Behind the Scenes von Asako ================================================================================ Kapitel 29: Act 3 Scene 10: Never turn your back ------------------------------------------------ Am frühen Morgen wurde Hiromi von einem schrillen Klingeln geweckt. Stöhnend drehte sich die junge Frau auf den Rücken, schlug einmal mit der Hand auf den Wecker, während sie ein qualvolles 'noch fünf Minuten' jammerte. Das Klingeln verstummte aber nicht, sodass Hiromi doch die Augen aufschlug und erst einmal für einen Moment blind war von der plötzlichen Sonne, die direkt in ihr Zimmer und in ihr Gesicht schien. Wo kam dieses Klingel verdammt nochmal her? Die Otokoyaku sah sich um, tastete schlieslich nach dem Handy. Wenn es gerade dieser ohrenbetäubende Klingelton war, dann konnten es eigentlich nur zwei Personen sein. Ihr Vater oder ihre Vorgesetzte. Sie hoffte auf ersteres, denn ihr Vater war leicht ab zu wimmeln, doch ihre Hoffnung wurde herbe enttäuscht. Was wollte denn Natsuki um diese Uhrzeit nur von ihr? Sie hatten kein Training und wenigstens einmal hatte Hiromi ausschlafen wollen. Zuerst spielte sie mit dem Gedanken es einfach klingeln zu lassen, so zu tun, als hätte sie dieses ohrebetäubende Klingeln nie gehört, aber dann wiederum könnte es ja wichtig sein, denn sonst klingelte Natsuki nie so lange.. Sie ging dran. „Morgen, Mizu“, gähnte sie in den Höhrer. Vielleicht verstand die Frau am anderen Ende ihr Problem. „Was ist denn so dringendes?“ Schweigen am anderen Ende. „...Mizu?“ „Ist deine Schwester bei dir?“ Merkwürdig. Natsuki's Stimme war mehr als gedämpft und zitterte hörbar, obwohl Natsuki wohl versuchte es zu unterdrücken. „Uhm nein. Keine Ahnung wo sie gerade ist. Hast du sie mal auf dem Handy angerufen?“ Erneut eine Pause und Hiromi hörte die Frau am anderen Ende schlucken. „Da geht sie nicht dran.“ „Soll ich was ausrichten?“ Der Top Star am anderen Ende schien zu überlegen, setzte zwei Mal zum sprechen an bevor sie etwas brauchbares raus bekam. „Ja... Nein... Nein ist schon gut. Vergiss, dass ich angerufen habe.“ „Ist was passiert? Du klingst so merkwürdig.“ Zwar mochte Hiromi die andere nicht wirklich, im Gegenteil sogar, aber das hieß nicht, dass sie sich nicht um ihren Top Star sorgen konnte. Sie wusste von Saeko, dass Natsuki nicht gerade viele Freunde besaß, auch wenn sie allgemein sehr beliebt war. „...Nein.“ Am besten sollte sie einfach auflegen. So tun als hätte sie nichts gehört, aber dann seufzte die junge Otokoyaku doch. „Lüg mich doch nicht an. Was ist los?“ Abermals erntete sie nur ein Schweigen von der älteren am anderen Ende. „Mizu? Bist du noch da?“ „Könntest du vorbeikommen?“ Hiromi runzelte die Stirn. Natsuki bat sie um etwas? Irgendwas war gehörig schief gelaufen so wie sich die Yukigumi-Darstellerin anhörte. „Das kann ich machen. Ich muss mich aber noch schnell fertig machen. Ich liege noch im Bett.“ „Ich warte...“ Sie legte auf, starrte noch etwas perplex auf ihr Handy. Hatte das Gespräch tatsächlich statt gefunden? Nur um sicher zu gehen durchstöberte sie ihre Anrufliste nach dem letzten eingegangenen Anruf. Tatsächlich Natsuki's Name und Nummer. Hiromi hatte ihrem Top Star ihre Nummer einmal vor Ewigkeiten gegeben, für Notfälle, aber Natsuki hatte sonst immer nur angerufen wenn sie etwas konkretes wollte. Dabei hatte sie aber nie... naja... so geklungen. Ihrer Stimme nach stand sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Glücklicherweise wusste sie, wo der Yukigumi-Star wohnte, denn sie hatte Saeko oft von dort abgeholt. Asako, inzwischen aus ihrem Kostüm geschält und in einen gelben, schwarz bestickten Morgenmantel gehüllt, saß in ihrem Sessel und hing ihren Gedanken nach, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen. Natsuki zu brechen hatte wirklich länger gedauert als gedacht, aber