Unverhoffte Nachbarn von Jeanne-Kamikaze- (Wenn Nachbarn interessant werden) ================================================================================ Kapitel 25: Vertrauen --------------------- Sherlock saß am Fenster und blickte stumm auf die unbewegte Straße unter ihm. Es war drei Uhr Morgens und die Bakerstreet war wie ausgestorben. Nachdem selbst die Sandwichbar und der Chinese geschlossen waren, verirrte sich Niemand mehr hierher und die so gewöhnlichen Bewohner der Bakerstreet lagen friedlich in ihren Betten und schliefen. Schlafen…Sherlock verzog kurz das Gesicht. So etwas Unnötiges. Im Schlaf konnte man nicht denken, aber es gab noch etwas anderes, was ihn daran anwiderte. In Träumen wurde man mit dem konfrontiert, was man im Alltag verdrängen konnte. Wenn Sherlock schlief, war er stets mit seinen Gefühlen konfrontiert worden, dabei hatte er nur all zulange versucht das Bild aufrecht zu halten, dass er keine Gefühle hätte. Seine Träume hatten ihn nur viel zu oft das Gegenteil vor Augen geführt. Er seufzte und fuhr sich müde durch seine dunklen Locken. Auch diese Nacht hatte er wieder geträumt. Geträumt von den schlimmsten drei Jahren seines Lebens. Schlimmer als die Jahre, die er im Drogensumpf verbracht hatte. Seine Augen schlossen sich, als all die Bilder zurückkehrten. Sherlock hatte selten Alpträume gehabt, höchstens als Kind, doch heute Nacht hatte er einen gehabt. Dabei hatte er es stets geschafft, sobald er sich seiner Fähigkeiten bewusst geworden war, alles so weit von sich zu schieben, dass sein Gehirn ihm keine Schreckensbilder zeigte. Diese Nacht jedoch war es anders gewesen. Aber warum eigentlich? Was war anders gewesen? Ratlos strich er über das Leder der abgenutzten Couch und blickte aus dem Fenster. Sherlock wusste es wirklich nicht. Er war doch wieder zu Hause und alles war besser gelaufen, als er es sich vorgestellt hatte. Sie alle hatten ihm verziehen, sie hatten sich gefreut, dass er wieder da war, und doch ließ ihn das Grauen nicht los, was er die drei Jahre erlebt hatte. Der Schrecken des Alleinseins. Nie hätte er gedacht, dass es ihm so viel ausmachen würde. Früher hatte er die Stille der Einsamkeit genossen, hatte sich nichts mehr gewünscht, als endlich in Ruhe gelassen zu werden, doch das reichte ihm nicht mehr. Eigentlich hatte er in den drei Jahren alles gehabt, was er sich wünschen konnte. Ruhe, einen spannenden Fall, der all seine Fähigkeiten beanspruchte, Gefahr, den Kick besser zu sein als seine Gegner, doch die Euphorie, die er sonst empfand, war ausgeblieben. Stattdessen hatte die Situation ihn unruhig werden lassen und teilweise war der Drang nach Drogen zu greifen wieder stark in ihm erwacht. Wie paradox. Das, was er sich früher gewünscht hatte, belastete ihn so sehr, dass er wieder Drogen hatte nehmen wollen und in der Zeit, wo er etwas gehabt hatte, was er niemals hatte haben wollen, hatte er nie den Drang nach ihnen verspürt. In all der Zeit hatte er sich nichts mehr gewünscht, als dass er schneller wäre, damit er in die Vertrautheit zurückkehren konnte. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte Sherlock Dinge getan, die jeder seiner Freunde verabscheuungswürdig nennen würde. Er hatte sich auch mehr als einmal in Lebensgefahr begeben, denn etwas war ihm bewusster denn je geworden: Wenn er es nicht schaffen würde sein Ziel zu erreichen, wenn er niemals in die Bakerstreet zurückkehren könnte, dann hätte sein Leben auch keinen Sinn mehr. Das Leben was er früher geliebt hatte, füllten ihn nun nicht mehr aus und lieber würde er bei dem Versuch wieder in die Bakerstreet zurückzukehren drauf gehen, als stumpfsinnig irgendwo im Ausland weiter zu leben. Seine Gedanken, während er Moriartys