Verschlungene Pfade von Cersey ================================================================================ Kapitel 18: ------------ Raum- und Zeitgefühl waren mir völlig abhanden gegangen. Milo hatte beides mühelos weggewischt. Eine andere Erklärung hatte ich nicht dafür, dass ich plötzlich die Sofakante in meiner Kniekehle spüren konnte, obwohl es mir irgendwie entgangen war, dass wir uns überhaupt darauf zubewegt hatten. War mir die ganze Situation eben noch unwirklich vorgekommen, riss mich diese Berührung wieder zurück in die Realität. Dies hier passierte tatsächlich. Milo hatte mich sehr geschickt zu seiner Couch dirigiert. Ich wäre dazu wohl auch in meinem eigenen Zimmer nicht mehr in der Lage gewesen. Doch mit ziemlicher Sicherheit war ich bei weitem nicht der erste Kerl, den er mit dieser sanften Bestimmtheit in die Horizontale beförderte. Mit einer geschmeidigen Bewegung glitt er über mich und küsste mich erneut. Und obwohl mein Körper jeden einzelnen seiner Küsse und seine Person über mir mehr als begrüßte, hatte mein Denken zumindest ein Stück weit wieder eingesetzt. Auch, wenn Milos Hand, die fest über meine Seite strich, ihr bestes tat, diesen Zustand wieder zu vernichten, dämmerte es mir, dass wir gerade ein wenig über das Ziel hinausschossen. Ich schob mich unter ihm ein wenig höher auf die Couch und stoppte Milo nachdrücklich, als er dieser Bewegung augenblicklich folgen wollte. Mit diesem Widerstand schien er nicht gerechnet zu haben. Sofort hielt er inne und wir sahen uns zum ersten Mal wieder direkt in die Augen. Verwirrt blinzelte er und diese Lust in seinen Augen zu sehen, zu wissen, dass ich sie heraufbeschworen hatte, ließ mich ihn beinahe wieder an mich ziehen, als hätte es diese Unterbrechung nie gegeben. Doch auch Milo schien langsam wieder zur Besinnung zu kommen. Unsere Atmung hinkte dem ein wenig hinterher. Von ruhigen und beherrschten Atemzügen war völlige Fehlanzeige. Noch immer befand sich Milo über mir. Die Arme neben meinem Körper in das Sofa gestemmt. Seine Knie hatten zwischen und neben meinen Beinen Platz gefunden und meine rechte Hand lag weiterhin auf seiner Brust. Nun allerdings, ohne Druck gegen sie auszuüben, der ihn daran hinderte, seinen Körper wieder auf meinen sinken zu lassen. Um diesen Gegendruck auszuüben, war der eigentliche Wunsch, ihn wieder an mich zu ziehen, viel zu groß. Doch keiner von uns regte sich. Wir schienen in dieser Situation zu schweben. Keiner von uns wagte einen erneuten Vorstoß, oder war bereit, auch nur einen weiteren Millimeter zurückzuweichen. Milos Blick wurde zusehends ungläubiger. Frustration und Erleichterung wallten gleichzeitig in mir auf, als Milo sich verlegen räusperte und sich nun doch kopfschüttelnd aufrichtete. Ich bewegte mich nicht, setzte mich nicht auf, denn das hätte ich nicht zustande gebracht. Ich hätte nicht garantieren können, mich in diesem Fall ebenso auf Milo zu stürzen, wie er es gerade noch bei mir getan hatte. Und das wäre eher kontraproduktiv gewesen, war ich es doch gerade gewesen, der das Ganze hier unterbrochen hatte. Innerlich klopfte ich mir dafür stolz auf die Schulter und verfluchte mich gleichermaßen. Mühevoll unterdrückte ich den Drang, Milos ungläubiges Kopfschütteln zu kopieren und lag einfach wie versteinert auf diesem Sofa. Milo war, wie kein Mensch vor ihm, in der Lage, meine Gefühle und Gedanken in eine dermaßen hohe Widersprüchlichkeit zu stürzen, dass das Ausmaß vermutlich jeden Psychologen beeindruckt hätte. Gab es dafür einen Namen? Waren das die Symptome irgendeiner beschissenen Krankheit? Miloismus? Milophilie? Das Einzige, was ich wusste, war, dass Milo der verdammte Auslöser dafür war. Wer hätte gedacht, dass ich ein Wort wie bezaubernd jemals mit einem erwachsenen Mann in Verbindung bringen würde? Doch es war das