Ketten von ZerosWolf ================================================================================ Kapitel 8: Nachwuchs -------------------- Es war ein Bild für die Götter, wie Natsu da auf dem Boden hockte und mit Asca und seiner kleinen Schwester Türmchen aus Holzklötzen baute, während diverse Mitglieder Fairy Tails das Ganze wie verzaubert beobachteten. Narya hatte im Nu wenige Wochen nach ihrer Geburt sämtliche Magierherzen für sich gewonnen mit ihrem zuckersüßen Lachen. Inzwischen war sie schon neun Monate alt und alle genossen es, ihr beim Wachsen zuzusehen. Reedus erstellte jedes Mal, wenn er sie wiedersah eine Zeichnung, um das Wachstum des Nachwuchses zu dokumentieren, wie er es auch bei Asca getan hatte und es für noch kommende Kindern plante. Auch von den jüngeren Mitgliedern der Gilde gab es solche Mappen, wie sich herausstellte. Stundenlang hatten sie über den Zeichnungen des Künstlers gesessen und gelacht, wenn er zum Beispiel Natsu und Gray gezeichnet hatte, während sie von Erza zur Schnecke gemacht wurden. Oder Cana, die nach ihrem ersten Kontakt mit Alkohol vom Barhocker gekippt war. Es waren auch rührende Bilder dabei. Reedus hatte es festgehalten, als Erza sich um Mirajane nach dem vermeintlichen Tod Lisannas gekümmert hatte. Unheimlich viele Bilder vom tolpatschigen Babyhappy. Lucys Lieblingsbild, auf dem der kleine Kater bis zur Nasenspitze im Marmeladentopf saß, durfte die Blondine mitnehmen. Sie hatte es im Wohnzimmer platziert, direkt über Happys Hängematte. Narcy und Tsuya kamen immer häufiger in die Stadt hinunter, um in der Gilde mit den anderen zu reden oder auch ab und zu einen kleinen Auftrag zu erledigen – so als Abwechslung zum Alltagstrott. Der Graben, den Narcy beabsichtigt zwischen sich und ihre Kameraden gezogen hatte, war Vergangenheit. Die Magier fanden sich mit der direkten und zielstrebigen Art der Beschwörerin ab und fragten sie häufig nach Rat, denn die über tausend Jahre alte Frau hatte schon viele Erfahrungen in ihrem langen Leben gesammelt. Nur im Umgang mit Männern konnte sie keine Auskunft geben, da sie zugeben musste, dass Tsuya der einzige war, dem jemals ihr Herz gehörte. Zwar gab es immer wieder Personen des anderen Geschlechts, die sie reizvoll gefunden hatte, jedoch konnte sie ihnen durch Attenras Einmischungen nie näher kommen. Ihr Mann hatte sich auf seine Weise Respekt eingehandelt. Mit der Genehmigung seiner Lebensgefährtin hatte er mit Gildarts einen Schaukampf ausgetragen, während dem sich beide Seiten nichts schenkten. Tsuya kannte Tricks mit dem Drachenfeuer, auf die Natsu noch nie gekommen war. So erhöhte des Brünette die Temperatur seiner Flammen, um mehr Schaden anzurichten. Nach Stunden der Spannung kamen die Beiden Männer überein, dass sie gleichstark waren und reichten sich die Hände zur Freundschaft. Wann immer Gildarts von einem Auftrag zurückkehrte, saßen die beiden Männer zusammen, tranken gemeinsam und plauderten über Gott und die Welt, wie alte Freunde. Ähnlich erging es Narcy mit Levy und Lucy. Die klügsten Frauen Fairy Tails liebten es, gemeinsam zusammenzusitzen und über Bücher, aktuelle Nachrichten und Philosophien zu diskutieren. Das konnte sich bis spät in die Nacht hinziehen, wenn nicht ihre Männer irgendwann entschieden, dass ihre Partnerinnen genug geredet hatten und Aufmerksamkeit einforderten. Natsu verlangte besonders viel Aufmerksamkeit von seiner Frau und störte diese nicht nur regelmäßig bei ihren Diskussionsrunden. Lucys Eheleben gestaltete sich nicht ganz so, wie sie sich das vorgestellt hatte. Der Rotschopf half, von Reparaturen mal abgesehen, nicht mal ansatzweise im Haushalt. Jedes Mal, wenn sie ihn darum bat aufzuräumen, flüchtete er zusammen mit Happy zum Angeln oder zum Training. Um noch einen drauf zu setzen, störte er die Blondine sogar noch, wenn sie sich bemühte, Ordnung in ihrem Haus zu behalten. Es musste ja nicht alles perfekt sein, aber schon vorzeigbar! Wie oft schimpfte sie mit ihm, weil er seine Klamotten überall herumliegen ließ? Wozu hatte sie einen Wäschekorb im Badezimmer angeschafft! Oder das dreckige Geschirr, das sich bis unter die Decke stapelte, wenn Lucy sich nicht darum kümmerte, weil es eigentlich die Aufgabe des Feuermagiers war? Immerhin kochte sie ja schon für ihn und Happy! Durch die ganze Hausarbeit neben den Aufträgen kam sie so gut wie gar nicht zum Schreiben. Und wenn sie doch mal ein paar Minuten für sich gewinnen konnte, missachtete ihr Mann sein eigenes Schild und störte sie wegen jeder unsinnigen Kleinigkeit. Wenn das so weiter ging, würde die Stellargeistmagierin noch explodieren. Dabei waren sie gerade mal ein Jahr verheiratet! Sie fühlte sich jedoch schon genauso vergessen, wie es nach Gerüchten im verflixten siebten Jahr sein sollte. Wenigstens hatte Natsu an ihren Hochzeitstag gedacht und war mit ihr in ein schickes Steakhaus essen gegangen. Nur, dass er sie in dem Restaurant, das er ausgesucht hatte, bis auf die Knochen blamiert hatte, indem er aß wie ein Schwein. Schlimmer noch, dem Feuerdrachen war gar nicht bewusst geworden, warum ihn die anderen Gäste und das Personal missbilligend beäugten. Dieses Erlebnis lag gerademal ein paar Tage zurück und Lucy war immernoch angefressen deswegen. Ihr Mann zeigte jedoch keinerlei Fehlereinsicht. Aber irgendwie konnte sie ihm auch nicht böse sein, wenn sie ihn fröhlich mit den Kindern spielen sah. Wie der Rotschopf seine kleine Schwester vergötterte! Der große Bruder war wieder in ihm erwacht und wann immer er Zeit freimachen konnte besuchte er seine Eltern und spielte mit Narya. Er würde sicher mal ein guter Vater werden, dachte die Blondine bei sich. Aber noch nicht, noch war es zu früh. Erst musste sie ihm seine lästigen Angewohnheiten austreiben, schließlich wollte sie nicht, dass ihre Nachkommen diese übernahmen. Da ging es schon wieder mit der nächsten Macke ihres Mannes los: Gray und sein verflixtes Mundwerk! Wenn der Eisalchemist es wenigstens mal nutzen würde, um der noch immer liebeskranken Juvia die Meinung zu sagen! Aber selbst das hatte sich im vergangenen Jahr nicht geändert. Während Levy die Initiative ergriffen hatte und inzwischen ein liebevolles Verhältnis mit dem noch immer von Schuldgefühlen geplagten Gajeel aufbaute, dümpelten der Schwarzhaarige und die Wassermagierin NOCH IMMER im Ungewissen herum. Wie lange wollten sie dieses Spielchen eigentlich noch so weitergehen lassen? Bis einer von ihnen einen psychischen Zusammenbruch erlebte? Zwar hatten sie es irgendwie gemeinsam ins Bett geschafft, doch von Romantik keine Spur. Wenn das so weiter ging, würde Juvia sich noch vollkommen in ihren Tränen auflösen! Jetzt hatte Gray mal wieder einen sarkastischen Kommentar abgelassen und damit Natsus Zorn geweckt. Natürlich würde Narya ihm ähnlich werde, schließlich waren sie Geschwister, auch wenn die Kleine mehr von ihrer Mutter abbekommen haben sollte, was sich jedoch erst in ein paar Jahren herausstellen würde. Aber egal, Natsu war sauer und der übliche Faustkampf stand bevor. Schon wieder. Die Mütter brachten ihre Kinder schnell in Sicherheit, bevor der erste Stuhl flog. Lucy hatte absolut keine Lust, schon wieder mit hineingezogen zu werden. Das konnte doch nicht ewig so weitergehen! Mit einem schweren Seufzer erhob die Stellargeistmagierin sich von ihrem Barhocker, mit der festen Absicht, diesen Kampf zu unterbinden. Natsu musste einfach auf sie hören, wenn er heute Abend noch ihre Aufmerksamkeit wollte! Das Gray durch weitere Sticheleien die Wut des Feuermagiers schürte, half dabei nicht sonderlich. Die Blondine wollte gerade etwas sagen und nach dem rechten Arm ihres Gatten greifen, als dieser bereits nach hinten ausholte und seiner Angetrauten mit voller Kraft den Ellenbogen gegen die Brust rammte. Lucy blieb der Atem weg, während die pure Wucht des unbeabsichtigten Schlages sie mehrere Meter nach hinter warf und ihr Kopf einen Tisch nur um wenige Zentimeter verfehlte, bevor sie hart auf dem Boden aufkam. Der jungen Frau kam es vor, als stünde nach ihrem Aufprall die Welt für einige Sekunden still, bevor sie endlich wieder Luft holen konnte, was unglaublich weh tat. Eine Stelle schmerzte besonders stark. Dort, wo der Talisman sich so tief in ihre Haut gegraben hatte, dass Blut aus der Platzwunde in ihren Ausschnitt rann. „Lucy, alles okay?