Schreibecke von Jael-chan ================================================================================ Kapitel 1: Wind im Haar ----------------------- „Kannst du mir den Schraubenschlüssel geben Cavala? Er liegt da neben den Terbiumspulen auf dem Tisch“, bat Ethney, während er unter seinem Gleitflieger liegend einige der neuen Teile anbrachte. „Cavala?“, rief er ein weiteres Mal, als er keine Antwort erhielt, diesmal etwas lauter. Wieder keine Antwort. Verwundert kam er unter der Maschine hervor. Sie war doch eben noch hier gewesen. Er legte das Werkzeug beiseite und ging hinüber zum Flur, der die kleine Werkstatt mit den Wohnräumen verband. „Cavala!“, suchend blickte Ethney erst in die Küche und ging anschließend zum Wohnzimmer. Nichts. Verdammt, dachte er, wo war sie denn diesmal wieder hin? Dabei hatte er doch versichert, auf Cavala aufzupassen. Beunruhigt ging er zur Eingangstür und griff nach der Klinke. Die Tür war noch immer verschlossen. Sie musste also noch in der Wohnung sein, aber wo? Erneut ging er durch alle Räume. Keine Spur von Cavala. Der Balkon, schoss es Ethney plötzlich durch den Kopf und er lief zum Wohnzimmer. Die Glastür war nur angelehnt, sodass der Wind durch den bodenlangen Vorhang strich. Sofort trat er hinaus. Es war bereits dunkel geworden, sodass die Lichter der Stadt zu ihm hinauf funkelten. Cavala war nicht hier, sie musste die Feuertreppe genommen haben, um auf das Dach zu steigen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie so etwas tat. Daher schwang sich Ethney über das Geländer und sprang auf die Treppe, etwa einen halben Meter unter ihm. Zügig lief er die metallene Treppe hinauf. Wenn Cavala nun etwas passiert war. Kaum hatte er das Dach erreicht, blickte er sich hektisch auf dem Flachdach um. Was, wenn er sie auch hier nicht fand? Auf den ersten Blick konnte er niemanden auf dem Dach sehen. Er lief zu dem kleinen Häuschen, in dem sich das obere Ende des Treppenhauses befand und hielt auf einmal inne. Da stand sie. Durch das Treppenhäuschen verdeckt, die Hände auf dem hüfthohen Geländer ruhend stand sie da und blickte auf die Lichter der Stadt. Sie trug ein Kleid aus blassblauem Leinen, das zu groß für sie wirkte. Der Wind spielte mit dem Stoff und ihren langen blonden Haaren. Ethney spürte, wie die Anspannung von ihm abfiel. Alles war in Ordnung, es ging ihr gut. Etwas ruhiger, ging er auf sie zu. „Cavala, was machst du hier?“, sprach er sie mit einem vorwurfsvollen Unterton an. „Er ist zurück“, erwiderte sie mit ihrer ruhigen leicht abwesenden Stimme. „Was?“ Ethney sah sie verwirrt an, wobei er nun neben ihr stand. Cavala erwiderte seinen Blick nicht, sie schaute noch immer hinaus in die Ferne. „Der Wind, er ist zurückgekehrt“, meinte sie nur in ihrer sanften, leicht melancholischen Art. Nun blickte auch Ethney über das Geländer in den nächtlichen Himmel. Sie hatte recht, es war der erste Tag seit drei Monaten, an dem der Wind wieder wehte. Von hier aus konnte man sehen, dass bereits die ersten Flieger über der Stadt schwebten. „Ich weiß bloß noch nicht, ob ich das jetzt gut oder schlecht finden soll“, sprach Ethney seine Gedanken laut aus. „Mit dem Wind werden sie auch bald zurück sein und dann sind wir hier nicht mehr sicher.“ „Ja, sie werden kommen, aber nicht heute Nacht.