Fairytale gone bad von Juvia_Lockser ================================================================================ Kapitel 3: Oft ist das Wiedersehen erst die Trennung ---------------------------------------------------- Schweigend hatte der Deutsche in dem Auto des Russen gesessen, seine strahlend blauen Augen aus den verdunkelten Scheiben gerichtet. Er beobachtete die Häuser dabei, wie eines nach dem Anderen an ihm vorbeizog, mit seiner typisch ernsten Miene und dem monotonen Ausdruck in seinen Augen, der einem nicht verraten wollte, worüber er gerade nachdachte. Die schweren Regentropfen prallten gegen die Scheiben und das Dach des Autos, tauchten die Stadt in eine triste Atmosphäre, was seiner Stimmung nicht gerade zum Aufschwung verhalf. Ludwig war sich nicht sicher, was der werte Herr Braginsky eigentlich von ihm wollte, denn weder Privat noch Geschäftlich hatten sie wirklich etwas miteinander zu tun. Lediglich eine kleine Stimme in seinem Kopf schlug sämtliche Alarmglocken und riet ihm sich besser nicht auf die Angebote des Mannes, welcher ihm gegenüber saß, einzugehen, doch er hatte keine Wahl. Sein Vorgesetzter hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass Ivan gewünscht hatte, dass genau er, Ludwig Beilschmidt, die Papier höchst persönlich bei ihm zuhause abholen musste. Somit ratterte das Hirn des Blonden auf Hochtouren, was der ganze unnötige Aufwand hier sollte, denn er hielt ihn in aller erster Linie von seiner Arbeit ab, die sich schon auf seinem Schreibtisch türmte und zu zweiten gab es da noch Feliciano. Sein italienischer, kleiner Freund brachte sich doch immer so schnell in Schwierigkeiten und auch wenn er es nicht offen zugeben würde, der Gedanke, dass so etwas in seiner Abwesenheit passierte, stimmte ihn noch mürrischer und bereitete ihm große Sorgen. Das jedoch sollte nicht die einzige Sorge, des Deutschen bleiben, so wie er bald feststellen musste, schon bald erfassten seine Iriden, ein riesiges Grundstück, welches von einer hohen Mauer umzogen wurde auf welcher ein bedrohlicher Stacheldraht thronte. Skeptisch musterte er das Gebäude, welches ihn stark an ein Hochsicherheitsgefängnis erinnerte. Aber in einer solchen Gegend? Unwahrscheinlich und seine Vermutung, dass dies das Haus des Russen war, bestätigte sich, als der Wagen immer langsamer über die betonierte Straße rollte und schließlich vor einem eisernen Tor hielt, dessen Flügel sich langsam und quietschend öffneten, ehe es passiert werden konnte. Ludwig fragte sich in diesem Augenblick wo zum Teufel er hier eigentlich gelandet war. Langsam fuhr der Wagen die Auffahrt entlang und hielt vor dem Haus des Russen an. Hastig eilten die Bediensteten Ivans von der Eingangstüre des Hauses weg, ausgerüstet mit Regenschirmen, um die beiden Passagiere sicher und trocken zum Haus zu geleiten. Natürlich hatte Ivan den Vortritt, denn es war schließlich auch sein Haus, in welches er den Deutschen für heute Eingeladen hatte und so folgte ihm Ludwig und betrat schließlich nach dem Aschblonden dessen Anwesen. Kaum hatte er seinen Mantel abgelegt und den darunter liegenden Anzug glatt gestriffen, schon schlangen sich zwei, schmale Arme um seinen Oberkörper. Sichtlich überrascht wandte der Betroffene sein Augenmerk nach unten und blinzelten einem weißen Haarschopf entgegen. Das Mädchen hatte ihr Gesicht in seiner Brust vergraben, was ihm den Blick darauf versperrte. Sie erinnerte ihn ein wenig an den kleinen Italiener, welcher ihn stets auf dieselbe Weise begrüßt hatte, wen sie sich sahen. Die Stimme in seinem Kopf meldete sich wieder zu Wort, befahl ihm das Mädchen fest zu halten, auch wenn er nicht wusste wer sie war, so schien es ihm so, als würden sie sich schon ewig kennen. Schließlich legte Ludwig, immer noch völlig perplex, seine Arme um den schmalen Körper und tätschelte der Weißhaarigen sanft den Kopf. Seit Jahren hatte sie sich vorgestellt, wie es wäre, wenn sie ihn wieder sehen würde. Ihren kleinen Bruder, doch so klein war er gar nicht mehr. Ganz im Gegenteil, er war nun mindestens einen Kopf größer als sie, hatte einen durchtrainierten Körper und war erwachsen geworden. Ein schwerer Stein war eben von ihrem Herzen gefallen, denn zu wissen, dass es ihm gut ergangen war und dass er Gesund und Wohl auf war, erfüllte sie mit etwas, von dem sie dachte, dass sie es nie mehr fühlen würde. Es füllte sie mit Freude und