Mord im Advent von Zorane ([Krimi Dezember 2011]) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es ist die dritte. Die dritte in einer einzigen, gottverdammten Woche. Alexs Hände zittern, als er mit den von Handschuhen umschlossenen Händen nach ihrem verdrehten Kopf greift und das Gesicht zu ihr dreht. Der Anblick entlockt selbst ihm ein heftiges Zusammenzucken. Drei Tiefe Schnittwunden verunstalten das hübsche Gesicht und bilden einen einzigen Buchstaben: H. Wie ein hämische Lachen erschien es ihm, dieses H, dass sie nun schon auf dem Körper des dritten Mädchens gefunden hatten. Aber dieses Mal war es nicht nur das... Dieses Mal war es schlimmer. Viel schlimmer. „Laura...“ Er kannte dieses Mädchen. Nicht gut, aber... Er kannte sie. Einige Sekunden lang starrte er ungläubig in das von Blut und Wunden verzerrte Gesicht, ehe er die Finger zurück zog. „John, die Gerichtsmedizin.“ Seine Stimme klang ruhig und fest, und nur wer ihn wirklich gut kannte konnte das seichte Beben im Hintergrund erkennen. Grauen, das ihn jedes Mal von neuem ergriff. Ein Grauen, vor dem er auch nach nun fast Fünfzehn Jahren knallharter Arbeit nicht gefeit war. Und die Politik tat immer noch nichts gegen die steigende Kriminalitätsrate, gegen die er und seine Kollegen kaum noch ankamen. Nein, Schuld war natürlich die faule Polizei! Natürlich... Und er war der Kaiser von China. Alex richtete sich auf und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und wartete... wartete... wartete... *** Fröhliches Lachen, Betrunkene, die mit Glühwein in der Hand durch die Straßen tanzten, stolperten, das Klirren von Glocken. Irgendwo schrie ein Weihnachtsmann aus Plastik den Leuten eine fröhliche Weihnacht zu. Der Mann, der in diesem Moment durch die Straßen huschte, die Kaputze tief ins Gesicht gezogen, hatte dafür nichts übrig und selbst wenn er Zeit besessen hätte, so wäre es maximal Verachtung gewesen, Abscheu, die sich in seinen Gesichtszügen widergespiegelt hätte. Er betrat die Kirche und kurz darauf den Beichtstuhl so unauffällig es ihm mit seiner Maskierung möglich war, aber er hatte sorgsam darauf geachtet, dass niemand ihn bemerkte. Jeder Fehler wäre ein Weltuntergang. Jeder Fehler wurde mit dem Tod bestraft. „Sie sind spät.“ „Der Vorsicht gebührt höhere Aufmerksamkeit als der Eile.“, erwiderte der Mann kühl. „Haben sie die Daten des Mädchens, Signore?“ „Ganz recht.“ Ein Zettel wurde durch das Gitter gesteckt, ein Name, eine Adresse, ein Plan des Hauses sowie eine durchschnittliche Woche. Genau das, was er brauchte. Ein kaltes Lachen erschien auf den Lippen des Mannes. „Du wirst dich noch wundern, Alex.“, kam es ganz leise und gezischt über seine Lippen des Maskierten, als wäre es die gespaltene Zunge einer Schlange, die da sprach. *** Sie zog ihn an einem Kinderkarussell vorbei durch das Treiben. Alex seufzte, als er seiner Tochter folgte. „Zara, ich habe dir doch gesagt, ich habe keine Zeit, dieser Fall erfordert meine ganze Konzentration...“ Das kleine Mädchen hielt an und sah ihn mit diesen großen, unschuldigen blauen Augen an, denen kein Mensch widerstehen konnte. Der Kommissar seufzte. Wie hatte sein Bruder nur ein derart unschuldiges kleines Mädchen zur Welt bringen können? Sanft strich er ihr eine blonde Strähne aus dem Gesicht, es fiel ihm wirklich schwer zu widerstehen, aber er konnte jetzt nicht mit ihr spielen. „Ich bring dich zu deinem Papa, okay? Wenn dieser Fall endlich beendet ist, verspreche ich dir, machen wir etwas ganz tolles zusammen.“ Zara schob dennoch die Unterlippe ein wenig beleidigt vor, nickte dann aber und seufzte. „Ist okay...“ Sie umarmte ihn und drückte ihn an sich. //Das macht es mir nicht unbedingt einfacher, der Versuch zu widerstehen, den Tag einfach mit dir zu verbringen...// Aber gleichzeitig war die Verantwortung gegenüber den anderen Menschen einfach zu groß. Er konnte nicht anders. Eine gute Viertelstunde standen sie vor der Wohnung seines Bruders und klingelten. Ein Mal. Zwei Mal. Drei Mal. Nichts geschah. Seltsam, war sein Bruder etwa gar nicht Zuhause? Ratlos sah Alex seine Nichte an, die nur die Schulter zuckte um anzudeuten, dass sie ebenso wenig Ahnung hatte wie er selber. Also nicht wirklich Hilfreich. „Hmm... Kannst du erst Mal bei irgendwelchen Nachbarn unterschlüpfen? Oder Freunden in der Umgebung?