“ Ethney merkte, wie Cavala die Augen schloss. Eine Windböe kam auf. Ethney spürte den kühlen Wind auf seiner Haut. Wie er über sein Gesicht strich und das kurze Haar zerzauste. Er genoss diese Berührung und ihm wurde klar, wieso Cavala um den Wind zu begrüßen hier hinaufgekommen war. „Du wirst wieder mit ihm fliegen können“, sagte sie auf einmal. Sie wusste, wie sehr Ethney es vermisste, nicht mit seinem Gleitflieger auf dem Wind reiten zu können. Er öffnete wieder die Augen und bemerkte, dass Cavala ihn mit ihren klaren blauen Augen ansah. „Ja, das werde ich, aber nicht heute Nacht“, erwiderte er grinsend, „Nun lass uns aber wieder rein gehen, nicht, dass du dich noch erkältest.“ „Er würde so etwas nie tun“, entgegnete Cavala, wobei sie noch immer vom Wind sprach. Dennoch löste sie sich von dem Geländer und folgte Ethney zurück in die Wohnung. Kapitel 2: Sandkorn ------------------- Leise plätschernd schwappte das Wasser von immer neuen Wellen getragen an den Strand. Ansonsten war es still geworden. Kein Vogel war mehr zu hören, alle hatten sich weiter landeinwärts ein Versteck gesucht und sogar das Rascheln der Blätter von den wenigen Bäume, die die Felsen säumten, war verstummt. Kein Lüftchen regte sich. Trotz dieser vermeintlichen Ruhe, wusste ich, wie angespannt die Welt um mich herum war. Das Ruhelose auf und ab des Wassers, welches beständig gegen die Felsen stieß und wieder einige Schritte ins Meer zurückwich. Die Anspannung der kleinen grünen Halme, die vereinzelt zwischen den Steinchen aus dem Boden sprossen und sich alle wie kleine Härchen auf den Rücken einer Katze aufgestellt hatten, als fordere etwas ihre volle Aufmerksamkeit. Ja sogar in der geladenen Luft spürte ich Erwartung. Sorgenvoll blickte ich nach oben. Da wo vor wenigen Stunden noch süße weiße Wattewolken schwebten, verabschiedete sich nun die ahnungslose Sommersonne. Obwohl sie sich wie jeden Abend gemächlich gen Horizont bewegte, schien es als ob auch sie bemerkt hatte, dass es nicht wie jeden Abend war. Statt träge sich zur Nachtruhe zu begeben, kämpfte sie sich durch die wenigen Lücken der finsteren Wolkenmassen, um ihr blutrotes Licht auf die Erde zu schicken, als seien es die letzten Strahlen, die die Welt sehen würde. So färbte die Sonne rücksichtslos nicht nur den Himmel, sondern auch das Meer, auf dem das Licht wie kleine Flammen zu tanzen schien und die fleckige Wolkendecke, dessen dunklen Watteberge von unten her angestrahlt rot zu leuchten begannen. Dessen unbeirrt kam die schwarze Wolkenwand immer schneller näher, als hätten sie ein unsichtbares Ziel, das es zu erreichen galt. Mit einem Mal war der Wind zurückgekehrt. Er blies mit unvorstellbarer Kraft über den Strand und sofort war jegliche Anspannung wie von ihm weggeblasen. Das Wasser schlug mit solcher Heftigkeit gegen die Felsen, dass es viele Meter weit in die Höhe geschleudert wurde, die Grashalme bogen sich im Wind und krallten sich mit aller Macht am Boden fest um nicht fortgerissen zu werden und die Luft wirbelte umher, gefüllt mit Wasser, Laub und Sand. Eine kräftige Böe erfasste mich und riss mich mit sich in die Höhe. Mir wurde leicht ums Herz. Höher und höher trug der Wind mich, bis in den Himmel hinauf. Unter mir verblassten im Tosen des Windes die Sicht auf den Strand an dem ich so viele Tage mit meinen Geschwistern gelegen habe und von dem wir nun fortgetragen wurden. Fort an einen fremden neuen Ort. Wohin der Sturm mich dieses Mal bringen wird? Kapitel 3: Kalt wie Schnee -------------------------- Ein unangenehmes knirschen und das