Chess von Asako (Das Leben ist wie ein Schachspiel...) ================================================================================ Kapitel 2: Black Queen: Second Set of Pieces -------------------------------------------- „Schachmatt.“ „Was? Schon wieder?“ Fassungslos starrte die Frau ihr gegenüber auf das Schachbrett mit den von ihr so perfekt ausgespielten Schachfiguren. Sie lachte etwas. „Du vernachlässigst immer eine Verteidigung etwas, Yuuhi.“ „Aber... aber...“ Sie sah ihr an, wie sehr sich ihre alte Freundin das Hirn über den letzten Spielzug zermarderte. Yuuhi würde es wohl nie schaffen sie in einer Partie zu schlagen. „Sieh es ein. Du unterschätzt immer meine Spielzüge mit der Königin.“ „Du bist mir auch so eine Königin, Saeko“, kam es von Wataru, die mit Tee zu den beiden Freundinnen kam und sich zu ihnen setzte. Yuuhi, noch immer geistesabwesend, nahm eine der Tassen entgegen. Die war wohl noch ein paar Minuten beschäftigt, wesshalb sich die Gewinnerin wieder zu Wataru drehte. Sie selbst, Ayaki Nao oder einfach nur Saeko, nahm sich eine Tasse von ihrer Freundin, Kozuki Wataru, entgegen, lächelte ihr dabei einen Augenblick lang sanft zu. „Na wenn ich die Königin bin, dann bist du aber der König meine Liebe.“ Wataru lachte etwas. „So? Na wenn du das sagst.“ „Ach vermalledeimich!“, fluchte Yuuhi dann wieder laut und warf sich in ihrem Platz zurück, legte den Kopf in den Nacken. „Ich verstehs nicht. Wieso schaff ichs nicht dich zu schlagen?“ Für einen Augenblick schmunzelte Saeko etwas, beugte sich nach vorne während sie sich auf ihren Unterarmen abstützte und den Tee in beiden Händen hielt. „Sag ich dir. Weil du wie einer der Türme bist.“ Sie griff nach einer der schwarzen Türme, die sie von Yuuhi abgezogen hatte und die sauber aufgereiht neben einigen der Bauernfiguren stand. „Du kannst immer nur geradeaus denken und siehst immer nur das, was vor dir liegt.“ Daraufhin zog Yuuhi nur eine Schmolllippe und sowohl Wataru als auch Saeko fingen an zu lachen. Die drei Freundinnen verbrachten ziemlich häufig ihren Abend zusammen, was meist darin endete, dass Yuuhi, die von ihnen manchmal liebevoll 'Waschbär' gerufen wurde, sie zu einer Partie Schach herausforderte. So eine wirkliche Herausforderung war die jüngere Tsukigumi-Darstellerin jedoch nicht für sie, denn sie hatten schon so viele Spiele hinter sich gebracht, dass sie durch das Denkmuster der anderen sehen konnte. Die Figur des Turms passte einfach perfekt zu ihr. Saeko warf einen Blick auf Wataru. Und da saß ihr König, wie sie elegant in dem schwarz gemustertem Sessel saß, an dem noch immer heißem Tee nippte und dabei eine ungeheure Eleganz ausstrahlte. Zwar gehörte Wataru nicht Tsukigumi an, in der Saeko als Top Star agierte, sondern war der Top Star von Hoshigumi, doch das änderte nichts daran, dass Saeko noch immer vernarrt in die andere war wie in niemand anderen. Sie konnte sich nicht erinnern wie lange sie jetzt schon ihr Leben und das Bett mit dem Hoshigumi-Star teilte, doch sie hoffte, dass es noch eine ganze Weile sein würde. Im Augenwinkel sah sie, wie Yuuhi über das Schachbrett griff und sich die schwarze Königin schnappte, die Saeko einige Züge zuvor geschlagen hatte. Mit einem ihrer Bauern wohlgemerkt. Für ein paar Sekunden starrte die andere die Figur aus Glas an. „Ich finde die Figur passt wirklich zu dir“, sagte Wataru und sah von ihrem Tee auf. „Hm?