“ Natsu saß schneller neben seiner Frau, als diese blinzeln konnte, das Gesicht von Schuldgefühlen verzerrt. Es tat ihm wohl wirklich Leid. Aber das war Lucy gerade vollkommen egal, sie war einfach nur wütend. Pure Wut brachte ihr Blut in Wallungen. Jedoch statt wie sonst vor Ärger zu schreien und einen Aufstand zu machen, sah sie ihren Ehemann nur kühl und abweisend an. So finster, dass dieser ängstlich zurückwich, während die junge Frau sich langsam erhob. Jede Bewegung schmerzte. Nein, das würde sie ihm nicht so schnell verzeihen. Ihre Gutmütigkeit hatte Grenzen. Jetzt hatte er den Bogen überspannt, ihr Geduldsfaden war gerissen. Es reichte! Wenn er nicht bereit war, auch etwas für diese Ehe zu tun, dann sollte das ihr Ende sein. Schluss, aus, genug. Sie wollte nicht mehr. Nach nur einem Jahr. Ohne ihren Lebenspartner noch einmal anzusehen ging Lucy geradewegs auf den Ausgang zu. Niemand hielt sie auf. Niemand wagte, ihr zu nahe zu kommen. Und das war gut so, denn die junge Frau war sich nicht sicher, ob sie dann nicht ihre Wut an Unbeteiligten auslassen würde. Sie wusste schon, wo sie sich abreagieren konnte und da musste sie schnellstmöglich hin. Weg von den Menschen. Dorthin, wo sie niemand weinen sehen würde. „Lucy ist gegangen.“, murmelte Natsu verblüfft und starrte auch noch nach mehreren Minuten den leeren Gildeneingang an, während er wie angewurzelt noch immer am selben Fleck stand. „Ohne mich anzuschreien.“ Das war neu. Das war ungewöhnlich für seine temperamentvolle Frau. Das war falsch. Die Blondine sollte ausflippen, ihn zusammenschreien und dabei einfach nur unheimlich süß sein. Was war denn nur los mit ihr? Sie war doch selbst Schuld, wenn sie sich in seinen Kampf mit Gray einmischte. „Das war wohl der Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hatte.“, meinte Erza wissend und sah den Rotschopf stechend von der Seite an. „Kein Wunder bei dem, was sie uns so über den Verhalten zu Hause erzählt.“ Was?! Was erzählte Lucy den Frauen? Und warum erzählte sie ihm das nicht? Er verhielt sich doch ganz normal. Wie er es immer getan hatte. „Sie hat ja auch lange genug durchgehalten.“, stimmte Levy der Rüstungsmagierin zu, ohne auf den irritierten Mann zu achten. Mehrere zustimmende Frauenstimmen erhoben sich in der großen Halle. Wieso lange durchgehalten? Hatte er irgendwas angestellt? Nun gut, er hatte Lucy manchmal absichtlich ein bisschen provoziert, weil er ihre Wutausbrüche einfach niedlich fand. Aber er hatte doch nicht übertrieben! Oder? „Lucy hat schon lange nicht mehr richtig gelacht.“, bemerkte Happy niedergeschlagen und bekam ein paar aufmunternde Streicheleinheiten von Erza. Da hatte der Kater mehr gesehen als der Mann an Lucys Seite. Plötzlich überkam den selbstbewussten Feuermagier ein sehr unguter Gefühl. Wenn er so an die letzten Wochen zurück dachte, machte seine Liebste wirklich einen immer gestressteren Eindruck. Auf Missionen zeigte sie sich häufig ungewohnt unkonzentriert, wodurch er sie des öfteren hatte retten müssen. Zu Hause warf sie immer wieder mit Putzlappen nach ihm, weil sie wollte, dass er auch was im Haushalt tat. Aber warum sollte er? Lucy konnte das alles doch viel besser und war mit seinen Ergebnissen eh nie zufrieden. Wozu also überhaupt die Mühe machen? In der Zeit konnte er besser für Happy angeln oder trainieren, damit er bald ein S-Klasse-Magier wurde. Mochte ja sein, dass Lucy keine Ambitionen in diesem Bereich hatte, aber für ihn war es ein wichtiges Ziel. Er hatte keine Lust mehr auf diese langweiligen Standardaufgaben. Er wollte richtige Abenteuer erleben! Mal mehrere Monate fort sein, so wie Gildarts. Mehr, als ab und zu mal einer Diebesbande den Gar aus zu machen. Wenn es nur so richtig spannende Kämpfe gab, würde Lucy sicher auch einsehen, dass solche Jobs mehr Spaß machten, als dieser ganze Bücherquatsch, wie Übersetzungen und Nachforschungen, den sie so gerne mochte. Natsu spürte eine große Hand auf seinem Rücken, die ihn mit sanfter Gewalt in die Richtung des Büros des Gildenmeisters hinter der Bar drängte. Sie gehörte zu seinem Vater, der eine ernste Miene aufgelegt hatte, durch die sein Sohn nicht wagte zu sprechen. Auch Tsuya sagte nichts, bis die massive Holztür ins Schloss gefallen war und sich damit ein Zauber aktivierte, der Lauschen unmöglich machte. Der Rotschopf hatte es schon oft genug versucht. „Wir müssen reden.“, meinte Tsuya ernst, stemmte die Hände in die Hüften und baute sich zu voller Größe auf. So kannte sein Sohn den jungen Vater noch nicht und das behagte ihm gar nicht. „Sag mir, warum denkst du hat Lucy so reagiert?“ Ein weiteres Mal tauchte Lucy ihr Taschentuch in den eiskalten Bergbach und legte es auf ihre blau geschwollene Brust. Das tat gut! Der pochende Schmerz und ihre Wut hatten ihre Sinne vernebelte, doch das kühlende Nass half der jungen Frau wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Waren sie wirklich schon an dem Punkt, an dem es keine Hoffnung mehr für das Paar gab? Sollte ihre Ehe tatsächlich am Ende sein? Vielleicht sollte sie sich besser fügen und ihrem Mann seinen Willen lassen. Vielleicht gab es dann wieder mehr zärtliche Momente zwischen ihnen. Vielleicht gab es einfach nicht genug Zeit, um sich umeinander zu kümmern, denn auch nachts liebten sie sich längst nicht mehr so leidenschaftlich, wie zu beginn ihrer Ehe. Doch „vielleicht“ war ein Wort, dass ihre Angst ausdrückte. Ihre Angst, dass sie das verloren hatte, was ihr am Meisten bedeutetet. Alles verloren in nur einem Jahr. Lucy betrachtete ihr Gesicht auf der glatten Wasseroberfläche. Rote verquollene Augen vom Weinen, doch die Tränen wollten einfach nicht aufhören. Zum Glück sah sie gerade niemand. Blass war sie geworden und mager. Schon lange mochte sie vor Kummer nicht mehr richtig essen. Aber war Natsu das überhaupt aufgefallen? Die junge Frau versuchte ein Lächeln, doch es endete in einer Grimasse. Sie war nicht glücklich. Aber würde es sie glücklich machen, Natsu zu verlieren? Den Mann, den sie mehr liebte als alles anderen? Ohne den die Tage trostlos und langweilig waren? Nur einsam waren sie manchmal auch mit ihm. Viel zu oft musste sie ihn in letzter Zeit aus der Ferne beobachten. Er kümmerte sich nicht um sie oder ihre Interessen. Sein Weg war ihm wichtig. Immer gab sie seinem Willen nach, um des lieben Friedens willen. Ein erneuter Heulkrampf schüttelte die verzweifelte Ehefrau. Alle Trauer und Verbitterung, die sich in den letzten Monaten angestaut hatte, machte sich nun Luft. Sie schrie in den leeren Wald hinein und weinte bittere Tränen. Lange würde sie das nicht mehr durchhalten. Wenn ihr Leben so weiter ging, würde die junge Frau zerbrechen. Ihre Seele machte das nicht mehr lange mit! So lange hatte sie nach jemandem gesucht, der sie lieben würde. Der ihr die liebevolle Aufmerksamkeit gab, die sie seit dem Tod ihrer Mutter vermisste. Natsu hatte sie ihr gegeben, aber nur für eine kurze Zeit. Wieder wurde sie beiseite geschoben, wieder alles über ihren Kopf hinweg entschieden. Sie wollte das nicht mehr! Erschrocken fuhr Lucy zusammen, als sie warme Hände auf ihren Schultern spürte, die sie sanft gegen einen Frauenkörper zogen. Langsam streichelte die Person ihr über den Kopf und flüsterte: „Es ist gut, Liebes. Lass ihn raus, all deinen Frust. Es wird alles wieder gut.“ Narcys sanfte Stimme löste einen Knoten in der Brust der Blondine und das, was sie wirklich wollte platzte plötzlich aus ihr heraus. „Ich will Natsu nicht verlieren.“, schrie sie immer und immer wieder. Der gleiche Satz, wie in Dauerschleife, jedoch in immer neuen Tonlage. Bis sie sich beruhigt hatte. Bis sie ganz still in den Armen ihrer Schwiegermutter lag, deren bloße Anwesenheit diesen Ausbruch verursacht hatte. Flüsternd, fast unhörbar, fügte Lucy noch etwas hinzu: „Aber ich kann nicht mehr.“ Jetzt war Lucy doch wieder zurückgekehrt. Nach Hause. In ihr Zuhause, dass sie mit Natsu und Happy gemeinsam bewohnte. Es sah etwas ungewöhnlich aus, mit dem flachen Anbau, in dem ihr Schlafzimmer und die kleine Bibliothek lagen. Gebaut, nur damit sie dort einziehen konnte. So, dass sie sich wohlfühlen sollte. Anfangs hatte alles geklappt. Die ersten Wochen verlief ihr Eheleben reibungslos. Wo waren sie falsch gegangen? Wo hatten sich ihre Wege getrennt? Wann hatten sie ihre gemeinsamem Ziele aus den Augen verloren? Wann hatte es angefangen, dass die Blondine sich nicht mehr zuhause fühlte? Unerwartet flog die Tür auf und ein fast panisch aussehender Natsu stand in der Tür. Ehe Lucy reagieren konnte, umschlang der Rotschopf sie mit seinen muskulösen Armen und drückte sie fest an sich. So fest, dass ihr schon wieder fast die Luft wegblieb. Sie war wie erstarrt, unsicher, wie sie reagieren sollte. „Es tut mir Leid.