Sündenkind von F ================================================================================ Kapitel 2: Zu Hause ------------------- Es war sehr spät, als sie endlich in Paris ankamen. Géralds Haus lag am Stadtrand von Paris und war vor Jahren sein und Hélènes Heim gewesen. Jetzt schien es eine ganze Ewigkeit zurück zu liegen. Die Dienerschaft hatte überall im Haus Lichter entzündet und als die Kutsche vorfuhr, trat Renaud, Géralds persönlicher Diener, vors Haus. In der Tür standen einige andere Diener, sowie die Hausmädchen. „Willkommen zurück“, begrüßte ihn Renaud, nachdem Gérald mit dem schlafenden Jungen auf den Armen ausgestiegen war. Er erwiderte den Gruß nicht, wandte sich aber kurz an den Diener. „Bereiten Sie für Monsieur Bettencourt ein Zimmer vor“, sagte er, doch der Anwalt räusperte sich und wirkte verlegen. „Ich möchte Ihnen keine Umstände bereiten und bis zu mir ist es ohnehin nicht mehr weit.“ Das war eine höfliche Ablehnung und Gérald der ohnehin schon im Begriff gewesen war die Treppe zu erklimmen, wandte er sich um. „Es wären keine Umstände, aber wie Sie wünschen. Suchen Sie mich morgen bitte auf. Gute Nacht.“ Der Abschied war kurz und schmerzlos. Noch ehe die Kutsche sich in Bewegung gesetzt hatte, war Gérald an der Haustür, wo die Hausmädchen vor ihm knicksten. Nur einen Augenblick später war bereits Renaud an seiner Seite. „Darf ich Ihnen das Kind abnehmen?“ Renaud war wie immer bestrebt seinem Herrn alles abzunehmen, was ihm lästig hätte sein können. „Nein, ich werde ihn selbst hoch tragen. Dieses Kind wird ab jetzt hier leben“, erklärte Gérald ohne große Gefühle. „Heute Nacht wird er in einem der Gästezimmer schlafen und morgen Sorgen Sie dafür, dass ein entsprechendes Zimmer für ihn hergerichtet wird. Ebenso soll der Schneider kommen und sich um seine Garderobe kümmern.“ Gérald war es einerlei was es kosteten würde, all diese Dinge schnellstmöglich zu erledigen. Geld spielte für ihn keine Rolle, aber die Phantasien, welche er im Bezug auf den Jungen schon hatte, wollten kaum warten. Während er die Treppe in den ersten Stock erklomm folgten ihm Gérald und die Haushälterin Marianne, welche Renauds Gattin war, nach oben. Zwei der Hausmädchen waren bereits hoch geeilt, um im Gästezimmer Kerzen zu entzünden und ein Feuer im Kamin zu entfachen. Der Raum war schön, wenn auch unpersönlich und Gérald legte das schlafende Kind, welches sich in seinen Armen kaum geregt hatte auf das Bett. Offensichtlich war es daran gewöhnt auch während Gesprächen schlafen zu können, denn es war nicht aus dem Schlaf geglitten. Das keine, schönes Gesicht war von wilden Locken umrahmt, welche einen strengen Kontrast zu der blütenweißen Bettwäsche standen. Einen Moment betrachtete Gérald das Kind noch, ehe er sich abwandte und wortlos das Zimmer verließ. Die Haushälterin und die Hausmädchen blieben zurück, doch Renaud folgte seinem Herrn, wie ein treuer Hund. Aber erst in seinem eigenen Zimmer, ließ sich Gérald dazu herab etwas zu sagen. „Sie haben sicherlich die Ähnlichkeit bemerkt. Er ist Hélènes Sohn und wird ab jetzt hier leben.“ Renaud half ihm aus den Mantel, bevor sich Gérald auf den Sessel fallen ließ und die Füße von sich streckte. Der Tag war anstrengend und mühsam gewesen. Zudem waren noch Erinnerungen hoch gekommen, welche Géralds Laune nicht gehoben hatten. „Wünschen Sie, dass mich auf die Suche nach einem passenden Lehrer mache?“ erkundigte sich der Diener und hängte erst den Mangel weg, bevor er Gérald einen Likör reichte, welchen dieser jedoch nicht trank. Stattdessen stellte er das Getränk auf einen kleinen Tisch und faltete die Hände. „Nein, noch nicht. Ich werde mich vorerst selbst um ihn kümmern. Sie sollen lediglich dafür sorgen, dass er sich benimmt und dass er tadellos hergerichtet wird. Die beiden Menschen, in deren Obhut Monsieur Bettencourt den Jungen gegeben hatte, haben sich in diesem Punkt nicht ausreichend um ihn gekümmert.“ Irgendwie erheiterte Gérald genau diese kleine Tatsache. Sie hatten sich dem Unwillen eines Kindes gebeugt, um ihm schlussendlich in allen Dingen seinen Willen zu lassen. „Darf ich fragen wie der Name des Jungen ist?“ erkundigte sich Renaud schließlich und riss Gérald damit aus seinen Gedanken. „Sein Name ist Jules Ledoux. Diesen Namen wird er auch behalten, denn ich gedenke nicht ihn vorerst in die Gesellschaft einzuführen, noch ihm meinen Namen zu geben.