Heroes II von Tricksy ================================================================================ Kapitel 2: 2 ------------ Hizumi Hizumi verschränkte unschlüssig die Arme hinter seinem Rücken und sah sich um. Obwohl er garantiert mehr als einmal danach gefragt hatte, was er hier suchte, war keine Antwort gekommen. Hatte er irgendetwas angestellt? War er negativ aufgefallen? Er hätte das Bier nicht in seinem Spint verstecken sollen! Er zuckte zusammen, als hinter ihm ein Gerumpel auf dem Gang erklang. Doch die Tür zu dem Büro, in dem er nun schon fast eine halbe Stunde wartete, öffnete sich nicht. Mit einem tiefen Seufzen, mit dem versuchte sich selbst zu beruhigen, ließ er wieder seinen Blick schweifen. Direkt auf dem riesigen Schreibpult vor sich verteilten sich mehrere Zettelhaufen, die auf den zweiten Blick aussahen wie ein skurriles Kunstwerk. Hizumi warf einen Blick über die Schulter, ging ein paar Schritte näher an den Tisch heran und beugte sich langsam über die Blätter. Auf mehreren von ihnen verteilten sich Tintenkleckse, die Teile der hektischen Schrift unter sich verbargen. Er versuchte einige Sätze zu entziffern, gab jedoch schnell auf. Es wunderte ihn, dass das alles hier einem bürokratischem Chaos anmutete. Er hatte seinen neuen Vorgesetzten als einen ausgeglichenen Mann kennen gelernt. Die Tür flog auf. Hizumi nahm reflexartig Hab-Acht-Stellung ein, hörte seinen Rücken knacken und tat einen großen Schritt vom Pult weg. Nur kurz darauf erschien ein Mann im Anzug in seinem Blickfeld, musterte ihn skeptisch und ließ sich auf den Ledersessel hinter der Zettelwirtschaft sinken. Er sah ein wenig geschafft aus und fuhr sich ein paar Mal mit dem Ärmel über die Stirn. Einen Augenblick lang glaubte Hizumi sogar, vergessen worden zu sein. „Setzen Sie sich“, kam schließlich der kurz angebundene Befehl. Hizumi tat wie geheißen, wusste nichts mit seinen Händen anzufangen und faltete sie schließlich im Schoß. Das war auch zunächst das einzige, was gesagt wurde. Sein Vorgesetzter widmete sich den Blätterstapeln, richtete sie halbherzig und warf mürrische Blicke auf die Tintenflecken. Es dauerte eine Weile, bis er links und rechts von sich auf dem Tisch zwei hohe Stapel angehäuft hatte, die Hizumi erneut neugierig in Augenschein nahm. „Es gab im letzten Moment ein paar Probleme mit dem Polizeipräsidenten“, wurde ihm erklärt. Sein Blick wanderte wieder zu seinem Gegenüber und musterte es flüchtig. Erst jetzt fiel ihm das kleine Namensschild an dem Jackett auf. Hayashima. „Darf ich fragen, was das ist?“, erkundigte Hizumi sich höflich. „Natürlich – vorab, schön, dass Sie kommen konnten.“ „Gerne.“ Hayashima wischte sich einmal mit beiden Händen über sein Gesicht und ohrfeigte sich leicht. Scheinbar versuchte er wieder zur Besinnung zu kommen. Wo auch immer er vorher gewesen war. „Das hier sind Lizenzen. Für Ihren Partner. Ihren theoretischen Partner, jedenfalls.“ „Partner?“ Hizumi hob eine Augenbraue und sah dabei zu, wie Hayashima ein paar Schubladen aufzog und darin wühlte. Schließlich zog er eine Mappe hervor, in der Hizumi seine Bewerbung wiedererkannte. Nervosität überkam ihn bei dem Anblick, obwohl alles bereits unter Dach und Fach war. Sein Vorgesetzter blätterte darin, nickte ab und an. Einmal sagte er etwas, aber so leise, dass Hizumi nichts verstehen konnte. „Sie sind sehr jung“, stellte Hayashima dann fest. Hizumi wusste nicht, was er antworten sollte, da sie bereits ausführlich darüber gesprochen hatten. Er nickte nur, was Hayashima ihm direkt nach tat. „Verstehen Sie mich nicht falsch“, sagte er dann. „Es ist nicht schlecht. Sondern eher... naja. Ungewöhnlich.“ Hizumi nickte erneut, würde aber lieber fragen, was er mit dem Partner gemeint hatte. „Wir hatten hier erst einen anderen Mann, der es unter ähnlichen Umständen hier herein geschafft hat. Und der war noch jünger als Sie.“ „Yoshitaka Matsumura.“ Natürlich wusste Hizumi, von wem da geredet wurde. Dieser Kerl hatte so eine steile Laufbahn hingelegt, dass er schon fast Kletterhaken gebraucht hatte. Im Prinzip konnte man sich nicht davor bewahren, von ihm zu hören, gerade wenn man das Sondereinsatzkommando anstrebte. Und hinzu kam diese Sache mit dem Krankenhaus vor etwa zwei Monaten. Es war überall in den Medien gewesen. Hayashima betrachtete ihn eine Weile überrascht, bis scheinbar auch ihm einfiel, dass das nicht schwer zu erraten gewesen war. Er nickte andächtig und schlug Hizumis Mappe wieder zu. „Darf ich Sie etwas fragen?“ „Nur zu“, entgegnete Hizumi überrascht. „Wie sehr wollen Sie das?