“, flüsterte ihr Mann so reumütig, Lucy wollte ihren Ohren nicht trauen. „Ich bin so ein verdammter Egoist.“ Was für eine Einsicht! Was war denn jetzt mit dem Feuerkopf los? Narcy hatte ja gesagt, dass Tsuya sich seinen Sohn zur Brust nehmen wollte, aber dass ihr Schwiegervater so eine Reaktion des Rothaarigen beschwören konnte, hatte die junge Frau absolut nicht erwartet. Der Brünette musste die richtigen Worte gefunden haben. Welche auch immer das waren, sie war ihm dankbar. Langsam legte die junge Frau ihre Hände auf den Rücken ihres Ehemannes. Er zitterte ein bisschen unter ihrer Berührung. Hatte Natsu etwa Angst? Ihr starker Natsu? Wovor? Nicht einmal ein gigantisches Monster konnte ihm Furcht einflößen. Die Antwort schoss der Blondine wie ein Geistesblitz in den Kopf. Wie oft hatte der junge Mann ihr beteuert, wie wichtig sie für ihn war? Das er sie an seiner Seite brauchte? Das er ohne sie nicht mehr leben wollte? Er hatte einfach Angst davor, sie zu verlieren – und das machte seine Frau unheimlich glücklich. „Es ist okay.“, murmelte sie und zog sich selbst noch ein bisschen näher an seinen warmen Körper, der ihr Geborgenheit gab. „Es ist auch meine Schuld, ich habe zu viel auf einmal erwartet.“ Niemand konnte sich von heute auf morgen ändern. Das brauchte Zeit und die musste sie ihm geben. Schließlich beherrschte keiner von ihnen die Archiv-Magie, durch die sich Wissen in ihre Köpfe kopieren ließ. Langsam, in kleinen Schritten mussten sie aufeinander zugehen und voneinander lernen, damit sie beide glücklich waren. Zum ersten Mal seit langer Zeit sah Natsu ihr wieder in die Augen. Seine tiefen dunklen Augen, die ihr immer wieder das Herz raubten. Ausnahmsweise verrieten sie der Magierin nicht, was im Kopf ihres Partners vorging. Aber sie spürte diese zauberhafte Anziehung zwischen ihnen. Langsam, wie beim ersten Mal, kamen sich ihre Gesichter näher, bis sich ihre Lippen zu einem innigen Kuss berührten. So nah standen sie aneinander, dass keine Luft mehr zwischen das Paar passte. Schon lange hatte Lucy sich nicht mehr so begehrt gefühlt. Es fühlte sich so schön an, dass sie nur widerwillig zuließ, dass ihre Körper sich wieder trennten. „Komm!“, grinste ihr Mann und zog die junge Frau mit ins Haus. Sie kannte dieses Grinsen. Es sagte, dass Natsu etwas geplant hatte. Das Innere ihres Zuhauses überraschte Lucy: Natsu hatte tatsächlich aufgeräumt! Nicht oberflächlich und halbherzig wie sonst, sondern richtig gründlich. Und nicht nur das: überall standen Kerzen, die ein sanftes Licht in dem sonst abgedunkelten Wohnraum abgaben. Den Küchentisch hatte der Rotschopf herübergetragen und gedeckt, wie man es in einem edlen Restaurant erwartete. „Setz' dich“, bat er fast schon schüchtern, „heute Abend sollst du dich entspannen.“ Erst jetzt fiel Lucy der Essensgeruch auf, der in der Luft hing. Hatte der Feuermagier tatsächlich gekocht? Da war sie ja mal gespannt, für sie hatte er bisher noch nie etwas zubereitet. „Ich kann nicht so gut kochen wie du“, meinte Natsu entschuldigend, als er mit zwei Suppentellern aus der Küche wiederkam, „aber ich hoffe, es schmeckt dir trotzdem.“ Er war so süß! Das war der Natsu, in den sie sich verliebt hatte. Ob er von selbst auf die Idee gekommen war oder nicht, dieses Essen bei Kerzenschein stellte eine gelungene Überraschung dar. „Happy übernachtet heute bei Erza.“, bemerkte ihr Mann bevor er sich setzte. „Wir haben also den ganzen Abend für uns.“ Der Klang seiner Stimme verriet der Blondine genau, worauf er hinaus wollte. Und ihr war das ganz recht. Mit einem verführerisch Blick bedeutete sie ihm, dass sie sich darauf freute. „Dann sollten wir unsere gemeinsame Zeit genießen.“, lächelte Lucy und probierte die Suppe. Ihr heißgeliebte Spargelcremesuppe. Von wegen, er wäre kein guter Koch! Das blassen Sonnenlicht, das durch einen Spalt in den dunklen Vorhängen fiel, weckte Lucy früh am Morgen. Vor ihrem Fenster veranstalteten die ersten Vögel des Tages ein kleines Konzert, während der Wind sacht die Blätter des Apfelbaumes im Hof rascheln ließ. Die junge Frau erwachte an diesem Herbstmorgen in den Armen ihres Mannes, der sie fest umschlungen hielt. Seit ihrem Streit vor vier Monaten schlief sie jeden Abend in Natsus Armen ein und fand sich am nächsten Morgen auch dort wieder. Wie gerne würde sie das genießen – wenn ihr nicht plötzlich so furchtbar schlecht wäre! Schnell, damit kein Unglück geschah, befreite sich Lucy aus Natsus Klammergriff und rannte zur Toilette, die zum Glück gegenüber ihres Gästezimmers lag und entledigte sich dort der Reste ihres Abendessens aus der falschen Öffnung. Schon seit Wochen ging das so. Sie konnte sich beim besten Willen nicht erklären wieso und Ärzte waren furchtbar teuer. Natsu sah sie zwar immer besorgter an, aber drängte sie auch nicht, etwas dagegen zu unternehmen. Ihn störte nur, dass sie in letzter Zeit keine Lust mehr auf Geschlechtsverkehr hatte. Seine Frau erklärte ihr Lustlosigkeit mit ihrer angeschlagenen Gesundheit, aber zufrieden war ihr Partner mit der Erklärung nicht. „Lucy?“, fragte Narcy überrascht, als diese den Grund für die offene Tür suchte und ihre Schwiegertochter auf dem Boden vorfand. „Alles okay bei dir?“ Hastig wischte die Blondine sich den Mund ab, doch die nächste Übelkeitswelle übermannte sie, sodass sie sich wieder über die Porzellanschüssel beugen musste. Die Weißhaarig kniete sich neben sie und rieb der jungen Frau den Rücken, was die Blondine ein bisschen entspannte. Das schlechte Gefühl ließ ein bisschen nach und Lucy konnte wieder ohne Brechreiz durchatmen. „Gar nichts ist gut.“, murrte die Kranke mit Tränen in den Augen. „Ich bin krank und habe keinerlei Ahnung womit. Daher weiß ich auch nicht, was ich dagegen tun soll.“ Vielleicht wusste ja die kräuterkundige Narcy, was gegen diese Übelkeit gewachsen war. „Hast du Fieber?“, fragte ihre Schwiegermutter besorgt und legte der jungen Frau die Hand auf die Stirn. „Nein, das fühlt sich normal an. Wie lange hast du das denn schon?“ Doch Lucy konnte aufgrund einer erneuter Übelkeit nicht antworten. Die Weißhaarige wartete geduldig ab, bis die Frau ihres Sohnes wieder zur Ruhe gekommen war. Vorsichtig wischte sie der Jüngeren mit einem Handtuch den Mund ab und zog sie auf die Beine, um sie stützend in die Küche zu bringen. Dort setzte Lucy sich auf einen Stuhl, denn ihr Kreislauf machte gerade ebenfalls was er wollte, und nahm dankbar ein Glas Wasser entgegen, welche sie in einem Zug leerte. Die Flüssigkeit reinigte ihren gereizten Hals. „Seit zwei bis drei Wochen habe ich nach dem Aufwachen diese Anfälle.“, antwortete sie, als sich ihr Mund endlich wieder sauber anfühlte. „Genauer kann ich es nicht sagen. Es fing einfach eines morgens an und jetzt habe ich das fast täglich.“ Wenigstens schritt die Krankheit nur langsam fort. Aber manchmal waren die langsamsten die tückischsten. Was, wenn es lebensgefährlich war? „Das klingt ja fast, als ob du schwanger wärst.“, bemerkte Narcy und musterte die junge Frau eingehend. Wie? Schwanger? Solche Symptome hatten Schwangere? Lucy hatte nach dem Tod ihrer Mutter nie jemand über diese Dinge aufgeklärt. Aber... „Das kann doch gar nicht sein!“, widersprach die Blondine heftig. „Ich habe doch den Talisman!“ Fest umklammerte sie die Edelsteine an ihrer Kette. Noch immer trug sie beide Schutzsteine, denn auch der gegen Gedankenkontrolle konnte ja noch irgendwann Mal nützlich sein. Jedoch, das durfte nicht sein! Schwanger durfte sie auf gar keinen Fall sein! Sie war doch noch viel zu jung, um Mutter zu sein! Sie hatte doch noch gar keine Lebenserfahrung! „Tut mir Leid, aber ich spüre keinerlei magische Energie in den Steinen.“, seufzte Narcy nachdem sie sich eine Weile konzentriert hatte und entwand den Anhänger der Hand seiner widerwilligen Trägerin. „Kein Wunder! Er ist gesprungen, der hat keine Wirkung mehr.