Hintermänner gejagt hatte, hatten stets John, Mrs. Hudson, Lestrade und sogar Mycroft gehört, die auf ihn warteten. Dies hatte er stets im Hinterkopf gehabt. Er hatte es ja bei seiner Trauerfeier gesehen. Johns Abschied, seine Tränen hatten ihn fast zerrissen und sie hatten ihn verfolgt, waren ein Sinnbild dafür gewesen, was er alles verloren hatte. Auch deshalb hatte er in diesen drei Jahren nur dann geschlafen, wenn sein Körper bereits mit allen Stimmen danach geschrien hatte, denn im Traum hatte er seinen verzweifelten Ausdruck gesehen, seinen Schrei gehört. Es war sein Trauma und seine Motivation zu gleich gewesen. „Sherlock?“, riss ihn eine ruhige Stimme plötzlich aus den Erinnerungen und er wirbelte herum. John stand in der Tür, gekleidet in einer Stoffjacke und seiner typischen Hemd plus unmöglichen Pulli Kombination. Er war offensichtlich weggewesen. Reif hatte sich auf seinen Schultern abgelagert und seine Wangen waren gerötet und er zitterte noch ein wenig von der Kälte. „Alles in Ordnung?“ John betrachtete ihn mit seiner ständig gerunzelten Stirn, trat ins Wohnzimmer und hing Schal und Jacke an die Garderobe. „John…“, sagte er nur überrascht und erwiderte den durchdringenden Blick des Blonden. „Solltest du nicht im Bett liegen und schlafen?“ „Ich konnte nicht schlafen.“, erwiderte sein bester Freund mit einem Schulterzucken. „Ich war draußen spazieren um alles zu verarbeiten.“ „Verstehe…“, murmelte Sherlock und zog die Beine noch etwas mehr an. Natürlich musste John das. Drei Jahre war er der festen Überzeugung gewesen, dass er tot gewesen wäre und dann tauchte er plötzlich wieder auf und verlangte, dass alles wieder so wie früher wäre. Offensichtlich hatte er sich selbst jetzt egoistisch verhalten, wollte er doch sein altes Leben wieder und es war ihm egal gewesen, ob seine Gefährten nicht vielleicht schon ein neues begonnen hatten. Ein ruhiges, beschauliches, ohne den allesbestimmenden Sherlock Holmes. „Hattest du einen Alptraum?“ Sherlock blickte auf und bemerkte erst jetzt, dass John direkt vor ihm stand und sein Gesicht eingehend musterte. Ihm war das unangenehm und er warf ihm seinen bösen Blick zu. Sherlock hatte sich geschworen niemals Jemanden davon zu erzählen, was er getan hatte um wieder hierher zu kommen. Wirklich niemals. Aber offensichtlich war er nicht mehr gut darin seine Maske aufzusetzen oder John kannte ihn mittlerweile zu gut. Aber konnte das sein? Schließlich konnte es Sherlock selbst nicht mehr vor sich selbst verneinen wie sehr er sich verändert hatte in diesen drei Jahren. Wie konnte John ihn dann noch kennen? Aber dieser Blick durchdrang Sherlock jedes Mal. Es war ein Blick, der zeigte, dass John sehr gut verstand was in ihm vorging. Vielleicht sogar noch besser als er selbst. „Du wirkst ein wenig verstört.“ „So etwas Dummes.“, fuhr Sherlock ihn aus Selbstschutz an und seine Augen funkelten wütend. „Schon gut.“, wehrte John seufzend ab und verschwand in der Küche um einen Tee zu kochen. Als er zurückkehrte, starrte Sherlock bereits wieder nachdenklich aus dem Fenster. Er wollte eigentlich nicht, dass John danach fragte, aber natürlich konnte er es ihm nicht vorwerfen. „Hier.“, sagte er sanft, als er wieder vor ihm stand und ihm eine dampfende Tasse hinhält. „Das wird dir gut tun.“ Sherlock betrachtete die Tasse einige Momente skeptisch, denn er wusste nur zu gut, dass wenn er sie annahm, John darüber sprechen wollte. Aber diese nett gemeinte Geste abzulehnen würde ihn auch verletzten- glaubte Sherlock zumindest. Dieser Gefühlskram war wirklich nicht so leicht zu durchdenken und einzuschätzen. „Danke…“, war das Beste und Unverfänglichste, was ihm einfiel. Er nahm die Tasse, genoss den Geruch der Kamille und nahm vorsichtig einen Schluck. John ließ sich in der Zeit in dem Sessel nieder, der Blickkontakt mit der Couch gewährte, und betrachtete Sherlock nachdenklich. „Was ist in den drei Jahren passiert, Sherlock?