Erste, was mir durch den Kopf schoss, als Milo verlegen auf seine Unterlippe biss und mich entschuldigend ansah. Ihn so über meinem Bein knien zu sehen, völlig erschrocken von seinem eigenen Handeln, trieb meinen inneren Zwiespalt auf eine neue Ebene. Gab es hier überhaupt eine Grenze nach oben? Jedes Mal, wenn ich glaubte, sie erreicht zu haben, sprengte dieser Kerl sie erneut. Sollte ich über ihn herfallen? Seinen Versuch verhindern, sich körperlich und emotional wieder zurückzuziehen und alles zu leugnen, was so offensichtlich zwischen uns war? Oder sollte ich die Chance ergreifen, Reißaus zu nehmen, vor ihm und seiner Wirkung auf mich und auf mein Leben? War Milo sich nicht darüber im Klaren, welchen Drahtseilakt er gerade vollführte? Dass er mit meinen Instinkten spielen könnte, wie mit einer leblosen Marionette? Hoffentlich nicht. Erneut räusperte sich Milo. „Ich… sorry, das… eigentlich sollte das nicht passieren… ich habe gerade irgendwie… scheiße, ich wollte nicht… entschuldige…“, stammelte er hilflos zusammenhangslose Wortfetzen und tat dann dass einzig Richtige. Er hielt wieder die Klappe und sah mich unsicher an. Die Unterlippe verschwand wieder zwischen seinen Zähnen. Seine Worte konnte ich interpretieren, wie ich wollte. Was wollte Tamilo nicht? Aufhören? Mich küssen? Die Kontrolle verlieren? Vermutlich Letzteres. Doch was sollte ich darauf antworten? ‚Schon okay‘? ‚Nicht schlimm, mach ruhig weiter‘? Sicherlich hätte er genau das getan, hätte ich ihn nicht aufgehalten. „Ich nehme mal nicht an, dass wir einfach ignorieren können, was da eben war?“, murmelte Milo leise. Entgeistert starrte ich ihn an. Das war wohl Antwort genug für ihn. „Dachte ich mir“, seufzte er und ließ seinen Blick durch das Zimmer gleiten, bis er schließlich auf dem Panorama über uns hängen blieb. Nun stemmte auch ich mich wieder in eine sitzende Position. Dass Milo noch immer über einem meiner Beine kniete und meine Bewegungsfreiheit damit deutlich einschränkte, war ihm vermutlich gerade nicht wirklich bewusst und ich würde einen Teufel tun, ihn darauf aufmerksam zu machen. „Willst du das denn?“, griff ich seine Frage wieder auf, während seine Augen über die einzelnen Gebäude Calgarys huschten. Ich hingegen konnte meinen Blick nicht von seinem Profil lösen. Mir entging also sein Schlucken auf diese Frage nicht. „Du solltest mich jetzt echt nicht fragen, was ich will… ich versuche gerade wieder etwas klarer zu denken“, erwiderte Milo mit einem grimmigen Lächeln auf den Lippen, ohne mich anzusehen. Zögerlich streckte ich meine Hand nach ihm aus und strich mit meinen Fingerspitzen über seine Seite. Er zuckte etwas zusammen, wich vor dieser Berührung aber nicht zurück. „Gerade in diesem Moment würde ich es gerne wissen“, raunte ich. „Nein, das möchtest du nicht“, sagte Milo und schüttelte den Kopf. „Milo...“, setzte ich an und war bereit, eine Nein-Doch-Diskussion loszutreten, wenn ich dadurch eine Antwort von ihm provozieren konnte. Milo ersparte uns dieses infantile Verhalten. Sein Kopf schoss zu mir herum und unter seinem intensiven Blick, der mir durch Mark und Bein ging, stellten sich mir augenblicklich sämtliche Nackenhaare auf. „Du willst wissen, was ich will? Gerade in diesem Moment will ich mit dir schlafen, Dominik.“ Meine Augen weiteten sich und völlig erstarrt, sah ich ihn einfach nur an. „Gerade in diesem Moment würde ich nichts lieber tun, als dich in mein Bett zu zerren und dort Dinge mit dir anzustellen, die du dich bisher vermutlich nicht einmal getraut hast, dir vorzustellen.“ Diese Worte rauschten durch meinen Schädel und ich spürte, wie ich rot anlief. War ich in meinem Leben jemals so heftig errötet? Mein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment in Flammen aufgehen. Wie war das noch gleich mit der spontanen Selbstentzündung? Meine andauernde Sprachlosigkeit nahm Milo mit einem spöttischen Lächeln zur Kenntnis. „War das zu offen für dich, Dominik?