“ Eindringlich sah sie die junge Frau vor sich an. Lucy fühlte sich wie erstarrt und fast automatisch wanderte ihre Hand zu ihrem Bauch. Nein! Unmöglich! Was sollte sie denn tun, wenn es stimmte? Das Kind behalten oder abtreiben? Und vor allem, wann waren die Talismane kaputt gegangen? Ach, da gab es doch nur eine Möglichkeit, wenn sie an neuere Ereignisse zurückdachte: Natsus ungewollter Schlag, der Auslöser für ihren Streit. Dort, wo die Kette sich in ihre Brust gedrückt hatte befand sich noch immer eine blasse Narbe, die wohl auch ihr Leben lang zu sehen sein würde. Wenn der Stein schon so lange ineffektiv war, musste sie ja schwanger sein und das schon seit einigen Monaten! Die Erkenntnis half jedoch nicht, das Erfahrene zu verarbeiten. Schwangerschaft war ein Thema, an das die junge Ehefrau noch gar nicht gedacht hatte. Sie spürte Tränen in sich aufsteigen. Wie sollte sie das nur ihrem Mann beibringen? „Du solltest dich ausruhen. So kannst du unmöglich bei der Apfelernte helfen.“, meinte Narcy, doch die junge Frau hörte nur mit einem Ohr hin. Die Apfelernte war ihr kleinstes Problem, auch wenn sie extra dafür auf den Hof gekommen waren. „Wie soll ich es nur Natsu sagen?“, flüsterte sie. Ob er es verstehen würde? Ob er das Kind wollen würde? Ein guter Vater wäre er sicherlich, dass hatte er schon im Umgang mit seiner kleinen Schwester Narya bewiesen. Nur hätte niemand gedacht, dass er seine Fähigkeiten so bald würde beweisen müssen. Ach was, mit Sicherheit würde er zu ihr stehen. Natsu bedeuteten Freundschaft und Familie alles. Vermutlich würde der Rotschopf erst überschwänglich sein und auf jeden Fall seine Frau mit allem, was er bieten konnte unterstützen. „Am besten gerade heraus die Wahrheit.“, sagte Narcy und begann, Frühstück für ihre Familie zu machen. Ein langer Tag lag vor ihnen, denn die Äpfel waren reif und warteten nur darauf von ihnen gepflückt zu werden. Aber Lucy konnte nicht mehr helfen. Sie war schwanger. „Zum Glück haben wir es noch früh genug gemerkt. Du hättest das Kind wahrscheinlich verloren während du in den Bäumen herumgeklettert wärst. So ist es besser.“ Stimmt, sie hatte gelesen, dass Schwangerschaften eine heikle Sache darstellten. Sie durfte sich nicht mehr überanstrengen. Ein Glück hatte Natsu sie in den letzten Wochen ruhige Aufträge machen lassen, während der Feuerdrache sich auf die nächste S-Klasse-Prüfung vorbereitete, die in einem Monat begann. Jetzt hieß es komplett zurücktreten für die Magierin. „Es wäre besser wenn ich gemerkt hätte, dass der Talisman kaputt ist.“, seufzte Lucy und rieb sich die Schläfen. Das Ganze zu verarbeiten sorgte für Kopfschmerzen. Zu viel nachdenken half auch nicht, sie konnte ja schlecht die letzten Wochen ungeschehen machen. Obwohl es ja immernoch Eclipse gab. Ach, so eine absurde Idee! Lucy musste sich ablenken, also entschied sie sich, den Tisch zu decken. Das sollte sie schließlich noch können. Sie holte sich am besten eine genaue Liste der Dinge, die sie vermeiden sollte. Alkohol gehörte auf jeden Fall zu den Tabudingen. Na ja, musste sie den Festen halt nüchtern beiwohnen. „Hier bist du.“ Die Stimme ihrer Mannes ließ die junge Frau so stark zusammenfahren, dass sie die Frühstücksbrettchen fallen ließ. Eilig kniete sie sich nieder, um sie wieder aufzusammeln. Alles war gut um den Moment hinauszuzögern, in dem sie dem Feuerdrachen in die Augen sehen musste. Auch wenn sie glaubte ihn gut zu kennen, wie würde er die Nachricht aufnehmen? Sie konnte es nicht vorhersehen. Ihre Hände zitterten vor Anspannung. Schneller als dieser lieb war kniete Natsu vor seiner Frau und nahm ihr das Geschirr ab. Mit besorgtem Blick strich er ihr mit der freien Hand über die gerötete Wange. Er würde sich auf jeden Fall gut um sie kümmern. „Was hast du denn?“, fragte der Rotschopf verwirrt, als sie zur Seite sah um seinem Blick nicht zu begegnen. Was sollte sie nur tun? Seine Reaktion, seine Antwort - es war alles so unvorhersehbar. „Wenn du es ihm nicht sagst, sag ich es.“, mischte Narcy sich ein und rührte ungerührt die Milch für Naryas Frühstücksbrei. Das war keine leere Drohung, das würde Natsus Mutter wirklich tun. Die Beschwörerin hasste in ihren Augen unsinnige Heimlichkeit und ganz besonders, wenn es um ihre Kinder ging. Aber wie sollte Lucy anfangen? Lieber vorsichtig? Oder mit der Tür ins Haus fallend? Wäre es nicht sogar vielleicht besser, wenn Narcy die Botschaft weitergab? Aber dann stünde sie feige da und ihr Partner könnte den Eindruck bekommen, dass sie es ihm hatte verheimlichen wollen. Nein, Natsu musste es aus ihrem Mund erfahren. Narcy schien des Wartens auf ihre Aktion leid und setzte an, etwas zu sagen. Oh nein, die Schwangere musste ihrer Schwiegermutter zuvorkommen! „Ich bin schwanger!“, platzte es aus Lucy heraus. „Der Talisman ist zerbrochen und jetzt bin ich schwanger!“ Es war raus – und das fühlte sich unheimlich gut an. Vorsichtig lugte sie durch ihren blonden Pony zu ihrem Mann hoch. Natsu war wie erstarrt und unnatürlich blass. Hatte er sie richtige verstanden? Doch plötzlich sprang er wie von der Tarantel gestochen auf und rief: „Willst du mich verarschen?!“ Was auch immer sich seine Frau in ihren geistigen Auge vorgestellt hatte, das war es nicht gewesen. „Natürlich nicht!“, schrie Lucy und war erschüttert über diese Reaktion ihres Liebsten. „Ich bin schwanger! Von dir! Weil du mit deinem Schlag vor vier Monaten den Talisman zerbrochen hast!“ Wut schoss in ihr hoch. Warum machte er so einen Aufstand? Es war doch eh seine Schuld! „Wer kann mir sicher sagen, dass es von mir ist?!“, wollte der aufgebrachte Hitzkopf wissen. Was sollte das denn heißen? „Du hast doch kurz nach unserm Streit diesen Typen getroffen! Woher weiß ich, dass du nicht was mit dem hattest?!“ Beschuldigte er sie gerade tatsächlich des Fremdgehens? So wenig vertraute er ihr also wirklich! Das durfte doch nicht wahr sein! Und mit so jemandem war sie verheiratet! Schon so oft hatte Lucy das Verlangen verspürt, ihm eine zu klatschen und jetzt war es an der Zeit, es wirklich zu tun. Weit holte die vor Zorn zitternde Frau aus und mit aller Kraft die die aufbringen konnte knallte sie ihre Hand gegen die Wange ihres durchgedrehten Ehemanns. Völlig verdattert blieb er wie angewurzelt stehen und sah seine Frau mit großen Augen an. „Erstens ist Sascha eine Frau!“, schnaufte diese aufgebracht. „Und sie hat sich bei mir Rat in Liebesdingen geholt. Aber das zeigt mal wieder, dass ich dir egal bin! Du hörst mir ja nie zu!“ Die unveränderte Miene ihres Partners machte ihr die nachfolgenden Beschlüsse leichter. Wenn es ihm egal war, dann... „Schön! Ich gehe! Ich werde unser Kind alleine aufziehen! Ich brauche keinen Mann, der mir nicht vertraut!“ Und damit rauschte sie türenknallend aus dem Haus und die Auffahrt hinunter. Niemand hielt sie auf. Niemand konnte sie aufhalten. Aber wohin sollte Lucy gehen? Natürlich in die Gilde! Dort, wo es Arbeit gab! Wenn sie sich und ihr Kind versorgen wollte, brauchte sie Geld und das musste die junge Frau sich erst verdienen. Solange sie noch konnte. Aber vorher musste sie sich noch umziehen. In ihrer Rage war sie im langen Nachthemd davon gestürzt. Wenigstens konnte es als Sommerkleid durchgehen – im Herbst. Seine Wange brannte und die Beule an seinem Hinterkopf pochte, als er den Kopf in den kalten Bergbach hinter dem Hof seiner Eltern tauchte. Nicht nur hatte Lucy ihm eine gepfeffert, sondern seine Mutter Natsu auch noch den Kochlöffel voller Milchbrei über den Kopf gezogen. Abkühlen gehen sollte er. Als wäre Narcys Blick nicht schon fröstelnd genug gewesen. Scharf sog der Feuerkopf die kühle Morgenluft ein, als er sein Haupt wieder aus dem Wasser erhob. Auch wenn ihm der Temperaturunterschied nicht viel ausmachte so half er doch, dass der junge Mann wieder vernünftig denken konnte. Was hatte er da nur wieder angerichtet? Natsu hasste es Gray recht zu geben, aber er war so ein verdammter Idiot! Er konnte seiner Frau nicht verübeln, dass sie sauer auf ihn war. Nicht nur sauer, sondern wütend. Der Hitzkopf hatte von Anfang an gewusst, dass Lucys Bekannte aus Kindertagen eine Frau war. Er hatte es riechen können. Frauen rochen alle so viel süßlicher als Männer. Warum also war dieser Schwachsinn aus seinem Mund gekommen? Klar, es war für den jungen Mann ein Schock zu erfahren, dass er Vater wurde. Der Feuermagier konnte sich jedoch selbst nicht erklären, warum er so abwehrend reagiert hatte. So schlimm war die Sache doch gar nicht, wenn er so drüber nachdachte. Ändern ließ sich so oder so nichts an den Fakten. Was geschehen ist, ist geschehen. Völlig ohne jede Grundlage hatte er Lucy unterstellt, sie hätte ihn betrogen, nur weil ihn die Nachricht so überrumpelt hatte. Dabei war es doch eigentlich etwas schönes. Nur kam es viel zu früh und viel zu unerwartet. An dem Klang der Schritte hinter sich erkannte Natsu, dass sein Vater den Berg hinunter kam. Tsuya hockte sich neben ihn auf den gefrorenen Erdboden, sagte jedoch zunächst nichts. Schweigend beobachteten Vater und Sohn das fließende Wasser, welches sich seinen Weg hinunter ins Tal bahnte, um sich dort dem Fluss anzuschließen, der durch Magnolia floss und auch den Kanal in der Strawberry Street speiste, in der Lucy einst gewohnt hatte. „Wird Lucy mir verzeihen?