das kleine Liebchen würde es nicht noch einmal wagen ihr in die Quere zu kommen. Wenn man jemanden nicht mit Vernunft von sich überzeugte, dann halt mit Gewalt. Spaß hatte sie an der ganzen Sache ganz und gar nicht gehabt. Natsuki's Körper ekelte sie noch immer furchtbar an und Asako hatte eine halbe Ewigkeit unter dem heißen Wasser gestanden bevor sie einigermaßen wieder in den Spiegel hatte sehen können. Gedankenverloren strich sie mit den Zeigefingern über den Ring an ihrer Rechten. Das alles hätte wirklich nicht sein müssen, dann aber heilige der Zweck die Mittel, so hart es auch klingen mochte. Niemals vergessen, niemals verzeihen. Ein Spruch, der sich in ihr Gedächnis gebrannt hatte. Langsam erhob sich die Tod-Darstellerin von ihrem Platz, lief langsam, gemächlich einmal durch ihre Wohnung in ihr Schlafzimmer, wo der Mantel fein säuberlich ausgebreitet auf dem Bett lag. Sie hatte alle Zeit der Welt. Keiner würde ihr mehr in die Quere kommen. Eigentlich hatte sie alles, was sie wollte. Den Einfluss, den Ruhm, das Geld, die Leute, die Rolle.. Oh wie sehr sie diese Rolle doch liebte. Vorsichtig setzte sie sich neben den Mantel auf die weichen Kissen, strich mit der Hand über den sorgfältig verarbeiteten Samt und seufzte einmal bei dem Gefühl unter den Fingern. Niemand würde ihr das nehmen können. Niemand. Nicht einmal Saeko... Saeko... Asako stockte. Die Ältere hatte sie vollkommen verdrängt gehabt. Sie hatte nur Natsuki gesehen, hatte ihre Rache im Kopf gehabt und ihren Plan. Den Faktor wieso sie das alles tat hatte sie völlig vergessen. Dann aber, wie hätte sie sich auch an sie erinnern können? Sie hatte so viele Gedanken gehabt in alle möglichen Richtungen und Saeko's letzte Nachricht war schon Wochen, wenn nicht gar Monate her gewesen. Wenn es stimmte, was Yuuhi gesagt hatte, wenn Saeko obendrein Alpträume von ihr hatte, dann würde sie wohl auch nicht mehr zurückkommen. Dann war der Tod, diese Rolle und diese Präsenz, die diese geliebte Person für sie hatte, tatsächlich das letzte, was ihr geblieben war. Asako klappte eine Seite des Mantels auf, griff dort in die Innentasche, wo sie die Handschellen, die sie von Natsuki wieder mitgenommen hatte, beiseite und zog stattdessen die silberne Taschenuhr heraus, hielt sie zwischen den Fingern auf ihrem Schoß. Im Kontrast zu dem goldenen Ring mit dem schwarzen Onyx an ihrem Finger wirkte das kaputte Schmuckstück geradezu jämmerlich. „Du hast es versprochen“, flüsterte die junge Frau leise zu sich. „Oder hast du mich vergessen?“ Als Hiromi bei Natsuki ankam fand sie die junge Frau in einem fast kümmerlichem Zustand vor. Sie war leichenblass, hatte selbst für diese warme Jahreszeit einen dicken Rollkragenpullover an, dessen Kragen sie ganz hoch gezogen hatte, und eine lockere Jeans. Obendrein schaffte sie es kaum geradeaus zu laufen als Hiromi sie auf dem kurzen Weg von Eingangsbereich ins Wohnzimmer begleitete. Dort angekommen lies Natsuki sich auf die Couch fallen, zog die Beine an den Körper und starrte auf den Boden, Hiromi sich ihr gegenüber. Eine Weile beäugte sie ihren Top Star einfach nur, sah dabei zu, wie sie die Ärmel des sowieso schon zu großen und zu langen Pullis runterzog. Die sonst so stolze Frau saß ihr wie ein Häufchen Elend gegenüber. Ganz offensichtlich hatte sie auch geweint, wenn man den geschwollenen Augen nach ging. „Also was ist passiert?“, fragte Hiromit mit einem wohl kühlerem Ton, als sie es gewollt hatte. „Du bist doch sonst nicht so.“ Natsuki schwieg, knetete nur nervös ihre Finger. Hiromi seufzte, stand wieder auf und setzte sich neben den Yukigumi-Star, beäugte sie etwas. Natsuki rutschte von ihr weg, aber da sie in diesem Moment einigermaßen nahe an Mizu dran saß fiel ihr der zartblau angelaufene Wangenknochen der anderen auf. Nicht ganz ein Feilchen, aber sie sah dennoch aus, als wäre sie irgendwo dagegen gelaufen. „Was ist das?