“, fragte er und erhob sich, trat ein paar Schritte vom Sofa zurück. „Wir wissen beide, dass so etwas nicht passieren wird. Das wäre so ziemlich das beschissenste was hier heute noch geschehen könnte. Und ich bezweifle ganz stark, dass du das überhaupt willst. Aber ich sage es einmal ganz offen. Nur für dich. Ich bin schwul. Und ich stehe gerade ein klein wenig unter Stress. Mach bitte nicht den Fehler und unterschätze meine Beherrschung.“ „Ehm… ich…“, stammelte ich, überrascht von Milos plötzlichem Ausbruch. Mein Kopf war total leergefegt. „Du solltest gehen“, sagte Milo mit fester Stimme. Völlig perplex konnte ich nur nicken. „Jetzt!“, fügte Milo hinzu, als ich seinem klar formulierten Rausschmiss nicht sofort Folge leistete. Die erste winzige Bewegung meines Fußes ließ mich aufzischen. „Ehm…“ Ich erntete einen auffordernden Blick von Milo. Egal, was er eben noch alles gewollt hatte, nun wollte er, dass ich so schnell wie möglich von hier verschwand. Hätte ich ja auch gemacht, hätte es da nicht dieses klitzekleine Problem gegeben, das mir vor wenigen Minuten noch scheißegal gewesen war. „Geht gerade nicht“, murmelte ich zerknirscht, „ich brauch ein paar Augenblicke.“ Langsam bewegte ich meine Zehen und das Kribbeln schoss mir durch die Nervenbahnen. Milo hob fragend eine Augenbraue. „Mein Fuß… er ist eingeschlafen…“, sagte ich leise. Wenn die ganze Situation nicht so unheimlich peinlich geworden wäre, hätte ich vermutlich lachen können. Vielleicht konnte ich darüber grinsen, wenn ich zuhause war. „Das ist doch jetzt nicht dein Ernst oder?“ „Entschuldige mal“, erwiderte ich entrüstet, „mein Fuß ist eingeschlafen, weil du die ganze Zeit…“ Milos böser Blick ließ mich verstummen. Wortlos verließ er das Wohnzimmer. Noch immer etwas fassungslos sah ich ihm hinterher. Ich hatte ja bereits bei der Fahrt hier hin mit einem Rauswurf gerechnet. Dass er aber unter diesen Umständen erfolgen würde… wer hätte das denn ahnen können? Ich rieb mir den Fuß und stand auf, sobald das Kribbeln ein erträgliches Maß erreicht hatte. So etwas konnte nur mir passieren. Als ich auf den Flur hinaustrat, entdeckte ich Milo in der gegenüberliegenden Küche, wo er sich allen Ernstes gerade Brote schmierte. Sobald Milo mich bemerkte hielt er inne und warf mir aus dem Augenwinkel einen Blick zu. Ich schaffte es nicht, ihn zu deuten und viel zu schnell lenkte Milo seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Abendessen. Er wirkte angespannt, und sein Blick schnellte immer wieder zu mir herüber. Im Nachhinein dankte ich meinem Fuß wieder dafür, dass er mich an einer allzu schnellen Flucht gehindert hatte. Denn ohne ein weiteres Wort zu verschwinden, wäre wohl der größte Fehler gewesen, den ich hätte begehen können. Unsere Rollenverteilung wirkte auf mich verdammt falsch. „Sollte nicht ich derjenige sein, der Panik bekommt?“, sprach ich meine Gedanken aus. „Ich werde jetzt nicht anfangen mit dir zu diskutieren. Bitte geh jetzt einfach“, sagte Milo ruhig. Ich nickte. Mehr für mich, als für ihn. „Okay. Aber wir wissen beide, dass ich wiederkommen werde.“ Milo ließ seufzend seinen Kopf sinken. „Ja…“, flüsterte er. Ich nickte noch einmal und ging zur Haustür um mir die Schuhe anzuziehen. Aus der Küche kam kein einziger Ton mehr. „Guten Hunger“, rief ich in die Wohnung, bevor ich die Tür hinter mir zuzog. Das war also mein erster Besuch bei Tamilo. Das war ja ganz… wunderbar gelaufen. Sobald ich aus dem Haus trat, zog ich meine Zigaretten aus der Jackentasche und zündete mir eine an. Vor meinem Wagen zögerte ich kurz, stieg dann aber ein. Normalerweise rauchte ich nicht in meinem Auto, doch gerade war mir das egal. Ich wollte jetzt nicht noch hier rumstehen, bis ich aufgeraucht hatte. Infolge einer weiteren Kurzschlussreaktion parkte ich mein Auto nicht in meiner eigenen Auffahrt. Stattdessen stand ich vor Tills Haus. Für einen unangekündigten Besuch war es inzwischen etwas spät und ich zückte mein Handy. „Was gibt es?