Der Auftrag `☂ヽ von jyorie (Angstshipping) ================================================================================ Kapitel 3: Ein Eis ------------------ Ryou schmiegte sich unbewusst an die warme Hand. Ganz entfernt und dämmernd nahm er die Worte wie durch einen Schleier wahr. Der blonde Ägypter hörte ein süßes, leichtes Seufzen und er lächelte. Malik begann damit ihn federleicht am Nacken zu kraulen, bis er sich mehr und mehr zu regen begann. „Hey Süßer? Bist du wieder wach?“ Dabei tupfte er ihm einen federleichten Kuss auf die Haare. Ryou glaubte, er träume noch. Die fremde Hand schlüpfte unter seinen Kragen. Die Nähe dieses Unbekannten war nicht bedrohlich und diese Augen in die er blickte... Oh … diese wundervollen, tiefen Augen, die so dicht über ihm schwebten. Wie oft hatte er davon geträumt, jemanden zu haben, in dessen Gegenwart er sich fallen lassen konnte. Ryou war durch die K.O. Tropfen noch ziemlich benebelt. Er hatte noch nicht realisiert, dass er sich wieder in der Wirklichkeit befand. Genauso wie Ryou es sich vorgestellt hatte in seinen unzähligen Tagträumen, erhob er bedächtig seinen schweren Kopf, dessen Hämmern er nicht wirklich wahrnahm. Er wollte die Lippen über ihm schmecken. In seiner Vorstellung hatte er sich schon so oft getraut jemanden zu küssen. Malik spürte flüchtig den Hauch von Ryous Atem, während auch er seine Lippen herabsenkte, um sie zu küssen. Sanft und keusch legten sich Ryous Mund auf den des Ägypters. Vorsichtig tastete er sich vor, er fühlte und spürte den weichen, warmen Lippen über ihm. Erst als Malik gefühlvoll den Kuss erwiderte und spielerisch in die Bewegung seiner Lippen einstimmte, erwachte Ryou vollständig. Sofort erstarben die Bewegungen. Verschreckt schaute er auf in die fliederfarbenen Augen, die ihn eben noch gefangen genommen hatten. Ihm blieb fast das Herz stehen als er realisierte, dass er eben tatsächlich und wahrhaftig einen Mann, einen Fremden geküsst hatte. Malik schmunzelte, als er beobachtete, wie seinem Opfer langsam bewusst wurde, was hier geschehen war. Der Junge rutschte in seiner Panik von ihm fort, riss sich aus seinem Griff heraus und purzelte von der Bank herunter, um mit dem Hintern auf dem sandigen Boden zu landen. Ryou klagte leise, verzog sein Gesicht und rieb sich den Allerwertesten. Als er wieder nach oben schaute, färbten sich seine Wangen rosa. Ihm wurde die Kehle ziemlich eng und so begann er peinlich berührt zu stammeln: „Oh ... ehm ... also ja, ... es tut mir leid … Das eben ... Ich also ... ich wusste nicht …“ Beschämt kratzte er sich am Unterarm und suchte nach den passenden Worten, die er in seinem gedankenleeren Schädel nicht finden konnte. Malik schüttelte seinen Kopf und lächelte den Jungen an: „Das muss es nicht!“ Scheu senkte Ryou seinen Blick. Malik beugte sich zu ihm herunter, fasste ihm unters Kinn, drehte das Gesicht des Jungen zu ihm zurück und sah ihm fest in die Augen. Ryou schluckte, wehrte sich aber nicht dagegen, dass er fest gehalten wurde. Er hielt ganz still und fühlte sich für einen kurzen Moment wie hypnotisiert. „Mir hat es gefallen“, grinste er frech und kam dem Jungen langsam näher. Ihn traf ein intensiver Blick, jedoch erwachte er schnell aus seiner Starre, die Mauer des jahrelangen Misstrauens, die ihm Bakura anerzogen hatte, griff unerwartet und Ryou stemmte sich mit den Füßen verschreckt ab, seine Beine waren zu zittrig, als dass er aufstehen konnte. So rutschte er seinem Fluchtreflex folgend erst einmal ein Stück über den Boden weiter nach hinten, um Abstand zwischen sich und diesen Fremden bringen. Wie ein kleines verschrecktes Tier schaute er nach oben. Malik lachte leise, er stand auf und strich ihm über die Wange: „Test bestanden! Schön, nun bist du also wieder komplett unter den Lebenden!