“ Hiromi streckte die Hand aus um fest zu stellen, dass es sich bei der zartlilanen Haut nicht etwa um Farbe handelte, doch als Mizu zurückzuckte war sie sich sicher, dass sie sich nicht täuschte. „Jetzt sprich endlich mit mir. Du wolltest, dass ich komme.“ „Ich... hatte einen Unfall, okay? Ich bin gegen eine Wand gelaufen.“ Hiromi grinste schief, legte den Kopf auf die Seite. Der Gedanke daran, wie der sonst so gefasste Yukigumi-Star gegen eine Wand lief, war doch schon recht amüsant.Doch als sie sah, wie Mizu mit zusammengebissenen Zähnen auf den Boden starrte war der Gedanke sofort wieder weg. Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, schluckte hart. In diesem kurzen Moment glaubte Hiromi sich eingebildet zu haben, dass sie auf Mizu's Handgelenk einen nicht unbedenklichen Rotstich gesehen hatte, doch Chika zog sich sofort wieder den Ärmel über die Stelle. Die junge Otokoyaku zog die Stirn kraus. Hatte sie sich das schon wieder eingebildet? Dann aber war die lilane Haut an ihrer Wange ja auch keine Einbildung gewesen. Kurzerhand nahm sie die Hand der älteren, wobei diese sie verwirrt ansah, drehte sie einmal in ihrer eigenen und zog den Pulloverärmel hoch, sah auf die wundgescheuerten Handgelenke der anderen. Obendrein hätte sie schwören können, dass da eine nicht zu verachtende Bissstelle an der Seite ihres Handgelenks war, die ebenfalls lila angelaufen war. Kaum hatte sie den Ärmel jedoch angehoben entriss Chika ihr den Arm, zog den Pulloverärmel bis fast über den Daumen und verschränkte die Arme, sodass Hiromi ihre Hände nicht mehr sehen konnte. Die Otokoyaku schwieg ein paar Sekunden. „Mizu... was ist da passiert?“ Sie sprach ruhig, denn der verstörte Gesichtsausdruck ihres Top Stars wurde nur von deren offensichtlicher Panik unterstrichen. Egal, was da passiert war, es konnte nichts gutes bedeuten. Wieso hatte die andere sie überhaupt hergebeten, wenn sie eh nicht reden wollte? Mizu hatte sich etwas weiter von ihr weggedreht und obwohl ihre Haare so kurz waren verdeckten sie einen Großteil ihres Gesichts. Hiromi entschied sich besser nicht locker zu lassen, rutschte nochmals etwas näher zu ihr und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, sah dann, dass der anderen die Tränen in den Augenwinkeln standen. Sie bezweifelte, dass irgendjemand Chika je hatte weinen sehen. „Hey...“ „Bleib einfach da, okay?“, sagte Mizu mit zitternder Stimme, obwohl sie sich hörbar alle Mühe gab um hart zu klingen. „Ich werde bleiben, aber dazu musst du anfangen mir ein wenig zu vertrauen.“ Mizu schnappte nach Luft um etwas zu sagen, aber nochmals würgte Hiromi sie ab. „Zeig mir deine Handgelenke.“ Ihr Top Star zog die Arme nur enger um sich, sah an die gegenüberliegende Wand. „Ich will dir doch nicht wehtun.“ Vorsichtig strich sie über die Haare der anderen. Erst dann merkte sie, dass diese ziemlich zerzaust waren und etwas rauh an zu fassen, als ob sie vorher schweißnass gewesen wären. Inzwischen hatte Hiromi einen sehr unguten Gedanken, hoffte einfach, dass sich das nicht bewahrheitete. Sie war sich nicht sicher, ob es die Geste an sich war, aber Mizu's Arme lockerten sich dann doch und sie legte sich die Hände in den Schoß ohne weiter zu reagieren. Erst als Hiromi erneut nach ihrer Hand griff sah sie zu eben jener, vermied sichtlich den Augenkontakt. Nochmals schob die jüngere Otokoyaku den Ärmel nach oben, besah sich die rot gescheuerte Haut und die Bisswunde genau an. Ob sie das an beiden Seiten hatte? Die Geste widerholte sie mit dem anderem Arm, dessen Handgelenk genauso wundgescheuert war, aber keine Bisswunde an dieser Seite. Die rötliche Haut sah mehr oder minder unbedenklich aus, auch wenn noch einige Hautfetzen daran hingen, doch die Bisswunde machte ihr etwas mehr Sorgen. Vielleicht war es besser, wenn man diese provisorisch behandelte. „Hast du einen Erste Hilfe Kasten?