“ Es dauerte einen Moment, bis Hizumi klar wurde, was genau er damit meinte. Hayashima hatte seinen Hände auf dem Tisch gefaltet und sich zu ihm hinüber gebeugt. Sein Blick verriet nichts darüber, was er gerade dachte. Dieses Pokerface, das er aufsetzen konnte wann immer er es wollte, war das einzige, was Hizumi an ihm beunruhigend fand. „Es wundert mich, dass Sie das nicht schon früher gefragt haben.“ „Überraschungseffekt. Also, ich höre.“ „Ich will es sehr“, sagte er und kam sich ein wenig blöd vor. „Wie sehr genau?“ „Ich sitze ganz bestimmt nicht hier, weil ich gerade nichts zu tun hatte, finden Sie nicht? Ich weiß schon genau was ich mache. Keine Angst.“ Sie musterten sich eine Weile schweigend. Hizumi wusste genau, dass Hayashima verstanden hatte, wie er das meinte. Immerhin absolvierte man keine Ausbildung zum Sondereinsatzkommando, weil einen gerade die Langeweile plagte. Man würde zu Grunde gehen. Man würde wahrscheinlich bei dem Gedanken an die Anforderungen schon tot umkippen. „Gute Antwort“, sagte Hayashima schließlich und strahlte ihn an. „Gefällt mir!“ Er schlug seine flachen Hände auf den Tisch und Hizumi warf ihm einen verwirrten Blick zu. „Ich vermute, Sie haben Potential.“ „Äh. Danke.“ „Und deswegen werde ich Ihnen ein Angebot machen, um es herauszulocken. Und das Sie nebenbei eigentlich auch gar nicht ablehnen können, wenn Sie sich einen Namen machen wollen.“ Karyu Karyu stieß die Wohnungstür auf. Ihm fiel sofort auf, dass viel zu lange nicht mehr gelüftet worden war. Es hing noch immer der Geruch von angebranntem Reis in der Luft. Reis hatte es das letzte Mal vor vier Tagen gegeben. Erschöpft streckte er sich, schmiss die Tür wieder zu und kämpfte sich aus seinem Parka, während er Ankouru auswich, die nach Futter schreiend um seine Beine strich. „Tsukasa!“, rief er missmutig, wich der Katze aus und entledigte sich der Schuhe. „Ich meine, staubsaugen ist ja eine Sache, aber ich glaube deine Katze hättest du ruhig füttern können.“ Es folgte keine Antwort, weshalb Karyu annahm, dass er schlief. Das hatte er sich seit einer Weile angewöhnt, da ihm ohnehin kaum etwas anderes erlaubt wurde. Einen Moment lang fragte Karyu sich, ob er es vielleicht übertrieb. Sich die Stirn reibend schlurfte er in die Küche, die Katze dicht auf seinen Versen. Er schirmte die Augen gegen die einfallende Sonne ab und suchte geistesabwesend nach dem Futter. Sein Kopf schmerzte. Und er war sich ziemlich sicher, dass er das wegen den ganzen Dingen tat, die noch vor ihm lagen. Man bekam nicht jeden Tag die Erlaubnis dazu, ganz Japan nach denjenigen zu durchkämmen, die einen bereits jahrelang das Leben schwer machen wollten. Seine Gedanken drifteten ab, erst zu der Mappe die Hayashima ihm überreicht hatte, dann zu Shimasas Gesicht. Es war eigenartiger Weise eher unangenehm sich daran zu erinnern so etwas wie Rache genommen zu haben. Karyu hatte geglaubt, es würde ihn mit Genugtuung erfüllen. Doch dieses Gefühl versteckte sich irgendwo hinter der ernüchternden Tatsache, jemanden mit bloßen Händen umgebracht zu haben. Mit den Lizenzen, die er jetzt besaß, musste er niemanden töten, um ihn außer Gefecht zu setzen. Immerhin war er Polizist geworden um Leuten zu helfen, nicht um ein Mörder zu werden. Auch wenn er sich eingestehen musste, dass er in diesem Fall über Leichen gehen würde. Karyu sah eine Weile mit vor der Brust verschränkten Armen dabei zu, wie Ankouru sich über die Mahlzeit hermachte. Ihm fiel schlagartig ein, dass er seine eigene Katze auch noch füttern musste, erinnerte sich dann jedoch daran, dass er das erst eine halbe Stunde zuvor erledigt hatte. Er seufzte einmal und rieb sich wieder die Stirn. Immerhin musste er sich um Micawber keine Sorgen machen. Den hatte er vor rund einem Monat zur Ausbildung an die Akademie abgeben müssen. Jetzt wo er weg war merkte Karyu erst, dass er das Biest irgendwie vermisste. Ankouru gab zu seinen Füßen mit einem Schnurren und einem bettelnden Blick kund, dass ihr die Portion anscheinend noch nicht gereicht hatte. Karyu bückte sich und streichelte sie lediglich, ehe er sich wieder aufrichtete und ausgiebig streckte. „Vergiss es“, sagte er und merkte, dass er ein wenig erschöpft klang. „Du wirst fett. Und anscheinend kannst du im Moment froh sein, dass dich überhaupt jemand füttert.