“ „Ich habe doch gesagt, dass ich nicht darüber reden möchte. Reicht es nicht, dass du nun weißt, dass ich die Hintermänner gejagt habe?“, seufzte Sherlock und stützte die Arme auf seinen Schoß. „Du vertraust mir nicht…“, stellte John traurig fest und Sherlock sah schnell auf. Dunkle, enttäuschte Augen betrachteten ihn und John seufzte schwer. Sherlock schüttelte stumm den Kopf, fassungslos von dem, was John gesagt hatte. Nein, nein, nein, nein! Arg! Hatte er es noch immer nicht verstanden? Kurz wagte er es noch einmal aufzusehen und dieser tief traurige Anblick war noch immer da. Verdammt, nun kamen die Schuldgefühle wieder. Manchmal wünschte sich Sherlock, dass er noch immer der gefühlskalte Soziopath wäre. Dann müsste er nun nicht die Scherben seiner Dummheit zusammenkehren. „John…wenn ich irgendjemanden je vertraut habe, dann dir.“, erklärte er nach einigen Momenten des Schweigens und wie so oft, wenn er ein Zugeständnis machte, wagte Sherlock es nicht ihn anzusehen. „Aber ich bin einfach nicht bereit darüber zu reden.“ „Dann sag mir wenigstens warum.“, bat John ihn. Sherlock seufzte noch einmal und zögerte, doch er hatte ja schließlich beschlossen, dass er seinen Mitmenschen mehr vertrauen wollte. „Weil ich Dinge getan habe, die ihr als verabscheuungswürdig ansehen würdet. Ich habe alles getan um mein Leben wiederzubekommen. Ich habe jegliche Menschlichkeit verloren, nur um das wiederzubekommen, was mir diese erst verliehen hatte.“ Sherlock hatte wirklich schreckliche Dinge getan. Wie ein besessener hatte er die Männer gejagt, wollte sie dafür büßen lassen, dass sie die Menschen bedroht hatten, die seine Welt geworden waren. Sherlock hatte gefoltert, gequält, vergiftet, verhört, geschlagen und noch viel mehr Psychospielchen gespielt, bis seine Gegner um Gnade gewinselt hatten, doch es hatte ihm nicht gereicht. „Du hasst dich dafür…“, stellte John überrascht fest und sah Sherlock mit großen Augen an. Dieser runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „So ein Unsinn. Als ob mich so etwas belasten würde…“ „Doch, tut es.“, sagte John ruhig und lächelte leicht. „Man sieht es dir an, Sherlock.“ Er schnaubte wütend und wollte sich abdrehen, als John ihn zurückhielt. „Sherlock…du bist mein bester Freund. Ich habe fast ein Jahr mit dir zusammen gelebt. Es ist ok, wenn du nicht darüber reden willst, aber ich hoffe du weißt, dass du es kannst.“ „John…“ Sherlock sah ihn noch immer mit großen, überraschten Augen an. Es waren einfache, simple Worte und doch die vertrauensvollsten, die je an ihn gerichtet worden waren. „Ich würde wirklich gern verstehen wie du all das überlebt hast, aber ich akzeptiere es, wenn du sagst, dass du darüber nicht reden willst. Ich zwinge dich nicht.“ „Als ob du das könntest.“ Sherlock konnte einfach nicht widerstehen einen kleinen Spruch zum Besten zu geben und er lächelte vorsichtig. Die Situation war seltsam, angespannt, auch wenn Sherlock wusste, dass John ihm verziehen hatte, so spürte er nur zu deutlich, dass es Zeit- und vor allem Erklärungen- bräuchte, bis es wieder so wie früher werden würden. John lachte leise und nahm nun ebenfalls einen Schluck Tee. „Nein, wohl kaum.“, antwortete er und lächelte Sherlock an. Einige Zeit lang schwiegen sich die beiden an und Sherlock hing seinen Gedanken nach. In diesem Moment war er froh, dass John ihn mittlerweile so gut kannte, dass er wusste wann er besser nicht nachfragte. Eigentlich hatte John Recht, wenn auch nur indirekt. Ja, Sherlock hasste sich für das, was er getan hatte, aber nicht, weil er es getan hatte. Diese Methoden waren notwendig gewesen, aber er ahnte, was es anrichten würde, wenn es je rauskommen würde. Das hatte er damals nicht bedacht, hatte die Gefährdung für sein Leben nicht erkannt und das war es, was ihn so beschäftigte. „Hast du Drogen genommen?