“ In Wirklichkeit ärgerte es ihn, dass der Junge nun zum Überlegen gekommen war. Dann würde er erst einmal wieder Einen auf kumpelhaft machen müssen. Also streckte er ihm seine Hand entgegen: „Komm, ich helf´ dir auf, setzt dich einen Augenblick auf die Bank, bevor du noch mal umkippst!“ Ryou legte seine Hand in die bronzefarbene des Mannes und wurde auf seine Füße gezogen. Er lächelte ihn an und setzte sich neben ihm auf die Bank. Nervös spielte er mit seinen Fingern. Es war ihm noch nicht mal ins Bewusstsein gerückt, dass er seinen Leibwächter nicht dabei hatte. Zu sehr beschäftigte ihn sein klopfendes Herz und wie anziehend er diesen Menschen neben sich fand, als dass er schon wieder völlig rational denken konnte. Ihm hatte die Nähe gut getan, es war etwas anderes, als er es bisher in seinem Leben erfahren hatte. Ryou hatte Wärme gespürt. Nur, wie konnte er noch mal an diesen Mann heran kommen, nachdem er eben so reagiert hatte? Und dann sagte er ihm auch noch, dass es nur ein Test war, um zu sehen ob er wieder bei Sinnen sei. Ryou seufzte peinlich berührt, er kam sich so klein und dumm vor. Es war bestimmt nicht okay was er getan hatte, wahrscheinlich sagte der Mann das nur aus Höflichkeit. Scheu blickte er zur Seite: „Wie ... ehm ... meinen Sie das, ich sei umgekippt?“ „Hey, wir haben uns schon mal geküsst, jetzt musst DU mich auch duzen“, tadelte Malik. „‘Tschuldigung“, nuschelte Ryou. Malik legte ihm versöhnlich seine Hand auf die Schulter. „Hey, entschuldige dich nicht dauernd. Aber wenn du es wirklich wieder gut machen willst, dann…“ Er schmunzelte verschwörerisch, als er eine kleine, Effekt haschende Pause machte und Ryou überlegte schon worauf er hinaus wollte, er schaute unsicher zu ihm auf. „… erweis mir doch die Ehre deiner Gesellschaft bei einem Essen. Auf was hast du den Lust?“ Seine Stimme klang vertrauensvoll und er kitzelte durch seine Art ein Lächeln aus Ryou heraus. Er würde gern alles tun, um noch einen Moment bei diesem Mann bleiben zu können. Ryou schaute sich um und entdeckte die Leuchtreklame einer kleinen Bar. „Vielleicht ein Eis?“, fragte er unsicher. Malik der seinem Blick gefolgt war lächelte: „Okay! Aber jetzt schau nicht so. Ich will dich ja nicht fressen!“ Ryou verkrampfte seine Finger wieder ineinander, ihn bestürzten seine Gedanken. Denn genau das wünschte er sich doch immer, träumte davon, dass ihn jemand so mochte wie er war, ihn verschlingen würde mit Haut und Haaren. Malik griff nach seinem Handgelenk: „Na komm, bevor du es dir noch anders überlegst.“ Er stand von der Bank auf und zog Ryou hinter sich her. Dessen Hand kribbelte unter der Berührung und er tapste dem Fremden nach. Ryou seufzte glücklich, er fühlte sich frei und leicht. Ein Gefühl, das er bisher nicht gekannt hatte. Malik ging in die Bar und suchte einen Tisch im Inneren der Gasträume aus. Eine kleine Sitzgruppe hinten in der Ecke, in der man sie nicht sehen konnte, weder von der Straße aus, noch wenn man im Eingang der Bar stand. „Möchtest du dich hierher setzen?“ Ryou lächelte scheu und brachte kein Wort heraus, so nickte er schließlich. Er dachte noch immer an den Kuss. Malik lachte: „Du bist mir einer!“ Dann zog er den Stuhl zurück und bot Ryou galant den Platz an. Er schaute ihm sehnsüchtig in die Augen und Malik wusste, er würde ihn nach seinen Zwecken manipulieren können. Als Ryou sich setzte, blickte er wieder nach unten. Malik streifte wie zufällig seine Schulter und strich über seinen Nacken. Ryou erschauerte und sah ihn unsicher an. Malik lächelte und setzte sich ihm gegenüber auf einen der Stühle. „Bist du öfters in dem Club?“, erkundigte sich Malik. „Nein, heute zum ersten Mal.“ Dann stand auch schon eine Bedienung an ihrem Tisch: „Möchten sie etwas essen?“ Sie hielt den beiden die Karte entgegen. Malik wies mit der Hand auf Ryou: „Ein Eis für meine zauberhafte Begleitung. Ich möchte nur einen Latte Macchiato.