“ Er dachte direkt wieder an Tsukasa, der zwei Zimmer weiter wohl so tief schlief, dass er Karyu hatte weder kommen noch reden hören. Ganz plötzlich überkam ihn das ungute Gefühl, er hantierte wieder heimlich mit etwas herum, was ihm nicht gut bekommen könnte. Etwas zielstrebiger als zuvor machte er sich daran, nachsehen zu gehen. Langsam trat er an die Tür heran, drückte die Klinke herunter und schob sie einen Spalt weit auf, um hindurchsehen zu können. Direkt in seinem Blickfeld erschien Tsukasas Bett – es war leer. Es dauerte einige Sekunden, ehe Karyu das realisiert hatte. Dann stieß er die Tür auf und stürmte beinahe hinein, drehte sich ein paar Mal um sich selbst um sicherzugehen, dass Tsukasa sich keinen dummen Scherz erlaubte. Sich die Haare raufend begann er fieberhaft zu überlegen wie lange er weg gewesen war. Es waren vielleicht fünf oder sechs Stunden gewesen, er hatte sich extra beeilt mit all den Erledigungen, damit er noch in aller Ruhe in seiner eigenen Wohnung nach dem Rechten hatte sehen können. Er machte auf dem Absatz kehrt und durchforstete noch das Wohnzimmer und Tsukasas Kunstraum, doch auch hier war niemand zu finden. Wüste Vorstellungen überkamen ihn, die mit Entführungen und Geiselnahmen zu tun hatten. Wieder im Flur angekommen fiel sein Blick auf die Garderobe. Tsukasas Schuhe und Mantel fehlten. Karyu starrte ungläubig. Dann klopfte es. „Sag mal, was geht eigentlich in deinem Kopf ab?!“, blaffte er, als er die Wohnungstür aufgezogen hatte. „Du kannst doch nicht einfach klammheimlich abhauen! Das geht nicht! Das geht- was zum Geier machen Sie jetzt hier?!“ Karyu musterte Hayashima ungläubig und meinte, ziemlich weiß im Gesicht zu werden. Seine Augen flogen zu der Person neben seinem Vorgesetzten, deren auffälligste Merkmale eine Lederjacke und Bikerboots waren. „Und wer ist der Rockstar da?!“ Der Fremde wollte gerade mit verzogenem Mund zu einer Antwort ansetzen, doch Hayashima kam ihm mit einem deutlichen Räuspern zuvor. „Was ist passiert, Yoshitaka? Sie sehen aufgebracht aus.“ „Ich sehe-“ Karyu unterbrach sich, versuchte einmal tief durchzuatmen und rieb sich übers Gesicht. „Sie haben nicht zufällig eine Ahnung, wo zur Hölle sich mein Freund herumtreibt?“ Hayashimas Blick hellte sich auf, und Karyu rechnete tatsächlich einen Moment lang mit einer Antwort, die ihm weiterhelfe könnte. Doch dann schüttelte er mit dem Kopf. Der Kerl neben ihm warf Karyu eigenartige Blicke zu. „Das ist nicht der Grund, aus dem wir gekommen sind. Aber laut Ihrer eigenen Aussage war er doch ohnehin wieder gut auf dem Damm.“ „Er hätte es mir gesagt, wenn er nicht geglaubt hätte, dass ich was dagegen haben könnte! Er-...scheiße, er ist ins Krankenhaus gefahren!“ Hayashimas Begleiter schaute ein wenig verständnislos und warf Karyus Vorgesetztem einen fragenden Blick zu, doch der deutete nur ein Schulterzucken an. „Halt, nein! Er kann noch gar nicht fahren!“ Karyu machte eine Pause. „Ich bring denjenigen um, der sich von ihm hat breitschlagen lassen!“ „Ich habe Ihnen zwar Lizenzen gegeben, Yoshitaka, aber ich glaube nicht, dass ich solch ein willkürliches Handeln durchgehen lassen könnte. Wo wir gerade von den Lizenzen reden-“ Er deutete auf den Mann neben sich, der sich kaum merklich gerade hinstellte und anscheinend versuchte, einen guten Eindruck zu machen. „Es ist mir ein Vergnügen, Ihnen Ihren Partner vorstellen zu dürfen: Hiroshi Yoshida.“ Hayashima hielt kurz inne und blickte zwischen Karyu und Hizumi hin und her, die sich gegenseitig musterten. Letzterer hielt Karyu die Hand hin, aber der reagierte nicht. „Er kann Sie direkt ins Krankenhaus begleiten“, fuhr er schnell fort, als Karyu scheinbar Anstalten machte sich aufzuregen. „So als eine erste Probe, quasi.“ Es erklang ein zittriges Seufzen. Karyu legte sich einige Sekunden lang die Hände vors Gesicht. Dann griff er nach Hayashimas Ärmel und zog ihn zu sich in die Wohnung. „Nicht weglaufen, Lederjacke“, befahl er noch und knallte die Tür zu. Hayashima schien zu wissen was ihn erwartete, auch wenn er Karyu fragend musterte. Der stand noch einige Sekunden lang vor der geschlossenen Tür und schien mit dem Gedanken zu spielen, sie noch zusätzlich zu verriegeln. „Was soll das?“, zischte er schließlich mit gedämpfter Stimme als er sich zu seinem Vorgesetzten umdrehte. „Es war nie davon die Rede gewesen, dass Sie mir einen Partner geben!“ Hayashima verschränkte die Arme gelassen hinter seinem Rücken und sah dabei zu, wie Karyu einen großen Schritt auf ihn zuging. Es entstand eine zähe Stille, in der er darauf zu warten schien, dass er sich wieder beruhigte. Doch Karyu dachte nicht daran. „Machen wir uns nichts vor, Yoshitaka“, begann er schließlich. „Daraus eine Ein-Mann-Mission zu machen wäre schierer Wahnsinn. Ich dachte es wäre Ihnen tief in Ihrem Inneren klar gewesen, dass Sie dieses Risiko nicht auf sich nehmen dürften.“ Er machte eine Pause und fügte schließlich hinzu: „Wenn Sie das überleben wollen.“ „Wenn ich das über-“ Karyu starrte ihn einige Sekunden an und seufzte schließlich frustriert. Sein Blick schnellte kurz zur Wohnungstür und wieder zurück zu Hayashima. „Wer ist er? Was macht er?