“, begrüßte mich mein bester Freund am Telefon. „Ich stehe vor deiner Tür“, informierte ich ihn. „Okay“, murmelte Till und legte auf. Kurz darauf öffnete er mir die Haustür. Er sah noch etwas mitgenommen aus. „Du siehst scheiße aus“, sagte ich ihm auch direkt. „Ich hatte gestern ja auch Spaß“, konterte Till. „Ich hatte auch Spaß.“ „Ja, aber ich hab zwei Telefonnummern zugesteckt bekommen.“ „Ehrlich?“, fragte ich verblüfft nach. „Ja“, grinste Till. „Ich kann mich zwar nicht mehr wirklich daran erinnern von wem, aber ich hab die Zettel in meiner Tasche gefunden. Von einem Paul und von jemandem, der wohl der Meinung ist, dass Namen nicht so wichtig sind. Willst du sie haben? Ich brauch sie nicht.“ „Kein Bedarf“, lehnte ich ab. „Till?“, erklang es aus dem Wohnzimmer. Gemeinsam schlenderten wir dort hin. Tills Eltern saßen vor dem Fernseher. Tills Vater drehte seinen Kopf in unsere Richtung und brummte ein tiefes: „Moin Nik“, wie er es immer tat. „‘nabend“, grüßte ich und erwiderte das Lächeln, das Tills Mutter mir schenkte, so gut ich konnte. Till sah mich stirnrunzelnd an und ergriff dann meinen Arm. „Wir sind oben“, erklärte er seinen Eltern und zog mich aus dem Raum. Dankbar folgte ich Till in sein Zimmer und ließ mich dort auf seine Couch fallen. „Zocken wir eine Runde?“, fragte ich. „Klar…“, antwortete Till gedehnt, „direkt, nachdem du mir gesagt hast, warum du hier bist.“ „Kann ich nicht einfach meinen besten Freund besuchen? Ich hatte halt keine Lust, alleine zu spielen“, murmelte ich unschuldig. „Nik, wann bist du das letzte Mal unangekündigt an einem späten Samstagabend zum Zocken vorbeigekommen?“, fragte Till lauernd. Ich zuckte mit der Schulter und erntete einen triumphierenden Blick von Till. „Also… raus mit der Sprache, warum bist du hier?“ „Ich bin schwul.“ Till sah mich nur ruhig an. „Ich bin schwul“, hauchte ich noch einmal und gleich darauf ein weiteres Mal. „Ich habe mich total verknallt und dieser Kerl raubt mir den letzten Nerv.“ „Das merke ich“, bemerkte Till leise. „Ich war gerade bei ihm“, gab ich zu. „Oh? Wie kam es denn dazu?“, fragte er überrascht. „Ich bin einfach hingefahren. Keine Ahnung, was mich da geritten hat.“ „Na, ich will mal hoffen, er war es nicht.“ Genervt schnalzte ich mit der Zunge. „Sorry“, sagte Till schnell, schaffte es aber nicht, sich ein Grinsen ganz zu verkneifen. „Wir haben eigentlich fast nur geredet…“, sagte ich ausweichend. „Aha. Und außerdem?“, hakte Till nach und sah mich weiterhin an. „Außerdem… wir haben uns geküsst“, murmelte ich und merkte, wie ich wieder rot anlief. Das passierte mir für meinen Geschmack etwas zu oft, seit Milo in mein Leben getreten war. „Soweit wart ihr ja schon“, meinte Till schulterzuckend. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, waren wir nicht… das war anders… wir… haben uns wirklich geküsst.“ Mein bester Freund verzog sein Gesicht zu einer Grimasse und schien mit sich zu kämpfen. „Du bist mein bester Freund. Und du weißt, ich habe immer ein offenes Ohr für dich und mich interessiert alles, was in deinem Leben so vor sich geht. Aber belasse es bei diesem Thema bitte bei den notwendigsten Informationen, okay? Ich… will keine Einzelheiten wissen.“ „Ich werde daran denken“, versprach ich. „Wir haben uns geküsst. Das war die notwendigste Information. Es ist… auch gar nichts weiter passiert… eigentlich.“ „Eigentlich?“ Eigentlich… war heute Abend einiges passiert. Tamilo hatte mich tief blicken lassen. Zu tief vielleicht für seinen eigenen Geschmack und für mich noch lange nicht tief genug. Immerhin hatte ich deutlich gemacht, dass ich nicht bereit war, aufzugeben. Erst recht nicht nach diesem Kuss. „Nik?