“ Saeko hob verwundert die Augenbrauen. „Wieso?“ „Zumindest wenn man davon ausgeht wie du spielst. Du denkst in alle Richtungen und ein paar Schritte im Vorraus. Kein wunder dass unser Waschbär dich nicht besiegen kann.“ „Hey!“, protestierte die jüngere Tsukigumi-Darstellerin und schnaubte leise. Wataru überging sie einfach. „Ausserdem sieht sie ein bisschen so aus wie du, findest du nicht?“ Abermals hob der Tsukigumi-Star eine Augenbraue, schmunzelte dann etwas und sah zu Yuuhi. Fast gleichzeitig fingen die drei an zu lachen. „Saeko? Da ist ein Brief für dich.“ Wataru kam noch immer in Shorts ins Schlafzimmer, hielt einen nicht gerade dünnen Briefpacken in den Händen. Saeko rollte sich auf den Rücken, stöhnte dabei leise, sie war noch immer todmüde, und öffnete die Augen einen Spalt, „Huh? Um die Uhrzeit?“ „Scheint wichtig zu sein. Vielleicht solltest du ihn aufmachen. Du musst sowieso noch warten. Yuuhi ist im Bad.“ Nochmals grummelte der Tsukigumi-Star leicht. „Irgendwann schenk ich ihr diesen Teppich“, maulte sie leise und stemmte den schweren Oberkörper nach oben. Saeko's Wohnung war im Vergleich zu so vielen anderen gigantisch. Sie hatte neben seperatem Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche ein riesiges Bad, in den sie sich bei ihrem Einzug einen großen, flauschigen, bunt bestickten Badezimmerteppich gelegt hatte. Seither benutzte Yuuhi so oft es ihr nur irgendwie möglich war ihr Bad nur um sich barfuß auf den Teppich zu stellen, denn Saeko hatte obendrein noch Fußbodenheizung im Badezimmer. Irgendwie süß war das ganze ja schon, aber ihre Freundin blockierte desshalb immer eine halbe Ewigkeit das Bad, vorzugsweise, wenn sie es eilig hatten. Statt sich weiter über den schwarzen Turm auf zu regen schnappte sich sich den Brief, beäugte ihn ausgiebig und blinzelte leicht. Sie kannte diese Art von Brief, aber eigentlich hieß es, dass es in diesem Jahr keine geben sollte. Sie riss achtlos das Papier auf, zog den Zettel heraus und übersprang den immer gleichen, formellen Anfang. „Und? Was steht drin?“, fragte Wataru, die neugierig neben ihr platzgenommen hatte. „Scheint als bekommen wir einen Neuzugang.“ Sie überflog die Zeilen weiter, legte stöhnend den Kopf in den Nacken. „Oh bitte nein.“ „Was? So schlimm kann es ja nicht sein.“ „Es ist Sena Jun.“ Wataru prustete leicht für sich los, hielt für einen Augenblick die Hand vor den Mund um ihre Lautstärke zu dämpfen. „Die Hanagumi-Prinzessin? Ernsthaft?“ Der Titel 'Hanagumi-Prinzessin' war vor einigen Wochen wie ein Lauffeuer durch die Reihen der älteren Schauspielerinnen gegangen, ebenso wie der Titel, den sich ihre Freundin Osa eingehandelt hatte. Der Hanagumi-König Haruno Sumire und die Hanagumi-Prinzessin Sena Jun. Der Titel für Osa war weniger ernst gemeint als der, den sich die junge Sena eingehandelt hatte. Es war allgemein bekannt, dass Sena und Osa unzertrennlich waren, ebenso offensichtlich war es, dass Sena sich der Älteren immerzu unterordnete. Im Gegenzug behandelte Osa die Jüngere wie eine Prinzessin, daher der Titel. Obendrein war die junge Sena der Schatz Hanagumis, der noch auf seine Top Star Zeit wartete. Zumindest