Der Schrein der Zeit von jade18 (Sawako und die Krieger vom Aokigahara) ================================================================================ Kapitel 10: Nächtliche Gespräche -------------------------------- Irgendetwas Ungewohntes ging vor. Irgendetwas wollte Sawako aus ihrem Schlaf reißen. Sie war jedoch zu müde und wollte nicht aufwachen. Sie wollte noch tiefer in ihrem sorglosen Traum versinken, doch irgendetwas schien ihr diesen Wunsch nicht zu gönnen. Als sie langsam, sehr langsam, zu Bewusstsein kam, konnte sie erahnen, was sie beim Schlummern störte. Irgendetwas strich ihr übers Haar. Es war nicht unangenehm, aber sie wollte einfach nur schlafen. Also griff sie mit ihrer Hand nach was auch immer sie da störte. Leider gelang es ihr nicht, dieses störende Etwas zu greifen, weil ihre Hand sogleich gehalten und beiseite gezogen wurde. Das Streichen auf ihrem Haar hörte nicht auf. Sie murrte verschlafen. Was zum Teufel …? Die Erkenntnis traf sie ruckartig. War das etwa eine Hand, die über ihr Haar strich? Erschrocken riss sie die Augen auf und blickte in Haradas Gesicht über ihr. „Endlich wach?“, fragte er unbeschwert. Er saß neben dem Kopfende ihres Nachtlagers, ihre rechte Hand hielt er in seiner und mit der anderen strich er ihr übers Haar. Sofort befreite sie ihre Hand aus seinem Griff und brachte ein bisschen mehr Abstand zwischen sie. Ihr Herz raste. „Was tust du da?“, fragte sie empört. Ihn so dicht neben sich zu haben war irgendwie ... ziemlich intim. Sie spürte Röte in ihre Wangen steigen und hoffte, sie könnte es auf ihre Empörung schieben. „Dich wecken“, antwortete er gelassen. „Meine Stimme hat nicht gereicht, um dich aus dem Schlaf zu holen. Dafür, dass du dich gestern so beschwert hast, du könntest nicht schlafen, wenn ich hier bin, hast du einen ziemlich festen Schlaf“, scherzte er. Sawako fand es ganz und gar nicht witzig. Sie war noch damit beschäftigt, sich von ihrem Schreck zu erholen. „Ich konnte nun mal zuerst nicht einschlafen wegen … all dem. Natürlich schlafe ich tief und fest, wenn ich dann endlich mal eingeschlafen bin“, verteidigte sie sich gegen seine Neckerei. „Jetzt bin ich Schuld, dass du weder ein- noch ausschlafen kannst, was?“ Was für ein unverschämtes Grinsen auf seinen Lippen lag. Sie befürchtete, das Rot auf ihren Wangen würde sich nur noch verdunkeln, wenn er sie so ansah. Er war ganz anders als der Harada von gestern Abend. Irgendwas muss sich verändert haben. „Habe ich irgendwas verpasst?“, lenkte sie von seiner Frage ab. „Was verpasst?“ Er sah sie fragend an. „Du bist anders als gestern.“ „Natürlich, gestern war ich wütend“, antwortete er verwundert über ihre Frage. Aber das war es nicht, was sie meinte. Gestern hatte er sie angesehen wie eine Giftschlange. Er hatte sie fast angeschrien. Es war mehr als deutlich, dass er ihr nicht traute und jetzt witzelte er wieder umher. „Du warst nicht besonders … nett“, antwortete sie vorsichtig. „Tatsächlich? Ich fand mich ziemlich nett. Immerhin hätte ich deinem inkompetenten Wachmann am liebsten die Nase gebrochen und dich dann so gefesselt, dass du dich nicht einmal mehr rollend fortbewegend könntest. Außerdem hätte ich dich gerne so lange durchgeschüttelt, bis du mir die Wahrheit gesagt hättest. Also ich finde, ich war dagegen wirklich nett.“ Sie schluckte. So wütend wie er zuvor gewesen war, hätte sie es ihm durchaus zugetraut. „Gut, dann bin ich doch froh, dass du 'nett' warst“, murmelte sie und richtete ihre Kleidung. Vor allem überprüfte sie, dass im Schlaf ja nichts unangemessen verrutscht war. Es schien ihn zu belustigen. „Und verschickt ihr mich heute gleich nach Mikawa?