“ „Ich hatte gehofft, Sie wären so freundlich ihn das selbst zu fragen. Seinen Namen kennen Sie ja bereits. Er wurde kürzlich ins Sondereinsatzkommando aufgenommen und-“ „Halt, halt, stopp. Kürzlich aufgenommen? Das ist ein Anfänger!“ „Yoshitaka, wenn Sie mich vielleicht ausreden lassen könnten-“ „Verzeihung, aber ich glaube ich weiß bereits alles, was ich wissen muss. Was denken Sie sich dabei? Der Junge macht es nicht lang, wenn ich ihn mitnehme! Sollten Sie mir nicht ohnehin lieber jemanden von der Kriminalpolizei an die Hand geben? Wie alt ist er überhaupt?“ „Vierundzwanzig.“ „Sie wollen mich wirklich verarschen!“ „Yoshitaka, wenn Sie nicht augenblicklich damit anfangen mir gegenüber Respekt zu zeigen werde ich mir Ihre Dienstmarke holen. Haben wir uns verstanden?“ Karyus aufgebrachter Blick wandelte sich ins Überraschte. Eine Weile schien er nachzudenken, bis er schließlich kurz angebunden nickte. „Gut. Hören Sie mir jetzt genau zu. Der junge Mann, den Sie soeben unhöflich ausgesperrt haben, ist ein Wunderkind. So wie Sie damals. Wissen Sie nicht mehr, wie Sie vor mir gestanden haben? Damals hätten Sie alles gegeben für eine Chance, die Yoshida jetzt bekommt. Gönnen Sie es ihm. Er wird weder Sie noch mich enttäuschen, denn er wird genauso gut werden wie Sie. Vielleicht sogar besser, wenn Sie nicht aufpassen.“ Karyu starrte Hayashima eine ganze Weile an und konnte sich gerade davon abhalten, empört nach Luft zu schnappen. Gerade als er den Mund aufriss um etwas zu erwidern, mit dem er sich Luft machen konnte aber immer noch nicht schlimm genug war, um seinem Vorgesetztem die Möglichkeit zu geben seine Drohung wahrzumachen, erklang ein dumpfes Vibrieren. Beide Augenpaare legten sich langsam auf die Brusttasche von Hayashimas Sakko, durch deren dünnen Stoff ein Handydisplay leuchtete. Doch Karyus Vorgesetzter zögerte. Anscheinend hielt er es für unhöflich in dieser Situation einen Anruf entgegenzunehmen. „Nur zu“, meinte Karyu mit einem Nicken zur Tasche. Hayashima blickte wieder zu ihm auf und fummelte blind sein Handy heraus, nur um kurz darauf doch wieder den Blick darauf zu senken. Er stöhnte leise auf. „Der Präsident“, teilte er mit, was beinahe ein bisschen maulig klang. „Dass der auch nicht mehr gut auf Sie zu sprechen ist, muss ich wohl nicht sagen.“ Karyu zuckte mit den Schultern, als wolle er ihm klarmachen, dass er für nichts konnte. Das stimmte im Grunde ja. Es war immerhin nie sein Plan gewesen für einen Mord angeklagt zu werden, den er nie begangen hatte. Da konnten einem schon einmal wüste Beleidigungen, die den Polizeipräsidenten als Wichser oder dämlichen Hund bezeichneten, herausrutschen. „Es ist ein Wunder, dass ich Sie vor einer Suspendierung bewahren konnte“, sagte Hayashima noch und nahm ab. „Okay“, sagte Karyu mehr zu sich selbst, als sein Vorgesetzter wie ein guter Schauspieler eine gut gelaunte Stimme zum Einsatz brachte und sein Handy fragte, womit er helfen könne. „Okay. Alles halb so wild. Erst einmal-“ Er betastete seine Hosentaschen, ließ dann Hayashima im Flur stehen und suchte seine Wagenschlüssel, die er in der Küche neben dem Herd fand. Er steckte sie fahrig ein, streichelte Ankouru, die um seine Beine strich, wüst über den Rücken und ging mit langen Schritten zurück in den Flur. Mit geübten Bewegungen zwängte er seine Füße wieder in seine Schuhe. Ihm fiel auf, dass der seinem vermeintlichen Partner das erste Mal in bunten Wollsocken unter die Augen getreten war, was ihn furchtbar ärgerte. Nicht, dass es ihn später in seiner Autorität einschränkte. Wenn der Junge tatsächlich zu etwas gut sein sollte und Karyu sich bereit erklärte ihn zu behalten. Auch wenn Hayashima eindeutig mit einem Befehl hergekommen war, nicht mit einer Bitte. Karyu griff nach dem Parka, schmiss ihn sich über den Arm und legte seine andere Hand auf Hayashimas Schulter, ehe er mit dem Ellenbogen die Klinke der Wohnungstür hinunterdrückte und es schaffte, sie irgendwie aufzuziehen. „Wenn du gelauscht hast, regnet es Tritte“, teilte er dem jungen Mann mit eiskaltem Blick mit. Er bildete sich ein, ihn unscheinbar schlucken zu sehen. „Sie verstehen sich wunderbar, Herr Präsident. Nein, wirklich. Machen Sie sich keine Gedanken. Matsumura war sehr angetan von der Idee.“ Karyus Augen verengten sich, und er blickte von Yoshida zu Hayashima, während er den Wohnungstürschlüssel aus seiner Jacke fummelte um abzuschließen. Sein Vorgesetzter ignorierte ihn. „Also gut.“ Karyu zog den Schlüssel wieder heraus und drehte sich zu dem Jungspund um, der sich wohl gerade noch verkniff die Hacken zusammenzuschlagen. „Wir wollen dich direkt einmal austesten. Das mit dem Krankenhaus ist keine schlechte Idee. Direkt hineinwerfen ist nie eine schlechte Idee.