“ Er lächelte als er das sagte, weil ihm klar war, dass er Renaud mit seinen Worten schockierte, aber irgendwie wollte er es auch. Unberechenbarkeit war ein Luxus den er schon lange nicht mehr genossen hatte. „Helfen Sie mir beim auskleiden, ich bin müde und möchte zu Bett.“ Mit diesen Worten erhob er sich und ging in sein angrenzendes Schlafzimmer. Gérald war gerade dabei sein Hemd aus zu ziehen, als gedämpfte Schreie bis in sein Schlafzimmer erklangen. Er runzelte die Stirn und warf einen Blick zu Renaud, der sich augenblicklich entschuldigte, um nachzusehen, woher der Lärm kam, der seinen Herren störte. Es dauerte so lange, dass Gérald es schließlich gar nicht mehr aushielt und sich schließlich selbst auf den Flur begab, wo er sah, wie zwei der Mädchen Jules festhielten, der in Tränen aufgelöst, wie am Spieß schrie und um sich strampelte. Selbst Renaud konnte den Jungen kaum zu fassen kriegen. „Was geht hier vor?“ Géralds Stimme donnerte, durch den ganzen Flur und ließ die Angestellten zusammenfahren. Selbst Jules wurde aus seiner Hysterie gerissen und starrte mit weit aufgerissen Augen zu Gérald hinüber. Durch das ziehen und zerren an ihm, war seine ohnehin viel zu große Kleidung verrutscht und er sah aus, als würde er in dem vielen Stoff ertrinken. Als er Gérald erkannte, schluchzte er leise und verzweifelt. Die Hausmädchen wagten es nicht ihn noch einmal anzurühren, da sie einen weiteren Hysterieanfall befürchteten. Es war die Haushälterin, welche nach einem Knicks das Wort ergriff, wobei sie, nach der Anstrengung mit dem Kind, im Gesicht noch immer ganz rot war. „Entschuldigen Sie, Monsieur, aber der Junge wachte auf und wollte Reißaus nehmen. Wir haben ihn zu beruhigen versucht, aber er entschlüpfte und auf den Flur und…“ Gérald unterbrach sie und hob die Hand, woraufhin die ältere Frau augenblicklich schwieg und die Lippen zusammen presste. Ohne nachzudenken streckte Gérald die Hand aus. „Komm her, Jules“, sagte er ruhig und dennoch keinen Widerspruch duldend. Der Junge kroch die ersten zwei Schritte auf allen vieren, doch dann erhob er sich und lief schluchzend auf Gérald zu, während die Dienerschaft verwirrt zurück blieb. Es war erstaunlich mit welchem Eifer Jules Schutz bei Gérald suchte. Er schmiegte sein tränennasses Gesicht an die Hose seines Onkels und blickte dann verzweifelt hoch, als würde die Rettung einzig und alleine er sein können. Der Blick des Jungen ließ wieder das Gefühl von Macht in Gérald aufsteigen. „Warum willst du nicht schlafen?“ erkundigte sich Gérald und ließ seine Finger durch die zerzausten Locken gleiten, die ihn so sehr an seine Schwester erinnerten. „Es ist bereits spät und du solltest längst schlafen.“ Der leichte Tadel zauberte Schuldgefühle auf Jules Gesicht, aber seine Hände vergruben sich nur noch fester in Géralds Hemd. „Nicht… alleine sein…“, murmelte der Junge und machte dabei ein Gesicht, als würde man ihm die Haut vom Leib ziehen, wenn Gérald ihn wieder in das Gästezimmer schickte. Ein Hund hätte nicht treuer hochsehen können und Gérald streichelte mit den Fingerspitzen über Jules Gesicht, der die Augen schloss und ganz still hielt. „Du darfst heute Nacht bei mir schlafen“, bestimmte er schließlich und sah zu der Dienerschaft die sich noch immer nicht rührte, bevor er Jules aufhob und in sein eigenes Schlafzimmer trug. Der Junge umschlang ihn mit seinen Armen und schmiegte sich an seinen Hals, so dass sein warmer Atem immer wieder über die Haut streichelte. Ein so intensives Gefühl von Nähe, hatte Gérald nicht erwartet. Er stellte den Jungen in seinem Schlafzimmer auf einem Stuhl ab und betrachtete sein Gesicht. Der Knabe wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht und zog die Nase hoch. „Was soll ich nur mit dir machen? Wenn du dich so benimmst wie vorhin, dann werde ich dich nicht behalten können.“ Das zeigte auf jeden Fall Wirkung, denn Jules Augen füllten sich abermals mit Tränen und er senkte den Kopf. Er hatte die Hände von Géralds Schultern noch nicht genommen. „Werde nicht… wieder tun…“, murmelte das Kind kaum verständlich, was Gérald lächeln ließ. „Versprichst du mir brav zu sein und alles zu tun, was ich von dir verlange?