“, fragte Natsu nach einer Weile vorsichtig. Das war die drängendste Frage, die ihm gerade im Kopf herum ging. Er hatte Angst vor der Antwort. „Hm... sag du es mir. Du kennst sie besser als ich.“, meinte der Brünette ruhig. Das mochte stimmen, aber kannte der Rotschopf seine Frau wirklich? Würde sie ihm einen so fatalen Fehler verzeihen? Ihr Temperament war nicht zu unterschätzen, aber die Blondine blieb ein logische Frau. „Ja, wird sie, wenn ich ehrlich zu ihr bin.“, sagte er dann. Lucy war dickköpfig, aber längst nicht so stur wie er. Ihr Mann musste es nur richtig anstellen und sich Mühe geben, dann gehörte seine Frau wieder ihm. Zusammen mit ihrem Kind. Das hatte einen schönen Klang. Ihr gemeinsames Kind. „Und was sagt dir dein Herz, wenn du ehrlich bist?“ Tsuya wusste welche Fragen er stellen musste, damit Natsus eigener Denkprozess in den richtigen Bahnen verlief. Auf die gleiche Art hatte sein Vater ihm geholfen, als er vor ein paar Monaten kurz davor stand Lucy zu verlieren. An jenem schicksalhaften Tag, an dem der Grundstein für den heutigen Ärger gelegt wurde. Oder vielmehr zerbrochen. Und jetzt stand er nochmal kurz davor, die wichtigste Person in seinem Leben zu verlieren. „Wenn ich auf mein Herz höre, freue ich mich unheimlich darüber, dass ich Vater werde.“, grinste Natsu wahrheitsgetreu. „Auch wenn wir noch warten wollten, irgendwann hätten wir mit Sicherheit beabsichtigt eins gezeugt. Ich kann mir keine bessere Mutter für meine Kinder vorstellen als Lucy. Das wird sicher ein Haufen verdammt kluger Hitzköpfe die uns unheimlich auf Trab halten.“ Die ideale Mischung zwischen den so unterschiedlichen Ehepartner würde eine Menge Arbeit für die Eltern bedeuten. Wenn Natsu so klug wie Lucy wäre, hätten seine Streich viel mehr Durchschlagskraft. „Na, da verlass dich man nicht drauf.“, lachte Tsuya und wuschelte seinem Sohn durch die roten Haare. Ja, sein Vater hatte recht. Viel mehr als die Haarfarbe hatte Natsu schließlich auch nicht von seiner Mutter abbekommen. „Und was denkst du, wird Lucy jetzt tun?“ Das war eine gute Frage, die sich aber leicht beantworten ließ, wenn Natsu an die herausstechendsten Charakterzüge seiner Partnerin dachte. Lucys Hauptsorge nach ihrem Aussehen war Geld. Sie brauchte die finanziellen Mittel, um sich und ein Kind durchzubringen. „Sie wird in die Gilde gehen und sich einen gut bezahlten Job suchen.“, kam es ihm in den Sinn. Der Feuerdrache sah zu seinem Vater und stellte fest, dass sich dessen Gesicht versteinert hatte. So musste er geguckt haben, als Lucy ihm die frohe Botschaft eröffnet hatte. Kein Wunder, dass sie so sauer war. „Dann“, sagte Tsuya ernst und stand auf, „sollten wir uns schleunigst auf die Suche nach ihr machen.“ Als er sah, dass sein Sohn nicht verstand, erklärte er: „Bei schwangeren Frauen spielt die Magie verrückt. Sei froh, dass sie ein Träger-Typ ist, da reicht es, wenn du ihr die Schlüssel wegnimmst. Narcy muss immer einen magieblockierenden Talisman tragen, sonst hätten wir hier Chaos mit ihren launischen Beschwörungen. Aber ebenso, wie die Magie sich unbeabsichtigt aktiviert, kann sie auch plötzlich weg sein und dann wird's lebensgefährlich.“ Aufgeregt stürzte Natsu mit seinen Eltern im Schlepptau in die Gilde. Auf seinem Weg zur Bar rannte er mehrere seiner Kameraden um, was ihn jedoch nicht große interessierte. Er musste schleunigst das schlimmste Szenario verhindern! „Oh, Natsu!“, rief Mirajane hinter der Bar ihm entgegen. „Ist das Milchbrei in deinen Haaren?“ Direkt vor der Nase der Bardame schlug er mit den Händen auf den Tresen, ohne auf ihre Frage zu achten und fragte aufgewühlt nach Lucy. Seine Haare waren unwichtig. Die Blondine musste schon vor einer ganzen Weile hier gewesen sein. Den Spuren auf dem Waldweg nach zu urteilen hatte sie eine eilige Kutsche am Fuß des Berges mitgenommen. Der Vorsprung, den sie so vor dem lahmen Ackergaul seiner Eltern bekommen hatte, war viel zu groß! Blöde Eleanor, dass sie ausgerechnet heute Brandtag hatte und für einige Zeit ausfiel! Phönixe waren eben doch nicht so toll, wie man immer behauptete! „Merkwürdig, dass du fragst.“, meinte Mirajane nachdenklich. „Wir wollten ihr gerade jemanden hinterher schicken. Etwas ist mit dem Auftrag den sie vorhin angenommen hat nicht in Ordnung.“ Ah, das war schon wieder typisch! Die Frau zog Probleme geradezu magisch an! „Wann hat sie ihn angenommen?“, fragte der junge Magier panisch. Das letzte Mal, dass er seine Frau gesehen hatte, war direkt nach dem Streit am Morgen. Zu Fuß brauchte man etwa eine halbe Stunde den Berg hinunter. Direkt am Ende des Feldweges musste sie ihre Mitfahrgelegenheit getroffen haben, welche den Abdrücken nach von vier Pferden gezogen wurde die allesamt im schnellen Galopp liefen. Vermutlich die Expresspostkutsche, die zwischen den nördlich gelegenen Ortschaften und Magnolia verkehrte. Wenn man diese einkalkulierte, hatte die Stellargeistmagierin nur eine Stunde bis in die Stadt gebraucht, vermutlich noch eine halbe um ihre Sachen aus dem gemeinsamen Haus zu holen und zur Gilde zu kommen. Sie kam also in dem Moment in der Gilde an, als Natsu endlich begriff, dass er seine Frau ganz schnell zurückholen musste. „Das ist etwa zwei Stunden her.“, meinte die Bardame verwirrt. „Sie kam rein, ging direkt zum schwarzen Brett, nahm sich einen Auftrag und verschwand wieder.“ „Sie hat mit niemandem geredet und sah nicht gut aus.“, mischte sich Erza von der Seite ein. „Ist irgendetwas vorgefallen?“ Vorgefallen? Wenn die Rittermagierin davon erfuhr, würde sie ihn lynchen. Aber auch wenn er das mehr als verdient hatte, die Zeit drängte. „Erklär' ich euch später.“, winkte Natsu eilig ab und wandte sich wieder Mirajane zu. „Wo ist Lucy hin?“ Er saß auf heißen Kohlen. Jede Minute zählte! Lucys Talent in problematische Situationen hineinzugeraten machte ihm Sorgen. „Sie ist nach Clover gefahren. Du weißt doch, die Banditenbande, auf die du so scharf warst.“, erinnerte Mirajane ihn. Ja, an den Auftrag konnte er sich gut entsinnen. Er hatte seinen Kameraden eingebläut die Finger davon zu lassen, bis er von der Apfelernte zurückkam, denn für eine Räuberbande war die Belohnung erstaunlich hoch. „Aber der Auftrag ist ungültig.“, fuhr die weißhaarige Magierin fort. „Kurz nachdem Lucy gegangen war, bekamen wir eine Nachricht vom Auftragsamt, dass der Auftrag nicht ausgeführt werden darf, weil es sich um eine falsche Beschreibung handelt. Anscheinend haben die Dorfbewohner gelogen, um die Belohnung zu drücken. Es sind gar keine Banditen, die terminiert werden sollen, sondern die dunkle Gilde Krähenblut.“ Zum zweiten Mal an diesem Tag fühlte Natsu sich wie erstarrt. Eine dunkle Gilde! Gegen eine kleine Räuberbande konnte die pfiffige Stellargeistmagierin problemlos bestehen. Aber ein ganze Gilde, dafür brauchte es mehr als einen! Selbst der kampfwütige Feuermagier würde es sich zweimal überlegen, alleine gegen so viele Magier anzutreten. Zudem dunkle Gilden niemals fair spielten! Lucy und ihr verdammtes Karma! „Wir müssen ihr sofort nach.“, sagte Narcy, die einen kühlen Kopf behielt. „Shiya wird uns sicher eines seiner magischen Vierräder leihen. Gut, dass sie nach dem Zwischenfall mit der Eisenbahnbrücke auch eine Wagenspur zwischen Oshibana und Clover gebaut haben.