Stolz. Sanft schmiegte sich Maria an ihren jüngeren Bruder, vergrubt ihr Gesicht in seiner Brust, während ihr Herz unkontrolliert in ihrer Brust dahin schlug und das Gefühl genoss, von einem geliebten Menschen im Arm gehalten zu werden. Ihn wieder zu spüren, bei sich zu haben und den lang vermissten Geruch tief in sich aufzunehmen. Sie vergaß für diesen Augenblick, wo sie sich befand, in welcher Situation sie schon seit Jahren feststeckte und einfach alles was um sie herum gerade passierte. Erst als sie etwas oder viel mehr Jemand unsanft an ihrem Arm packte und aus der Umarmung, weg von ihrem Bruder, riss, kehrte sie schlagartig in das Hier und jetzt zurück. Mit einem wütenden, trotzigen Funkeln in den Augen, richtete sie ihr Augenmerk prompt auf den Übeltäter, welcher sie grob aus den Armen des Deutschen gezogen hatte und von ihm weg zerrte. "FASS MICH NICHT AN!", brüllte sie Ivan giftig an und versuchte sich aus dessen Griff los zu reißen, denn er tat ihr weh. Doch die Finger seiner großen Hand, hatten sich erbarmungslos um ihren Oberarm geschlungen und hielten sie dort eisern fest. "Aber, aber Maria.", sprach Ivan, hatte dabei sein blödes Grinsen auf den Lippen, welches Maria so sehr hasste, sodass sie sich am liebsten übergeben würde, wenn sie es sah. "Es ist unhöflich unsere Gäste so stürmisch zu begrüßen, da.", fuhr er unbekümmert fort, ließ sich nicht von ihren Protestaktionen beeindrucken oder gar umstimmen. Mit einem einfachen Nicken, welches seinen Bediensteten galt, befahl er ihnen her zu kommen. "Boris, bring Ivans Gast in sein Arbeitszimmer, da?", sprach er einen der beiden Männer an und wandte seine amethystfarbenen Seelenspiegel zu Ludwig, welcher die ganze Zeit über unschlüssig da gestanden hatte. Ludwig gefiel das, was er da sah, absolut nicht und er unterdrückte den Instinkt das Albino-Mädchen an der Hand zu nehmen, mit ihr das Haus zu verlassen und es mit zu sich nach Hause zu nehmen. Das war garantiert keine gute Idee, denn so wie das Grundstück hier abgesichert war, würde er mit ihr nicht weit kommen und es würde riesigen Ärger bedeuten. So folgte er dem Mann, welcher anscheinend auf den Namen Boris zu hören schien, währen der darüber nachdachte, woher er 'Maria' kannte. Er wusste, dass er sie kannte, dass er sie schon gesehen hatte, doch beim besten Willen konnte er sich nicht an sie erinnern. So warf der Blonde einen letzten Blick über seine Schulter, zurück zu dem Russen und der Weißhaarigen, ehe er die Tür zu dessen Arbeitszimmer passierte, welche sich sogleich wieder schloss. Was erwartete dieser Barschfresser den eigentlich von ihr? Was dachte er sich denn, wie sie reagieren würde, wenn er ihn mit zu sich nach Hause brachte. Natürlich hatte sie es ganz genau in den azurblauen Augen sehen können, dass er nicht wusste wer sie war. Das war alles nur die Schuld von diesem riesen Arschloch, der ihr gerade den Oberarm zerquetschte, dem sie es zu verdanken hatte, das einfach alles in ihrem Leben zu Bruch gegangen war, was sie sich mühsam erarbeitet hatte. Er hatte ihr Leben, ihr zuhause, ihre Familie, einfach alles genommen, was ihr jemals etwas bedeutet hatte. Mit einer Mischung aus Hass, Wut und Trauer schlug sie auf Ivan ein, welcher sie daraufhin näher an sich heran zog und sich zu ihr hinab beugte. "Er hat dich sowieso schon vergessen, da.", raunte er ihr mit einer bittersüßen Note in der Stimme ins Ohr, ehe er sie schließlich von sich stieß. Mit einem Mal verstummte Maria, denn dieses Arschloch von einem Barschfresser hatte zu ihrem Entsetzen Recht. Ihr Magen verkrampfte sich schlagartig, während sich ihre Kehle wie von selbst zu schnürrte und sich ein eisenhaltiger Geschmack auf ihrer Zunge ausbreitete. Denn hätte sich der Deutsche an sie erinnert, so hätte er sie bei ihrem Namen genannt und wenn er ihn nur gewispert hätte, doch diese Situation eben wäre garantiert anders verlaufen. "Kasimir, bring sie auf ihr Zimmer und sorg dafür, dass sie etwas isst.", herrschte er den Dunkelhaarigen sichtlich genervt an, ehe er nun in sein Arbeitszimmer verschwand, während dieser Maria gegen ihren Willen nach oben auf ihr Zimmer brachte. Mit einem resignierten Seufzen stieß er die Weißhaarige in ihre Räumlichkeit und zog die Tür ins Schloss, ehe wieder nach draußen in den Flur schlüpfen konnte. Ehe sie sich versah, fand sie sich in der Mitte ihres Zimmers, auf dem Fußboden kniend