“, fragte sie bitter. Sie konnte nicht verstehen, wie er so unbeschwert tun konnte, während für sie so viel auf dem Spiel stand. Seine Ignoranz war wirklich unfair. Er hob die Brauen, als hätte er diese Frage nicht erwartet. „Was denn, das ist ja wohl naheliegend, dass ich es wissen möchte“, zischte sie. „Und ich dachte, dass hätten wir heute Nacht bereits geklärt.“ „Ich denke...“, fing sie an, doch da fiel es ihr wieder ein. Da war nicht nur das eine Gespräch mit dem wütend 'netten' Harada gewesen, als er sie in ihr Zimmer zurückgebracht hatte. Sie war irgendwann schluchzend eingeschlafen, doch das sollte nicht das Ende der Nacht gewesen sein. Später war sie noch einmal aufgewacht. Was genau sie aus dem Schlaf gerissen hatte, wusste sie nicht. Ihr war sofort aufgefallen, dass Harada nicht dort war. Sie war alleine in dem Zimmer gewesen. Sie hatte kurz überlegt, ob es sich lohnte, aufzustehen und zu prüfen, ob ein anderer Wachmann vor ihrem Raum stand. Natürlich würde das der Fall sein. Sie erinnerte sich an Haradas Worte: „Ich werde weder zulassen, dass du uns entwischst, noch, dass du uns weggeschnappt wirst.“ Aber was hatte sie schon zu verlieren. Sie kroch in Richtung Tür, um nachzusehen, doch kurz bevor sie diese erreichte, öffnete sie sich und Harada stand im Türrahmen. „Du bist ja wach“, hatte er festgestellt, als er ihren kleinen Raum wieder betrat. Kälte strömte in den Raum, bis er die Türe hinter sich wieder schloss. „Du warst weg“, hatte sie trocken zurückgegeben. „Ich habe mit Ogata-sama gesprochen.“ „Habt ihr abgesprochen, wann ihr mich an Yorinaga verkauft?“, grummelte sie erschöpft. Ihre Stimme klang heiser vom Schluchzen und vom Schlaf. „So ungefähr. Wolltest du gerade etwa versuchen, abzuhauen?“ „Nein, ich hab nur geguckt, wo du bleibst“, antwortete sie mit vor Sarkasmus triefender Stimme. „Bis wann soll ich meine Sachen gepackt haben?“ „Du wirst Dewa nicht verlassen.“ „Was? Wieso das plötzlich? Vorhin hast du noch gesagt...“, antwortete sie verwirrt. Sie traute sich noch nicht, erleichtert aufzuatmen. „Ihr schickt mich wirklich nicht zu Yorinaga?“ „Nein.“ Es fiel ihr ein so großer Stein vom Herzen, dass sie sich fünf Tonnen leichter fühlte als zuvor. „Man, bin ich erleichtert“, murmelte sie und verbarg ihr Gesicht in den Händen. „Welchem Umstand hab ich das zu verdanken? Vorhin klang es ja noch ganz anders.“ Er legte seine Hand in den Nacken. „Shiba hat gesagt, du warst in Yorinagas Zelt gefesselt gewesen, und als ich meinte, du musst zurück, bist du schluchzend zusammengesackt. Es scheint, als würdest du befürchten, es nicht ganz unbeschadet zu überstehen, wenn wir dich zurückgäben.“ Sie nickte eifrig als Bestätigung. „Hat er dich genommen?“ Vor Entsetzen stockte ihr der Atem. „Was?! Also bitte, natürlich nicht. Ich weiß sehr wohl, auf mich aufzupassen und mich zu verteidigen.“ Sein Blick verriet er, dass er da ganz anderer Meinung war. „Aber er hat dich angefasst?“ Wieder erinnerte sie sich an das bedrohliche Gefühl seiner Hand auf ihrem Bein. Sie wusste nicht, ob es einfach nur zur Einschüchterung war oder ob er ihr tatsächlich etwas Unsittliches angetan hätte, wenn sie nicht rechtzeitig entkommen wäre. Sie antwortete nicht auf Haradas Frage. „Es ist nicht unsere Art, ein Mädchen dem Tiger zum Fraß vorzuwerfen. Ich kann dennoch nicht leugnen, dass wir furchtbar neugierig sind, was ihn dazu bewegt, so viel Geld für dich zu bieten. Hast du eine Idee?“ „Nein, ich habe keine Ahnung!“, antwortete sie prompt. Ob es daran lag, dass sie aus dem Nichts im angegriffenen Tempel erschienen war? Vielleicht wusste er irgendetwas über die Magie dieses Ortes? Haradas Blick verdunkelte sich etwas. „Was hast du in Mikawa gemacht?“ Die Befragung schien wieder loszugehen. „Gar nichts. Ich hatte dort kein Ziel“, gab sie wahrheitsgemäß zurück. „Warum bist du dann nach Dewa geflohen?“ „Ich bin durch die Wald gerannt und hatte keine Ahnung, wohin ich lief. Und in dem Dorf habt ihr mich dann mitgenommen.