“, fragte John und unterbrach Sherlocks Überlegungen. Er blinzelte kurz irritiert, musste dann aber leicht lachen. „Ich erzähle dir, dass ich verabscheuungswürdige Dinge getan habe und das Erste, woran du denkst sind Drogen?“ John lächelte ebenfalls leicht, trotz der seltsamen Stimmung zwischen ihnen, und zuckte leicht mit den Schultern. „Ich würde nur gern wissen, ob ich mich innerhalb der nächsten Tage auf einen Amok laufenden Sherlock einrichten muss.“ Sherlock warf ihm einen skeptischen Blick zu, doch wie erwartet zu lachen, seufzte er nur und schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe keine Drogen genommen…der Drang war zwar oft sehr stark, aber ich habe es nicht getan, weil ich wusste, dass ihr es nicht gutheißen würdet.“ John wollte erst etwas erwidern, etwas wie und das hat dich wirklich interessiert?, doch als er Sherlocks unruhigen, beinahe schon verwirrten Blick sah, beließ er es dabei. Stattdessen seufzte er nur und atmete erleichtert aus. Er war wirklich froh, dass Sherlock es nicht getan hatte.t „Dann bin ich froh.“, antwortete der Blondhaarige nur und lächelte Sherlock an. Dieser schien verunsichert über Johns Äußerung, denn er blickte ihn aus hochgezogenen Augenbrauen an und wusste auch nicht wie er auf diese freundliche Äußerung reagieren sollte. „Es interessiert euch nicht?“ Um ehrlich zu sein, hatte Sherlock mit einem wahren Fragenschwall gerechnet, dass seine Freunde beinahe schon versuchen Informationen aus ihm herauszuquetschen oder ihn bombardieren würden, doch jeder hatte nach dem ersten Versuch und der ersten Verneinung aufgegeben. So saßen sie nun hier, John und er, und wussten einige Zeit nicht worüber sie reden sollten. Sherlock wusste, dass John Erklärungen hören wollte, doch er war noch nicht bereit diese zu geben und deshalb blieben sie stumm fürs Erste. Die Uhr an der Wand tickte, das Feuer im Kamin prasselte, doch im Gegensatz zu früher, blieb es nun still in der Bakerstreet. Keine aufgeregten, aufgebrachten Monologe, kein nächtliches Geigenkonzert. Die Nachbarn konnten friedlich schlafen ohne zu ahnen, dass ihr Alptraum der nächtlichen Ruhestörung wieder zurückgekehrt war. „Wie wird es nun weitergehen, Sherlock?“, unterbrach John dann die Stille. Sherlock blickte auf und löste sich von den Erinnerungen, die ihn wieder einmal wie ein wiederkehrendes Mahnmal heimgesucht hatten. „Wie meinst du das, John?“ „Was gedenkst du wie die Zukunft aussehen soll?“ Die dunkelblauen Augen betrachteten ihn eingehend, studierten sämtliche Regung in seiner Miene. „Nun, ich war davon ausgegangen, dass alles wie immer sein wird.“, erklärte Sherlock schlicht, obwohl er wusste, dass die Frage nicht so einfach war. Er wusste wie er in diesem Moment von seinem Freund erwartete. John seufzte leise und fuhr sich mit den Fingern über die Augenbrauen. Natürlich wollte er genau das, aber ob er dazu schon bereit war, vermochte er noch nicht zu sagen. Er wusste auch noch nicht wie er mit der Situation umzugehen. Allzu lange hatte er in dem Schmerz des Verlustes leben müssen und nur ein Schnipsen mit Sherlocks Fingern würde diese Narben nicht verschwinden lassen. „John, darf ich dich etwas fragen?“ Sherlocks Stimme war unsicher und er blickte ihn an. John erwiderte den Blick, nickte dann aber. „Sicher. Wenn der große Sherlock Holmes einen schon etwas fragen möchte, dann sollte man sich schließlich geehrt fühlen.