so etwas in der Richtung war der Ursprung dieser Titel gewesen. Eigentlich hatte man gemunkelt, dass sie Wao Youka's Nachfolge antreten würde. Natürlich nannte niemand aus Hanagumi Sena bei diesem Namen, geschweigedenn irgendwer ihr gegenüber. Schlimmer jedoch war, dass sie das Königspäärchen so offensichtlich auseinanderrissen, was Sena garantiert nicht gefallen würde. Saeko kannte nur aus Erzählungen wie grantig Sena ohne Osa's Anwesenheit war. „Das kann ja was werden“, meinte Saeko nur noch unter einem Schnauben und überflog den Rest des Textes. „Als ob ich nicht schon genug Probleme hätte.“ „Wann wechselt sie denn offiziell?“ „Übermorgen“ Das Prinzessinen-Problem war jedoch nur das geringste ihrer Probleme. Es stellte sich heraus, dass einige der Hauptcharaktere ernsthaft krank geworden waren, zwei um genau zu sein, wesshalb sie provisorisch die Rollen routieren mussten. Die Routationsrollen blieben an Yuuhi und Kashige, Takeshi Kei, hängen, jedoch fehlte noch immer eine Rolle, die ihr Neuankömmling wohl oder übel übernehmen musste. So sehr es Saeko auch missfiel einem Neuen, so erfahren diese auch wahr, von der sie aber noch nichts gesehen hatte, gleich so eine große Rolle zu geben. Die Entscheidung wurde ihr jedoch von den Direktoren abgenommen, sehr zum Leidwesen des Tsukigumi-Stars. Sie hätte lieber Kiriyan diese Rolle gegeben, aber die gehörte zu den Kranken und war wohl noch eine Weile nicht verfügbar. Es blieben ihr also nur noch die Shinkos, denen sie aber keine größere Rolle geben konnte. Dementsprechend schlecht gelaunt war der Top Star, als sie zwei Tage später im Probenraum stand, die Böse spielen musste und allen, die sich kurz hinsetzten, gehörig in den Hintern trat. Zu allem Überfluss hatten die Chefs es für eine gute Idee gehalten, den Termin für die Premiere vor zu verlegen um eine Lücke zu schließen. Saeko sah da schon eine ganze Menge Überstunden auf sie zukommen. Dafür hatten die Chefs wenigstens diese so verhassten Fernsehauftritte mit Tsukigumi abgesagt, was sie alle dann doch etwas erleichterte. Nichts war, besonders für die Jüngeren, so schlimm wie ein öffendlicher Live-Auftritt bei dem einfach alles sitzen musste. Übermüdet und unmotiviert konnte man dabei einfach nicht sein. Hieß nicht, dass sie es beim Training desshalb lockerer angehen lassen konnte, im Gegenteil. Sie übte gerade mit Yuuhi und einigen jungen Shinkos zusammen einen Tanz, war dabei völlig vertieft in das was sie tat, dass sie nur im Augenwinkel sah, wie eine ihr fremde Person den Raum betrat. Sie tippte stark auf Sena, aber ihr war das momentan recht egal. Die Direktoren würden sie rufen, wenn sie mit der Standartprozedur, die auch vollwertige Mitglieder zu erdulden hatten, fertig waren und sie offiziell einteilen konnten. „Ist sie das?“, fragte Yuuhi leise zu ihr nachdem Saeko die Shinkos dazu angewiesen hatte alleine weiter zu üben. „Wer denn sonst?“, brummte der Top Star leise, starrte dabei in ihr Script und ging erneut den Text durch. Es war nicht viel, aber dafür hatte er es in sich. „Wow sie hat sich ganz schön verändert.“ Verwundert sah Saeko zu ihrer Freundin auf, die erneut einen flüchtigen Blick zu Sena warf. „Ich wusste nicht, dass ihr euch kennt.“ „Wir sind zusammen in eine Klasse gegangen.