“ Sein Gegenüber räusperte sich und folgte Karyu, als der mit dem immer noch katzbuckelnden Hayashima am Arm Richtung Aufzug lief. „Und... inwiefern hat der Krankenhausbesuch mit dem Fall zu tun?“ Karyu warf ihm einen Blick über die Schulter zu und sah wieder nach vorne. „Das weiß ich nicht. Vielleicht alles. Vielleicht gar nichts. Das ist hoffentlich nur die Paranoia. Die schlägt bei dir auch noch zu, wenn du sie noch nicht hast. Ach, und Hayashima, Sie kommen auch mit. Tun Sie nicht so, ich weiß, dass Sie längst nicht mehr telefonieren. Was soll das eigentlich? Sie können den Kleinen dann direkt wieder mitnehmen, wenn ers versaut!“ „Was kann man bei dieser Sache genau versauen?“ Dieses Mal klang die Stimme hinter Karyu leicht verärgert. Er blieb stehen, drehte sich mit Hayashima am Arm um, der gerade sein Handy wieder in die Sakkotasche sinken ließ und sich imaginären Schweiß von der Stirn tupfte. „Das“, setzte Karyu schließlich an, „entscheide ich.“ Tsukasa „Und, äh, Sie sind sicher, dass ich Ihnen keinen Rollstuhl holen soll? Ich meine-“ „Alles bestens, Fushimasu. Bleiben Sie ruhig. Sie schwitzen ja.“ Tsukasa sah dabei zu, wie sein Kollege sich einmal flüchtig mit dem Kittelärmel über die Stirn wischte. Obwohl er sich über die letzten Stunden, die sie hier verbracht hatten, beruhigt hatte, schien er nun wieder nervös zu werden. „Ja. Ja, es ist sehr heiß für den März, finden Sie nicht?“ Tsukasa sparte es sich ihn darauf hinzuweisen, dass das Krankenhaus wunderbar klimatisiert wurde. Er seufzte einmal lautlos und zog sich gekonnt mit seinen Gehhilfen neben Fushimasu her. Die Menschenmassen teilten sich vor ihnen wie das rote Meer, und er wusste nicht genau ob es an seinem Handikap oder daran lag, dass die Leute sie erkannten. Schon während der letzten Stunden hatte er bemerkt, dass getuschelt wurde, sobald er vorüber kam um eine kleine Visite zu unternehmen, ständig mit Fushimasu an seiner Seite. Durch die Geiselnahme waren sie beide irgendwie berühmt geworden. Die Tatsache widerte Tsukasa aus unerklärlichen Gründen an. Am Ende des Ganges erkannte Tsukasa die Zimmertür, die ihr Ziel war. Und augenblicklich wurde auch ihm unwohl. Er hatte sich diesen Besuch extra aufgespart, weil er wusste, dass er dort wohl die meiste Zeit verbringen würde. Sogar nach Kaimah hatte er früher gesehen, der es zu seinem Ärger unverändert ging. Immerhin schien der Schock, den sie damals erlitten hatte, sie nicht nachhaltig zu beeinträchtigen. Neben sich hörte er Fushimasu in die Stille schlucken, als sie vor der Tür halt machten. Er legte seine Hand auf die Klinke und warf Tsukasa einen Blick zu, ganz so, als wolle er fragen ob er bereit sei. Er nickte kurz angebunden und bereitete sich auf alles Erdenkliche vor. Die Tür glitt lautlos und sanft nach innen auf. Eine eigenartige Ruhe empfing sie, durchsetzt vom regelmäßigen Gepiepe leiser Maschinen. Vor eines der beiden Fenster hatte man die dunkleblauen Vorhänge gezogen, deren Farbe ein seltsam beschwichtigendes Licht in dieses Zimmer der Intensivstation warfen. Direkt gegenüber der Tür entdeckte Tsukasa das Bett. Er umgriff die Stützen fester und humpelte darauf zu. Fushimasu schloss die Tür und folgte ihm in einem respektvollem Abstand, der eigentlich gar nicht nötig war. Tsukasa hielt neben der Kopfseite des Bettes und betrachtete Yagasumo. Seine Augen wanderten von seinem blassen Gesicht an seinem Körper hinunter bis zu seinen Füßen, dann wieder zurück nach oben. Die Decke hatte man ihm über der Brust unter die Arme geklemmt, die links und rechts gerade ausgestreckt lagen. In einer Beuge steckte eine Kanüle, und sie beide waren von angeklebten Drähten gepflastert. Er konnte sich kaum vorstellen, dass er monatelang geglaubt hatte, dass dieser Mann, der gerade mit gelösten Zügen und beinahe friedlich dalag und schlief, die Schuld an seinem ganzen Unglück trug. Ein Schmirgeln auf dem Boden erklang, als Fushimasu für sie beide Stühle heranrollte. Tsukasa nickte dankbar, ließ sich nieder und klemmte sich seine Gehhilfen zwischen die Beine. „Es ist ein Wunder, dass er überlebt hat“, teilte ihm sein Kollege mit gedämpfter Stimme mit. Er nickte wieder und erinnerte sich daran, was Fushimasu ihm alles berichtet hatte. Ohne Yagasumo und ihn wäre Tsukasa tot gewesen. Er begann leicht zu zittern und umklammerte die Griffe seiner Krücken so krampfhaft, dass ihm die Knöchel weiß hervortraten. „Haben Sie eine Ahnung, wann er aufwachen könnte?