“ Ebenfalls die Wahrheit. „Warum warst du in Mikawa?“ Er legte den Kopf schräg und rieb sich nachdenklich das Kinn. „Ich war auf der Flucht...“ „...vor deinem Mann, ja ja, die Geschichte haben wir letztes Mal schon verworfen, erinnerst du dich?“ „Nein, haben wir nicht. Du hast nur entschieden, dass du mir nicht glaubst“, verteidigte sie sich aufgebracht. „Weil du lügst“, antwortete er ruhig. „In diesem Falle lügst du. Ich glaube, ich kann inzwischen ganz gut ausmachen, wann du mir die Wahrheit sagst und wann nicht. Entweder bist du hervorragend ausgebildet in der Kunst der Täuschung oder du bist einfach eine besonders schlechte Lügnerin.“ „Das...“, unterbrach sie ihn, aber mit einem Blick brachte er sie zum Schweigen. „Ich denke, dass du tatsächlich nichts mit unseren Provinzen zu tun hast. Nur den Grund, der dich hierher führte, den kannst du uns nicht verraten, warum auch immer. Weiß es Yorinaga?“ Was konnte sie ihm sagen? Sawako wurde immer unsicherer. „Nein, er weiß nichts davon“, antwortete sie nur knapp. „Jetzt sagst du die Wahrheit. Aber du weißt, oder zumindest vermutest du, warum er dich zurück haben will.“ Es war eine Feststellung, keine Frage. Sie fühlte sich unwohl, jetzt wo er in ihr las wie in einem offenen Buch. „Wurdest du in Mikawa, warum auch immer du da warst, in irgendetwas verwickelt?“, hakte er nach. Er ließ einfach nicht locker. „Das kommt ungefähr hin“, flüsterte sie jetzt. Sie hatte Angst, zu viel zu verraten. Aber genauso gefährlich wäre es, alle Fragen abzublocken und sich nur noch verdächtiger zu machen, jetzt, wo er sie zu durchschauen schien. „Das heißt, was du vor uns verbirgst, ist zum einen, wer du bist und wo du herkommst, zum anderen was dich nach Mikawa verschlagen hat und zu guter Letzt was dort passiert ist, dass Yorinaga dich gerne wieder in seinem Lande hätte“, fasste der Krieger zusammen. Sawako nickte nur schwach. Das traf es ziemlich genau. Es war erschreckend, wie wenig sie vor ihm verbergen konnte. Plötzlich lächelte er. Sie starrte ihn überrascht an. Das hätte sie jetzt am Wenigsten als Reaktion erwartet. „Ha, genau so etwas habe ich vermutet. Ich hatte Recht, ich bin ein Fuchs.“ Er wirkte sehr zufrieden mit sich. „Herzlichen Glückwunsch, Fuchs!“, entgegnete sie weitaus weniger begeistert. „Vielleicht verrätst du mir, warum du meinst, mich so genau zu durchschauen?“ „Ich bin doch nicht verrückt und verrate dir, woran ich erkenne, ob du lügst oder nicht. Das wird in Zukunft sicher weiterhin praktisch sein.“ Frustriert seufzte sie auf. Schön, sie war also von Anfang an so leicht zu durchschauen gewesen. Vielleicht sollte sie sich auf das Positive konzentrieren. Sie würde nicht an Yorinaga verkauft werden. Die Erleichterung darüber stellte ihren Frust in den Hintergrund. In ihre Gedanken versunken rieb sie sich die Arme. Sie fror, die kalte Nachtluft hatte die Raumtemperatur stark sinken lassen. „Was für ein Glück ich habe, dass Ogata sich das ganze Geld entgehen lässt, nur um das arme Mädchen zu schützen“, stellte sie fest. „Das stimmt nicht ganz. Ogata-sama lehnte den Handel ab, weil er Yorinaga nicht in die Hände spielen will und weil ich ihn darum gebeten habe. Sonst wärst du jetzt schon auf dem Weg nach Mikawa.“ Überrascht sah sie ihn an. Das Lächeln war von seinem Gesicht verschwunden und er wirkte jetzt wieder ernst. „Du hast ihn darum gebeten?“ Damit hätte sie nicht gerechnet. Sie vergaß, dass sie fror und hielt in ihrer Bewegung inne. „Weil ich dir glaube, dass du kein Feind bist und dass du uns einfach nur nichts erzählst, weil du denkst, es geht uns nichts an. Manche Geheimnisse muss man für sich behalten. Koste es, was es wolle.