“ Yuuhi lächelte etwas, setzte zu einem weiteren Satz an als der Direktor nach dem Top Star brüllte. Dass man nach ihr rief wie nach einem wildgewordenem Hund ging ihr dann doch gehörig gegen den Strich. Lange würde sie diese Rumschubserei nichtmehr erdulden können. Dennoch ging sie mehr oder minder gelassenen Schrittes, das Script unter den Arm geklemmt zum Direktor und zu der neuen. Ihre Laune war so weit unten, dass sie nicht wirklich ein Lächeln auf die Reihe bekam. „Sie ist Tsukigumi's neues Mitglied. Würden sie sie bitte einweisen?“ Als ob sie nicht selbst so schlau gewesen wäre. Es gab eigentlich nur zwei Möglichkeiten wenn ein fremdes Gesicht im Probenraum auftauchte. Entweder es war jemand neues oder es gab ernsthafte Probleme. Saeko zwang sich zu einem Lächeln und hielt der anderen die Hand hin. Sie verschwendeten eigentlich nur wertvolle Zeit. Mal ganz davon abgesehen, dass sie noch das ein oder andere Hühnchen mit dem Direktor zu rupfen hatte wegen der kappen Zeit. Sie bemerkte, wie die etwas kleinere Darstellerin sie einmal ausgiebig beäugte. „Ayaki Nao. Ich bin der Top Star hier.“ Ihr Lächeln war nicht minder gequält als ihr eigenes. Der Blick der Jüngeren sprach Bände. Sie hatte keine Lust hier zu sein. „Sena Jun. Ich war vorher...“ Saeko winkte ab, schnaubte leise und schnitt der Jüngeren damit das Wort ab. Als ob sie nicht wüsste, wen sie da vor sich hatte. Als Top Star erfuhr sie immer als erste, wenn es neue Mitglieder gab. „Die Hanagumi-Prinzessin. Davon habe ich schon gehört.“ Das mit der Prinzessin war ihr dann doch rausgerutscht. Wie auch immer. Die Frau ihr gegenüber sah etwas verwirrt drein, griff dann aber doch etwas weniger beherzt nach ihrer Hand und schüttelte sie kurz. Jetzt hatte sie diese Frau wohl oder übel im Gepäck. Sie sah so aus, wie man sie immer beschrieben hatte, ein gestriegelter Pudel. Hübsch war sie, keine Frage, aber gerade weil sie so eine Schönheit war zweifelte sie am Arbeitswillen. Es würde sich wohl zeigen. Saeko's Lächeln verschwand als sie sich umdrehte und die Hand der anderen loslies, Sie würde Sena im Auge behalten müssen. In der Mitte des Raumes angekommen klatschte sie laut in die Hände, pfiff auf zwei Fingern um die Aufmerksamkeit ihrer Troupe zu bekommen. „Hört mal alle her. Wie es aussieht gab es doch einige Transfers“, rief sie und sah in die Runde der neugierig dreinblickenden Frauen. „Einige werden Sena Jun sicher schon kennen.“ Der Top Star warf nur einen flüchtigen Blick über die Schulter zu der Prinzessin, die ihr auf dem Fuß gefolgt war. Es wäre wohl besser, wenn sie mit den Schauspielerinnen zusammen arbeitete, mit denen sie die Rolle wechselte. Yuuhi war noch mit ihr und den Shinkos beschäftigt. Blieb nur die dritte. Flüchtig sah sie sich im Probenraum um. „Wo ist Kashi?“ „Hier!“, kam es aus einer Ecke und die jüngere Schauspielerin quetschte sich zwischen einigen Shinkos vorbei, blieb vor ihr stehen. Saeko ging einen Schritt auf die andere zu, sah sie ernst an. „Sie wird mit dir in zwei Rollen routieren. Es steht im Script. Arbeite sie ein.“ Saeko hielt sich nur knapp. Sie hatten schon genug getrödelt. Der Top Star sah sich um, bemerkte, wie die jüngeren auf den Neuankömmling starrten wie in einem Zoo. Sie machte eine eindeutige Handbewegung um die Gruppe aus der Trance zu reisen, konnte dabei nicht verhindern etwas aggressiv zu werden. „Gegafft werden kann später! Zurück an die Arbeit! Wir hinken sowieso hinterher.