte er bestimmend und packte sie bei ihrem Ärmel. Catherine stolperte hinter ihm her. „Sherlock? Sherlock! Wo gehen wir hin?“, fragte sie irritiert. Er antwortete hingegen nicht, sondern ging zielstrebig zu einem Park, der sich in der Nähe befand, und führte sie zu einer Bank. Er setzte sich hin und bedeutete ihr dasselbe zu tun. Catherine sah ihn verwirrt an, gehorchte ihm aber und setzte sich. „Was hat sie gesagt?“, fragte Sherlock eindringlich, doch Catherine verstand es nicht. „Was?“ „Die Frau auf der Straße. Nachdem sie dir etwas zugeflüstert hatte, bist du zurückgestolpert und du hattest Tränen in den Augen. Ähnlich war es in dem Restaurant. Deine Körpersprache war so abwehrend wie nur möglich. Also, was hat sie zu dir gesagt?“ Sherlock betrachtete sie nachdenklich, während er auf ihre Antwort wartete. Catherine hingegen starrte ihn mit geweiteten Augen an und begann erneut zu zittern, während sie sich in den Stoff ihres Mantels krallte- einen, den Sherlock ihr geschenkt hatte, als er festgestellte hatte, dass ihre Jacken wahrlich ungeeignet waren für den Winter. „Schlampe…“, flüsterte sie leise und holte tief Luft. „Hure. Geldgierige, sich sozial nach oben schlafende Nutte.“ Sherlock runzelte die Stirn. „Und?“ Catherine blinzelte und starrte Sherlock verletzt und schockiert an. „Du hast wirklich nicht gesehen wie sie mich in dem Restaurant angestarrt haben? Ihre Augen voller Abscheu, als wäre ich das unwürdigste Stück Dreck. Eine Hure, die sich selbst verkauft nur um Geld zu erlangen. Eine Frau sagte, es sollte verboten sein.Ich sollte verboten werden…“ „Und?“ „Und?“, wiederholte Catherine ungläubig. „Sie denken, dass du mich bezahlst oder…dass ich nur dein Geld wolle.“ Sherlock sah Catherine überrascht an, als er erkannte wie sehr es sie wirklich betrübte, wie tief es sie verletzte. Er lehnte sich gegen die Bank und sah sie an. „Warum hast du nichts gesagt?“ „Und was hättest du getan, wenn ich es getan hätte? Dasselbe wie mit dem Agenten der CIA?“ Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und versuchte verzweifelt nicht zu weinen. Es tat weh, es tat so weh. Sie wollte doch nur ihr Leben genießen und sie hatte gedacht, dass sie es nun wieder könnte, doch nun stand sie vor einem anderen, weitaus schwieriger einzuschätzenden Problematik. „Es wird niemals enden. Es wird uns immer beherrschen.“, flüsterte sie zu tief betrübt. „Was?“ „Die Gerüchte…es wird uns nie in Ruhe lassen. Ich meine…erst dieses Desaster mit Daniel, der noch immer das glaubte, was Moriarty einst säte. Und nun…nun wo du wieder berühmt wirst, werden sie alles wieder genau beobachten. Es wird alles betreffen, was wir tun. Es wird nie wieder wie zu Anfang sein.“, flüsterte sie verzweifelt. Sherlock seufzte und wusste nicht was zu tun war. „Catherine?“ Sie antworte nicht, stattdessen zitterte sie immer mehr, während sie gegen die Tränen kämpfte. Er seufzte erneut. „Cath?“ Sie schniefte, antwortete aber immer noch nicht. Sherlock zog sanft ihre Hand weg von ihrem Gesicht und flüsterte: „Catherine, sieh mich an.“ Sanft legte er seine Finger unter ihr Kinn und hob ihren Kopf an, sodass sie ihm direkt in die Augen sah. Ihre eigenen wackelten und Tränen befeuchteten ihre Augäpfel. „Hör mir zu. Diese Leute da draußen…“ Er gestikulierte mit seinem freien Arm und umfasste damit den Park und sinnbildlich die gesamte Welt. Danach ließ er ihn sinken und platzierte ihn unbewusst hinter und um Catherines Schulter. „Sie sind nichts. Nichts weiter als leere, unbedeutende Hüllen auf der Suche nach allem, dass die Sinnlosigkeit, die ihr Leben darstellt, etwas voller aussehen lässt. Wir sind besser als sie, begreifst du das? Wir sind intelligenter, als sie es jemals sein werden und das macht uns ihnen überlegen. Darum suchen sie nach Fehlern, damit sie sich nicht mehr so unzulänglich fühlen. Lass sie doch ihre Skandale kreieren, wir haben das nicht nötig. Ihr Opfer ist willkürlich und hat nichts mit der Person zu tun. Und soll ich dir was verraten? Im Endeffekt ist es irrelevant was sie denken. Du weißt, ich weiß und all jene, die uns nahe stehen wissen, was die Wahrheit ist. Du bist eine freundliche und anständige Person und nicht eine dumme oder langweilige. Wenn sie das nicht sehen wollen, dass soll es ihr Verlust sein.“ Catherine lächelte traurig. „Du bist nicht wirklich gut darin Freunde zu trösten, oder?“ Sherlocks Gesichtsausdruck fiel. „Oh. Nun, ich habe es versucht.“ Catherine schüttelte ihren Kopf und lächelte noch immer traurig. Gerade als Sherlock sich zurückziehen wollte, legte Catherine einen Arm um seine Schulter und umarmte ihn, während sie ihr Gesicht an seinem Hals vergrub. Catherine schloss die Augen, als Sherlock sie in die Arme nahm. Noch immer konnte sie es kaum glauben, geschweige denn verstehen, doch wenn er sie umarmte, dann hatte sie das Gefühl am sichersten Ort der Welt zu sein. Es war als könnte die Welt untergehen in diesem Moment und ihr würde nichts passieren. „Danke.“, flüsterte sie. Sherlock hingegen gefror für einen Moment, bevor er seine Arme um sie legte und sie ebenfalls umarmte. Ihr Haar kitzelte in seiner Nase und er roch ihr Shampoo, doch vor allem spürte er ihre Wärme und ihren Herzschlag. „Gern geschehen, Catherine.“ Sofort zog Catherine zurück um ihn nicht zu überfordern und sie lächelte. Sie fühlte sich besser, obwohl ein gewisser Grad an Sorge in ihr verblieb. „Können wir nun nach Hause gehen?“, fragte sie und wischte sich die Träne aus ihren Augen. Sherlock lächelte. „Sicher.“ Er stand auf, nahm ihre Hand und zog sie auf die Füße. Unbewusst legte er dabei ihre Hand in seine Ellbogenbeuge. Die zwei verließen den Park, gingen zur Straße und riefen dann ein Taxi zur Bakerstreet um anschließend in der Nacht zu verschwinden. Keiner von ihnen ahnte, dass dieser kleine Zwischenfall bereits die ersten kleinen Wellen schlug und bald einige größere folgen würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)