“ Die Frau nickte und gab Ryou die Karte. Dann ging sie wieder. „Such dir aus, was du möchtest“, forderte Malik ihn auf. Ryou nickte und schlug die Karte auf. „Da hatte ich ja richtig Glück, dass ich heute Abend auch hier war?“ Ryou schaute auf: „Wieso?“ „Na ja, ich bin mehr oder weniger nur auf der Durchreise“, erklärte Malik und Ryous Züge verdunkelten sich. „Und da ist es doch wirklich ein Zufall, wenn ich da in einem Club über eine so angenehme Bekanntschaft stolpere und gleich einen Kosenamen und einen scheuen Kuss bekomme.“ Ryou stutzte kurz, dann kam ihm in den Sinn, hatte er Malik vorhin tatsächlich „Mein Leben“ genannt? Er hob schnell die Karte vor sein Gesicht und schob seinen Kopf zwischen die Schultern. Oh, es war ihm so peinlich, wie konnte der andere ihn jetzt auch noch darauf ansprechen. Malik griff in die Falte der Speisekarte und zog diese nach unten. „Seit Tag eins vom Leben verführt, huh?“, er sah ihn lachend an. Irgendwie kam Ryou diese Textzeile aus einem Lied bekannt vor, er grübelt, wie der Text weiter ging. „Du darfst mich aber auch Malik nennen. Sonst komme ich mir komisch vor, bei dieser Anrede.“ Wie eine bittere Pille fühlte es sich für Malik an, dass der Junge so von ihm eingenommen war, ihn als „sein Leben“, also jemand zu bezeichnen für den es sich zu Leben lohnt, wo er es doch war, der ihm danach trachtete und selbiges bald beenden würde. Er hielt ihm seine Hand wie zum Gruß hin. Ryou ergriff sie und nuschelte: „Ich heiße Ryou. Ryou di Lauro.“ Wenn Malik ihm schon eine so schöne Vorlage machte lieferte, dann könnte er ihm doch weiter schmeicheln. Ihm war inzwischen das Lied eingefallen und so fasste er sich ein Herz und schaute den Ägypter keck an, von dem er sich nur zu gern verführen lassen würde. „Denn es heißt, Ehre wem Ehre gebührt.“ Zufrieden nickte Malik, er war schon etwas überrascht, dass Ryou die Anspielung auf das Lied verstanden hatte: „So gefällst du mir schon besser, Ryou!“ Dem Jüngeren schauerte es wohlig und eine Gänsehaut lief über seinen Rücken. Irgendwie klang es sexy, wie Malik das „R“ rollte, als er seinen Namen aussprach. „Dann such dir mal was aus, bevor die Bedienung wieder kommt.“ „Ich weiß schon was ich möchte.“ „Gut, dann lass uns bestellen“, schlug Malik vor und winkte die Kellnerin an den Tisch, dass Ryou sein Vanilleeis mit heißer Schokolade bestellen konnte. Gleichzeitig wurde ihm sein Latte Macchiato serviert und er nippte vorsichtig an dem heißen Glas. „Erzähl mir mal einen Schwank aus deiner Jugend“, forderte der Ägypter ihn zwischen zwei Schlucken auf. Unbehaglich knetete Ryou seine Hände. „Über mich gibt’s nicht viel zu erzählen“, meinte er etwas traurig. „Na komm schon, jeder Mensch ist interessant und hat schon mal einen Streich gespielt.“ Malik lächelte ihn falsch an, „du willst mir doch nicht erzählen, dass du ein braves Engelschen bist und alleine in einen Nachtclub gehst?“ Ryou währe fast die Karte aus der Hand gefallen, die er der Kellnerin zurück geben, als er in Maliks belustigtes Gesicht aufblickte. Seine Amethyste hatten sich verschmitzt zu schmalen Strichen verengt und mit Genugtuung über diesen Schock grinste er weiterhin, nachdem die junge Dame vom Tisch gegangen war. „Also doch ein Bengelchen. Okay…“, er bemühte sich wieder etwas ernster zu wirken, „dann nehme ich mal an, du bist noch Schüler?“ Ryou nickte und am liebsten hätte Malik ihn am Kragen gepackt - musste man dem den alles aus der Nase ziehen? So kam er nie zu einem Gespräch. Malik legte sein Kinn in den Handballen und stütze seinen Arm auf dem Ellbogen ab. „Du magst wohl Ratespiele oder empfindest du meine Gesellschaft als so schrecklich, dass du nicht mehr mit mir redest?“ Überrascht schüttelte Ryou seine weißen Strähnen. „Nein überhaupt nicht. Nur über mich gibt’s nicht viel zu wissen.“ „Dann fang doch einfach mal mit den Basics an. Auf welche Schule gehst du denn?“, fragte er, obwohl er das schon längst wusste. „Ich geh auf die Uni“, verbesserte Ryou, „auf die Universität Neapel Federico II.