Das gehasste, geliebte Wunder von Lykrain (SherlockxWatson(BBC)) ================================================================================ Kapitel 1: Milch ---------------- „Irak oder Afghanistan?“ „Sorry?“ Stille. Nicht einmal das Ticken einer Uhr unterbrach die künstliche Stille. Schwerfällig klangen seine Schritte auf dem teuren Teppich. An Tagen wie diesen schmerzte sein Bein besonders stark. Er wusste, dass es nichts mit einer Schussverletzung zu tun hatte, sondern nur mit dem Wissen wieder hier zu sein. London. Die Stadt, die er einst liebte und nun verabscheute für das was sie ihm genommen hatte. Wortlos ließ er sich auf einen dieser breiten Sessel nieder aus denen man kaum aufstehen mochte. Ordentlich faltete sein Gegenüber die Zeitung zusammen, legte sie auf den antiken Beistelltisch ab und betrachtete ihn dabei aufmerksam. Eine Angewohnheit die Mycroft nicht einmal bei ihm unterlassen konnte. Gefährlich zuckte seine rechte Augenbraue, doch er zügelte sich. Eine Hassrede auf den älteren Bruder von Sherlock würde ihn nicht weiter bringen. „Wie geht es Ihnen, Dr. Watson?“ Spöttisch erinnerte ihn seine innere Stimme daran was er diesen Mann gern alles sagen würde. Doch er schwieg während sich der Blick seiner ausdruckslosen Augen auf die ‚Regierung’ Englands legte. In einer fließenden Bewegung erhob sich der mächtigste Mann unter der Krone aus dem unsagbaren weichen Sessel. „Es freut mich, dass Sie meiner Einladung…“ Ein Schnauben kommentierte diesen mehr als unangebrachten Satz. „…gefolgt sind. Wie ich sehe bereitet Ihnen ihr Bein wieder Probleme?“ Mehr Feststellung als Frage. Sie wussten es beide. Über die Schulter blickte der Ältere zu ihm. Seine Arme hatte er hinter den Rücken verschränkt. Hart erschienen seine Gesichtszüge obwohl das sanfte Licht der Straßenlaterne auf jenes fiel. War das schon vor vier Jahren so oder war es erst mit der Zeit gekommen? „Was wollen Sie, Mycroft?“ Schroff war der Klang seiner Stimme. Dieses Treffen war keins, das seine Begeisterung hervorrief. Verständlich seiner Meinung. „In Afrika haben Sie hervorragende Arbeit geleistet wie ich gehört habe.“ Für ihn klang es wie Hohn. Mycroft wusste alles, wenn er sich einmal dazu entschieden hatte etwas über eine Person in Erfahrung zu bringen. Und er hatte immer in seinem Visier gestanden. Seit dem Tag, da er ihn zum ersten Mal getroffen hatte. Selbst in Afrika hatte er ab und an einer seiner Männe gesehen. „Sie müssen es wissen.“ kam es kühl über seine Lippen. Die Verschränkung seiner Arme löste Mycroft und drehte sich wieder zu John Watson um. Er spürte die Veränderung und noch mehr er, er konnte sie spüren in jeder einzelnen Faser seines Körpers. Dort war nichts mehr von dem leidenschaftlichen Arzt, der seinem Bruder absolut loyal gegenüber war obwohl sie sich nur wenige Stunden kannten. Der Funken des Lebens schien verloschen. Eine Puppe, die agierte. Mehr schien der beste Freund von Sherlock Holmes nicht mehr zu sein. Diese Erkenntnis rang ihm ein kleines Lächeln ab. „Mrs. Hudson….“ Seine Augen richteten sich auf den Arzt, welcher kaum merklich tiefer in den Sessel gesunken war. „Sie ist verstorben. Vor einer Woche.“ Etwas, tief in ihm, verkrampfte sich bei diesen ehrlichen und gleichzeitig harten Worten. Ein bekannter Schmerz klopfte an die Pforte zu seinem Herzen, doch er drängte dieses Gefühl zurück. Schüttelte es ab wie einen lästigen Käfer. Nicht einmal mit der Augenbraue zuckte er. „Weshalb sagen Sie mir das?