“ Als er das fragte, schien Fushimasu neben ihm den Atem anzuhalten. Er warf seinem Kollegen aus den Augenwinkeln einen Blick zu und wartete ab. Doch es folgte eine ganze Weile keine Antwort. „Sehen Sie, Doktor Oota“, begann er schließlich nach einer endlosen Zeit, „es-... ich denke-... erst einmal steht die Frage zur Debatte ob er aufwacht.“ Tsukasas Klammergriff wurde fester. Irgendwie hatte er zwar mit so einer Reaktion gerechnet, doch jetzt wo es ausgesprochen war breitete sich ein ekelhafter, kupferner Geschmack in seinem Mund aus. Fünf Kugeln hatten Yagasumos Körper durchschlagen. Das Koma, in dem er lag, war nicht mehr als der verzweifelte Versuch, sein Ableben herauszuzögern. „Ich wünschte, ich könnte mich bedanken.“ Ich wünschte, Karyu könnte sich bedanken. „Ich auch, Doktor Oota. Ohne seine Hilfe hätte ich es nicht hinausgeschafft.“ „Was ist mit seiner Familie?“ „Seine Frau kommt ihn jeden Tag für zwei Stunden besuchen. Die Kinder bringt sie an den Wochenenden mit. Ich-... ich denke, sie- naja. Sie weiß es bereits.“ Was genau sie wusste musste er Tsukasa nicht erklären. Seine Augen legten sich wieder auf Yagasumos Gesicht. Er erinnerte sich daran, wie er ihm unter Tränen seine aussichtslose Lage erklärt hatte. Welche Wahl hatte er gehabt? Entweder ein unbekannter Polizist oder seine Familie. „Wie geht es ihnen?“ „Mir? Äh. Immer noch gut.“ „Seiner Familie.“ „Oh.“ Fushimasu machte ein peinlich berührtes Gesicht. „Den Umständen entsprechend. Allerdings war seine Frau gestern und vorgestern nicht hier. Hat wahrscheinlich ziemlich viel um die Ohren.“ Tsukasa nickte abwesend und hielt es ganz plötzlich für notwendig, Yagasumos Hand zu nehmen. Mit aller Vorsicht klaubte er die fahlen, leblosen Finger seiner Linken auf und umschloss sie. „Ich wünschte, man könnte Menschen in den Kopf sehen“, meinte er nach einer endlosen Stille. „Dann wäre das alles so nie passiert.“ „Dann wäre vieles nicht passiert, Doktor Oota.“ Er schien ein wenig zu überlegen. „Auch Gutes nicht.“ Danach sagte für die nächste Stunde keiner von beiden etwas, und ihre stumme Wache wurde von nichts anderem als den monotonen Tönen einer Intensivstation begleitet. Hizumi Hizumi kämpfte sich mit so viel Autorität wie er aufbringen konnte von der Rückbank von Matsumuras Wagen, während der und Hayashima bereits auf dem Parkplatz standen und sich aufgeregt miteinander unterhielten. Vielleicht stritten sie auch. Das konnte er noch nicht genau einschätzen. Mit einem Räuspern strich er sich die Jacke glatt und langte einmal unter seinen linken Arm um zu überprüfen, ob seine Dienstwaffe noch da war, wo er sie brauchte. Matsumura drehte sich ihm mit schmalen Augen zu, hielt seinen Autoschlüssel hoch und ließ mit einem Klick die Schlösser zuschnappen, ohne Hizumi aus den Augen zu lassen. „Verzeihung, wenn ich das anmerken muss“, traute der sich zu sagen, „aber Sie schauen, als hätte ich gerade Ihre Reifen zerstochen und Ihnen mein Werkzeug den Hintern hochgeschoben.“ Diese Reaktion schien Matsumura zu überraschen. Er hob seine Augenbrauen und musterte Hizumi ausgiebig, während er die Schlüssel verstaute. Bei seinen Bewegungen konnte Hizumi für einen kurzen Moment das Halfter seiner eigenen Waffe unter dem Parka aufblitzen sehen. „Du solltest dir erstmal die Postion erarbeiten, in der du so mit mir reden darfst, Grünschnabel.“ Er zeigte Hizumi ins Gesicht, sodass sein Zeigefinger dicht vor seiner Nase schwebte. Er wanderte zu seinem Kinn. „Das da ist übrigens kein Bart. Das sind drei Schamhaare.“ Hizumi starrte ihn an und wurde blass, während Matsumura sich schon von ihm abgewandt hatte und mit Hayashima voraus in Richtung Krankenhauseingang marschierte. Vollkommen verdattert folgte er ihnen und meinte zu hören, wie ihr Vorgesetzter Matsumura aufforderte 'auf Ihren Partner zu warten, verdammt noch mal!' Matsumura drosselte das Tempo minimal und Hizumi holte auf. Beinahe gleichzeitig warfen sie sich einen bösen Blick zu und auf einmal war er gar nicht mehr so wild darauf mit diesem Typen zusammenzuarbeiten. Er hatte ja nie die Erwartung gehabt, dass er ihn mit Engelsgesang und Umarmungen empfangen würde. Er hatte lediglich damit gerechnet, respektvoll behandelt zu werden. Aber darauf schien er wohl als letztes hoffen zu können. Er nahm sich noch vor, Hayashima zu fragen, wieso zur Hölle Matsumura nichts von Hizumi gewusste hatte, ehe sie ins Gebäude strömten und sich zwischen Passanten und Angestellten hindurch schlängelten. Am Ende des Foyers bremste Matsumura auf einmal ab. Sein Blick glitt suchend durch die Menge, während Hizumi und Hayshima fragend dabei zusahen. Schließlich hielt er auf eine Gruppe von drei Sondereinsatzkommandopolizisten zu, die in der Nähe der Rezeption standen und sich unterhielten. Hizumi rümpfte die Nase und sah dabei zu, wie er vor ihnen stehen blieb und knapp mit der Hand grüßte. Alle drei nahmen auf einmal Haltung an und salutierten. Hizumi war sich eigentlich sicher gewesen, dass der Kerl Polizist und kein Feldwebel war. „Sie sollten ihm das verzeihen“, erklang es auf einmal von der Seite. Hizumi wandte seinen Kopf Hayashima zu und erinnerte sich an sein Vorhaben, ihn zu fragen, wieso er so eine Überraschung für Matsumura gewesen war. „Vielleicht würde er mir nicht so ans Bein pissen, wenn Sie ihm vorher von mir erzählt hätten.