“ und damit hatte er schon wieder alles gesagt. „Gibt es da immer noch diesen, diesen … ach jetzt fällt mir der Name nicht ein von dem Rektor.“ Mit Ryou schien es nicht einfach ein Gespräch am laufen zu halten, okay dann versuchte Malik eine neue Taktik, mal sehen, was Ryou vom lästern hielt? Ryou grinste. „Den lieben, guten Prof. Massimo Marrelli“ „Genau den“, bestätigte Malik, er hatte das belustigte Funkeln in den braunen Augen nicht verpasst und vielleicht konnte man ja über die Schiene den Jungen zu einem Gespräch herausfordern, „Läuft der immer noch mit dem weißen Bart des Propheten herum und färbt sich seine Matte?“ Bei dieser Beschreibung konnte Ryou das Kichern nicht unterdrücken. „Klingt so als ob du ihn kennst, ja er läuft immer noch so herum. Mit der dicken Brille, den wahrscheinlich dunkel gefärbten Haaren und für den Weihnachtsmann muss er sich nicht Mal einen Bart ankleben. Warst du auch auf der Uni?“ „Nein“, Malik überlegte sich wie er da raus kam, „ich habe mich nur mal da beworben, als ich mit der Schule fertig war, aber jemanden, wie Marrelli vergisst man nicht so schnell.“ „Ja, wo der hintritt, wächst kein Gras mehr.“ Malik konnte sich noch gut an das Bild auf seinem Laptop erinnern, das den korpulenten Mann zeigte. „Das ist eine nette Umschreibung.“ Amüsiert hob Malik eine Augenbraue, hatte er da bei dem Jungen eine sarkastische Ader entdeckt oder lästerte der einfach nur gern? Zumindest war seine Zunge jetzt gelockert. „Hast du auch bei ihm Unterricht?“ „Nein. Zum Glück nicht mehr. Der hatte mich auf dem Kieker.“ „Uh, böses Foul.“ Ryou winkte mit einer Geste ab. „Gegessen“, dann lächelte er und zuckte mit der Schulter, „ich habe mich schon immer irgendwie durchgeschlagen. Ob einer mehr oder weniger fällt auch nicht ins gewicht!“ „Davon nimmt man zu?“ Ryou war zuerst nicht die Doppeldeutigkeit seiner Worte aufgefallen, dann musste er selbst loslachen, wenn gleich es auch damals kein Zuckerschlecken für ihn war. „Ja, wie es aussieht ärgern die dicksten Lehrer die meisten Schüler.“ Malik rieb sich übers Kinn. „Eine interessante These. Solltest du mal eine Docktorarbeit schreiben, bei dem Thema kann dir sicher niemand ein Plagiat vorwerfen, das hat sicher noch keiner vor dir in Erwägung gezogen!“ „Dr. Ryou di Lauro, Docktor für angewandtes Mobbing und Fettleibigkeit?!“, er ließ es sich auf der Zunge vergehen und verzog dann das Gesicht. „Nee, ich kann mir bessere Titel vorstellen.“ „Und wie ist es jetzt? Kommst du mit den anderen Lehrern besser klar?“ „Hm“, Ryou knickte wieder leicht ein, „geht so.“ Ärgerlich, falsche Frage, jetzt schien er wieder nachdenklich zu werden. „Du redest wohl nicht gern über die Schule?“ Ein zaghaftes Kopfschütteln und ein Blick aus traurigen Augen. Malik hatte ja gesehen, wie sie Ryou in der Schule behandelten. „Ich geh nicht so gern in die Uni, am Anfang ging es ja, aber irgendwie macht es keinen Spaß mehr.“ „Hast du viel lernen?“ „Es geht so, aber ich habe ja auch genügend Zeit dazu“, der verbitterte Unterton war deutlich zu hören, weshalb Malik lieber das Thema wechselte. „Genügend Zeit?“, sinnierte er kurz, „dann hast du sicher ein super tolles Hobby?“ „Hobby?“, Ryou wägte kurz ab, „ich zeichne ab und zu.“ Er sah Malik fragend an, ob er das als Hobby durchgehen ließ. Den Orientalen schien es nicht zu stören, das es nichts Aufregendes war. „Ah, also ein Ruhepol und viel Platz für Kreativität.“ „Auslegungssache, aber die Definition gefällt mir“, gab er offen zu und lächelte. „Ja, natürlich, dass ist doch schön, was zeichnest du den am liebsten?“ Doch zu einer Antwort kam es nicht mehr, denn gleich darauf wurde das Eis für Ryou an den Tisch gebracht. Er goss mit leuchtenden Augen die heiße, süße Masse über das langsam schmelzende Eis und leckte sich über die Lippen. „Du magst gern süße Sachen?“ Ryous Augen leuchteten. „Ja, ich liebe Süßes. Am allerliebsten mag ich Windbeutel.