“ Der Blondhaarige grinste frech, doch in seinen Augen lag der gesamte Ernst der Welt. „Warum bist du nicht weitergezogen und mein Kapitel einfach geschlossen?“ Die Frage traf John unerwartet, wie kaltes Wasser. Was für eine Antwort sollte er auf diese Frage denn geben, wo er es doch selbst nicht wusste? Wie sollte er so eine Antwort finden, die Sherlock zufrieden stellen würde? Kurz überlegte er sogar das Thema zu wechseln, doch ein Blick in die hellblauen Augen seines Freundes zeigte ihm wie wichtig ihm doch die Frage war. So dachte der ehemalige Militärarzt einige Zeit über diese Frage nach und versuchte dieses schwierige Chaos in Worte zu fassen. „Weil du mein bester Freund bist.“ Dies war die schlichte und doch einzige Antwort, die John in seiner Seele finden konnte. Die Narben, die Sherlocks Tod hinterlassen hatte, waren schmerzhaft, doch sie hatten ihn auch jedes Mal daran erinnert wie sehr er die Zeit genossen hatte. Sherlock schnaufte beinahe schon frustriert. Diese Antwort konnte nicht genug sein. Nein, das konnte nicht alles sein. In seiner Laufbahn hatte er schon zu oft gesehen was vermeintlich beste Freunde taten und das aus weitaus minder schweren Gründen. Er wusste, dass er nicht zu den einfachsten Zeitgenossen gehörte und jedem in seinem Umfeld Nerven aus Drahtseilen abverlangte. Warum also hatte sich keiner von ihm abgewandt und dem wundervoll ruhigen Leben hingegeben, was doch alle so sehr schätzten? Ratlos sah er John an, der seinen Blick nur ruhig erwiderte und Sherlock wusste, dass John ihn auch ohne Worte verstand. „Das ist dir nicht Antwort genug, Sherlock, dessen bin ich mir bewusst, aber ich kann dir keine bessere geben.“ Sherlock nickte nur irritiert, sagte aber nichts weiter dazu sagen, denn er verstand es nicht. Zwar hatte auch er ein gewisses Maß an Treue gezeigt in den drei Jahren- Sherlock erschauderte kurz, als eine Episode von Erinnerungen ihn überspülten-, aber er hatte ja auch die Wahrheit gehabt, während seine Hinterbliebenen nur ihr Vertrauen hatten. Keiner hatte gewusst was wirklich geschehen war, hatten glauben müssen was sie gesehen hatten- nichts anderes hätte Sherlock von ihnen verlangt- und doch hatte sie gewartet. In der Hoffnung auf ein Wunder. „Warum hast du uns eigentlich erlaubt in dein Leben zu treten, Sherlock?“ Nun war es an Sherlock über Johns Frage überrascht zu sein. Irritiert sah er ihn an, doch sein Freund blickte ihn nur stirnrunzelnd an und nahm einen Schluck Tee. „Wie meinst du das?“ „Ich weiß nicht genau wie ich das ausdrücken soll, um ehrlich zu sein, aber erst als du mich kennenlerntest und erst recht, als du Catherine trafst, da begannt du dich zu verändern. Wieso hast du uns erlaubt dich zu verändern, wo du doch schon vorher Mrs. Hudson hattest, die dich so sehr liebt?“ „Weil ihr beide die ersten wart, die mich akzeptierten wie ich bin, aber zeitgleich auch meine Grenzen aufzeigten, denke ich.“, antwortete Sherlock nachdem er einige Zeit über diese doch schwer zu beantwortende nachgedacht hatte. Gerade ihn stellten solche Fragen vor eine Herausforderung, da er über seine Gefühlsregungen niemals nachdachte und diese als die einzig richtige in der gegebenen Situation erachtete. John hingegen sah ihn überrascht an und schien die Antwort nicht ganz zu begreifen, deshalb seufzte Sherlock und versuchte es noch einmal genauer zu erklären: „Weiß du, ich denke es ist deswegen, weil Mrs. Hudson mich stets akzeptierte wie ich bin und nie hinterfragte. Bei ihr konnte ich mich verhalten wie ich es immer tat. Warum sollte ich mich also verändern? Ihr beide hingegen jedoch wart die ersten, die mir wichtig genug waren, als dass ich es versuchen wollte. Ihr habt genug von mir akzeptiert um annehmbar zu sein, aber doch nicht alles und ich glaube, dass dies der Grund ist.