“ „...Badezimmer.“ Die Otokoyaku erhob sich, verlies das Wohnzimmer und sah sich nach dem Bad um. Warum waren die Wohnungen der Top Stars eigentlich immer so gigantisch? Sie hatte schon immer gedacht, dass Saeko's gigantische Ausmaße gehabt hatte, aber das übertraf alles. Zwar waren die Räume untereinander abgeschlossen, dennoch wirkte die Wohnung hell und modern. Das Badezimmer hatte sie erst nach der gigantischen Küche gefunden, die größteteils aus Marmor bestand, die jeden Millionär hatte staunen lassen und das Badezimmer war nicht weniger imposant. Die schwarzen Fliesen wirkten edel und unterstrichen das Ambiente. Überall sah sie Kerzen stehen, die inzwischen bis zum Docht runtergebrannt waren und sah in der Ecke neben der Badewanne, Hiromi hätte schwören können, dass es ein Whirlpool war, einige Zeitschriften und Bücher liegen. Den Verbandskasten fand sie auf einem der kleinen Schränke, ging mit diesem zurück zum Yukigumi-Star ins Wohnzimmer, lächelte etwas. „In deiner Wohnung verläuft man sich ja.“ Selbst Mizu's Mundwinkel zuckten kurz zu einem Lächeln, jedoch hatte sie sich sonst keinen Zentimeter bewegt. Nachdem sie sich hingesetzt hatte öffnete sie den Kasten, begann die Handgelenke der anderen zu behandeln und zu verbinden. Es war zwar nur Sicherheitsmaßnahme, aber so eine Entzündung war mehr als schmerzhaft. Davon konnte sie ein Lied singen. Da sie Übung im Verbinden hatte war es auch in Windeseile erledigt und erneut lächelte Hiromi. „So. War doch gar nicht so schlimm, oder?“ Mizu schluckte einmal, schüttelte etwas den Kopf. Es war schon irgendwie merkwürdig ihren Top Star so gebrochen zu sehen. Was das wohl in ihr ausgelöst haben könnte? Dann aber interessierte sie vielmehr die Frage, ob Chika noch an anderen Stellen so Bisswunden hatte. „Zieh den Pulli aus“, sagte Hiromi im leicht bestimmenden Ton und Chika zuckte zusammen. „Ich will mir nur was ansehen.“ „Nein“, sagte Mizu mit einem Mal, zog erneut die Ärmel bis nach unten und krallte sich in den Stoff an ihren Seiten. „Chika ich will dir doch nicht wehtun. Du hast noch woanders so Wunden oder? Wenn sich das entzündet, dann wird’s richtig schmerzhaft.“ „Woher willst du wissen, dass ich noch mehr habe?“ „Du trägst nicht umsonst bei diesen Graden einen Pulli.“ Hiromi seufzte. „Schieb ihn wenigstens ein wenig hoch.“ Mizu drehte ihr den Rücken zu, krallte sich aber weiterhin in ihre Seite. Sie wirkte wie ein trotziges Kind, aber sie würde wohl ihre Gründe haben. Von sich aus würde sie wohl nichts tun. Vorsichtig legte sie der anderen Frau die Hände auf den Teil, der von ihren Finger noch zu sehen war, strich über ihre Seite hinab zum Saum des Pullovers. Es war wohl besser wenn Chika merkte, wo sie ihre Hände genau hatte anstatt den Pullover einfach rabiat hoch zu ziehen. Scheinbar wirkte es, denn der Yukigumi-Star entspannte sich etwas, löste die Krallen aus der Seite ihres Stoffes, wobei Hiromi genau sah, wie ihr Kopf weiter runtersackte. Langsam schob sie den Pullover etwas hoch bis auf etwa Brustkorbhöhe. „Komm schon Schlafmütze. Aufstehen.“ Saeko rüttelte den Soragumi-Vice einmal ausgiebig, allerdings drehte Yuuhi sich nur stöhnend weg. „Will nicht.“ „Willst du etwa den ganzen Tag verschlafen? Du musst heute Nachmittag noch zur Probe, schon vergessen?“ „Aber...“ „Nichts aber. Steh auf.“ Yuuhi zog eine Schmolllippe, versuchte sich irgendwie aus der Bettdecke zu schälen, in die sie sich über nacht wie eine Raupe eingewickelt hatte, was allerdings nur darin endete, dass sie mit einem erschrockenem Schrei von der Couch fiel und vor Saeko's Füßen landete. Die ehemalige Tsukigumi-Darstellerin lachte. „Nicht lustig...