penetrante Piepen der Armaturen begleiteten Ethneys fluchen. Neben zwei roten Lichtern begann die Höhenanzeige bedrohlich zu blinken. "Verdammt nicht das auch noch", er drückte wild auf mehreren Knöpfen herum und versuchte verzweifelt das Flugzeug in der Luft zu halten - ohne Erfolg. "Halt dich fest, Cavala! Das könnte eine unsanfte Landung werden", rief er über die Schulter. Sie verloren immer schneller an Höhe und Cavala spürte dieses flaue Gefühlt im Magen, was man bekam, wenn man sich schneller dem Erdboden näherte, als es dem eigenen Körper lieb war. Sie klammerte sich an ihrem Sitz fest und blickte zu Ethney, der das Flugzeug gerade an einem verschneiten Felsen vorbei steuerte und versuchte es dabei halbwegs gerade zu halten. Mit einem dumpfen lauten Schlag schlugen sie in die weiße Ebene ein. Der Aufprall schleuderte eine riesige Menge Schnee in die Luft und weiße Flocken flogen in alle Richtungen. "Alles OK?", fragte Ethney, selber noch etwas benommen. Cavala strich ihr Haar aus dem Gesicht. "Mir geht es gut, aber das Flugzeug ist kaputt", stellte sie fest und machte sich von ihrem Sitz los. Mit einem zynischem Lachen kam Ethney aus dem Vorderen Teil des Cockpits zu ihr herüber: "Du hast es erfasst. Diese Mistviecher haben uns die halbe Elektronik geröstet, bevor sie abgedreht sind und wenn wir richtig Pech haben, sind diese verdammten Drohnen mit Langstreckenfunk ausgestattet. Unsere Position wäre dann kein Geheimnis mehr." Cavala sah ihn unbeeindruckt an. "Dann sollten wir wohl weiterfliegen. Darf ich raus gehen, während du kurz das Flugzeug reparierst?" Sie stand auf und machte Anstalten Ethney zu folgen, der sich seine Jacke und Werkzeug griff und die Tür nach draußen öffnete. "Kurz das Flugzeug repariere?! Mal sehen was da überhaupt noch zu retten ist. Zieh dir was über bevor du raus gehst. Das Klima ist hier nicht so mild, wie in der Stadt", wie um seine Worte zu unterstützen, flogen weiße Flocken und kalte Luft zu ihnen hinein. Ohne zu zögern sprang er aus dem Flugzeug in den tiefen Schnee. Cavala zog den längeren Mantel über und ging ebenfalls zu der schmalen Tür hinüber. Gerade konnte sie noch sehen, wie Ethney durch den Schnee stapfte, bevor er hinter der Tragfläche verschwand. Vorsichtig blickte sie hinunter und setzte sich in die Tür. Mit den Füße konnte sie den blütenweißen Schnee berühren. Langsam ließ sie sich von der Kante rutschen. Der fast knietiefe Schnee war hier durch ihren Absturz hochgewirbelt worden. Cavala ging ein paar schritte, bis sie zu noch unberührtem gleichmäßigen weiß kam. Niemand hatte diesem Schnee je berührt. Die weißen Flocken lagen genauso da, wie sie nach ihrem Tanz aus dem Himmel liegen geblieben sind. Bedächtig machte das blonde Mädchen einige Schritte in den unberührten Schnee, bevor sie fröhlich, fast schon übermütig los lief. Erst geradeaus, dann in Schleifen, bis das ganze weiß im Umkreis von ihren Spuren bedeckt war. Nach einem Blick auf ihr Werk, wand sie sich um. Das Flugzeug lag ruhig vor dem großen Felsen, als ob es nicht beabsichtigte sich dort bald wieder wegzubewegen. Von Ethney war nichts zu sehen. Er brauchte wohl noch Zeit das Flugzeug zum Weiterfliegen zu überzeugen. So wand sich Cavala wieder der weißen Ebene zu. Wenige Meter entfernt guckten einig Steine aus der Schneedecke hervor. Sie kletterte hinauf, blickte hoch und ließ ihren Blick über die weite weiße Ebene streifen. In sanften Hügeln