“ „Wo gibt es den die Besten?“ Den Löffel von der tropfenden Schokosoße ableckend schaute er auf. „Hm, ich würde sagen bei Casalnuovo.“ Dann widmete er sich wieder begierig seinem Eis. Malik hatte nun beide Ellenbogen auf den Tisch gestützt und sein Kinn zwischen zwei Fäusten abgelegt und beobachtete den Jungen, der sich tatsächlich wie ein Kind über das Eis freute. „Du bekommst wohl nicht oft etwas Süßes?“ Malik wunderte sich noch immer, selten konnte man jemanden in seinem Alter beobachten, der sich mit so viel kindlicher Begeisterung über einen Nachtisch hermachte. „Nicht so“, nuschelte er mit vollen Backen, „also nicht so oft wie ich gern naschen würde“, setzte er noch verschmitzt hinterher und schob sich gleich den nächsten Löffel mit geschmolzenem Eis und Schokosoße in seinen Mund. War das nicht eine perfekte Vorlage für anzügliche Gedanken seitens Malik? Oh ja und diese Gedanken hatte er nicht erst seit dem Moment. Malik nahm seinen Kaffee zwischen die Hände, irgendetwas Heißes musste er jetzt anfassen. „Du bist auch ohne Naschereien schon süß genug.“ Er nippte an seinem Glas und schaute über den Rand, wie Ryou darauf reagierte. Der zog seinen Kopf etwas zwischen die Schultern und schaute ihn wie ein Kaninchen an. „Was den?“, Malik stellte den Kaffee zur Seite und kam Ryou etwas näher, verschwörerisch senkte er seine Stimme. „Du bist einfach zu niedlich?“ Mit Komplimenten konnte er noch nie umgehen, okay, Ryou bekam ja auch fast nie welche. Daher war das einzige was ihm einfiel, etwas dagegen zu sagen. „Ich bin ein Junge, und die sind nicht niedlich.“, er versuchte sich etwas hinter seinem Eis zu verstecken und nahm schnell den nächsten Löffel Eis, damit er Malik nicht anschauen musste. Malik reizte es ihn jetzt zu sticheln. Er streckte seine Hand aus und zwirbelte eine der seidigen Strähnen um seinen Finger. „Hm, mit etwas Phantasie…“, er brauchte den Satz nicht mal zu ende zu sprechen, schon hatte er Ryous wunde Stelle erwischt. „Nur weil ich etwas kleiner bin“, Ryou mied das Wort zierlich, „heißt es noch lange nicht, dass ich wie ein Mädchen aussehe.“ Ryou schmollte und in seinen Augen waren kleine Blitze, die bei einer weiteren dummen Bemerkung sicher ein Gewitter entfachen konnten. So ist das also. Malik lehnte sich zufrieden zurück. Zu niedlich der Junge und ein gewisses Feuer hat er auch, jedoch kam Malik wieder sein Auftrag in den Sinn, zum lange Flirten hatte er nicht viel Zeit. Da war ja noch was im Hinterkopf, der blonde Leibwächter, der bestimmt schon auf der Suche war. Fast schon bedauerlich, dass der Junge vor ihm der letzte Erbe der di Lauros war, so unschuldig süß und mit diesem verborgenen Temperament. Eigentlich sollte man so etwas beschützen, so sehr behüten wie sein Bruder es tat, so wie er diese Blüte einsperrte. Wie er sich entfalten würde, wenn er von den Zwängen losgelöst wäre? Malik rief sich zur Räson, er konnte hier doch nicht träumen und sich ein Wolkenschloss bauen oder Mitleid entwickeln, vor allem nicht in eine solche Richtung, wenn sein Auftrag beinhaltete, dass er das Imperium der di Lauros ausradieren sollte. Er durfte seinen Auftrag nicht aus den Augen verlieren, er musste jetzt vorankommen, alles ausschalten – mal wieder. „Sag mal, Ryou. Was macht eigentlich ein netter Junge wie du hier in so einer Gegend?“, Malik holte sich seinen Kaffee wieder. Während er Ryou anschaute, hatte er das Glas die ganze Zeit an seinen Lippen gehabt und der Junge war doch etwas irritiert von dem nüchternen Gesprächsumschwung. Hätte Malik ihn nicht geärgert, wäre es vielleicht sein erster Flirt gewesen, aber so blöd, wie er reagiert hatte, würde das ja jetzt nichts mehr werden. Ryou leckte genüsslich-unschuldig seinen Löffel ab, auf seiner Unterlippe blieb eine Spur der köstlichen Kakaomasse zurück die er mit seiner Zungenspitze beseitigte, was fasziniert von zwei amethystfarbenen Augen beobachtet wurde. „Ich hatte meinen Bruder begleitet, aber er hatte noch irgend so einen Termin. Allein darf ich eh nicht weg, Bakura spinnt manchmal!