“ Kaum, dass sie ein Machtwort gesprochen hatte sah sie, wie die Schauspielerinnen aufgeschreckt wie eine Herde Hennen aufsprangen und wieder zurück an das gingen, was sie vorher getan hatten. Kashi und Sena ignorierend ging sie zurück zu Yuuhi, schnappte sich den Turm und die Shinkos, ebenso wie die Choreografin und sie fuhren mit ihrer Arbeit fort. Je länger der Tag andauerte, umso mehr brannte sich das Bild einer verzogenen Prinzessin in ihr Gedächnis, wenn sie Sena ansah. Fast jedes Mal, wenn sie mal nach dem Neuankömmling sah hockte sie auf der Bank, das Script in ihrem Schoß und das Handy in der Hand. Sie konnte nur raten, an wen diese Nachrichten gingen, obwohl das ziemlich offensichtlich auf der Hand lag. Immer wieder ging sie zu der anderen, forderte sie mehr oder minder freundlich dazu auf das nervige Gerät weg zu legen. Saeko hasste jegliche Technik während einer Probe. Sena tat wie ihr geheißen war, aber dennoch warf sie dem Top Star einen mehr als trotzigen Blick entgegen, den die Tsukigumi-Schauspielerin gekonnt ignorierte. Irgendwann platzte ihr jedoch der Kragen als sie Sena etwas abseits von den probenden Schauspielerinnen, darunter auch Kashi, sah und sich nicht für das, was da passierte zu interessieren schien. Fast augenblicklich stand sie hinter der Jüngeren, schlug ihr mit dem Script auf den Hinterkopf. „Was glaubst du eigentlich, wo du hier bist? Deine Nachrichten schreiben kannst du später schreiben! Geh zurück an die Arbeit!“ Sena holte Luft, offenbar um ihr Kontra zu bieten, doch Kashi zog sie noch von ihr weg. War wohl besser so. Saeko war kurz davor entgültig in die Luft zu gehen und sie tendierte dazu ziemlich laut zu werden. „Musst du sie so hart rannehmen?“, fragte Yuuhi, als sie wieder zu der kleinen Truppe gestoßen war. „Wir können freundlich werden, wenn wir das Stück zumindest einigermaßen auf die Reihe bekommen. Konzentrier du dich nur auf deine Rolle. Nur weil die Prinzessin das Schätzchen von Hanagumi ist bekommt sie hier keine Vorzüge.“ „Du weist, dass sie als dein Vice hierher versetzt wurde.“ „Ich weis. Ein Grund mehr. Sie soll sich schonmal an die Arbeit eines Top Stars gewöhnen.“ Als ob das nicht schon genug wäre schaffte es die Prinzessin dem ganzen nur noch die Krone auf zu setzen. Am Abend, sie hatte die Shinkos schon entlassen und ein paar der anderen Schauspielerinnen hatten den Raum gewechselt um ungestört zu sein, sah sie, wie die Jüngere in aller Seelenruhe ihre Sache packte und zum Gehen ansetzte. Osa hatte ein solches Benehmen einfach durchgehen lassen? Sena mochte vielleicht talentiert sein, aber das allein gab ihr noch keine Freiheiten. So gut die Jüngere auch war, sie hatten bis zur Fertigstellung des Stücks noch eine ganze Ecke vor sich. „Und wo willst du hin, Sena?“, fragte sie wutentbrannt und ging auf die Jüngere zu, blieb an deren Seite stehen. „Nach Hause, wohin denn sonst?“ Jetzt wurde sie auch noch frech. Nur im Augenwinkel folgte sie dem offensichtlichem Blick, den Sena durch den Raum warf. Am anderen Ende des Raumes hockten noch Yuuhi und ein paar andere Mädchen, die nochmals das Script durchgingen. „Es ist sonst keiner mehr da, falls es dir nicht aufgefallen ist.