lag das Land vor ihr. Bis zum Horizont war kein einziges Zeichen von menschlichem Leben zu sehen. Bäume gab es ebenfalls nicht, lediglich ein paar eingeschneite Sträucher und Büsche konnte sie erkennen. Sie schloss die Augen und spürte die kalte Luft auf ihrem Gesicht. Der Wind wehte leicht über die Ebene. Er war vollkommen frei, hatte hier so gut wie keine Widerstände und doch glitt er nur leicht und kaum stark genug um einige der weißen Flocken aufzuwirbeln, über die Landschaft. Eine Windböe kam auf und erfasste Cavalas langes Haar. Eine kühle doch sanfte Berührung. Fast wie eine Begrüßung, der Gruß eines alten Freundes, doch da war noch etwas anderes. Cavala schlug die Augen auf und wand sich in die Richtung, aus der die Böe gekommen war. Resigniert ging Ethney durch den Schnee zu Cavala hinüber. Obwohl die Sonne schien, merkte er, wie sich die Kälte in seine Knochen fraß. Schnee und Eis waren nicht sein Ding und darüber hinaus waren seine Klamotten nicht für ein solches Wetter gemacht. "Bis auf weiteres hängen wir hier fest," setzte er Cavala in Kenntnis als er den Fuß der kleinen Felsen erreichte. Sie drehte sich nicht um, sondern blickte unverwandt hinaus auf die zugeschneite Ebene. Ethney seufzte: "Ich habe den gröbsten Schaden reparieren können. Der Ionenscann und sogar der Funk funktionieren wieder, bloß die Hybridkoppelung der Triebwerke kriege ich nicht hin und ohne die Synchro schaffen wir es nie aus dieser Schneewehe zu starten." Frustriert kickte Ethney Schnee beiseite, " Es liegt nur an einem einzigen verkohlten Schaltkreis! Die anderen konnte ich alle auswechseln, bloß von diesem verfluchten LJC-Chip haben wir keine über. Ohne den kann auch der beste Mechatroniker da nichts mehr retten." Er erwartete nicht, das Cavala sein Problem mit der Maschine verstand. Jedoch war es jetzt, wo er die Hoffnung das Flugzeug reparieren zu können aufgegeben hatte, umso wichtiger einen Weg zu finden, wie sie schleunigst von hier verschwinden könnten. Ein Blick auf die unendlich wirkende Ebene um sie herum ließ allerdings alles andere als Zuversicht in ihm aufkeimen. "Da ist jemand", erwiderte Cavala so zusammenhangslos wie sie es oft zu tun pflegte und wies mit dem Arm in Richtung Horizont. Aus seinen trüben Gedanken geschreckt, sprang Ethney vorsichtig auf den Fels und stellte sich neben Cavala. Er späte in die angewiesene Richtung. Seine Augen schmerzten, da der Schnee durch das reflektierte Sonnenlicht förmlich zu strahlen schien. Es gab ein paar weitere Felsen und einen verkrüppelt wirkenden Busch, ansonsten konnte er nichts entdecken. Was Cavala wohl wieder für ein vermeidliches Lebewesen entdeckt hatte? "Also ich seh ni...", brach er Mitten im Satz ab, als er eine Bewegung ausmachte. Da war tatsächlich eine Gestalt. Angestrengt versuchte er sie genauer zu erkennen. Es bewegte sich langsam aber beständig. Etwas dunkles mit einem rötlichen Schimmer inmitten des ganzen Weiß. Es sah so aus, als ob dort tatsächlich ein einzelner Mensch durch diese Schneewüste lief. Ethney war auf die Person konzentriert und ob er etwas über ihre Herkunft erkennen könnte, sodass er nicht bemerkte, wie Cavala von dem Stein kletterte und los lief: "Ich gehe sie begrüßen!" "Hey, warte! Wir wissen doch gar nicht, wer das ist." Trotz seiner Worte lief Ethney Cavala hinterher und machte keine Anstalten sie zum Umdrehen zu bewegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)