Die Geschichte vom Bärentotem Honon von Pumpkin_Queen ================================================================================ Kapitel 1: Mara --------------- Es war erstaunlich, wie schnell das Wetter sich ändern konnte. Gerade hatte die Sonne noch ihre wärmenden Sonnenstrahlen auf die Erde geschickt und nun zogen dunkle Sturmwolken über den Köpfen der Parkbesucher hinweg. Ruhig beobachtete Honon die Menschen, die neben ihm standen und hektisch ihr Picknick einpackten. Sie hatten nicht mit einem Wetterumschwung gerechnet, das wusste er. Genauso wie er wusste, dass sie nicht mit dem rechneten, was bald passieren würde. Traurig blieb Honons Blick an seinem Schützling hängen. Der Regen hatte ihre Klamotten bereits komplett durchweicht und ihr dunkelblondes Haar hing ihr in Strähnen ins Gesicht, während sie den letzten Korb im Wagen verstaute. Honon war ihr Totem, ein Tiergeist und ihr Beschützer. Es tat ihm leid, das er ihr nicht helfen, sie nicht warnen konnte. Vor vielen Jahren, als sie noch klein war, konnte Mara ihn sehen, nannte ihn immer Papabär und er konnte mit ihr reden. Wenn Mara ihn noch heute sehen und verstehen könnte, hätte Honon vielleicht noch eine Chance gehabt sie zu retten. Als ihre Eltern starben, war er es, der sie getröstet hatte. Er hatte nachts neben ihrem Bett gestanden und ihr Geschichten erzählt, Geschichten die er als kleiner Bär vor so langer Zeit von seiner Mutter gehört hatte. Geschichten über Totemtiere, die Seelenpartner der Menschen und ihre Aufgaben. Manchmal auch von seinem Leben, bevor er starb und zu einem Totem wurde. Honon war es auch gewesen, der ihre Adoptiveltern zu dem Waisenhaus führte, in dem Mara lebte, als sie acht Jahre alt war. Zusammen mit deren Krafttieren. Nun, zwanzig Jahre später, konnte sie ihn nicht mehr sehen, glaubte nicht mehr an das, was ihr damals soviel Halt gegeben hatte. Wollte nicht mehr daran glauben, dass es einen Geisterbären gab, den außer ihr keiner sehen konnte. Aber Honon machte ihr keinen Vorwurf daraus. Viele Menschen verloren mit dem Alter, den Glauben an ihre Seelengefährten. Taten ihre Erinnerungen als Kindheitsfantasie ab. Honon blickte dem anfahrenden Wagen nach, solange bis er hinter einem dichten Regenvorhang verschwand. Den sanften Klang ihres Lachens und den verbissenen Ausdruck in ihrem zart-geschnittenen Gesicht, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte und bis zum letzten Augenblick dafür kämpfte - Honon wusste, er würde die junge Frau mit den warmen braunen Augen mehr vermissen als einen seiner vorherigen Schützlinge. Er wünschte, er könnte sie vor dem beschützen, was bald geschehen würde. Aber das konnte er nicht. Es lag nicht in seiner Macht, das Schicksal zu verändern. Das war etwas, dass nur die Menschen konnten. Seine Aufgabe war es, seinen Schützling zu unterstützen. Das Laute aufeinanderprallen von Metall ließ Honon aufblicken. Ein Augenblick reichte ihm um neben dem Unfallwagen zu erscheinen. Er wusste, dass es nicht einfach werden würde aber ab hier konnte er nur noch eines tun: Warten. Auf das, was noch kommen sollte. Auf das, was gerade erst seinen Anfang nahm. Und auf seinen neuen Schützling. „Du hättest ruhig schon anfangen können!“ Schwungvoll landete ein Uhu neben Honon auf der nassen Straße. Auch ihm schien der Regen nichts auszumachen, der einfach durch ihn hindurch glitt. „Wir dürfen uns nicht einfach in das Leben von Schützlingen anderer Totem einmischen“, brummte Honon. Mit einem aufgeregten 'Schuh!' stieß der Kauz sich wieder vom Boden ab und landete auf dem Dach des Wagens. „Wie du meinst, Bär! Ich, Adré das Eulentotem, erlaube dir, Honon dem Bärentotem, dich in das Leben meines Schützlings einzumischen!“ Mehr musste Honon nicht hören. Mit einem kraftvollen Hieb seiner Tatze schlug er eine der Autotüren auf. Vor ihm lag ein kleines Kind, sechs Jahre alt, in einem grell-grünen Kindersitz. Liebevoll betrachtete er das Kind mit dem braun gelockten Haaren. In Honons Augen hatte dieses Kind keine Ähnlichkeit mit seinem blonden Schützling. Er versenkte seine Zähne im Kindersitz und zog ihn aus dem Unfallwagen. Ab hier war es allein an Adré, sich um seinen jungen Schützling zu kümmern. „Papabär?“ Das leise Flüstern lies ihn aufblicken. Traurig betrachtete der Bär die durchscheinende Seele von Mara, die Hilfesuchend von Honon zu ihrem Kind blickte. Wenn ein Mensch starb, erinnerte er sich an alles, was in seinem Leben passiert war. Auch an sein Totem. Eine der viele Aufgaben eines Totems war es, die Seele seines Menschen ins Jenseits zu bringen. Langsam setzte Honon sich in Bewegung, er wusste, Mara folgte ihm von alleine. „Was ist passiert?“ „Ein Auto ist mit deinem Wagen zusammen geprallt.“ „Und meine Tochter?“ „Keine Sorge. Ihr geht es gut.“ Honon blickte zu Mara auf. Noch immer spürte er die Verbundenheit aus Kindertagen zu ihr. „Ihr Totem wird auf sie aufpassen. Deine Tochter hat eine große Zukunft vor sich, Mara.“ Honon konnte noch das hohe Schreien von Sirenen hören, die immer näher kamen, bevor er mit seinem alten Schützling die Grenzen zum Jenseits überquerte. „Wirst du ihr Totem sein?“ Brummend verneinte Honon die Frage. „Sie ist ein Eulenkind. Kein Bärenjunges. Ich werde bis zur übernächsten Generation warten müssen.“ Aber er würde gerne warten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)