“ Milde Überraschung zeichnete sich auf dem Gesicht des Politikers ab. Mit vielen hatte er gerechnet, aber nicht mit einer derart kalten Reaktion. Was immer in diesen vier Jahren geschehen war, es hatte John Watson erkalten lassen. An ihm nagte das ungute Gefühl, dass der Tod seines kleinen Bruders daran wohl kaum unschuldig war, sondern der Auslöser. Eine Tragödie. Der einst Sherlock Holmes das Leben lehrte wurde nun des Lebens beraubt. Unweigerlich musste er sich fragen was Sherlock da nur angerichtet hatte und ob es jemals einen Weg zurückgab. Unbemerkt von Watson holte er tief Luft. „Weil sie Ihnen….“ Geräuschvoll krachte die Tür hinter ihm ins Schloss und durchbrach mit hoher Sicherheit das Schweigen in diesen skurrilen Club. Ihm waren die Regeln und Traditionen, hinter welche sich diese weltfremden Narren versteckten, völlig egal. Auch das Bein schmerzhaft dagegen protestierte, dass er im blinden Zorn die Straße entlang hastete. Wut und Zorn war alles was sein Sein in den letzten Jahren bestimmt hatte. Und es war alles was einst von seiner Gefühlswelt übrig geblieben ist. Nicht einmal mehr Trauer war übrig um den Tod von Mrs. Hudson zu betrauern. Er hatte sie immer gemocht, ohne jeden Zweifel, aber er konnte es nicht, war nicht dazu fähig. So klang ihr Geschenk an ihn doch eher wie eine Bestrafung. 221B Baker Street. Es gehörte ihm. Dieses Haus, welches nur einmal gab. Nun gehört es ihm. Unwiderruflich. Dem letzten Wunsch einer älteren Dame konnte er nicht widersprechen. Selbst jetzt nicht. Zurück dorthin? Er wollte es nicht. Alles würde ihn daran erinnern. Abrupt drehte er sich auf den Gehweg um, stieß dabei gegen einen Geschäftsmann, der sich lautstark beschwerte und zuckte unter den Schmerzen zusammen. Heiß pochte er in seinem Bein. Legte alle Synapsen flach und ließ die Welt einen Moment um ihn drehen. Den Halt unter seinen Füßen drohte er zu verlieren, doch er riss sich zusammen und überquerte die Straße. Ruhe. Das war es was er ganz dringend brauchte und was in London mehr als mangelhaft war. Immer mehr schwoll der Lärm der Straße in seinen Ohren an. Er wusste, dass er nah dran war einer Panikattacke zu erliegen. Sein Puls erhöhte sich und seine Atmung hörte sich in seinen eigenen Ohren gefährlich schnell an. Zuflucht suchte er und er fand sie auf einer versteckten, alten Bank in einen kleinen Park. Schwer atmend fuhr er sich über seine Augenlider. Sich selbst zwang er zur Ruhe dennoch wollte sich sein Puls nicht beruhigen. Allein das Wissen in die Baker Street zurück zu kehren ließ seinen Körper völlig verrückt spielen. Seinen Kopf ließ er in den Nacken fallen. Noch immer raste sein Puls als wolle er ein Wettrennen gewinnen und auch sein Herz schlug noch immer hart in seiner Brust. Durcheinander wirbelten die Gedanken in seinen Kopf. Keinen klaren Ansatz konnte er finden und so ließ er es. Er war nicht wie Sherlock, der sich nie hatte von seinen Gefühlen bestimmen lassen. Selbst jetzt wo er keine dieser lästig gewordenen Empfindungen zuließ, schaffte er es nicht ihnen zu entkommen. Für diese Schwäche hasste er sich. Holmes hatte Recht gehabt. Soziale Interaktionen waren völlig überbewertet und doch konnte er nicht von ihnen lassen. Blau war der Himmel als er seine Augen wieder aufschlug. Ungewöhnlich, wenn man bedachte, dass der Herbst in England Einzug gehalten hatte. Die Jahreszeit der grauen Wolken und schweren Gewitter. Zart riss ihn eine bekannte Melodie aus seinen Überlegungen. Aus der rechten Jackentasche holte er sein Handy und las die doch recht kurze Mitteilung. Langsam entglitt ihm das Mobilgerät aus seinen Fingern. In zwei Teile zersprang es als es den Boden berührte. Trotzdem konnte man die Nachricht klar und deutlich lesen. „Bring Milch mit. SH“ Bis zum nächsten Mal! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)