“, wimmerte Yuuhi und sah zu der Älteren nach oben. „Doch und wie. Komm geh duschen. Dann wirst du wenigstens wach. Sogar Osa ist schon auf der Arbeit.“ „Osa fährt ja auch länger. Ich muss nur einmal über die Straße.“ „Was bei deinem Tempo mindestens ebenso lange dauert. Los jetzt. Gaichi macht gerade Kaffee.“ Grinsend half die ehemalige Tod-Darstellerin ihrer Freundin auf die Beine, legte dann die Decke zusammen, nachdem sie diese einigermaßen entwirrt hatte, und legte sie ans Fußende der Couch. Sie hatte die Nacht auf der Matratze verbracht, die sie auf den Boden gelegt hatten, wobei Yuuhi auf der Couch geschlafen hatte. Kiriyan hatte sie am Vorabend noch spätabends angerufen, dass sie sofort nach Hause fahren würde, denn sie hatte einfach nicht mehr die Kraft gehabt nochmals aus dem Dorm zu gehen nachdem sie eine halbe Ewigkeit auf der Gala verbracht hatte. Saeko selbst hatte sich breitschlagen lassen zumindest ein paar Stunden mit auf die Aftershowparty zu gehen, wobei sie einen gehörigen Bogen um den Alkohol gemacht hatte. Sie hatte seit Jahren keinen Alkohol mehr schief angesehen. Eigentlich war sie in der Hoffnung hingegangen, dass Asako sich zeigen würde, aber vergeblich. Dabei wusste sie, dass ihre Freundin die Galaabende verabscheute wie nichts anderes. Irgendwann hatte sie ihre Freunde, wobei Osa und Gaichi die einzigen waren, die zumindest etwas angeheitert waren, nach Hause gefahren, da ihre drei Freunde am nächsten Tag alle arbeiten mussten. Seufzend ging die ehemalige Otokoyaku in die Küche, wo sie schon Gaichi stehen sah. Dass sie Asako nicht zumindest gesehen hatte war dann doch eine ziemliche Enttäuschung für sie gewesen und es nagte noch immer an ihr. Sie lies sich in einen Stuhl fallen, fuhr sich durch die noch immer ungemachten Haare und schlug die Beine übereinander, die in einer grauen Jogginghose steckten. „Immer noch so niedergeschlagen?“, fragte Gaichi, die gerade den fertigen Kaffee in ein paar Tassen goss und in eine eine gehörige Ladung Milch kippte. „Was? Nein. Red doch keinen Unsinn.“ Im Augenwinkel sah sie Gaichi grinsen und ein paar Sekunden später hatte sie die ehemalige Senka auf ihrem Schoß sitzen. Auch wenn ihre beste Freundin es nicht gerne zugab, manchmal war sie ein totales Weib. „Lüg mich nicht an, Saeko. Ich weis, dass das mit Sena dich immer noch mitnimmt.“ „Ich frage mich halt einfach, was mit ihr los ist. Sie war sonst auf jeder Afterparty, besonders auf ihren eigenen. Wieso diesmal nicht?“ „Zerbrich dir darum doch nicht den Kopf. Sie wahrscheinlich nur viel beschäftigt. Die Woche wird für sie nicht leicht.“ „Ja ich weis. Du hast mir den Plan gezeigt.“ Da Asako nach Elisabeth nur noch eine Saison dabei sein würde rissen sich die Medien um Interviews mit ihr. Hinzu kamen die Fotobücher, Shootings, das Training, das Special, dass angesetzt war, und und und. Saeko hatte das letzte Mal einen so umschwärmten Top Star gesehen als es an Wao und Mari ging. Die alte Top Star Kombi war noch heute eine der Lieblinge der Fans, wobei Asako es wohl irgendwie schaffte auch ohne einen Musumeyaku mehr als gut da zu stehen. „Ich bin blos froh, dass diese kleine Schlampe gestern nicht mehr aufgetaucht ist.“ Saeko lachte etwas. Wenn es um Natsuki ging wurde Gaichi immer überaus vulgär. „Na na. Ich versteh gar nicht, wieso du immer noch so einen Hass auf sie schiebst.“ „So Menschen ändern sich nicht. Das weist du.“ „Ich habe mich auch geändert.“ „Erst nachdem du Sena kennen gelernt hast. Und herrgott ich bin froh darum.“ Der ehemalige Top Star sah auf den Boden, sah aber auf, als Yuuhi in die Küche getappst kam. Gaichi stand dabei wieder auf, schnappte sich die Tasse mit dem Milchkaffee und drückte sie der Soragumi-Darstellerin in die Hand. „Guten Morgen, Waschbär.“ „Waschbär?