“ Sie hatte das noch nichteinmal ganz ausgesprochen, da stürmte ihr Sohn schon aus dem Gebäude. Shiya würde gar nicht anders können, als ihnen zu helfen! Jede Sekunde zählte! Schnell wie der Wind schoss die Kolonne aus voll besetzten magischen Gefährten über die gemauerte Brücke dahin. Der Abgrund unter ihren Füßen führte tief bis zu einem reißenden Strom, doch das interessierte keinen. Die Kämpfer Fairy Tails fokussierten sich alleine auf das schnelle Vorankommen, indem sie ohne anzuhalten den Anschluss für magische Energie unter der Fahrzeugbesatzung herumgaben. Nach der Neuigkeit über Lucys Schwangerschaft und die damit auftretenden Probleme wollte keiner mehr still sitzen bleiben. Nur der Meister und Tsuya blieben zurück, um auf den Nachwuchs der Gilde aufzupassen, wobei letzterer wild protestiert hatte, aber von seiner Frau ausgebremst wurde. Das Argument des schmalen Grats zwischen Mensch und Drache bei Natsus Vater zog immer. Für den beleidigten Feuerdrachen schloss sich dessen jüngerer Sohn der Prozession an. Shiya beherrschte sie zwar nicht, aber magische Energie zum Fahren des Wagens besaß er genug. Natsus kleiner Bruder ließ sich auch nicht davon abbringen mitzukommen. Er argumentierte, dass die Magier dann mehr Kraft für den Kampf hätten, woraufhin seine Mutter nachgab. Er musste nur versprechen, sich möglichst weit vom Kampfgeschehen fernzuhalten. Die Chance darauf Einfluss zu nehmen erhielt der Verjüngte jedoch nicht: Kaum dass das letzte Vierrad den Übergang verließ, verwandelte sich der Steinboden in Treibsand, in dem die schweren Gefährte steckenblieben und versanken. So schnell sie konnten kletterten die Insassen auf die sicheren Dächer, wobei sie Natsu und Gajeel mitziehen mussten, die aufgrund ihrer Reisekrankheit nicht in der Lage waren, sich selbst zu retten. Selbst die langsame Bewegung in den Sand hinein reichte aus, um die beiden Dragonslayer außer Gefecht zu setzen. Die restlichen Fairy Tail Magier suchten nach dem Auslöser für die Wandlung und erblickten nur wenige Meter rechts von ihnen einen Mann, der dank Größe und Statur aussah wie ein Stab, der im Boden steckte. Er stand in sicher Entfernung am Rande der Treibsandgrube. Das Leuchten um seine linke Hand verriet, dass dieser die Kontrolle über den Sandzauber hatte. „Sie mal einer an, was für ein Glückstag?“, lachte er mit einer unnatürlich hohen Stimme, doch seine blutunterlaufenen Augen blickten weiter emotionslos. „Erst dieses Stellargeistflittchen mit den vielen goldenen Schlüsseln und nun eine Gilde, auf die unter den dunklen Gilden eine Belohnung ausgesetzt ist. Fairy Tail. Wenn wir euch fertig machen gibt es keinen mehr der es wagen würde, sich uns in den Weg zu stellen.“ Aus dem Sand zu seinen Füßen kamen weitere Personen empor. Allesamt finster drein blickend und mit einem blutdurstigen und machthungrigen Grinsen im Gesicht. Warum musste Mitglieder dunkler Gilden immer so klischeehaft abartig aussehen? Ihre Anzahl überstieg die der Fairy Tail Magier bei weitem, doch das ließ die Gildenkameraden nicht zurückschrecken. „Was... habt ihr... mit Lucy... gemacht?“, ächzte Natsu und versuchte krampfhaft auf die Beine zu kommen. Er musste seiner Frau zuliebe seine größte Schwäche überkommen. Er war so unnütz, mit diesem Handicap! Vielleicht wäre es doch keine so schlechte Idee, die zweite Stufe zu überschreiten, auch wenn Lucy ihn dann köpfen würde. Doch dann spürte der Feuerdrache kleine, zarte Hände an seinen Ohren und die Übelkeit verschwand. Wendys Troya wirkte, wenn auch wahrscheinlich nicht für lange. Er musste die wenige Zeit ausnutzen, um von dieser Falle herunterzukommen! Wieso hatte denn noch niemand einen Übergang geschaffen?! „Lucy?“, fragte der Stabmann mit schnarrendem Unterton. „Die möchtegern Magierin gehörte also zu euch?“ Ein amüsiertes Raunen ging durch die Mitglieder der dunklen Gilde. „Die war so schwach, dass wir dachten, sie hätte ihr Gildenzeichen gefälscht! So heruntergekommen sind die legalen Gilden also, dass sie schon Unfähigkeit in ihren Reihen dulden.“ Natsu spürte die Wut in ihm hochkochen. „Lucy ist nicht unfähig!“, brüllte er. Am liebsten hätte er sofort angegriffen, aber der Feuermagier konnte nicht weit genug springen, um festen Boden zu erreichen. Er nützte seiner Frau gar nichts, wenn er im Treibsand feststeckte. Das erneute Lachen in den Reihen seiner Feinde brachte ihn zur Weißglut. „Deine Lucy ist tot.“, rief der Sprecher ihrer Gegner und ließ dabei einen Schlüsselbund um seinen Zeigefinger kreisen. Lucys Stellarschlüsselbund. „Die hier werden uns zu reichen Männern machen. Geld ist doch einfach das Schönste!“ Nur teilweise hörte Natsu den letzten Satz. Das bekannte Schlüsselklimpern hallte zusammen mit den Worten „Lucy ist tot“ in seinen Ohren wider, bis es nur noch ein lautes Rauschen war. Sein Blut kochte vor Wut und er spürte unbändige Kraft in sich aufsteigen. „Ich bring dich um!“, schrie der Feuerkopf und schoss wie ein Blitz auf seinen Feind zu. Seine Emotionen verliehen ihm genug Kraft, um sicheren Boden zu erreichen und den Kampf der Gilden mit einer gezielten Eisenfaust des Feuerdrachen zu beginnen. Dieser lange Kerl gehörte ihm, er würde die Schlüssel wieder zurückholen! Mit Hilfe von Grays Eisalchemie, Lakis Holzalchemie und diverser weiterer Magien erschufen seine Kameraden Brücken, um sich dem Kampf des Feuerdragonslayers anzuschließen. Niemand konnte nach der herzlosen Aussage des Stabmannes noch still halten. Die Massen prallten aufeinander und die unterschiedlichsten Magien traten gegeneinander an. Doch die Fairy Tail Magier waren in ihrer Wut unbesiegbar und stellten mal wieder unter Beweis, warum man sich mit ihnen nicht anlegen sollte. So sehr Krähenblut auch angegeben hatte, sie waren alles andere als stark. Vielleicht waren die legalen Gildenmagier auch nur viel stärker als sie. Egal welche hinterhältigen Tricks die dunkle Gilde auch anwendete, sie konnte nicht gegen das Band der Freundschaft, das die Feen stärkte, ankommen. Als der Staub des Krieges sich langsam lichtete, stand inmitten der gefallen dunklen Magier Natsu, in vollem Dragonforce Zustand, der den Gildenmeister am Hals gepackt hatte. Lucys Schlüssel rutschten diesem aus der Hand und landeten klirrend neben seinen Knien auf dem Boden. Schnell wie der Blitz schoss Happy vor, um die Beschwörungsmedien seiner Freundin zu holen und wieder in den sicheren Kreis seiner Freunde zurückzukehren. Charle und Panther Lily stellten sich dicht neben den blauen Kater, um im Notfall die Schlüssel mit ihrem Leben zu verteidigen. Doch niemand aus den feindlichen Reihen sah noch in der Lage aus, sich auf einen weiteren Kampf einlassen zu können. „Was hast du mir Lucy gemacht?“ Noch immer loderte das Drachenfeuer um den Körper Natsus und brachte den Stabmann ebenso wie dessen Angst vor dem Dragonslayer zum Schwitzen. „Ihr Leiche liegt im Fluss!“, brachte dieser panisch hervor. Natsu hatte keine Gnade gezeigt. Als hätte der Typ Gnade verdient! Am liebsten würde der Hitzkopf mit dem dunklen Magier das gleiche anstellen, wie dieser mit Lucy, sofern der Kerl denn recht behielt. Aber dann würde der junge Mann sich auf das Niveau des Verbrechers hinablassen und darüber wäre seine Frau bestimmt alles andere als glücklich, weswegen er den dunklen Gildenmeister losließ. Ein kleines bisschen hoffte Natsu, dass sein Feind log und seine Partnerin doch noch am Leben war. Vielleicht hatte er sich geirrt und die junge Frau war nur schwer verletzt? Ganz knapp noch am leben? „Suchen wir sie!“, rief Narcy und auf ihr Kommando rannten alle Fairy Tail Mitglieder zur Schlucht. Neben dem reißenden Gewässer befand sich noch ein schmales Ufer, welches sie der enormen Hitze des Sommers verdankten. Noch hatten die Regenfälle es nicht geschafft, dass Flussbett wieder zu füllen. Die mutigsten unter ihnen kletterten an der groben Felswand hinab und folgten zu Fuß der Strömung. Die Exceed hielten aus der Luft Ausschau. Juvia nutzte ihre Magie, um das Wasser abzusuchen, unterstützt durch ihre Großmutter Marvia, die von Narcy beschworen wurde. Die restlichen Fairy Tail Mitglieder liefen soweit sie konnten an den Klippen entlang und riefen den Namen der Blondine. Jede Sekunde konnte helfen, sie noch lebend zu finden! „Wir haben sie!“ Juvias lauter Ruf hallte an den Wänden der Schlucht wider, bis zu den Ohren Natsus. So schnell er konnte rannte der Ehemann der Gefundenen in die Richtung, aus der die Stimme der Wassermagierin kam, gefolgt von seinen Freunden. Er musste ein gutes Stück laufen bevor er sah, wie Juvia und die Wassernymphe Marvia den leblosen Körper Lucys aus dem Fluss zogen. Die Blässe seiner Liebsten sah nicht gesund aus und auch die halb geöffneten, leeren Augen verhießen nichts gutes. Der Stabmann hatte nicht gelogen, seine Frau war wirklich tot. „Nein!