“ „Donnerwetter, Sie arbeiten keine halbe Stunde miteinander und jetzt fangen Sie schon an wie er zu reden.“ Hayashima musterte ihn, als würde er sich fragen, ob das alles eine gute Idee gewesen war. „Verzeihen Sie.“ „Nun ja, sehen Sie, das war so ziemlich die einzige Möglichkeit dass er Sie nimmt. Hätte er schon etwas gewusst, dann hätte er vermutlich mein Büro in die Luft gejagt. Und Sie mit. Er ist mehr der Einzelgänger, aus gegeben Umständen.“ Gegebene Umstände. Hizumi hob etwas zweifelnd eine Braue und sah wieder zu seinem Partner hinüber, der noch ein paar Worte wechselte, sich verabschiedete und zu ihnen zurückkam. „Da lang“, sagte er knapp und hielt auf das Treppenhaus zu. Mit riesigen Schritten, durch die er ab und zu sogar drei Stufen auf einmal nahm, erklomm er die erste Treppe mit Hizumi und Hayashima im Schlepptau. „Wo genau gehen wir hin?“, fragte Ersterer. „Zu meinem Freund“, kam es so knapp wie zuvor. Hizumi dachte sich, dass er im Augenblick mit diesem Freund auf keinen Fall tauschen wollen würde. Matsumuras Blick nach zu urteilen erwartetet den Schlimmeres, als ihn selbst. Es folgten noch drei weitere Treppen, und Matsumura und Hayashima redeten wieder durcheinander, während Hizumi sich lieber im Hintergrund hielt. Er befürchtete beinahe, sonst eine Faust abzubekommen, mit denen zu Hauf gestikuliert wurde. Als sie auf der obersten Etage ankamen, begrüßte sie ein großes und dezentes Schild mit der Aufschrift Intensivstation. Hizumi hob die Augenbrauen, doch Matsumura lief unbeirrt den Gang zu ihrer linken entlang ohne nach links und rechts zu sehen. Einige der Leute wichen ihm aus. Entweder, weil er mit so einer rasanten Geschwindigkeit an ihnen vorbei fegte, oder weil sie ihn erkannten. Auf nicht wenigen Gesichtern konnte Hizumi ein gewisses Erstaunen über Matsumuras Anwesenheit ausmachen. Er wurde nicht einmal langsamer, als er sich mit voller Wucht an die Rezeption der Etage schwang und mit kurzen Sätzen erfahren wollte, wo Kenji Oota sich zur Zeit aufhielt. Die Krankenschwester sah alle drei mit bleichem Gesicht an, sagte ihnen eine Zimmernummer und zeigte den Gang weiter hinunter. Als es weiterging machte Hizumi größere Schritte, sodass er bald wieder neben Matsumura lief. Er bemerkte ihn, warf ihm einen flüchtigen Blick zu, sagte er aber nichts. Vermutlich hielt er es im Augenblick für besser, Hizumi mit eiskalter Ignoranz zu strafen, statt ihm irgendwelche herablassenden Kommentare an den Kopf zu werfen. Hizumi grunzte leise und bekam allmählich den Tunnelblick, je länger dieser Gang wurde. Die Menschenmenge teilte sich weiterhin vor ihnen und schmolz dahinter mit einem Geflüster wieder zusammen. Er fragte sich, in was genau er gerade hineingeriet. Endlich hielten sie an. Es handelte sich tatsächlich um das Zimmer am Ende des Ganges, und Hizumi fiel urplötzlich dieser dämliche Hinter-Indien-Witz ein. Doch er hielt vorerst lieber seine Klappe. Matsumura atmete neben ihm ein paar Mal durch, was mehr wie ein wütendes oder angespanntes Schnaufen klang, Hayashima schaute ein wenig unglücklich, als hadere er noch immer mit seiner Entscheidung, sie beide zu Partnern gemacht zu haben und ehe Hizumi auch irgendetwas tun konnte, außer eben seine Klappe zu halten, ging die Tür auf. Eine totale Stille machte sich breit. Vor ihnen waren zwei junge Männer aufgetaucht. Dem einen klemmten Krücken unter den Armen, und der andere, der noch immer die Klinke der Tür hinuntergedrückt hielt, schob sich die Brille das Nasenbein herauf, bevor man zusehen konnte, wie sein Bluthaushalt in den Keller sank. Er begann ein wenig zu zittern, dann hielt er sich mit seiner anderen Hand auf an der Tür fest, ehe er möglichst unauffällig hinter dem Rücken des anderen verschwand. Erst jetzt fiel Hizumi auf, dass er Matsumura angsterfüllt anstarrte. „Karyu.“ Das war vom Verletzten gekommen. Es war mehr eine erstaunte und unsichere Feststellung, als eine Art Begrüßung. Die Augen des Mannes flogen über Matsumura hinweg, dann streifte sein Blick flüchtig Hayashima und Hizumi. Letzterer kombinierte, dass es sich um Matsumuras Freund handeln musste. Kenji Oota. Matsumura schnaufte einmal und Hizumi bereitete sich beinahe darauf vor, dass er eine Art Wutanfall bekommen würde. Doch er streckte lediglich seinen Zeigefinger aus und zeigte auf den Mann, der hinter Oota stand. „Sie“, sagte er dann bedrohlich ruhig. „Seien Sie froh, dass ich Ihnen nicht den Kopf wegballer.