“ Verwöhntes Balg. Disziplin schien ihr ein Fremdwort zu sein. Nach dem, was sie am Tag geleistet hatte, würden sie nie fertig werden. Saeko hielt den Vortrag schon den ganzen Tag zurück, doch bei dem patzigem Verhalten der Jüngeren lief in ihr etwas über. „Du gehst nirgendwo hin. Ich habe dir heute schon ein paar Mal gesagt, dass hier nicht die Füße hochgelegt wird. Du machst heute länger.“ Die Prinzessin sah etwas irritiert drein und ihre Kinnlade klappte ein Stück runter. „Bitte? Ich habe heute zwei ganze Tänze gelernt. Soll ich das ganze Stück an einem Tag lernen oder was?“ Gut, zwei Tänze waren in dieser Zeit nicht wenig. Sonst hatte sie aber keinen Finger krum gemacht, wenn Saeko sie nicht dazu gezwungen hätte. Anders kam man bei der verhätschelten Hoheit wohl nicht weiter. „Ja, aber ich bezweifle, dass du das hinbekommen würdest. Du wirst den letzten Song aber noch weiter üben.“ „Es gibt noch so etwas wie Schlaf.“ „Ich bleibe auch noch, also reg dich nicht so auf.“ „Ich rege mich gar nicht auf“ Natürlich nicht. „Ich sage nur, dass es nicht fair ist.“ Der Tsukigumi-Star rollte mit den Augen. „Das Leben ist nicht fair. Hör also auf die Mimose zu spielen, Prinzessin, und geh zurück an die Arbeit.“ „Ich denke nicht dran!“ Erneut trotzig zog die Jüngere die Jacke zu. Gut dann musste der Top Star doch die harten Geschütze auffahren. Es war immerhin nur zum Vorteil von Tsukigumi wenn sich Sena wenigstens etwas anstrengte. Obendrein ging es um ihren Stolz, denn immerhin war sie die Vorgesetzte der ehemaligen Hanagumi-Darstellerin. „Wage es nicht jetzt einfach zu gehen.“ „Sonst was? Schickst du mich zurück nach Hanagumi? Wäre mir gerade recht.“ „Wenn ich könnte, würde ich das tun. Liegt aber leider nicht in meiner Macht. Wenn du jetzt allerdings durch diese Tür gehst, dann werde ich dein ganzes Benehmen heute dem Chef melden und du kannst deine Karriere an den Nagel hängen.“ Das schien dann doch gewirkt zu haben. Die beiden Frauen starrten sich einige Augenblicke lang an, ehe Sena frustriert gegen ihre Tasche trat und den Rückweg zum Klavier antrat während die Jacke in eine Richtung davonflog. Wahrscheinlich hatte Saeko es übertrieben, aber etwas anderes schien ja bei der Hanagumi-Prinzessin nicht zu wirken. Saeko war jetzt der Top Star von Sena und das hatte die Jüngere zu akzeptieren, auch wenn sie ganz offensichtlich noch an Osa hing. Der Tsukigumi-Star schnaubte einmal für sich, krallte sich etwas in ihr Script als sie Sena zum Klavier folgte. Sie mochte diese verzogene Göre nicht. Dabei war sie nicht einmal so viel Jünger als sie selbst. Erst sehr spät Abends, es könnte auch mitten in der Nacht gewesen sein, stand sie mit Yuuhi bei Wataru vor der Tür, klopfte drei Mal und rieb sich dabei mit dem rechten Zeige- und Mittelfinger die Schläfe. Sena würde sie nochmal in den Wahnsinn treiben. Es war nicht so, als ob sie sie ihre Aufgabe nicht wahrahm, sondern eher, dass sie mit einer solchen Gleichgültigkeit an ihre Arbeit ging, dass es einfach nicht mehr dem Standard entsprach. Sie würde Osa eine Nachricht schreiben müssen mal etwas auf die Prinzessin ein zu reden. Auf jemand anderen schien sie ja nicht zu hören. „Gib ihr eine Chance“, meinte Yuuhi und lächelte Saeko aufmunternd zu. „Die muss sie sich erarbeiten.