“, versuchte Till meine Gedanken wieder einzufangen und auf ihn zu konzentrieren. „Er ist etwas ausgeflippt und hat mich vor die Tür gesetzt.“ „Okay, aber vorher ist er zum Wiederholungstäter geworden. Ganz egal kannst du ihm ja nicht sein… das ist doch gut, oder? Was ist mit Caro? Und wieso zieht er das ganze Theater ab? Warum trifft er sich nicht mehr mit seinen Freunden, habt ihr darüber gesprochen?“ Zögerlich nickte ich. Allerdings konnte ich das Wissen nicht einfach teilen. Auch nicht mit Till. Milo hatte mir seine Geschichte im Vertrauen erzählt. Das wusste ich, ohne dass er mich darauf hingewiesen hatte. „Ja, haben wir. Aber ich weiß nicht, wie viel ich dir darüber erzählen kann. Das ist Milos Geschichte und ich denke, die sollte ich für mich behalten.“ „Okay. Aber… Milo hat eine gute Begründung für das alles, hoffe ich?“ „Ja“, seufzte ich, „Ich kann seine Gründe ein Stück weit nachvollziehen.“ „Na dann…“, murmelte Till. Ich sah ihm seine Neugierde an, doch er fragte nicht weiter nach. Stattdessen wandte er sich einem anderen Thema zu. „Hast du schon mit Leonie gesprochen?“ Wieder seufzte ich. „Ich habe sie heute zurückgerufen. Ich werde mich morgen mit ihr treffen. Heute Abend hat sie sich mit Caro getroffen.“ „Was wirst du ihr sagen?“, fragte Till leise nach. Ich stieß ein kurzes humorloses Lachen aus und rieb mir über das Gesicht. „Ich habe nicht den blassesten Schimmer“, gab ich frustriert zu, „und je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger weiß ich, was ich zu ihr sagen soll. Ich bin mir sicher, sie ahnt was morgen kommt, aber das wird sie sicher nicht daran hindern, Fragen zu stellen. Und ich habe keine Ahnung, wie ich ihr die beantworten soll.“ „Du musst dich ja auch ausgerechnet in den offensichtlich nicht ganz heterosexuellen Freund meiner Ex-Freundin verlieben“, murmelte Till mitfühlend. „Mal im Ernst, Nik. Hättest du nicht in den letzten Jahren zwischendurch ein wenig Scheiße bauen können? Muss stattdessen jetzt alles auf einmal kommen? Ich würde dir so gern weiterhelfen. Aber ich bin da ebenfalls etwas ratlos. Ich bin einfach nur froh, nicht in deiner Haut zu stecken.“ „Ja, das habe ich wunderbar hinbekommen. Aber da muss ich nun durch.“ „Ich nehme mal nicht an, dass du ihr von Milo erzählen wirst, oder?“, vermutete Till. „Auf keinen Fall. Ich werde ihr so wenig wie möglich erzählen. Ich will Milo da nicht mit reinziehen. Er kann ja auch eigentlich herzlich wenig dafür, dass ich wegen ihm so am Rad drehe. Und die Gefahr, dass Leonie mit Caro darüber spricht ist viel zu groß. Und Caro traue ich absolut nicht über den Weg.“ „Irgendetwas wirst du Leonie aber erzählen müssen. Ganz einfach wird sie sich bestimmt nicht abspeisen lassen. Und du willst sie doch nicht anlügen? Das hätte sie nicht verdient.“ „Nein, ich will sie nicht anlügen. Ich werde morgen einfach um 15 Uhr bei ihr aufkreuzen und alles Weitere wird sich dann zeigen. Das Einzige was ich weiß, ist, dass ich ihr Haus morgen als Single verlassen werde. Frag mich nur bitte nicht, wie ich das anstellen werde.“ Lange schwiegen wir. Jeder von uns versunken in seinen eigenen Gedanken. Meine waren ausnahmsweise mal nicht wirklich bei Milo, sondern bei Leonie und dem bevorstehenden Gespräch, vor dem ich panische Angst hatte. „Du wirst das schon hinbekommen“, sagte Till und klang dabei überzeugter, als ich mich fühlte. „Ja, sicher…“ Nach weiteren Minuten des Schweigens fragte Till schließlich: „Wie sieht’s aus? Wollen wir eine Runde zocken?“ Ich schaffte ein müdes Lächeln, als ich zustimmend nickte. „Dafür bin ich doch hergekommen, oder nicht?“ Grinsend boxte mit Till für diese Antwort gegen den Arm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)