“ Malik legte seinen Kopf schief, er würde der Sache scheinbar schneller näher kommen, als er gedacht hatte. Unglaublich, wie vertrauensselig Ryou werden konnte. Seufzend widmete sich Ryou wieder seinem Eis. Langsam fuhr er mit dem Löffel um das Sahnehäubchen und schaute Malik interessiert an, als er die Sahne langsam hinter den Lippen abstreifte und den Löffel gemächlich zwischen seinen Lippen ausgleiten ließ. Malik schluckte. Ob der Teenager das extra machte? Sicher war es nur unbewusst. Malik war sich sicher, wenn Ryou diese Reize gezielt einsetzen würde, ihm könnte so mancher Mann verfallen. „Wertvolles muss gut beschützt werden“, sagte er mit leicht belegter, rauer Stimme. Ryou schaute ihn entgeistert an. „Man kann es auch übertreiben!“ Malik hob seinen Kopf, hatte er den Gedanken jetzt laut ausgesprochen? Aber der Junge naschte weiter von seinem Eis ohne weiter darauf einzugehen. „Wie meinst du das, Ryou?“, horchte Malik ihn scheinbar unwissend aus. Ryou genoss es immer noch, wie der Ägypter seinen Namen aussprach. Es hörte sich so toll an. Viel besser als wenn sein blonder Leibwächter Mariku oder Bakura ihn riefen. „Bakura, also mein großer Bruder, hat mir einen Bodyguard an die Backe geklebt, der passt so gut wie 24 h am Tag auf mich auf. Keinen Schritt kann ich ohne ihn tun.“ Er ließ seine Schultern sinken, legte seinen Löffel kurz ab und irgendwie verschaffte es ihm Erleichterung mal mit jemandem über seine Situation zu reden. Und wer eignete sich da besser als ein Fremder, der vermutlich einmal in sein Leben trat und den er bedauerlicherweise wohl nie wieder sehen würde. Hier bei Malik ging das ganz einfach. Ryou seufzte abgrundtief: „Mein Bruder ist manchmal echt paranoid. Er…“ Malik legte seine Hand auf Ryous und dieser zog sie nicht zurück. Er schaute sich das Bild kurz an, wie seine Hand von der anderen umschlossen auf dem Tisch lag. Ungekannte Nähe und Vertrautheit, ein wenig Trost und sich verstanden fühlen. Der Junge blickte wieder auf. „… Also manchmal fühle ich mich wie in einem Gefängnis“, die Worte kamen jetzt ganz leicht über seine Lippen, zu leicht. „Bakura muss alles wissen was ich tue und wo ich bin, außer wenn ich in der Schule bin, komme ich nicht raus. Dann nervt es, ständig bewacht zu werden“, ächzte er, „sogar wenn ich zuhause bin ist ständig Mariku da. Also, das ist einer von Bakuras Leibwächtern, der auf mich aufpassen soll. Aber ich bin doch schon siebzehn und kann das auch alleine. Bakura sieht einfach alles viel zu eng. Es ist ja nicht so, dass mir was passieren könnte und vor allem zuhause, das ist doch lächerlich.“ Ryou hielt einen Moment inne. Malik schmunzelte ihn aufmunternd an, dachte jedoch: „Oh Ryou, wenn du wüsstest wie recht dein Bruder hat, du hast wirklich keine Ahnung in welcher Gefahr dein Leben schwebt!“ „Dann ist es auch so, dass ich keinen Besuch bekommen darf und Bakura hat so eine blöde Sicherheitsanlage. Wir kommen nur zuhause rein, wenn wir diesen Sender bei uns tragen.“ Er deutete auf den kleinen ringförmigen Anhänger, worin sich ein Dreieck befand, den er an einer Kette trug. Malik lauschte begierig, was die gelöste Zunge des Jungen für brisante Geheimnisse preis gab. „Außerdem hat er unsere Villa umgebaut, wir sind besser gesichert als Fort Knox, überall sind Kameras, Laserkontakte und Infrarotsensoren. Es ist furchtbar.“ „Bist du unglücklich?“ Malik verstärkte den Druck seiner Hand. Konnte er dem Jungen mit berechneter Freundschaft noch mehr entlocken? Ryou seufzte, es tat so gut: „Ich bin oft einsam. Bakura hat immer zu tun und ich glaube, Mariku kann mich nicht leiden.