“, rief Natsu verzweifelt und sprintete die letzten Meter bis zu den Frauen. Ohne Rücksicht schob er die Finder beiseite und kniete neben dem Körper seiner Partnerin nieder. Nur zögerlich wagte er es, ihr Gesicht zu berühren. Kalt. Wie Eis. Das war alles seine Schuld! Wenn er nicht am Morgen so eine vollkommen bescheuerte Reaktion gezeigt hätte wäre das nie passiert! Lucy war tot. Tot! Seine über alles geliebte Partnerin fürs Leben und mit ihr das Kind in ihrem Bauch. Zwei vollkommen unschuldige Leben, sinnlos vergeudet. Was hatte er nur getan? Seine Dummheit hatte das Leben der Person gekostet, die ihm am Meisten bedeutet hatte. Er sollte jetzt reglos daliegen, nicht sie! Er hätte es verdient! Wie sollte er nur ohne sie weiter leben? Ohne ihr Lachen? Ohne ihren Duft? Ohne ihre Zärtlichkeit? Ohne Sie? „Geh mal weg da!“ Unsanft wurde Natsu aus seiner Verzweiflung gerissen, als seine Mutter ihn einfach zu Seite stieß und sich an der Leiche ihrer Schwiegertochter zu schaffen machte. „Was soll der Scheiß?!“, protestierte der Rothaarige. Nichteinmal in Ruhe trauern durfte er! „Sie ist höchstens eine Stunde tot. Da kann ich noch was machen.“, meinte Narcy und ihr Sohn wollte seinen Ohren nicht trauen. Na gut, seine Mutter beherrschte den Wiederbelebungszauber. „Aber das kostet dich doch dein eigenes Leben!“, rief der Feuerkopf entsetzt. So sehr er Lucy auch zurückhaben wollte, es sollte niemand anderes dafür sterben. Erst recht nicht seine eigene Mutter! Wie sollte er das denn seinem Vater und seinen Geschwistern erklären? „Ach was! Für wen hältst du mich?“, schnaubte die Beschwörerin und zog ihren Sohn wieder auf die Beine. „Du und deine Freunde geht jetzt mal schön ein Paar Schritte zurück – Schritte, nicht Millimeter! Noch ein Stück – noch ein Stück – so ist's gut!“ Zwischen den Magiern und Natsus Mutter befanden sich nun gut Zehn Meter. Was hatte Narcy vor? „Egal was passiert, kommt nicht näher, bevor meine Magie nicht aufgehört hat zu wirken!“, warnte diese eingehend, bevor sie sich wieder der toten Lucy zuwandte. Die uralte Magierin breitete ihre Arme aus und auf dem Boden erschien ein magischer Kreis, der fast bis zu ihren Gildenkollegen reichte. Nicht näher kommen hieß also in diesem Fall, nicht in den Kreis treten. Was wohl passieren würde, wenn sie es trotzdem taten? Der feste Griff Erzas an seinem Arm zügelte Natsus Neugier. Seine Mutter würde wohl nicht grundlos eine solche Warnung ausgesprochen haben. Narcy hatte inzwischen begonnen, eine magische Formel in ihrer komischen, zischenden Muttersprache aufzusagen. Der Bannkreis am Boden leuchtete immer heller, doch auch am Himmel tat sich was. Leuchtende Wolken erschienen und sammelten sich kreisförmig, bis sich ein Strudel aus Licht und Schatten bildete. Dieser senkte sich langsam vom Himmel herab, bis er die Frauen in der Mitte des Kreises verschlang. Nein, das Licht verschlang sie nicht, es fuhr in die Körper hinein! Es dauerte lange, bis alles absorbiert war, der Bannkreis vom Boden verschwand und die Menschen in seiner Mitte wieder sichtbar waren. Narcy sackte sofort auf die Knie, doch ihre Schultern hoben und senkten sich unter ihrer schweren Atmung, sodass sie noch am Leben sein musste. Viel interessanter war, was sich vor der Beschwörerin tat. Natsu glaubte zu träumen, als Lucy sich regte und langsam ihren Oberkörper in eine sitzende Position hochhob. Er wollte seinen Ohren nicht trauen, als er die Stimme seiner Frau vernahm die sich leise fragte, was passiert war und warum sie solche Kopfschmerzen hatte. Und jetzt hielt den jungen Mann nichts mehr. Überglücklich stürzte er auf seine Ehefrau zu und bevor diese wusste wie ihr geschah, hatte er sie fest mit seinen Armen umklammert. Sie war warm und weich und sie bewegte sich. Lucy lebte! Sie lebte wirklich wieder! „Natsu? Was ist denn los?“, fragte diese verwirrt. Natürlich, für sie war der letzte Stand der Dinge, dass ihr Mann sie nicht mehr wollte. „Und warum hast du Milchbrei in den Haaren?“ Hinter dem Paar erklang das erleichterte Lachen ihrer Freunde. Nach Shiya und Mirajane war die Blondine die dritte, der die Spuren des mütterlichen Angriffs aufgefallen waren. Aber das war etwas, dass die kluge Magierin auszeichnete. Es war ein Beweis, dass wirklich sie in ihrem eigenen Körper wiederbelebt wurde, „Verzeih mir.“, flüsterte Natsu unter Tränen. Freudentränen. Tränen der Erleichterung. „Ich bin das größte Arschloch der Welt, aber ich hoffe, du kannst mir verzeihen. Ich will dich – nein, euch nie wieder verlieren.“ Es waren die wahren Gefühle des Feuerkopfs. Aber stimmte das euch überhaupt noch? Lucy lebte, aber was war mit dem Kind? Vorsichtig lugte Natsu zu seiner Mutter, die gerade von Mirajane und Shiya gestützt aufstand. Die Fürsorge schien dieser unangenehm zu sein. „Es geht mir gut.“, versicherte die Beschwörerin den beiden. „Ich habe nur fast keine Magie mehr. Anscheinend ist drei Personen gleichzeitig wiederbeleben mein Limit.“ Alle Augen ruhten auf der alten Magierin. Keiner schien ihre Aussage wirklich zu begreifen und so fügte sie nach einem schweren Seufzer hinzu: „Lucy bekommt Zwillinge.“ „Ist nicht wahr?!“, riefen die Gildenfreunde gleichzeitig, allen voran die werdenden Eltern. Natsu und Lucy sahen sich blass an. In Natsus Kopf ratterte es schon wieder unangenehm und ihm kamen wieder tausend Aussagen hoch, mit denen er seine Frau wieder vor den Kopf gestoßen hätte. Es gab keinen Grund zu Flucht, sie saßen beide im selben Boot. Sie waren ein Ehepaar und mussten sich allem gemeinsam stellen. „War ja klar!“, lachte Macao. „Wenn Natsu was anstellt, dann übertreibt er's maßlos!“ Die anderen Gildenmitglieder stimmten in sein Lachen mit ein. Die Neckereien seiner Freunde halfen Natsu, einen klaren Kopf zu behalten. Bei so vielen Kameraden auf deren Unterstützung sie zählen konnten brauchte das junge Ehepaar sich gar keine Sorgen machen. „Das schaffen wir schon.“, grinste Natsu zuversichtlich und gab seiner Frau einen Kuss auf die Stirn, woraufhin Lucy das süßeste Lächeln zeigte, dass sie hatte. Er hatte das richtige gesagt. So glücklich sah er die Frau in seinen Armen am liebsten. Mit einem breiten, leicht erröteten Lächeln. Zusätzlich liebte er es, wenn sie seinen Namen so sanft aussprach, wie sie es gerade tat. Die Zukunft konnte kommen. Ihre Kinder konnten kommen. Dann waren es eben zwei kluge Hitzköpfe statt nur einem. Dafür liebte er Lucy nur um so mehr. Natsu sah seine Freunde an, die sich mit den werdenden Eltern freuten. Sie mussten nach Hause und die frohe Botschaft den zurückgebliebenen erzählen. Das würde wieder eine ausgelassene Party werden, auch wenn sie es nicht übertreiben sollten. Immerhin stand ja noch eine Apfelernte an. Der Frühling kam schnell in diesem Jahr. Schon im März brannte die Sonne vom Himmel und entlockte dem Boden die ersten Blumen. Wann immer das Wetter es zuließ saß Lucy so wie heute vor dem Haus ihrer Schwiegereltern und strickte nach Narcys Anleitung Söckchen und Pullover für ihren Nachwuchs. Seit zwei Monaten wohnte sie schon hier, weil der Stress den die immerwährende Aufregung in der Gilde bedeutete der werdenden Mutter zu viel geworden war. Es war ja lieb, dass jeder sich um sie kümmern wollte, aber im Endeffekt nervten ihre Freunde die Blondine mehr, als dass sie ihr halfen. Dennoch vermisste die Stellargeistmagierin den Trubel und ihre Kameraden und hoffte, bald wieder auf Missionen gehen zu können. Irgendwer würde sich schon finden, der währenddessen auf ihre Kinder aufpasste. Nachdenklich streichelte Lucy sich über den dicken Bauch. Schon fast neun Monate dauerte ihre Schwangerschaft. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis ihre Zwillinge das Licht der Welt erblickten. Laut der Lacrymauntersuchung handelte es sich um zweieiige Zwillinge, einen Jungen und ein Mädchen. Leider hatte sie sich mit ihrem Mann noch nicht auf ihre Namen einigen können. Natsu wollte unbedingt, dass der Name seines Sohnes mit seinem „Na“ anfing. Allerdings viel dem Hitzkopf auch kein Jungenname mit „Na“ ein, der ihm gefiel. Ihre Tochter wollte Lucy gerne nach ihrer verstorbenen Mutter benennen, wogegen ihr Mann im Grunde nichts einzuwenden hatte. Die Blondine musste ihm jedoch schwören, dass sie ihre zweite Tochter „Luna“ nennen würden. Das hatte er aus ihren Anfangssilben zusammengestellt und war ganz vernarrt in den Namen. Also entschieden sie schon Jahre vorher über den Namen ihrer zweiten Tochter, sofern sie denn mal eine haben würden. Aber die werdende Mutter wusste jetzt schon, dass ihr Mann keine Ruhe geben würde, bis sein Wunsch erfüllt war. Sie stellte sich also innerlich schonmal auf einen kinderreichen Haushalt ein. „Lucy!