“ Fragend sah er Zara an, die kurz zögerte, dann aber nickte. „Ja, Max wohnt nur ein paar Ecken weiter, ich zeig es dir!“ Sie stürmte die drei Etagen wieder nach unten. Sie war genauso ein Wirbelwind wie sie schon als Kind gewesen war. Alex folgte ihr, allerdings langsamer. Er war zwar nicht alt, aber ein D-Zug war er trotzdem nicht. Das war er auch nie gewesen, er war eigentlich eher der gemütlichere Typ, wenn es nicht gerade um Verbrecherjagd ging. *** In einer Stadt, die aus einem einzigen Grat und zwei Steilen Wänden zu beiden Seiten bestand, war es schwer einen sicheren Ort zu finden und seinen Gegnern immer einen Schritt voraus zu bleiben. Vor allem einem Menschen immer einige Schritte voraus zu sein: Alex. Er wagte es erst, eine Pause zu machen, als er eine leere Turnhalle erreicht hatte, die mindestens so alt schien, wie sein Urgroßvater war. Von einem alten Schild darüber schneite der Lack wie Schnee herab und sammelte sich in einem kleinen Haufen zu seinen Füßen. TV 48 Nürnberg Er betrat die Turnhalle mit der selben Ruhe, mit der er sich in den Gassen bewegte. Er durfte keine Schwäche Zeigen, das wusste er. Aus der Jackentasche zog er den Zettel und sein Blick flog darüber. Seine Reaktion war professionell und nicht zu deuten. *** Eine blonde junge Frau öffnete, spitzte nach draußen und lächelte als sie Zara sah. Ihm selber warf sie nur einen misstrauischen Blick zu, der den Bürgern dieser Stadt langsam zur Gewohnheit wurde, dabei taten sie alles, um die Situation endlich zu entschärfen. Er hatte seinem Bruder Thomas eine SMS geschickt, auf Anrufe hatte er nicht reagiert, er würde seine Tochter schon finden. Zara lächelte die Frau an. „Max ist doch da, oder? Mein Onkel muss arbeiten gehen, er hat einen cooolen Fall!“ Sie strahlte, warf sich dann noch einmal herum und umarmte ihn. Er drückte die Blonde an sich und zerzauste ihr sanft die Haare. „Es wäre wirklich nett, wenn sie zumindest bis mein Bruder sich meldet auf sie aufpassen könnten. Wenn er nicht kommt, seien sie so gut und geben Sie mir bescheid, ich kann ihnen auch meine Handy-Nummer geben...“ Von hinten war ein Schaben zu hören, dann erschien jemand in der Tür, ein junger Mann, ganz in Schwarz, rote Haare, die ihm ins Gesicht fielen, am Scheitel war zu erkennen, dass er sie sich offenbar gefärbt hatte. „Was wollen Sie denn hier?“ Ein ihm zu herablassender Tonfall, den er aber geflissentlich ignorierte. „Mein Bruder treibt sich sonst wo herum und ich habe keine Zeit auf Zara aufzupassen, ich dachte, vielleicht wären sie so nett...“ Er lächelte ihn freundlich an. Der Mann sah zu Zara und musterte ihn eine Sekunde zu lang für seinen Geschmack, aber vielleicht hatte er sich das auch nur eingebildet. *** Er traf John auf dem Parktplatz. Der immer in Schwarz gekleidete Polizist sah mehr als nur angepisst aus, dass er ihn so lange hatte warten lassen. „Hey, tut mir echt Leid, ich musste auf Zara aufpassen und mein Bruder ist sonst wo – und ich hatte Stau auf dem Weg hier her.“ Alex warf seinem Kollegen ein entschuldigendes Lächeln zu, das der nur mit einem Schnauben quitierte. „Hast du neue Erkenntnisse?“ „Die Gerichtsmedizin ja. Sie wurde vergewaltigt, wie alle unsere Opfer, man hat sie wohl erwirkt, aber sie hat auch mehrere Stichverletzungen am Unterkörper, welche wohl den Tod aber nicht ausgelöst haben. Außerdem haben wir DNA-Spuren, die aber nicht verwertbar sind, wie bei den Anderen Opfern auch. Willst du noch mehr Details? Dann ließ dir den Bericht durch.“, meinte er. „Was hälst du von Bratwürstchen? Ich hab Kohldampf – und außerdem ist es arschkalt hier draußen.“ Ein vorwurfsvoller Blick. „Tut mir Leid...“ *** Ein Notfall. Ein Notfall an einem Ort, der ihm gar nicht gefiel. Alex hatte mehr als eine Leiche in seinem Leben gesehen, es war kein Anblick an den man sich gewöhnen konnte. Sich aber an den Leichnam eines nahverwandten zu gewöhnen war unmöglich. Ihr Gesicht war verzerrt. Blut war an der Seite ihres Gesichtes getrocknet und verklepte ihr schönes, unschuldiges, blondes Haar, die blauen Augen starrten nach Oben, verzerrt von Angst und Qual. „Zara...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)