“, fragte Yuuhi höchst verwirrt und warf einen Blick ins nächstbeste Glas, wohl um zu überprüfen, ob sie irgendetwas von einem Waschbär hatte. „Keine Sorge, da ist nichts. Ich hatte letztens aber eine Diskussion mit Kiriyan, dass du manchmal ein wenig wie einer bist.“ „Ich mag den Spitznamen“, sagte Saeko und Yuuhi zog eine Schmolllippe. „Ihr seid gemein.“ Kaum hatte Hiromi den Pullover ein Stück nah oben gezogen zog sie einmal scharf die Luft ein. Der Rücken der anderen war völlig verkratzt und ein paar der Kratzspuren zogen sich einmal über ihren kompletten unteren Rücken bis über ihre Seiten. Auch merkte sie beim hochschieben, dass Mizu wohl die Abbinde nicht trug, geschweigedenn eine andere Art Unterwäsche um den Oberkörper. Es bestätigte nur ihre Vermutung, dass sie den Pullover nur flüchtig drüber gezogen hatte. Etwas zögerlich stand sie auf, ging an der Chika vorbei und setzte sich vor sie wieder hin, versuchte der anderen ins Gesicht zu sehen, wobei ihr Top Star ihr auswich. „Mizu. Zieh den Pulli bitte aus. Sonst kann ich dir nicht helfen.“ Dieses Mal bekam sie keine abweisende Reaktion, aber eine wirkliche Zustimmung bekam sie auch nicht. Das hieß dann für sie wohl auf gut Glück. Sie rutschte etwas an Chika heran, zupfte einmal am Saum des Pullovers und schob ihn etwas hoch. Als die Yukigumi-Darstellerin noch immer nicht abwehrte schob sie das Stück Stoff hoch und zwang Mizu so mehr oder minder die Arme über den Kopf zu nehmen um den Rollkragen entgültig zu entfernen. Lange Zeit um sich den schönen Körper der anderen an zu sehen hatte sie nicht. Die Kratzspuren auf dem Rücken der anderen waren nur ein Vorspiel zu dem, was sich auf dem Rest ihres Körpers befand. Sie hatte überall Kratzspuren, mal mehr mal weniger tief, wobei einige eingetrocknetes Blut hatten, Bisspuren besonders am Schlüsselbein, dem Hals, den Schultern und den Unterarmen, und kleine, blau-lilafarbene Flecken überall, besonders am Hals bei den Bissen. Die Flecken sahen jedoch eher aus wie Knutschflecken, also war die nicht ganz so schöne lilane Farbe auf der Wange der anderen wohl eine Ausnahme gewesen. Wenn Chika nicht so niedergeschlagen wäre hätte Hiromi felsenfest auf eine verdammt heiße Nacht getippt. Vorsichtig strich sie mit den Fingerspitzen an eine der Bisswunden vorbei, wobei Chika scharf die Luft einzog und zurückwich. „Hey keine Angst. Ich behandel dir das, ja? Könnte kurz wehtun, aber es wird schnell besser.“ Wieso Chika gerade Hiromi in diesem Moment an sich heran lies war dem Yukigumi-Star absolut schleierhaft. Es kümmerte sie doch sonst nie, was andere von ihr dachten, doch sie wollte nicht von Saeko's kleiner Schwester gerade so gesehen werden. Noch immer hingen ihr die Bilder der vergangenen Nacht nach und sie ging auch gar nicht davon aus, diese so bald zu vergessen zu können. Sena hatte ihre Drohung war gemacht. So schön sie auch war, so grausam war sie auch. Sie hatte es nicht gewagt weiter zu betteln oder sich zu wehren, aus Angst, sich einen erneuten Schlag ein zu fangen, doch obwohl sie alles, was Sena verlangt hatte, getan hatte war der Tsukigumi-Star erbarmungslos gewesen. Sie lange sie ans Bett gefesselt gewesen war wusste sie nicht, ebensowenig, wie lange sie auf den Knien auf dem Boden gesessen hatte und um Verzeihung gebeten hatte. Noch immer schmerzten ihre Knie von dem Teppich, über den Sena sie gezerrt hatte. Immer wieder hatte Sena ihr vor Augen gehalten, dass ihre Taten nur die Schuld des Yukigumi-Stars gewesen waren und ab irgendeinem Punkt, irgendwo zwischen Angst und Verzweiflung, hatte sie angefangen ihr zu glauben. Sie hatte ihr jedes Wort abgekauft. Chika spürte das Brennen des Desinfektionsmittel kaum, hing weiterhin ihren Gedanken nach. „Wer hat das getan, Chika?