“ Ryous Augen sahen mit einem mal wieder so traurig aus. Malik legte seine Handfläche an Ryous Wange und strich mit seinen Fingerspitzen durch dessen Haare, strich einige der Strähnen hinter sein Ohr. „Ryou, es bestürzt mich … so etwas von dir zu hören. Wenn du möchtest, kann ich dich besuchen kommen?“ Er schreckte zurück und schüttelte seinen Kopf, wie sollte so etwas gehen? Niemand konnte zu ihm kommen, Bakura verhinderte alles, jeden Kontakt. „Das geht nicht!“, entgegnete er hastig, fast panisch. „Wieso nicht? Ich finde dich ziemlich nett.“ Malik zog seine Hand von Ryou zurück, da er vor Schreck von ihm gewichen war und log weiter, bei Ryou fiel es ihm leicht, zu leicht ihm Aufwartungen zu machen. „Ich mag dich.“ Ryou sah lange in Maliks Augen, die ihn von Anfang an gefesselt hatten, er suchte darin eine Lüge. Wie konnte man ihn nur mögen? Dann wurde er wieder unruhig, er war schon viel zu lange weg, es würde bestimmt Ärger geben. „Du kannst mich nicht treffen oder besuchen. Das ist unmöglich.“ Ryou reagierte fast angsterfüllt. Dann beteuerte er: „Ich müsste schon entführt werden, um meinen Weg zu gehen!“ Malik sah die Unruhe des Jungen, der Wunsch gefiel ihm, trieb er doch den Jungen in seine Arme und erleichterte ihm sein Vorhaben. Er rutschte ein Stück näher an Ryou, kam seinem Ohr ganz nahe und griente. „Wenn du das möchtest, Ryou?“, hauchte er verschwörerisch. „Dann werde ich es tun.“ Er legte seine Daumen- und Zeigefinger an Ryous Kinn und sah in ernst an: „Ich möchte dich wiedersehen.“ Dabei strich er mit seinem Daumen über Ryous Lippen, die sich dabei leicht öffneten und er sah Malik erstaunt an. Ryou hatte wieder das Gefühl, wie in der Bar. Ihm wurde heiß und kalt, die Knie so weich und diese Lippen die er zu gern noch einmal gekostet hätte, waren ihm so nah. So nah, zum Greifen nahe. „Es tut mir leid. Aber, aber…“, stammelte er betreten, „ich muss zurück. Ich bekomme ärger, wenn mich Mariku nicht bald wieder in seinen Fängen hat.“ Malik nickte, die Furcht die sich in Ryous Augen spiegelte war zu groß, er ließ seine Hand sinken und rief die Kellnerin zum Zahlen. Als sie beide vor die Bar traten, begann Ryou zu zittern. „Hey, alles okay mit dir?“, hauchte Malik und legte seinen Arm über Ryous Schulter. Ryou schüttelte den Kopf und ließ sich in die Umarmung ziehen: „Ich bekomme bestimmt großen Ärger, mein sogenannter Leibwächter ist nicht nett und ich möchte auch meinen Bruder nicht verstimmen.“ Malik drehte Ryou um, damit sie sich direkt gegenüber standen: „Warum sollte jemand böse auf dich sein?“ Malik konnte seine Finger nicht von Ryou lassen, wieder lag seine Hand beruhigend an seiner Wange. Sanft streichelte er sein Gesicht und seine Finger glitten in Ryous Haare. Er schaute zu ihm auf. „Weil ich einfach weg war, ich bekomme immer Ärger, du weißt nicht wie grob Mariku sein kann“, schniefte er und Malik wusste es, er hatte gesehen wie der Mann mit Ryou umging. Malik spürte etwas wie Mitgefühl, etwas das er ausschalten musste. „Ryou?“, flüsterte er und dieser schaute nach oben. „Ich helfe dir.“ Malik kam Ryou immer näher, vor seinen Lippen stoppte er jedoch. Er war so kurz vor einem Kontakt und Ryou spürte das Prickeln und Bitzeln auf seiner Haut. Oh ja, er würde so gern. Aber warum tat Malik das, mochte er ihn wirklich? Er wollte IHM helfen?! Dankbar streckte sich Ryou und kam das letzte Stück auf den Ägypter zu. Legte seine Lippen auf dessen Mund. Sie küssten sich kurz. Eine Bestätigung. Ein Versprechen. Ryou schaute ihm wieder in die dunkler gewordenen Amethyste. Maliks Hand rutschte zu Ryous Nacken und er drückte sich enger an ihn heran. Eng umschlungen küssten sie sich, wurden immer intensiver und trennten sich erneut. Ryou mochte noch mehr von diesem Mann haben, er hob seine Arme, schlang sie um Maliks Nacken zog ihn zurück zu sich. Wollte sich nicht trennen, wollte mehr davon. Malik sah das Glühen in Ryous Augen. Er versiegelte ihre Lippen abermals und begann etwas forscher zu werden. Er spielte kurze mit ihm. Ließ seine Zunge neckend über Ryous Mund wandern, nippte von seinen Lippen, bevor er sich schon wieder zurückzog. Ryous Griff wurde fester. „Bitte…“, murmelte er und versuchte Malik fast verzweifelt wieder zu sich zu ziehen. „Nicht aufhören …“ Malik grinste überlegen: „Wenn ich dich wiedersehen darf!