“ Wataru öffnete die Tür und lies die beiden hinein. Die ungefähr gleichgroße Wohnung des Hoshigumi-Stars war ein wenig spartanischer eingerichtet, aber dennoch hübsch und erfüllte ihren Zweck. Wataru war sowieso nur bei sich wenn Saeko gerade nicht da war. Man sah dem Tsukigumi-Star ihre schlechte Laune dann doch mehr an, als sie gehofft hatte, denn Wataru legte wieder diesen Blick auf, den sie immer hatte, wenn sie das offensichtliche Darlegen wollte. „Frag besser nicht.“ Der Blick ihrer Freundin wanderte zu Yuuhi. Saeko ging in Richtung des Schlafzimmers, wo sie eine bequeme Hose auf dem Bett aufsammelte. Sie hatte angefangen ein paar Alltagsklamotten von sich bei Wataru zu bunkern damit sie nicht ständig zwischen den Wohnungen pendeln musste. Nachdem sie die Hose angezogen hatte entledigte sie sich ebenso der Abbinde, die die Otokoyakus bei jeder Gelegenheit unter ihrer Kleidung tragen mussten, und warf diese achtlos neben das Bett. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel musste sie sich nicht einmal umdrehen um zu bemerken, dass ihre Freundin eingetreten war. „Lass dich von Sena doch nicht so ärgern“, sagte die Hoshigumi-Darstellerin sanft und trat dicht hinter sie, schlang die fast zierlichen und doch so durchtrainierten Arme um ihre Taille und zog sie etwas näher. Saeko seufzte leicht. Einerseits wegen dem, was die größere gesagt hatte, andererseits wegen der angenehmen Wärme, die von Wataru ausging und in ihr ein vertrautes Kribbeln auslöste. Sie legte eine Hand auf den nackten Unterarm und schloss die Augen. „Sie ist einfach unerträglich“, murmelt der Tsukigumi-Star, drehte sich anschliesend in den Armen der anderen und sah in die dunklen Augen der größeren. „Sie ist ein Stolperstein für Tsukigumi.“ „Vielleicht muss sie sich einfach nur einarbeiten. Du hast dich auch nie sonderlich leicht getan, wenn du die Troupe gewechselt hast.“ „Erinner mich nicht daran.“ Saeko wie auch Wataru hatten beide schon einige Wechsel der Troupes hinter sich, nicht zuletzt zu den berühmt-berüchtigten Senkas. Die Senkas, oder Superior-Members, waren eine kleine Gruppe von vielleicht 20 Schauspielerinnen, die in den Auftritten der anderen Troupes meist ältere Charaktere übernahmen. Passend wenn man bedachte, dass die Senkas meist ältere Schauspielerinnen waren. Obendrein 'parkten' die Chefs gerne zukünftige Top Stars für eine Weile bei den Senkas bis eine Stelle als Top Star in einer der Troupes frei wurde. Wataru, Saeko, sowie der aktuelle Yukigumi-Top Star Asami Hikaru waren in letzteres Schema gefallen. „Dann sei nicht so hart zu ihr. Seine Hoheit ist halt etwas verwöhnt durch Haruno.“ „Apropos. Erinnere mich daran Osa einen gehörigen Denkzettel zu verpassen dafür, dass sie ihre Troupe so verhätschelt.“ „Später.“ Wataru lächelte, beugte sich etwas zu ihr und Saeko fühlte den Atem der anderen auf ihrer Haut, erschauderte etwas. „Jetzt entspann dich erst einmal. Wir trinken jetzt alle zusammen noch einen Tee und dann schicken wir Yuuhi raus und gehen ins Bett. Wie klingt das?