“ „Verstehe…“ „Nein tust du nicht.“, lächelte Sherlock. „Noch nicht richtig, nein, aber das ist bei dir ja nichts neues, Sherlock.“, erwiderte John nur gelassen. „Scheint so zu sein, dabei verstehe ich gar nicht warum. So komplex sind meine Gedankengänge nun auch nicht.“ „Komplex genug für jeden gewöhnlichen Menschen.“ John schmunzelte ihn nur an. Sherlock seufzte und lächelte. „Außerdem bist du doch stolz drauf, dass dir meist kein Mensch folgen kann.“ „Damit hast du nicht ganz unrecht.“, entgegnete Sherlock nur und lachte leise. Sein bester Freund sah ihn nur kopfschüttelnd an. „Hauptsache ist, dass du es tust. Zumindest so ein bisschen. Grad Catherine wird das gut tun.“ John sah kurz aus dem Fenster, betrachtete den Regen, der mittlerweile stärker geworden war. Sherlock hingegen beobachtete ihn. Seine Stirn war wieder in tiefe Falten gezogen, die Augen verschmälert, die Lippen gekräuselt. Er machte sich Vorwürfe. „John…“, setzte Sherlock an, hielt aber inne, denn er wusste nicht, ob er es wirklich sagen sollt. Zum ersten Mal in seinem Leben fragte er sich, ob er sich das anmaßen konnte, doch er sah wie sehr John das belastete. Dieser blinzelte kurz und lenkte dann seine Aufmerksamkeit auf ihn zurück. Reue lag in den blauen Augen, die sonst eher von Sorge durchzogen warne. Bedauern hatte John so gut wie nie in der Zeit mit Sherlock verspürt. „Catherine hat dir doch gesagt, dass du dich dafür nicht grämen sollst. Sie versteht es doch.“ John blinzelte ihn überrascht an, doch dann sah er ihn an und seufzte. „Ich fühle mich dennoch schlecht. In all meiner Trauer habe ich sie gänzlich vergessen, Sherlock.“ „Wenn, dann ist ja wohl meine Schuld.“, sagte Sherlock und eine Stimme bekam nun einen strengen Ton. „Also wäre es unlogisch, dass du dir dafür die Schuld gibst.“ Nun sah John ihn nur noch überraschter an. Kein Wunder, schließlich sagte Sherlock ja selten so etwas, doch er wollte versuchen zu helfen. Einige Zeit sah sein bester Freund ihn nur nachdenklich an, schien Sherlocks Aussage zu bedenken, dann seufzte er. „Wie kann sie nur so stark sein? Wie konnte sie in all der Zeit noch an mich denken?“ „Sie ist nicht so stark wie sie vorgibt zu sein.“, erwiderte Sherlock gelassen, doch sein Gesicht war nachdenklich verzogen. Er wusste wie es in ihrem Inneren wirklich aussah. Schließlich hatte sie es ihm gezeigt. In Wahrheit war sie genauso traurig und verletzt wie John es all die Zeit gewesen war. Und all das war seine Schuld. Nur seine ganz allein, da konnte er sich nicht rausreden. John sah ihn lange Zeit an, dann nickte er schließlich. „Ja, diesen Eindruck habe ich auch bekommen. Aber dann verstehe ich immer noch nicht, warum sie all das getan hat. Wir waren ja beide nicht besonders gut zu ihr.“ Seine Stimme war nachdenklich geworden und er sah Sherlock an. Dieser konnte ein Schmunzeln nicht verbergen und als er Johns verwirrtes Gesicht sah, wurde es beinahe ein Grinsen. „Ich weiß warum.“ „Wie jetzt? Eine Gefühlsregung die ich nicht verstehe, aber der hochfunktionelle Soziopath Sherlock Holmes? Ich muss in einer Parallelwelt gelandet sein.“ Obwohl John überrascht war, konnte er seinen Sarkasmus nicht verbergen. Sherlock grinste noch ein bisschen mehr. „Auch ich lerne dazu, mein guter John.“ „Sherlock!“, mahnte sein Freund mit einem Grinsen. „Na schön!“, rief Sherlock aus und schnaubte. „Sie hat es mir gesagt. Zufrieden?“ „Das ist schon glaubwürdiger.“ John lachte. „Also, was ist der Grund?“ Sherlocks Mundwinkel zogen sich nach oben und er grinste diabolisch. Dieses Spaß würde er sich nicht nehmen lassen. „Herzlichen Glückwunsch, John. Wir sind Väter geworden.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)