“ Die junge Frau sah von ihrer Strickarbeit auf, als die Stimme ihres Mannes sie aus ihren Gedanken holte. Winkend kam Natsu die Auffahrt hinauf gelaufen. Vorsichtig erhob sie sich, um den jungen Mann in die Arme zu schließen. Endlich war er von seinem Auftrag zurück! Nur drei Tage konnte sie ihn nicht sehen und doch hatte sie sich so einsam gefühlt. „Ich habe die Lösung für unser Namensproblem!“, grinste Natsu, nachdem er seiner Frau einen innigen Begrüßungskuss gegeben hatte. „Ich hab von einem südländischen Namen gehört, der okay ist: Mein „a“ ist ja schon bei „Layla“ drin, also können wir für den Jungen dein „u“ einbauen. Und da hab ich gestern in Hargeon diesen Typen namens „Nuka“ getroffen, der war total cool! Was meinst du? Nuka und Layla?“ Erwartungsvoll leuchteten die dunkelgrünen Augen des Feuerdrachens. Gründlich ließ seine Frau sich diesen Vorschlag durch den Kopf gehen. Das klang gar nicht mal schlecht. Nuka und Layla, daran konnte Lucy sich gewöhnen. Sie spürte, wie sich die Kinder in ihrem Bauch regten. Sie traten nicht, aber sie konnte die Gefühle ihres Nachwuchses spüren. „Die Zwillinge sind einverstanden.“, lachte sie und gab ihrem Mann einen erneuten Kuss. Dann spürte sie einen kurzen Schmerz in den Seiten. Merkwürdig, vielleicht bekam ihr das Stehen nicht gut? Anstrengend war es auf jeden Fall, mit der Last in ihrem Bauch. Vorsichtig setzte sie sich von dem Rotschopf gestützt hin. Natsu nahm neben ihr Platz und begann, von seinem Abenteuer zu berichten. Er durfte eine Expedition von Archäologen auf eine Insel in der Nachbarschaft von Galuna begleiten und vor den Fallen in den dortigen Ruinen beschützen. So wie es aussah hatte das Volk, dass die Ruinen auf Galuna baute auch die anderen Inseln bewohnt. Natsu hatte nicht begriffen, was die alten Männer gesagt hatten, auch wenn er versuchte, so viel wie möglich für seine schlaue Lucy zu behalten. Leider machte seine verdrehte Erklärung keinen Sinn, aber seine Frau schätzte die Geste. Während sie sprachen durchzuckten die werdende Mutter immer wieder kurze Schmerzwellen. Ein ungutes Gefühl überkam sie. Konnte es wirklich schon so weit sein? Lucy schreckte zusammen, als sie merkte, dass es zwischen ihren Beinen nass wurde. Ihr weiblicher Instinkt sagte ihr, was das bedeutete. „Es geht los.“, flüsterte sie und sah ihren Mann blass an. „Unsere Kinder kommen.“ Ein erneuter Schmerzensschrei seiner Liebsten ließ Natsu zusammenfahren. Lucy sah schrecklich aus mit dem verzerrten, verschwitzten Gesicht. Wenn Kinderkriegen so schmerzhaft war wie es aussah, dann war er froh, ein Mann zu sein. Gleichzeitig fühlte er sich hilf- und nutzlos. Der werdende Vater saß einfach nur neben dem Bett seiner Frau und hielt ihre Hand. Mehr konnte er nicht tun, während seine Mutter als Hebamme fungierte und seinen Vater zu allen möglichen Besorgungen schickte und nebenbei noch Lucy anfeuert, was Natsu nur mit einem Ohr mitbekam. Seit fünf Stunden quälte Lucy sich nun schon mit den Wehen ab. Dauerte das immer so lange? So langsam wurde es doch mal Zeit, dass seine Kinder das Licht der Welt erblickten! Und plötzlich drang ein Babyschrei an sein Ohr. Natsu sah zu seiner Mutter, die das erste Kind, welches nach Leibeskräften schrie, gerade auf dem Bauch der Mutter ablegte. Orangeroter Flaum bedeckte das kleine Köpfchen, eine Mischung aus den Haarfarben seiner Eltern. „Wir haben einen großen Bruder.“, lächelte die Großmutter des Kindes, während sie es abnabelte. Tsuya wickelte den kleinen Menschen geschickt in Tücher. Bei den Geburten seiner eigenen Kinder hatte der Brünette ebenfalls geholfen, auch wenn er noch nie einem Kind aktiv auf die Welt geholfen hatte, wie Narcy es in ihrem langen Leben schon mehrmals tun durfte. „Hier.“, grinste der frischgebackene Großvater stolz und hielt Natsu das neugeborene Bündel Mensch entgegen,. Zögerlich nahm dieser seinen Sohn entgegen, vorsichtig darauf bedacht den kleinen, empfindlichen Kopf zu stützen. Ehrfürchtig betrachtete er das nun ruhige Gesicht des Kindes. Sein Sohn. Sein und Lucys Sohn. Nuka. Wieder schrie Lucy auf und Natsu wurde unangenehm daran erinnert, dass es noch nicht vorbei war. Layla fehlte noch. Die Zeit, bis seine Tochter geboren war kam dem jungen Vater endlos vor, dabei handelte es sich lediglich um ein paar Minuten, bis auch Layla mit einem lauten Schrei verkündete, dass sie nun ein Teil seiner Welt war. Auch die kleine Schwester wurde von ihrem Großvater eingepackt, aber an ihre Mutter weitergereicht, die schwer atmend und erschöpft das Kind entgegen nahm. „Du hast es geschafft.“, meinte Narcy und wischte sich die Hände in einem Handtuch ab. „Herzlichen Glückwunsch.“ Lucy war zu erschöpft um zu antworten. Stattdessen lächelte sie nur selig und betrachtete abwechselnd ihre Kinder. Noch nie hatte sie in Natsus Augen schöner ausgesehen, als nach diesen Strapazen. Als sich ihre Augen trafen übermannten den jungen Vater die Glücksgefühle. Er lehnte seine Stirn gegen die seiner Frau und flüsterte: „Danke, das hast du gut gemacht.“ Dann nahm er ihr vorsichtig seine Tochter ab, nachdem er Nuka an dessen Großvater weitergegeben hatte, denn er sah, dass Lucy nach diesen Strapazen schlafen musste. „Ruh dich aus, du hast es dir verdient.“ Nachdem Lucy nach nur wenigen Sekunden ins Reich der Träume übergegangen war, schlich Natsu sich leise aus dem Zimmer. Seine Kinder ließ er in dem extra breiten Bettchen neben dem Schlafplatz ihrer Mutter, welches die junge Familie von seinem Bruder bekommen hatte. Shiya war der Ansicht, dass man Zwillinge nicht trennen durfte, weil es angeblich ein unsichtbares Band zwischen ihnen gab. Wie Ketten, die sie ein Leben lang zusammenschweißten. Natsu bekam ein Glas Sekt gereicht, kaum dass er die Schlafzimmertür hinter sich geschlossen hatte. Überrascht sah er, dass es Erza war, die es ihm reichte. Aber nicht nur die Rothaarige war anwesend. Alle ihre Freunde von Fairy Tail drängten sich in der viel zu kleinen Küche und dem angrenzenden Wohnzimmer des Dragneel-Hofes. Fünfzig Magier auf engstem Raum – ein sehr amüsanter Anblick. „Was macht ihr denn hier?“, wollte der verwunderte Feuermagier wissen. „Ich hab sie hergeholt!“, rief Happy stolz. „Wir wollen alle mit euch feiern!“ Der kleine Kater hatte tapfer ertragen, dass sein Ziehvater ihm nicht mehr so viel Aufmerksamkeit schenkte und sich geistig darauf vorbereitet, den Zwilling ein Vorbild wie ein großer Bruder zu sein. „Denkst du ernsthaft, wir lassen uns das entgehen?“, meinte Gray spöttisch. Warum hatte dieser Unterton in der Stimme des Eismagiers Natsu nur früher so gereizt? Er konnte es sich nicht mehr erklären. Der Schwarzhaarige war sicher nur neidisch, weil Natsu sein Glück gefunden hatte. Dabei lag Grays doch direkt vor seiner Nase. „Juvia kann es gar nicht erwarten, die Babys zu sehen!“, schwärmte die Wassermagierin aufgeregt. Natürlich, keine der Frauen hatte so mitgefiebert, wie sie. „Juvia hofft, dass sie auch bald ein Kind von Gray bekommt.“ Dem erwartungsvollen Blick der Blauhaarigen wich deren Angebeteter jedoch aus. Noch immer war das Herz des Eisalchemisten nicht bereit, sich auf eine Liebesbeziehung einzulassen. Und der behauptete, Natsu wäre stur! „Wir müssen Mutter und Kindern ersteinmal etwas Ruhe gönnen.“, meinte Narcy liebevoll streng, während sie die zehnte Flasche Sekt entkorkte, um den letzten Gästen einzuschenken. „Guckt nicht so enttäuscht, Kinderkriegen ist anstrengend! Morgen lasse ich euch in kleinen Gruppen zu ihnen.“ Dann fügte sie noch mit scharfem Blick hinzu: „Wer es wagen sollte sich reinzuschleichen, den werfe ich Kalena zum Fraß vor!“ Niemand war erpicht darauf, von dem Sturmvogel erst leicht angegrillt und in einem Happen verschlungen zu werden. „Nun, soweit wollen wir es gar nicht kommen lassen.“, sprach Makarov entspannt. Der Gildenmeister saß neben Shiya auf dem Sofa. Natsus kleiner Bruder hatte während der ganzen Prozedur auf die quengelige Narya aufgepasst, die nun seelenruhig in den Armen des Verjüngten schlief. „Heute ist ein wichtiger Tag in euren jungen Leben.“ Der kleine alte Mann sah seinen hitzköpfigen Schützling ernst an. Leider, das musste Natsu zugeben, war der Blick durchaus berechtigt, „Es ist eine schwierige Aufgabe, ein Kind großzuziehen. Kinder sind unsere Zukunft, wir müssen gut auf sie achten.“ Als wenn Natsu das nicht wüsste! Aber er würde sein bestes Geben, um anständige Menschen aus seinem Nachwuchs zu machen. Und fähige Magier. Der Gildenmeister erhob sein Sektglas und sagt: „Auf die neuen Erdenmenschen. Auf die Kinder und die Zukunft Fairy Tails.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)