“ „Gut. Von mir aus. Auch wenn ich glaube, dass, wenn wir hier rausgehen, das Türmchen schon wieder das Schachbrett aufgebaut hat“, murmelte Saeko unter dem Atem und schmunzelte etwas. Der Hoshigumi-Star lachte daraufhin nur etwas. „Dann, meine schwarze Königin, wirst du das Türmchen wohl schlagen müssen.“ „Meine leichteste Übung. Bekomme ich vorher einen Kuss von meinem König?“ Wataru grinste etwas mehr, nahm das Rollenspiel aber so hin und Saeko fühlte kurz darauf die Finger in ihren Haaren, die sie noch etwas näher zogen. Zärtlich erwiederte sie den Kuss, nach dem sie sich den ganzen Tag schon gesehnt hatte und fühlte dabei, wie sie etwas entspannte und die Wut, die sich den Tag angestaut hatte, mehr oder minder verflog. So wirklich besser wurde es mit der Hanagumi-Prinzessin in den darauffolgenden Tagen jedoch nicht, aber glücklicherweise wurde es auch nicht schlimmer. Der Top Star und ihr Vice gerieten jedoch immer wieder aneinander, stritten sich über einige Minuten, bei denen auch mal das ein oder andere Script an den Köpfen ihrer Mitschauspielerinnen vorbei flog und ein paar der Shinkos aus dem Raum flüchteten. Glücklicherweise hinderte Yuuhi Saeko immer wieder daran noch ausladender zu werden, auch, wenn der Tsukigumi-Star zugeben musste, dass Sena nicht immer so wirklich Unrecht hatte, was ihr aber immer erst Abends klar wurde, wenn sie sich bei ihrem schwarzem König über das respektlose Benehmen der Jüngeren auslies. So intensiv sie auch trainierten, sie alle hatten ein Limit. Besonders die Shinkos schwächelten etwas bei dem ungewohnt intensivem Training. Der Plan sah so bald jedoch keine wirklich freie Zeit vor, ausser dem vorgeschriebenem Tag in der Woche, den sie alle meist zum Script-lernen benötigten. Doch die Respektlosigkeit der Prinzessin ihr gegenüber trieb sie einfach immer wieder zur Weißglut. Nicht nur, dass die Troupe gefahr lief das Stück nicht rechtzeitig auf die Bühne zu bekommen, der Chef hatte es für eine gute Idee gehalten Saeko für ein paar Fotoshootings ein zu planen mit dem Top Star-Pärchen Soragumis, Wao Youka und Hanafusa Mari. Da der Tsukigumi-Star selbst keinen Musumeyaku-Top Star besaß, Emi Kurara war vor Sena's Eintritt in Tsukigumi ausgestiegen, würden die drei alleine das Fotoshooting machen. Das hieß, wenn das Soragumi-Pärchen nicht auch noch anfing rum zu kränkeln. Die Grippe zog sich durch die Troupes wie ein Lauffeuer, besonders bei diesen kalten Graden. Wenn es hart auf hart kam müsste sie das Shooting eben allein machen. Saeko war um einiges belastbarer als andere Schauspielerinnen, wesshalb sie sich über die zusätzliche Arbeit zwar ärgerte, denn sie würde Wataru eine ganze Weile nicht zu Gesicht bekommen, aber sie würde damit leben können. Noch mehr als die Arbeit ärgerte sie sich aber über das Gespräch, dass sie mit dem Hanagumi-Star Haruno Sumire geführt hatte. Mehr ein Telefonat, denn eigentlich wollte sie Osa nur bitten Sena einen Denkzettel zu verpassen, doch wirklich viel passiert war da nicht. Sena war trotzig wie eh und je. Wenigstens tat sie, was man ihr sagte, auch wenn die 'Gespräche', die Saeko beginnen wollte, immer in einem Streit endeten. Die beiden hassten sich, das war offensichtlich, aber wenigstens beruhte das auf Beidseitigkeit. Es blieb ihnen nichts übrig als weiter zu trainieren und wenigstens bei der Arbeit miteinander aus zu kommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)