“ Ryou hätte in diesem Moment alles versprochen, er war so schwach. Aber er war auch realistisch. „Das kann ich nicht.“ Er wandte seinen Blick ab und murmelte: „auch wenn ich gern würde.“ Ryou wurde wieder enger an Malik herangezogen, dieser strich ihm beruhigend über den Rücken und schloss die Augen. Er lehnte seinen Kopf an Maliks Schulter, wurde ruhiger und sog Maliks Duft ein. In seinen Armen fühlte er sich einfach nur wohl, hier konnte er die Welt für einen Moment vergessen. „Na komm“, forderte ihn Malik schließlich auf, „bevor tatsächlich jemand merkt, dass du nicht da bist.“ Ryou nickte und ließ seinen Kopf an Maliks Schulter gelehnt liegen. Malik legte seinen Arm um ihn im Gehen. Sie liefen langsam, eng aneinander zum Club zurück. Ryou spürte es, er fühlte es einfach, das er den Ägypter nie wieder sehen würde. Eine traurige Vorahnung. Ein kleiner stechender Schmerz, nicht doch etwas Verrücktes getan zu haben, sondern einfach so sang- und klanglos sich wieder zurück geleiten zu lassen. Tatsächlich gelang es Malik ihn ungesehen in die Disco zu schmuggeln. Der wahrscheinlichste Ort, um in einem Club verschollen zu gehen, waren die Toiletten, dort brachte er ihn hin. Der Killer hatte den Leibwächter schon erspäht. „Denk dir eine gute Ausrede aus“, schmunzelte er und wandte sich zum Gehen um. Ryou griff verzagt nach Maliks Hand, so konnte er doch nicht gehen, ihn nicht einfach so sitzen lassen. „Werden wir uns irgendwann wieder sehen?“ Malik grinste wie ein Honigkuchenpferd, da sein Plan aufgegangen war. Als er sich zurückdrehte, war sein Gesicht jedoch wie eine Maske. Fast kühl meinte er: „Mal sehen, wohin mich das Leben führt.“ Ryou sah ihn mit großen, verletzten Augen an. Malik trat noch einmal auf ihn zu, küsste beschützend seine Stirn und verschwand. Ein kleiner giftiger Pfeil saß nun im Fleisch des Teens. Bevor Ryou seine Gedanken ordnen konnte, durchzuckte seinen Körper ein Schmerz. Er drehte sich um und sah in Marikus wutverzehrtes Gesicht: „Wo bist du wieder gewesen, du kleine Ratte? Sei froh, dass Bakura dich noch nicht sucht!“ „Ich … ich…“, stammelte Ryou, „mir war schlecht!“ Er senkte seinen Blick und wurde aus den Toilettenräumen gezerrt. Marikus unbarmherziger Griff an seinem Oberarm brannte. Es schmerzte Ryou. Unerwartet wurde der grobe Griff binnen Sekunden gelöst. „Da seid ihr ja!“ Bakura kam dicht gefolgt von seinem schwarzhaarigen Leibwächter auf Ryou zu. „Hast du dich gut amüsiert, Kleiner?“ „Ja“, sagte Ryou leise, er spürte Marikus Hand schwer auf seiner Schulter und versuchte zu lächeln, „Danke, dass du mich mitgenommen hast!“ Bakura nickte Mariku zu, dieser bestätigte durch eine Geste, dass alles okay sei. Dann ging Bakura mit Duke voran und Ryou folgte ihm mit Mariku im Nacken. Malik stand in sicherer Entfernung und beobachtet alles. Er sah Ryou wie er sich umblickte und Mariku ihn rücksichtslos voran stieß. Der Junge drehte seinen Kopf nach vorn, er war wieder in seiner Welt angekommen. Er trotte Bakura hinterher und wusste alles würde sein wie es war, nichts würde sich ändern. Als er an diesem Abend in seinem Bett lag, floh ihm der Schlaf. Er dachte an Malik. An seinen Duft, an seine Wärme, dass er kurz alles vergessen hatte und glücklich gewesen war. Und eigentlich vermisste er auch seine Lippen. Seufzend überlegte er wie es wohl gewesen wäre wenn sie sich richtig geküsst hätten? Und sich nicht nur mit den Lippen berührt. Je mehr er über Malik nachdachte, umso größer wurde die Sehnsucht. Ja, er würde ihn gern wiedersehen. Danke für die Beta an Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)