wieder, ein kurzer Blick zur Tür und das klickende Geräusch des Schlüssels, welcher sich eben von außen im Schloss gedreht hatte, verrieten ihr, dass sie hier so schnell nicht mehr raus kommen würde. Verzweifelt lenkte sie ihren Blick gegen den Fußboden, ballte ihre Hände zu Fäusten und rang nach Luft. Was sollte dieser ganze Mist eigentlich, den der Russe hier abzog. Tat er das nur um sie noch mehr zu quälen als er es so schon tat, indem er sie hier einsperrte, sich das nahm wonach ihm der Sinn stand, wann immer es ihn danach gelüstete? Er war ein Monster. Ein unumstrittenes Monster, dem menschliche Gefühle völlig egal zu sein schienen. Erst als ihre Hände ihr Gesicht berührt hatten, war ihr Klar geworden, dass sie weinte. Salzige Tränen hatten sich stumm und unbemerkt über ihre Wangen verirrt, tropften von ihrem Kinn oder landeten in ihren Handflächen. Das war nicht awesome. Absolut nicht, dachte sie sich Kopfschüttelnd und zog ihre Hände wieder von ihrem Gesicht zurück. Diesen Gefallen würde sie ihm nicht tun. Zitternd sog sie den Sauerstoff in ihre Lungen, straffte ihre Schultern und leckte sich über ihre Lippen, während sie für einen Augenblick aus dem Fenster, nach draußen in den tristen, von bleiernen Wolken behangenen Himmel blickte. So rappelte sie sich vom Boden auf, wischte sich die Tränen aus ihrem Gesicht und überwand die Distanz zum Schreibtisch in ihrem Zimmer. Sie schob den Stuhl vom Tisch zurück, sodass sie sich darauf setzen konnte und kramte nach einem Stück Papier, sowie einer Feder in einer der Schubladen. Bald würde Toris oder Eduard oder sonst einer der baltischen Mitbewohner hier auftauchen, denn das waren die einzigen, nach Ivan, die sich in dieses Zimmer wagten. Eilig begann die Deutsche ein paar Zeilen an ihren Bruder zu richten und faltete das Papier anschließend sorgfältig zusammen, ehe auch das Geräusch des Schlüssels im Schloss zu hören war und die Tür aufschwang. Maria wandte sich um, bereit den Stift in ihren Händen als Waffe gegen den ungebetenen Gast zu richten, sollte sich dieser als Ivan herausstellen, lies ihn aber wieder sinken, als sie in das lächelnde Gesicht Toris‘ blickte, der eben den Raum betreten hatte, mit etwas zu Essen. Ein sanfter Ausdruck lag auf seinem Gesicht, während sich die Tür hinter ihm wieder schloss. Die Schönheit atmete tief durch und entspannte sich, erhob sich vom Stuhl und deutete ihm an Näher zu kommen und das Tablett einfach irgendwo abzustellen. "Toris.", wandte sich Maria leise wispernd an ihn und zog ihn möglichst weit von der Tür weg. "Du musst mir bitte einen Gefallen tun.", fuhr sie fort, wobei sie das Wort 'bitte' fast schon flehend aussprach. "Sieh zu, dass du diesen Umschlag Ludwig mitgibst. Bitte versprich es mir. Steck ihn einfach in seinen Mantel, am besten in eine Innentasche, wen du sie finden kannst." Der Litaue kannte die Deutsche nun lange genug, um zu wissen, dass sie nie um etwas bat. Lediglich das eine oder andere Mal um etwas Spezielles zu essen oder Trinken. Dennoch konnte man aus seinen Augen die Skepsis lesen, welche er bei der Erfüllung ihres Wunsches hatte, trotzdem nickte er. "Gut, ich werde es versuchen.", murmelte dieser und schenkte ihr ein schiefes Lächeln, auch wenn er sich nicht ganz wohl bei der Sache fühlte. "Ich danke dir.", flüsterte sie fast noch leiser als zu vor, da ihr diese Worte nicht gerade leicht über die Lippen kamen, aber es handelte sich hier um eine Ausnahmesituation, deren Dringlichkeit eben keinen Hochmut oder Stolz duldete. Seit Toris das Zimmer verlassen hatte, saß Maria an ihrem Fensterbrett, starrte nach draußen und lauschte den Regentropfen, welche an ihr Fenster klopften. Sie hatte das Tablett auf ihrem Schreibtisch noch nicht angerührt, da ihr immer noch Speiübel war. Den Kopf hatte sie auf ihre Knie gelegt, welche sie angewinkelt und an ihren Körper herangezogen hatte, um sie schließlich mit ihren Armen fest zuhalten. Schweren Herzens musste sie zusehen, wie ihr Bruder in den Wagen stieg, welcher ihn wieder nach Hause brachte. 'Nach Hause.', geisterte es ihr durch den Kopf, gefolgt von einem kalten Schauer und einem Stich in ihrem Herzen. Noch während der Wagen die Auffahrt entlang zu den Toren fuhr vergrub sie ihr Gesicht in ihren Armen, überhörte das Klicken im Türschloss und bemerkte somit nicht, wie jemand den Raum betrat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)