“ „Es war meine Idee, Karyu.“ „Und du glaubst die war besser, als mit einer Krücke unter dem Arm staubzusaugen?“ Hizumi schaute dämlich und warf Hayashima einen fragenden Blick zu. In dessen Augen blitzte es kurz belustigt auf. Oota bekam kurz schmale Augen, dann sah er ein wenig verzweifelt aus. Er schaute wieder zu Hayashima und Hizumi und begrüßte ersteren. „Verzeihung“, sagte er dann. „Ich glaube, wir kennen uns noch nicht. Kenji Oota.“ Er streckte Hizumi die Hand hin und er drückte sie ihm. Das schien Matsumuras bessere Hälfte zu sein. „Hiroshi Yoshida. Ich- äh. Ich bin der Partner Ihres Freundes.“ Ootas Blick wanderte wieder zu Matsumura, dieses Mal eher erstaunt. Hinter seinem Rücken kam ein Arm hervor, der Hizumi hingestreckt wurde. „Ichio Fushimasu.“ Etwas verwirrt schüttelte Hizumi auch dessen Hand. „Freut mich.“ „Ich wusste gar nicht, dass du einen Partner bekommen solltest“, sagte wieder Oota. „Der lag anscheinend als Werbegeschenk meinen Lizenzen bei.“ Matsumura machte eine wegwerfende Geste. „Aber darum geht es nicht. Was machst du hier? Wieso hast du nichts gesagt? Ich habe beinahe einen Herzinfarkt bekommen!“ Hizumi fiel auf, dass Matsumura mit ihm viel sanfter redete, auch wenn sein Ton immer noch wütend war. In Ootas Augen spiegelte sich ein Wirrwarr aus Erklärungsnöten, bis er schließlich seufzte. „Ich musste hierherkommen. Okay?“ „Okay? Okay?“ Matsumuras Augen weiteten sich, und ganz kurz sah er sogar ein bisschen verrückt aus. „Kannst du mir bitte sagen, was genau daran okay ist, ohne ein einziges Wort abzuhauen?!“ „Wenn ich etwas gesagt hätte, dann-“ „Scheiße ja, und wie ich es verhindert hätte!“ „Yoshitaka!“ Hizumi zuckte zusammen, da er nicht damit gerechnet hatte, dass dieser Mann vor ihm es bewerkstelligte, diesen Büffel nur mit seinem Namen zum Schweigen zu bringen. Er traute sich, Matsumura einen Blick von der Seite zuzuwerfen und erkannte, dass er mit aller Mühe sämtliche Dinge hinunter würgte, die er soeben hatten sagen wollen. Oder auch brüllen. Man wusste ja nie. Ootas Augenbrauen hatten sich zusammengezogen und er blickte alle der Reihe nach an, ehe er wieder seufzte. Hizumi vermutete, dass ihm dieser Polizistenauflauf peinlich war. Oder vielleicht auch nur die Tatsache, dass sein Freund ihn vor versammelter Mannschaft für etwas zusammenstauchen wollte, was eigentlich wie eine ziemlich harmlose Ausgangssituation klang. „Ich muss mich für sein Verhalten bei Ihnen beiden entschuldigen. Ach, was sage ich da.“ Sein Blick wanderte kurz zu Fushimasu, der sich gerade hinter seinem Rücken hervorgetraut hatte. „Bei Ihnen dreien. Er ist nicht immer so, wissen Sie.“ Die letzten Worte hatte er an Hizumi gerichtet, der ihn aus Höflichkeit freundlich anlächelte, aber erneut lieber nichts sagte. Der Hüne neben ihm schien ohnehin kurz vor einer Explosion zu stehen. Oota schien dasselbe zu bemerken. Er streckte eine Hand aus und legte sie Matsumura in einer beschwichtigenden Geste auf den Arm. „Würdest du bitte noch einmal mit mir reingehen? Dann können wir das auch in Ruhe klären.“ Hizumi sah, wie Fushimasu sich mit einem zweifelnden Blick erneut die Brille die Nase hoch und sich selbst endgültig an Oota vorbei nach draußen schob. In der nun freien Lücke erkannte er ein Bett, in dem offensichtlich jemand lag. Beklemmung kam in ihm auf. Matsumura nickte. Mit zwei kleinen, aber schweren Schritten ging er näher an seinen Freund heran, ohne noch einmal nach Hizumi oder Hayashima zu sehen. Ersterer war sich sicher, dass auch er jemanden im Bett hatte liegen sehen. Seinem Blick nach zu urteilen schien er blitzschnell eins und eins zusammengezählt zu haben, zu etwas, von dem Hizumi keine Ahnung hatte. Oder zu wenig. Oota deutete eine leichte Verbeugung an, und erst jetzt fielen Hizumi seine tiefen Augenringe auf. „Wenn Sie uns einen Moment entschuldigen würden?“ Mit diesen Worten schloss er die Tür. Fushimasu stellte sich neben Hizumi, während Hayashima sein Handy hervorfummelte, das in seinem Sakko vor sich hin vibrierte. Er entfernte sich mit ein paar kurzen Worten und versicherte jemanden mit gedämpfter, einem Intensivstationsgang angemessener Stimme, dass Hizumi und Matsumura wie Faust aufs Auge zusammenpassten. „Wie lange kennen Sie Herrn Matsumura schon?“, fragte auf einmal Fushimasu. Hizumi warf einen Blick auf sein Smartphone und antwortete: „Seit einundvierzig Minuten.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)