Wenn die Chemie stimmt von Caro-kun ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel Eins ----------------------- Rote, halblange Haare, zu einem Pferdeschwanz gebunden. Kurzer Kinnbart. Ein dunkelblauer Anzug. Angemessen gekleidet war er schon mal. Herr Merten wandte den Blick von seinem Gegenüber zu den Bewerbungsunterlagen vor ihm: Die theoretischen Noten waren durchschnittlich, die Praktischen gut. Die Chromatographieprotokolle waren ordentlich geführt und wiesen größtenteils richtige Ergebnisse auf. Auch aus der schriftlichen Beurteilung konnte er nichts Negatives herauslesen. Eigentlich optimal. Und dennoch. Er sah noch einmal in die kastanienbraunen Augen des jungen Mannes. „Zum Schluss noch: Warum haben Sie sich ausgerechnet für unsere Firma entschieden?“, fragte er und rückte sich die randlose Brille zurecht. „Sie liegt sehr günstig zu meinem Wohnort.“, antwortete Aaron Nagel, „Außerdem bin ich von aller Laborarbeit mit der Chromatographie am besten zurechtgekommen. Wie sie ja sicher sehen können.“ „Dann sind Sie mit den Gerätschaften vertraut?“ „Ja, natürlich!“ „Nun, gut!“, Herr Merten erhob sich und Aaron tat es ihm gleich, „Vielen Dank! Ich werde mich demnächst bei Ihnen melden!“ Er gab ihm die Hand und verabschiedete ihn mit einem kurzen Kopfnicken. Kaum aus dem Gebäude ins Freie getreten atmete Aaron einmal tief durch. Sein Herz raste. Und das hatte ganz sicher nichts mit der gewöhnlichen Nervosität der Vorstellungsgespräche zu tun. Das war ihm klar, seit er Herrn Mertens Arbeitszimmer betreten hatte. Warum musste der Kerl so jung sein? Gerade mal Anfang Dreißig! Alle potenziellen Arbeitgeber, denen er bisher gegenübergesessen hatte, waren ergraute so-gut-wie-Pensionäre gewesen. Und erst sein Aussehen: Groß, hager, graugrüne Augen, die dunkelbraunen Haare kurzgeschnitten, geradezu aristokratische Gesichtszüge. Bei diesem Anblick würden sogar Hetero-Männer weiche Knie bekommen! Aaron zog sich das Haargummi aus den Locken, nur um anschließend mit der Hand genervt hindurchzufahren. Eines wusste er jetzt ganz sicher: Er wollte diesen Job! Und wenn er auf ewig dazu verdammt sein würde Merten nur aus der Ferne anzuhimmeln – er musste die Stelle einfach bekommen! Wie würde ihn das motivieren und anspornen, für diesen Traummann zu arbeiten. * Nur eine Woche später lag ein Kuvert mit dem ersehnten Absender in seinem Briefkasten. Als Aaron den Brief dann aber öffnete und seine Bewerbungsmappe daraus hervorzog, wurde ihm schlecht. Das konnte nichts Gutes bedeuten! In dem beigefügten Schreiben fand er seine Ahnung bestätigt. „… muss ich Ihnen leider mitteilen, dass Sie für unseren Betrieb nicht geeignet sind und daher andere Bewerber vorgezogen wurden. Ich wünsche Ihnen für Ihre weitere Stellensuche viel Erfolg. …“ Ein paar Sekunden lang starrte Aaron einfach nur mit offenem Mund auf die zwei Sätze. Überflog sie immer wieder, ohne wirklich zu lesen. Das konnte nicht wahr sein. Nicht geeignet? Langsam kämpfte sich die Wut in sein taubes Bewusstsein. Was war denn nicht in Ordnung? Seine Noten? Sein Auftreten? Hätte er dem Chef die Hand küssen sollen? Das würde er sofort tun, wäre es von Nöten! Mit zusammengepressten Lippen griff er nach seinem Handy und tippte die Nummer der Firma. Er war zum Analytiker ausgebildet worden und die hatten bekanntlich für alles eine Lösung. Und wenn er in diesem Fall doch keine Lösung finden würde, dann wollte er wenigstens Antworten haben! Die Sekretärin meldete sich. Aaron bemühte sich um einen möglichst neutralen Tonfall: „Nagel, mein Name. Ich habe mich bei Ihnen um eine Stelle beworben. Könnte ich bitte Herrn Merten sprechen? Es ist wichtig!