“ Sie konnte kaum glauben, was sie da hörte. Er war bereit, ihr Glauben zu schenken? Ihr ihre Geheimnisse zu lassen? Und vor allem, sie zu schützen, indem er sich einsetze, dass sie hier bleiben konnte? „Ich bin dennoch gewillt, dir dieses Geheimnis zu entlocken.“ Ein freches Lächeln trat wieder auf sein Gesicht. „Immerhin schuldest du mir jetzt was.“ Während er sprach, stand er auf, griff nach ihrer Decke und legte sie um Sawako. Seine Hände ruhten dabei einen kleinen Moment auf ihren Schultern. „Und jetzt schlaf!“ Ein komisches Gefühl machte sich in ihr breit. Erst jetzt fiel es ihr auf, vorher hatte sie es gar nicht wahrgenommen. Doch plötzlich war es ihr furchtbar unangenehm, mit ihm alleine in diesem Raum zu sein. Ihn so dicht vor sich zu haben und seine Hände auf ihren Schultern zu spüren. Wieso hatte er sich für sie eingesetzt? Sie fühlte sich … beschützt. Dass er ihr die Decke um ihren zitternden Körper legte, unterstütze diesen Eindruck nur noch mehr. War sein Blick zuvor auch schon so intensiv gewesen? Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden, und zog den Kopf schnell unter die Decke. Hörte sie ihn etwa leise lachen? Schnell drehte sie sich weg, mit dem Rücken zu ihm gewandt und blieb unter ihrer Decke versteckt. Das könnte unangenehm werden, dachte sie. Jetzt, wo sie ihn plötzlich nicht mehr nur als den Krieger wahrnahm, sondern als Mann, der sie beschützte und dem sie gleichzeitig ausgeliefert war ... und der ihr gerade besorgniserregend nahe kam. „Oh“, murmelte Sawako nüchtern, als sie sich wieder an das zweite nächtliche Gespräch erinnert hatte. „Ja, du hast Recht, das hatten wir geklärt.“ Jetzt verstand sie auch, was sich alles veränderte hatte. Zum einen glaubte Harada ihr - zumindest das, was sie ihm erzählen konnte - und zum anderen war sie nun unangenehm verlegen in seiner Gegenwart. Es war deutlich einfacher gewesen, als sie ihn noch als ihren historischen Gefängnisaufseher und nicht als eine reale Person angesehen hatte. Wer hätte gedacht, dass sie mal eine Nacht unter den strengen Augen eines bewaffneten, aber dennoch attraktiven Mannes, der sie hier festhielt, verbringen würde. Sie wunderte sich über ihre eigenen Gedanken. Attraktiv? Sie sah zu ihm hinüber. Ja, er war tatsächlich ein beeindruckender Mann. Sie versuchte, ihn sich etwas zeitgemäßer vorzustellen, ganz leger in Jeans und schwarzem Shirt. Er wäre wahrscheinlich sogar ihr Typ gewesen, stellte sie erschrocken fest. Sie schüttelte den Kopf, um diese lächerlichen Gedanken abzuwerfen. Sie war wirklich unmöglich. Sawako regte sich über sich selbst auf. Kaum war die Gefahr gebannt, kam ihr wieder so ein Unfug in den Sinn. „Dein Schlaf ist ja noch fester, als ich dachte, wenn du sogar vergisst, was zwischendurch passiert ist.“ „Entschuldigung, ich wurde gerade unsanft geweckt. Da kann es ein paar Sekunden dauern, bis alle Gedanken beisammen sind“, beschwerte sie sich und merkte sofort, dass sie andere Worte hätte wählen sollen. Sein Grinsen schien auf beunruhigende Weise breiter zu werden. „Unsanft? Dabei hab ich mir solche Mühe gegeben. Aber … da fällt mir ein ...“, fing er an und lehnte sich etwas zu ihr hinüber. Er ignorierte ihr überraschtes Zusammenzucken, griff wieder nach ihrem Handgelenk und untersuchte es. Ein leichter Schmerz durchzuckte sie bei der Berührung. Dort, wo der Soldat sie gestern so fest gehalten und sie hinter sich her gezerrt hatte, war ihre Haut in einem unschönen blaugrünen Ton gefärbt. „Vielleicht sollte ich ihm doch noch die Nase brechen, wenn er so mit unseren Gästen umgeht. Nicht gerade sehr rücksichtsvoll.“ „Jetzt übertreib mal nicht!“, unterbrach sie ihn und befreite ihre Hand aus seinem Griff. „Du warst auch nicht besonders rücksichtsvoll, als du mich hier auf meinen Hintern hast fallen lassen.“ Oh weh, dachte sie, schon wieder die falschen Worte. „Tatsächlich? Vielleicht sollte ich nachsehen ...