“, fragte Hiromi, die inzwischen wieder hinter ihr saß und ihr die Kratzer auf dem Rücken versorgte. Ja was war das eigentlich gewesen? Das war auf keinen Fall die Frau gewesen, die sie vor so vielen Jahren kennen gelernt hatte, die ihr betrunken von ihrer Sehnsucht nach Saeko erzählt hatte und damit Eifersucht in ihr geweckt hatte. „Ein Dämon“, sagte der Top Star leicht monoton, starrte auf ihre verbundenen Handgelenke und biss sich auf die Zunge. Ein Dämon, den sie selbst erschaffen hatte, dabei hatte Saeko so oft gesagt, ihr gezeigt, dass sie nur zurück zu Sena wollte. Und sie hatte sie taktisch davon abgehalten, nicht zuletzt durch das Elisabeth-Stück zwei Jahre zuvor. Sie hatte gewusst, dass der alte Tsukigumi-Star nur wegen des Stücks nochmals nach Takarazuka zurückgekehrt war, hatte ihrem Vice aufgetragen, der sie zuvor wie eine Göttin verehrt hatte, Sena von der anderen fern zu halten. Sie hatte nicht mit einberechnet, dass Kimu sie hintergehen würde und hatte so den Einfluss, den der Tsukigumi-Star in Takarazuka gewann, nicht mehr aufhalten. „Dämon? Scheint mir etwas unsinnig oder?“ „Nein. Das trifft es eigentlich ganz gut. Das ist kein Mensch mehr.“ Hiromi setzte sich wieder vor sie und Chika sah etwas zögerlich auf. Den Blick kannte sie. Zwar war es schon einige Jahre her, seit sie diesen Ausdruck gesehen hatte, aber ihre Schwester hatte sie einst genauso angesehen als sie ihr persönliches Tief hatte. „Sprich doch endlich Klartext mit mir. Ich will dir doch nur helfen.“ „Mir ist nicht zu helfen.“ „Unsinn. Komm schon. Ich kenn dich so gar nicht...“ Ein Klingeln durchbrach die Stille. Hiromi griff daraufhin in ihre Jackentasche und zog das Handy heraus. Am liebsten hätte Hiromi laut geflucht. Ein Anruf war das letzte, dass sie jetzt gebrauchen konnte. Sie seufzte etwas und sah Mizu entschuldigend an. Diese nickte nur und griff wieder nach dem Pullover, den sie sich überzog. „Morgen“, sagte die Yukigumi-Schauspielerin. „Morgen Hiromi. Hab ich dich geweckt?“ Die Stimme am anderen Ende klang frech. „Wirklich witzig Mirio. Nein ich bin wach. Was gibt’s denn?“ „Klatsch und Tratsch. Du wirst mir nicht glauben.“ „Ich kann nicht glauben, dass du mich um die Uhrzeit anrufst um mir was zu erzählen. Mir ist grade nicht nach tratschen.“ „Du weist ich kann nachher nicht. Ich hab heute noch einen Auftritt.“ Hiromi schnaubte einmal genervt. Mirio war manchmal echt schwierig und sie fragte sich wie so oft, wie Masao es mit ihr aushielt. So gern sie die Tsukigumi-Darstellerin auch hatte, sie konnte einfach nichts für sich behalten. „Schieß los.“ „Na also. Dann pass auf. Du wirst nicht glauben, wer gestern Abend zusammen von der Gala weggefahren ist. Und man hat die beiden auch nicht auf der Aftershowparty gesehen. Ich hoffe sie vertragen sich endlich mal. Wird auch langsam mal...“ Der Yukigumi-Schauspielerin schwarnte übles. „Woh, woh. Langsam. Wer ist mit wem weg gefahren?“ „Na hast du mir nicht zugehört? Natsuki ist mit Asako weg gefahren. Und Asako war immer noch im Kostüm. Dabei dachte ich immer die zwei hassen sich. Und ich hatte dann doch recht als ich gesagt hab, dass ich die beiden auf dem Gang gesehen hab.“ Hiromi schwieg, warf einen Blick auf Mizu, die auf ihrem Platz weiter zusammensackte. Anscheinend ahnte sie, was die andere Frau am Telefon sagte. „Uhm... Mirio? Kann ich dich morgen anrufen? Ist grade wirklich schlecht.“ „Wieso? Was ist los?“ „Erzähl ich dir ein andermal.“ Bevor Rio am anderen ende noch protestieren konnte legte die Otokoyaku einfach auf, sah noch immer Chika an, die den Kopf abermals so weit gesenkt hatte, dass die Haare ihr Gesicht verdeckten. „Wieso hast du nichts gesagt?“, fragte Hiromi und rutschte etwas an die andere heran. „Du hättest doch einfach...“ „Weil es meine Schuld war. Desshalb.“ Die Stimme des Top Stars sackte ab und sie zog die Beine an den Körper, rutschte weiter in dem Sofa nach unten. „Was soll das denn schon wieder heißen? Du bist an gar nichts schuld, wenn Sena dich misshandelt.“ „Sie hat mich nicht misshandelt.