“ Jede andere Absage hätte er zwar mit Bedauern im Papierkorb verschwinden lassen, aber er hätte sie verschwinden lassen und sich keine weiteren Gedanken darüber gemacht. Das war bei dieser hier einfach nicht möglich. Diese Stelle war viel zu kostbar, um sie einfach kampflos aufzugeben. Während er darauf wartete durchgestellt zu werden, spürte er, wie sein Herz erneut ein paar Takte schneller schlug. War er bei dem Gespräch eigentlich rot geworden? Hatte er gestarrt? „Ja?“ Aaron räusperte sich, da ihm beim Klang dieser Stimme augenblicklich die Kehle trocken wurde. Seine Entschlossenheit wich purer Nervosität. „Guten Tag, Herr Merten. Hier spricht Aaron Nagel. Ich ähm … ich war letzte Woche … zu einem Vorstellungsgespräch bei Ihnen … und hab hier jetzt die Absage liegen …“ „Wie gesagt, ich hielt es für besser anderen Leuten den Vortritt zu lassen.“, wurde er von der sonoren Stimme unterbrochen. „Ja, natürlich!“, sagte er schnell, „Ich würde nur gerne … gäbe es nicht die Möglichkeit mich zu beweisen? Ein praktischer Einstellungstest, vielleicht?“ Ein deutlich hörbares Seufzen am anderen Ende der Leitung. Dann: „Das wird nicht nötig sein. Meine Entscheidung steht fest!“ „Können Sie mir nicht wenigstens die Gründe nennen?“, flehte Aaron. „Sie können meinem Urteilungsvermögen getrost vertrauen Herr Nagel, glauben Sie mir!“ Damit legte Merten auf und Aaron vernahm nur noch ein monotones Tuten. * Mit der Schulter stemmte der Rothaarige sich gegen die schwere Glastür und betrat das Gebäude. Der Arbeitsplatz der Sekretärin befand sich an der gegenüberliegenden Seite, Herr Mertens Büro direkt dahinter. Aaron trat auf die junge Frau zu. „Ist Herr Merten zu sprechen?“, fragte er. Wenn schon nicht am Telefon, dann wollte er es wenigstens noch einmal persönlich versuchen. „Ihr Name, bitte?“ „Aaron Nagel!“ „Ach, Sie sind das!“, sie warf ihm einen merkwürdigen Blick zu, „Es tut mir leid, aber Herr Merten hat genaue Anweisungen gegeben, Sie nicht zu ihm durchzulassen!“ „Mich?“, rief er fassungslos aus, „Wieso?“ „Das hat er mir nicht gesagt. Entschuldigen Sie bitte! Sowas ist normalerweise überhaupt nicht seine Art!“ Kopfschüttelnd und nun gänzlich verwirrt, verließ Aaron die Firma. Die Absage hatte er ja noch verstanden – dann waren die anderen eben alle besser als er – und dieses abrupt abgebrochene Telefonat hatte er auch gerade noch so verstanden – vielleicht ein wichtiger Termin, viel zu tun, keine Zeit zum Diskutieren -, aber das hier, das verstand er nicht mehr! Warum sagte Merten ihm nicht einfach, warum er ihn nicht einstellen wollte? Mehr verlangte er doch gar nicht. Stirnrunzelnd warf der junge Mann einen Blick zurück und überlegte. In sein Arbeitszimmer würde er heute nicht mehr gelangen. Aber vielleicht könnte er ihn nach Feierabend abpassen? Er würde in ein paar Stunden wiederkommen und bei den Parkplätzen warten. * Aaron hatte richtig kalkuliert: Merten war tatsächlich der Letzte, der den Nachhauseweg antrat. Wäre er früher gegangen, hätte er ihn vermutlich verfehlt. Aber so konnte er ihm hinterher eilen, als der auf einen schwarzen Wagen zusteuerte. „Herr Merten!