Eine Schatzkiste... von Couscous (...voller Geschichten) ================================================================================ Kapitel 6: Limonade ------------------- „Sie dürfen gleich rein“, informierte ihn die freundliche Medihexe, doch Remus Lupin nickte nur geistesabwesend und starrte weiterhin aus dem Fenster. Es war ein wunderschöner Wintertag mit bedingungslos blauem Himmel und einer erbarmungslos hellen Sonne, die eigentlich wunderbar auf dem Schnee glitzern könnte, doch hier in London gab es keinen. Das Wetter passte auch gar nicht zu Remus’ Laune, viel lieber hätte er Blitze gesehen, die über einen sturmgrauen Himmel zuckten. Stattdessen ließ er seinen Kopf gegen die eiskalte Fensterscheibe sinken und den Blumenstrauß in seiner Hand sinken. Er hatte Angst. Angst, vor dem, was er gleich sehen würde. Angst, ihre Veränderung zu sehen. Angst, sie für immer verloren zu haben. Es war sein erster Besuch seit ... dem Vorfall. Er hatte sorgfältig darauf geachtet, dass ihr Sohn und die Schwiegermutter vor ihm gegangen waren, dann erst hatte er sich nach oben getraut. Als die freundliche Medihexe sanft am Arm berührte, bemerkte er, dass es Zeit war. Er nahm seinen Mut zusammen und trat in das Zimmer ein. Noch bevor er sie sah, hörte er ihre Stimme, sie sang ein altes Schlaflied mit ihrer hohen, fast kindlichen Stimme und sein Herz zog sich in seiner Brust zusammen. Sie saß auf ihrem Bett, summte munter vor sich hin und quetschte Zitronen aus und für einen Moment konnte Remus glauben, dass alles beim Alten geblieben war. „Alice“, krächzte er und sie sah auf. Als er in ihre braunen Augen sah, erkannte er zwei Dinge: Sie war nicht mehr dieselbe Alice, die mit ihm zur Schule gegangen war, denn der Ausdruck in ihren Augen war stumpf und kalt, nicht mehr warm und liebevoll. Nie mehr. Zum anderen liebte er sie immer noch. Weder ihre Hochzeit noch die Geburt ihres Sohnes hatten ihn davon abbringen können, also schaffte es eine Bellatrix Lestrange erst recht nicht. Er schluckte und streckte die Blumen aus. Mit einem Mal kam ihm ihr Aroma viel zu intensiv vor, doch es waren Pfingstrosen, ihre Lieblingsblumen. Alice jedoch sah wieder weg und widmete sich ihren Zitronen. Die Medihexe lächelte mitleidig und nahm ihm die Blumen aus der Hand. Remus gab jedoch nicht auf und setzte sich vorsichtig zu ihr auf die Bettkante. „Was machst du da?“, fragte er, erwartete jedoch keine Antwort. Er bekam auch keine, dennoch konnte er sich denken, dass sie gerade Limonade herstellte. Eine Weile beobachtete er sie stumm, atmete einfach ihren Geruch ein, der sich nicht verändert hatte, und war seltsamerweise glücklich bei ihr zu sein. Als er anfing zu erzählen, wusste er nicht, warum er es tat und was genau er erzählte. Seine Worte kamen wie ein Wasserfall und hörten nicht mehr auf zu sprudeln. Es wurde Mittag, bis er beschloss, dass er nun gehen sollte. Er erhob sich, nahm seine Jacke und zögerte. Dann überwand er seine Angst vor der Zurückweisung und legte eine Hand auf ihren Arm. Alice erstarrte bei der ungewohnten Berührung und sah ihn mit den leeren, braunen Augen an. Für einen Moment dachte Remus’ ein Lächeln auf ihren Lippen gesehen zu haben, doch dann wandte sie sich wieder ab, um ihre Limonade umzufüllen. Er schluckte die Enttäuschung hinunter und wandte sich zum Gehen. Jemand hielt ihn fest. Alice hielt ihn fest. Und sie hielt ihm ein Glas Limonade entgegen, mit dem Anflug eines Lächelns auf dem Gesicht. „Für dich“, sagte sie, „probiere einmal!“ Remus’ nickte heftig und nahm die Limonade dankbar an. Sie war sehr sauer und enthielt äußerst viel Kohlensäure, so dass sie auf seiner Zunge prickelte, doch Remus trank alles aus. Der Klang ihrer Stimme hatte ihn wieder einmal entsetzt. So tonlos war sie geworden, doch er freute sich, dass sie mit ihm gesprochen hatte. Das Gefühl der drückenden Trauer auf seinem Brustkorb wurde leichter und leichter, während er die Gänge entlang zum Ausgang schritt. Vielleicht würde doch noch alles gut werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)