“ „Bitte?“ „Gut am Anfang hab ich mich gewehrt, aber irgendwie.. ich weis auch nicht wieso.“ Chika schluckte einmal. „Es tat so furchtbar weh, heißt nicht, dass es nicht gut war. Das was sie danach getan hat war viel schlimmer.“ Hiromi schwieg, hörte ihrem Top Star nur zu während sie erzählte. „Ich weis nicht wie sie es gemacht hat. Mein Kopf war noch komplett neblig und ich hatte solche Angst. Sie hat mich dazu gebracht sie an zu betteln und... noch so viel anderes. Ich weis schon gar nicht mehr was ich alles gemacht habe.“ Chika traute sich gar nicht von dem zu erzählen, zu dem Sena sie gebracht hatte. Es war nichts sonderlich peinliches gewesen, zumindest nicht, wenn man bedachte, dass es den Raum wohl nie verlassen würde, aber es hatte ihren Stolz zerstört. Insbesondere, dass Sena sie dazu gebracht hatte nackt vor ihr auf die Knie zu gehen, sie eine halbe Ewigkeit lang um einen einzelnen Kuss angebettelt hatte, den der Tod ihr eine so lange Zeit verwehrt hatte, dass sie geglaubt hatte wahnsinnig zu werden. Was genau sie in jener Nacht alles getan hatte, aber der Tsukigumi-Star hatte es geschafft alles, woran sie bissher festgehalten hatte, zunichte gemacht. Sie hatte sich noch nie derart jemandem unterworfen, hatte es auch nie vor gehabt, denn ihr Stolz hatte seinesgleichen gesucht, und alles was davon noch übrig geblieben war, war eine gebrochene Frau. Chika riss ein wenig die Augen auf, als sie ein paar Arme um sich fühlte, ebenso wie kurz darauf den Zug an ihrem Körper. Sie fand sich auf Hiromi's Oberkörper wieder. „Ich werde mal mit Saeko reden. Ich hab schon so einiges gehört von Asako und so kann es nicht weitergehen. Ich habe schon gehört, dass Sena grausam geworden ist, aber das geht zu weit.“ Die ältere Frau fühlte nur wie sich der Klos in ihrem Hals bildete und sie anfing zu schluchzen. Die ehemalige Tod-Darstellerin war inzwischen von Gaichi wieder nach Hause gefahren, wo sie erst einmal ihr Kleid im Kleiderschrank und duschte erst einmal ausgiebig, da sie am Vorabend nicht dazu gekommen war. Seufzend ging sie an ihren Anrufbeantworter. Woher kamen die ganzen Nachrichten? Kurzerhand drückte sie auf den Knopf, aber ettliche Nachrichten lang legte der Anrufer einfach auf. „Was zur Hölle?“ Dann klingelte das Telefon auf einmal. Saeko stoppte den Anrufbeantworter und sah auf das Display. Hiromi? Was wollte die denn? Sie hob ab. „Saeko?“ „Hallo Hiromi.“ „Bist du allein?“ „Ja wieso?“ „Kannst du herkommen?“ Saeko seufzte einmal schwer. „Hättest du das nicht früher sagen können? Ich war gerade in der Nähe des Dorms...“ „Nicht ins Dorm.“ ...Nicht ins Dorm? Was sollte das schon wieder heißen? Hiromi wohnte doch dort. „Und wo ist dann bitte 'hier'?“ „Mizu's Wohnung.“ „Bitte??“ Saeko wurde lauter, stand mit einem Mal stocksteif da. „Was machst du bei Natsuki??“ „Komm runter. Sie... Komm einfach her okay? Es ist wichtig.“ „Nichts könnte so wichtig sein, dass ich diese Wohnung nochmal betrete!“ „Es geht um Sena.“ Die ehemalige Tod-Darstellerin schluckte und biss die Zähne aufeinander. Was hatte Asako jetzt schon wieder mit der Sache zu tun? „Hiromi. Was ist los?“ „Deine tolle Freundin“ Der Tonfall ihrer Schwester wurde mehr als sarkastisch. „fängt an richtig übel Scheiße zu bauen.“ „Das glaube ich dir nicht.“ „Desshalb sollst du herkommen und es dir selbst ansehen. Ich verzeih es dir nicht, wenn du nicht herkommst. Spring verdammt nochmal über deinen Schatten.“ Aufgelegt. Saeko brauchte keine 15 Minuten bis sie sich umgezogen hatte und wieder in ihrem Auto saß. Dass Asako etwas mit Mizu zu tun hatte konnte nichts gutes bedeuten. Sie hatte von Kiriyan erfahren wie sich ihre Freundin verhielt, aber zu welchen Mitteln konnte sie greifen, wenn ihre kleine Schwester so ausser sich war? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)