Der Tod ist ein Meister aus Deutschland von Spielzeugkaiser ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es ist kalt und der Schnee liegt knietief. Das Atmen tut weh und egal wie sehr du es auch versuchst, es will sich kaum noch Luft in deine Lungen pressen. Du läufst. Marschierst. Der Schnee fällt auf deine Schultern. Wenn du stehen bliebst, erfrierst du. Wenn du stehen bleibst, wirst du verhungert sein, bevor du die Kraft findest wieder auf die Beine zu kommen. Du hast vergessen wo du bist. Du hast vergessen, welches Jahr ist. Du weißt nicht, durch die Ruine welchen Landes du gehst, ob das noch Polen, oder Deutschland ist. Du weißt, dass sie sagen, dass der Krieg vorbei sei, aber du kannst ihnen nicht glauben. Nicht nach allem was du gesehen hast, nicht nach allem was dir passiert ist. Nicht nach dem, was du dir geschworen hast. Du hast Hunger. Du weißt noch nicht dein ganzes Leben lang was dieses Gefühl wirklich bedeutet. Der Hunger ist wie ein Loch, das dich in der Mitte auseinanderreißen will, das gute Menschen zu grausamen macht. Es tut weh. Alles tut in diesen Tagen weh. Deine dünnen, kleinen Hände beißen von der Kälte, deine Füße haben irgendwann angefangen zu bluten, aber du kannst dich nicht mehr erinnern wo und wieso. Blut ist dir so bekannt geworden. Blut und die Schreie einer ganzen Nation, die nicht mehr verstummen, ein ergrauter Sternenhimmel unter den aschespuckenden Kaminen der Menschheit und Mama, die sich nicht mehr regt. Sie sind alle fort, alle sind tot und du bist allein, man hat dir niemanden gelassen. Es tut so weh dass du nichts mehr fühlen willst, aber du tust es. Du willst dich in den kalten Schnee fallen lassen und sterben, aber kannst es nicht, weil Hass in dir brennt. Er wärmt dich nicht. Alles wird nur kälter und schmerzhafter und- Kurz bevor du stolperst packen große Hände deine Ellenbogen und ersparen dir den Aufprall. Du fährst herum, gespannt bis zum Äußersten, aber alles was du siehst, als du den Kopf in den Nacken legst sind große blaue Augen und ehe du dich versiehst, haben sich Hände in einer viel zu dünnen Jacke unter deine Achseln geschoben und heben dich hoch, als würdest du kaum etwas wiegen. Du willst dich wehren, willst dich losmachen, doch kannst eh kaum noch stehen. Du wirst an eine warme, breite Brust gedrückt und während sich eine Hand unter deine Hüfte schiebt, streicht dir eine andere vorsichtig durch das blutverschmierte Haar. Du kennst diesen Mann, dessen Herzschlag an deinem so beruhigend ist und dann wieder doch nicht. Du weißt, das du ihn liebst, aber du bist nicht in der Lage zu verstehen, was das bedeutet, oder warum du das Gefühl hast, das du seine Anwesenheit so sehr brauchst, aber nicht verdient hast. Es ist dir egal. Du willst ihm sagen, das du hier nicht blieben kannst, das du weiterlaufen musst, aber bevor der Gedanke deine Lippen verlässt, läuft er auch schon weiter. Er geht den Weg für dich. Du legst ihm die Arme um den Nacken und fühlst, wie deine Augen anfangen zu brennen. Es tut noch immer weh, aber es wird wärmer und der Hunger wird erträglicher und du hast endlich das Gefühl wieder atmen zu können. Er fühlt sich an, als wäre er die Familie, die du mal hattest und jetzt nicht mehr. Du hast einen Kloß im Hals und trotzdem entspannst du dich endlich. Nach Jahren wirst du vielleicht wieder schlafen können, solang dein Kinderkörper in diesen Armen liegt. Der Fremde spricht nicht mit dir, beginnt jedoch seinen Schal zu lockern und auch um dich zu wickeln. Du sagst nichts, aber die Tränen in deinen Augen brennen mehr. Deine Gedanken werden schwerer und du drückst deine Wange an die Schulter, die dir nur einen Blick auf das Stück des Weges gewährt, das ihr schon gegangen seid. Dir fallen die Augen zu, bevor du dich fragst, warum ihr keine Fußspuren hinterlasst. Charles sitzt in seiner Bibliothek, sein Lieblingsbuch The Once and Future King in den Händen. Eine Seite ist aufgeschlagen und sein Blick klebt an den Buchstaben, aber er ist zu konzentriert (die Distanz ist so, so verdammt groß und es ist anstrengend, die Verbindung zu halten) und zu aufgewühlt um die Worte aufzusaugen, wie er es sonst getan hätte. Das Feuer im Kamin knackst leise, es ist spät in der Nacht und er wünschte, er könnte die Wärme auf seinen Beinen spüren. Er versteht, warum er es nicht tut. Es gibt Dinge, die nicht zu verzeihen sind, die niemals vergeben werden können. Seine Beine gehören nicht dazu. Charles wusste es von Anfang an. Er hatte gewusst, worauf er sich einließ, wie abgrundtief der Schmerz saß. Er hätte es ihm gewünscht, es hätte ihm so gut getan es hinter sich zu lassen, aber er hätte nie von Erik verlangt, dass er vergab. Er hatte ein Stück seines Herzens an dem Tag am Strand verloren, aber es war schon beim ersten Mal, als er in den Kopf dieses wundervollen, hasserfüllten, sanften, zornigen Mannes gesehen hatte, für ihn gebrochen. Und dann Stück für Stück, immer weiter, jede Nacht wenn er neben ihm aus dem Schlaf geschreckt war. Charles klappt das Buch wieder zu, um sich beide Hände an die Schläfen legen zu können. Es ist ihm egal, wie viele Meilen zwischen ihnen lagen und welche unglaublichen Kopfschmerzen ihm das hier bescherte. Wach auf Erik. Ich bin da. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)