“, rief er. Der Angesprochene wirbelte herum. Ein metallenes Geräusch auf dem Asphalt zeugte von dem, vor Schreck fallengelassenen, Autoschlüssel. „Was wollen Sie?“, in den grauen Augen lag leichte Panik. „Ich will nur den Grund für die Absage wissen!“, Aaron hob den Schlüsselbund vom Boden auf und reichte ihn seinem Gegenüber. Merten riss ihn ihm aus der Hand. „Ich kann Sie nicht einstellen!“, fauchte er, „Akzeptieren Sie das doch endlich!“ „Wieso nicht?“, so langsam begann auch dem Rothaarigen der Geduldsfaden zu reißen. Da er sich somit auf seine Wut konzentrierte, traf es ihn völlig unvorbereitet, dass Merten ihn plötzlich am Hemdkragen packte und ihm rücksichtslos die Lippen auf den Mund presste. Hart und unnachgiebig. Dann stieß der Ältere ihn auch ebenso skrupellos von sich. „Deswegen!“, spie er ihm regelrecht ins Gesicht. Nicht wissend, was er sagen sollte, starrte Aaron für ein paar Sekunden auf Mertens, sich stoßweise hebend und senkende Brust. Dann wanderte sein Blick weiter, zu der rechten Hand, die so verkrampft zur Faust geballt war, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Und schließlich zu den graugrünen Augen hinter den Brillengläsern, die es als einzige nicht schafften, die Unsicherheit zu verbergen. Aarons erster Impuls – nachdem er von seinem Gegenüber so unmöglich behandelt worden war – war, den anderen einfach stehen zu lassen. Aber dieses Quäntchen Angst hielt ihn zurück. Er trat einen Schritt nach vorn, wartete noch einen Herzschlag und neigte dann den Kopf, um Herrn Merten zu küssen. Absichtlich ganz anders, als der es ihm vorgemacht hatte. Weich und sanft. Aaron hoffte, dass der Mut, den er mit diesem Kuss spenden wollte, auch angenommen werden würde. Er löste sich wieder von den fremden Lippen und beobachtete die Reaktion auf seine Tat. Äußerlich ruhig, innerlich aber mit heftig klopfendem Herzen. Merten war minimalst zurückgewichen. Er rang um Fassung, vielleicht auch um die richtigen Worte. Dann endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, blickte er auf. „Suchen Sie sich irgendwo eine andere Stelle und verschwinden Sie aus meinem Leben!“, seine Augen zeigten dasselbe Flehen, was auch in seiner Stimme mitschwang, „Bitte!“ „Sie könnten Ihren Posten verlieren, wenn ich für Sie arbeite.“, murmelte Aaron tonlos. Auf seine Feststellung folgte ein Seufzen. „Das Risiko lässt sich nicht ausschließen. Auch ich hab noch Vorgesetzte, die mich jederzeit absetzten können. Besonders wenn die Mitarbeiter nicht zufrieden sind.“ „Nun gut, ich werde Sie in Berufsfragen nicht mehr weiter belästigen.“, lenkte Aaron ein, „Aber, warum wollen Sie, dass ich mich von Ihnen fernhalte? Das kann ich nicht. Nicht mehr. Könnten wir es nicht wenigstens versuchen? Oder sind Sie bereits …“ „Nein! Nein, Sie verstehen das nicht, ich …“, Herr Merten fuhr sich mit den Fingern verzweifelt durch die Haare, „ich hab mich noch nie zuvor so schnell verliebt. Das … das kann einfach nicht gut gehen!“ Milde lächelnd legte Aaron ihm daraufhin beruhigend die Hand auf die Schulter. „Das dachte man von Edelgasverbindungen anfangs auch!“ *Ende*[/] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)