“ bohrte Gérald weiter, wohl wissen, dass er Jules damit einfach nur erpresste. War es nicht schäbig ein Kind so zu behandeln? Seine Angst auszunutzen und die Verzweiflung zu missbrauchen? Die Antwort lautete nein. Zumindest für Gérald der seiner eigenen Meinung nach, sein Mitleid schon vor Jahren verloren hatte. Hélène hatte auch kein Mitleid mit ihm gehabt, sondern hatte ihn ohne zu zögern verlassen. „Wenn du es mir nicht versprichst, dann…“ Gérald musste gar nicht weiter sprechen, es genügte schon, dass er Jules Arme von seinen schieben wollte, als Panik in den Jungen kam. „Verspreche es!“ Jules blaue Augen, die durch die vielen Tränen dunkler geworden waren, schimmerten im Kerzenlicht und sorgten bei Gérald für ein warmes Gefühl. „Gut, dann zieh dich aus“, sagte er trocken und trat einen Schritt zurück. Der Junge auf dem Stuhl wirkte verloren und biss sich auf die Unterlippe, ohne sich zu rühren. „Ich werde dich nicht angezogen, in meinem Bett schlafen lassen“, fügte Gérald mit leichter Ungeduld hinzu, bereit sich abzuwenden. Abermals gab sich der Junge einen Ruck und zog erst das viel zu große Hemd über den Kopf und dann die Hose, welche ebenfalls auf dem Boden landete. Gérald hielt die Luft an und betrachtete den Körper des Jungen. Er war so rein und makellos wie es auch Hélènes Körper gewesen war. Gedankenlos streckte Gérald seine Hand aus und berührte die Brust des leicht zitternden Jungen. So unendlich weich, dachte er, bevor Jules ohne Vorwarnung in die Arme riss und vom Stuhl zum Bett trug. Begehren peitschte in ihm hoch, als er Jules aufs Bett drückte und auf das unschuldige Gesicht blickte auf dem keine Regung zu sehen war. Jules gab keinen Laut von sich, aber die Anspannung seines Leibs war nicht zu ignorieren. Erst da verstand Gérald, was hier eigentlich geschah. Mit einem tonlosen Seufzer löste er sich von dem Jungen und ging zum Schrank um wahllos ein Hemd aus diesem zu ziehen, welches er Jules achtlos zuwarf. „Sieh es an“, sagte er abgelenkt und rauschte in den Nebenraum, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Erst als er die Tür zum Schlafzimmer geschlossen und in seinem Privatzimmer alleine war, konnte er wieder durchatmen. Ihm war klar, dass Jules viel zu viele Gefühle in ihm auslöste. Aber er musste sie beherrschen! Wenn er den Jungen jetzt verschreckte, würde er das willenlose Vertrauen, dass ihm Jules bis jetzt entgegen brachte, kaputt machen und das wollte er unbedingt verhindern. Er ging zu dem kleinen Tisch und griff nach dem Likör den er dort stehen gelassen hatte, um ihn in einem Zug hinunter zu kippen. Jetzt durfte er sich keine Fehler leisten, nahm er sich vor und anstatt wieder ins Schlafzimmer zu gehen, ging er an seinen Schreibtisch, um einen Brief an Jeanette Baffour zu schreiben, welche seine verheiratete Geliebte war. Sie hatte sich für den nächsten Tag angekündigt, doch Gérald entschied, dass es besser war, Jules keinem Menschen zu zeigen. Noch war der Knabe nicht soweit seinen Platz in der Gesellschaft zu kennen und ohnehin hatte Gérald keine Lust die neugierigen Fragen seiner Geliebten zu beantworten, wenn sie Jules erst gesehen hatte. Der Brief war kurz und etwas kühl geschrieben, aber Jeanette war keine sonderlich sensible Frau. Sie kannte das Arrangement zwischen ihnen gut und wusste, dass es ihrem beider Vergnügen diente, ganz ohne zu viele lästige Gefühle. Als er fertig geschrieben hatte, klingelte er nach Renaud, der den Brief noch in der Nacht zustellen lassen würde und begab sich nach einem weiteren Glas Likör, zurück in sein Schlafzimmer. Jules hatte das Hemd angezogen und saß auf dem Bett. Er hatte die Knie angezogen und wartete so still und brav, wie es Gérald nicht erwartet hatte. Viel mehr hatte er angenommen, dass das Kind eingeschlafen wäre. Wortlos kleidete er sich aus und legte sich zu dem Kind ins Bett. Er streckte den Arm nach ihm aus und der Junge schmiegte sich schutzsuchend augenblicklich in seine Umarmung. Wenn er es nur richtig anstellte, dann würde er in Jules wirklich ein perfektes Haustier haben, welches jedem seiner Worte folgen würde, als wären es die Worte Gottes. Gérald gefiel dieser Gedanke so sehr, dass er lächeln musste, als er die Kerze ausblies, die neben dem Bett stand. Schon morgen würde er mit einer Ausbildung beginnen, welche ihn formen sollte, bis er so abhängig von Gérald sein würde, dass er nie auf die Idee käme, seinen Onkel jemals zu verlassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)