“, scherzte er … (es musste ein Scherz sein!) und lehnte sich noch weiter zu ihr hinüber. Sie versuchte ihn wegzuschieben, ihre Hände gegen seine Brust stemmend. Sie spürte das Grollen in seinem Brustkorb, als er lachte. Plötzlich öffnete sich die Tür und das Dienstmädchen kam herein. Angesichts der Szene, die sich ihr bot, riss sie schockiert die Augen auf. „Entschuldigung, ich komme später wieder.“ Hektisch wollte sie die Tür wieder schließen, doch da war Harada schon bei ihr und führte sie in den Raum. Dabei konnte er sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ihm war wohl bewusst, dass er das Mädchen verschreckt hatte. Sie hatte einen hochroten Kopf und blickte starr auf den Boden. Es war Sawako mehr als unangenehm, was sie jetzt wohl denken musste. Sie ärgerte sich über Harada und seine albernen Späße. „Entschuldigung“, wiederholte sie verlegen. „Ich wurde geschickt, Sawako-san zurechtzumachen. Tamako-hime verlangt, sie zu sehen.“ Jetzt war Sawako verwirrt. „Tamako-himesama?“ „Ogata-samas Schwester“, erklärte Harada knapp. Sie sah überrascht zu ihm auf. Nicht wegen dem, was er gesagt hatte, sondern eher, wie er es sagte. Seine unbeschwerte Art war verschwunden, von der einen Sekunde auf die andere. Er war wieder der kalte Hauptmann. War es wegen dem Dienstmädchen? Nein, die Veränderung kam erst, als der Tamakos Name fiel. „Dann solltest du sie nicht warten lassen. Sie wird sich ebenfalls ein Bild über dich machen wollen. Vielleicht sogar auf Ogata-samas Bitte hin. Ich halte euch nicht weiter auf.“ Mit diesen Worten verschwand er. Verwirrt blickte sie ihm hinterher. Was war nur plötzlich los? Es fühlte sich merkwürdig an, so zurückgelassen zu werden. „Sawako-san? Wollen wir beginnen?“, fragte sie zaghaft an. Sie sah ihr dabei nicht in die Augen. Das wird böses Getratsche geben, befürchtete Sawako. Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung. „Wie ist dein Name?“, fragte sie das Mädchen. „Akiko“, antwortete sie knapp. Hey, ihre Verlegenheit führte vielleicht endlich mal dazu, dass sie ordentlich miteinander redeten. „Du weißt, dass du bei nichts gestört hast, oder, Akiko?“ Sie wurde wieder rot. Das konnte ja was werden. „Es ist ziemlich offensichtlich, was du denkst, und lass mich dir versichern, dem ist nicht so“, stellte Sawako klar. „Aber … Harada-sama war die ganze Nacht hier...“, stammelte sie. „Ja“, bestätigte sie und musste dabei mit sich ringen, nicht selbst zu erröten. „Aber nur, um mich zu bewachen. Ich bin immerhin eine Gefangene hier.“ „Aber … Harada-sama hätte doch auch draußen bewachen können“, erwiderte sie. Ein stures Mädchen, diese Akiko. „Er hat mich befragt“, entgegnete sie wahrheitsgemäß. Gestern hätte sie nie gedacht, dass ihr größtes Problem die Verhinderung von Gerüchten sein würde. „Aber …“ Konnte sie nicht endlich mit ihrem 'aber aber' aufhören? „... Vorhin, als ich rein kam?“ „Das gehörte alles zum Verhör.“ „Ach so. Und ich hatte solche Angst, das Zimmer zu betreten“, gestand sie. „Denn immer, wenn einer der Soldaten die Nacht im Zimmer einer Frau verbringt, dann … stört man morgens besser nicht.“ Sawako fragte sich, wie oft dieses Mädchen wohl schon in eine unangenehme Situation herein geplatzt sein mochte. Sie wollte gar nicht so genau wissen, welche Sitten hier des Nachts herrschten und wohin die Soldaten – und Harada – im Mondschein verschwanden. Wie alt mochte Akiko wohl sein? 14 oder 15? Jedenfalls hatte Sawako sie erfolgreich überzeugen können. Das üble Gerede hätte ihr gerade noch gefehlt. „So, wo wir das geklärt haben. Dann mach mich mal bereit, Tamako-hime gegenüber zu treten.“ Sie war wirklich neugierig, was für eine Person diese Tamako war, dass sie diese Reaktion bei Harada hervorrief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)