Reborn Märchen von ChiChii (One-Shot Sammlung) ================================================================================ Kapitel 1: Rotkäppchen ---------------------- „Rotkäppchen, komm her.“ Das war die Stimme deines Vaters, eines ziemlich missgelaunten Mannes, der seit deinem Tod seiner Frau und damit deiner Mutter immer nur trank. Jeden Morgen musstest du für ihn Alkohol besorgen und das nervte dich. „Was willst du, Alter?“, fragtest du genervt, als du in sein Büro tratst. „Bring deiner Oma Wein und Kuchen, die will schon wieder Almosen, dieser Abschaum“, meinte dein Vater genervt. „Mann, Alter, schick einen Diener los und dann hör auf zu trinken. Inzwischen bist du hauptverantwortlich für das Glasrecycling dieser Stadt.“ „Kinder sollten ihren Eltern nicht widersprechen.“ „VOI!“ Das war der Sekretär deines Vaters, der ein überaus kräftiges Stimmorgan hatte. Er arbeitete hier, seit du denken kannst, aber am liebsten würdest du ihn killen. Er war laut, hatte zu lange Haare und fuchtelte immer mit einem Schwert herum. Allerdings war er immer noch besser als dein Vater, der nur trank und immer alle Leute abknallte, die ihm schräg kamen. Nur zu gut, dass ihr zumindest genug Geld hattet, um dann den Anwalt zu bezahlen, der euch verteidigte. „Ich geh schon“, murmeltest du genervt, als der Sekretär im Zimmer auftauchte. Alles war besser als diese Irrenanstalt von Villa, in der du tagtäglich leben musstest. Du warst leider noch nicht alt genug, um abzuhauen. Außerdem hätten dich dann die Leute deiner Vaters gefunden, vorneweg sein getreuer Jagdhund, der Piercings hatte und unter der Schnauze so ein dichtes Fell, dass man es schon als Schnurrbart bezeichnen konnte. Keine halbe Stunde später hattest du Kuchen und eine Flasche Wein in eine Tasche gepackt und machtest dich auf den Weg in den Wald. Es war ein ziemlich dunkler Wald und normalerweise ging niemand dorthin, weil es allerlei unsinnige Geschichten darüber gibt. Angeblich haben einige Leute ein Monster mit einem roten Auge gesehen. Andere behaupteten, hundert Tage lang dort gewesen zu sein, verbrachten aber nur eine halbe Stunde außerhalb des Dorfes. Es waren unsinnige Geschichten und für dich demnach irrelevant. Wer sollte auch so blöde Geschichten glauben, die einfach aus Aufmerksamkeitsdefizit entstanden? Immerhin gingst du seit du gehen kannst wöchentlich in den Wald, um deine Großmutter zu besuchen und ihr Essen und Wein zu bringen. Du tatest immer so, als würdest du es ätzend finden, aber in Wahrheit mochtest du es. Es bedeutete Stille und deine Großmutter war auch cool. Es war eine alte Schreckschraube mit außergewöhnlicher Haarfarbe und sie war immer gut drauf. Normalerweise konntest du mit ihr über alles reden und auch neue Kleider bei ihr vorführen. Aber das war euer Geheimnis. Dein Vater würde dich immerhin nur so lange dorthin schicken, wie du es nicht ausstehen konntest. Er war einfach jemand, der dich dazu erzog, die Sachen zu ertragen, die du nicht mochtest. Andere Erziehungsmethoden waren ihm wahrscheinlich auch nicht geläufig. Also gingst du in den Wald und sobald das Dorf außer Reichweite war, begannst du fröhlich irgendein Lied zu singen, das dir durch den Kopf ging. Den Weg kannten deine Beine schon auswendig, weshalb du dich einfach nicht darauf konzentriertest. Stattdessen gingst du einfach immer weiter in den Wald hinein auf direktem Weg zu deiner Oma. „Kufufufu~ Was machst du denn alleine im Wald, Rotkäppchen?“ „Mein Name ist ____, du Idiot“, keifst du den blauhaarigen fremden Jungen vor dir an. Eines seiner Augen ist rot, weshalb dir sofort die Geschichte mit dem Teufel einfällt, der ein rotes Auge hat. VERDAMMTER UNSINN! Es gibt keine Teufel, es gibt keine Monster und ganz sicher ist das kein Schriftzeichen in seinem Auge. Ende. Damit ist die Sache für dich erledigt. Dachtest du. „Also, ______, wieso bist du alleine im Wald unterwegs?“ „Aufdringliche Leute werden normalerweise vor Gericht gestellt“, sagst du ruhig und gehst an ihm vorbei. Oder eher versuchst du es, denn er hält dich mit einem festen Griff am Arm fest. „Kufufufu~ So ein widerspenstiges Rotkäppchen. Du willst zu deiner Oma, nicht wahr? Solltest du ihr dann nicht ein Geschenk mitbringen?“ „Hab ich bereits besorgt.“ Ausrede. „Blumen von der Blumenwiese?“ „Ich hab eine Blumenallergie.“ Lüge. „Einen schönen Wein?“ „In der Tasche.“ Ding ding ding! Richtige Antwort! Jackpot! „Wo wohnt denn deine Mutter?“ „Unter den drei Eichen auf der Lichtung mit dem schönen Blumengatter.“ Erneute Lüge. „Du hast doch eine Blumenallergie.“ „Weil sie ja auch in der großen Villa mitten im Wald wohnt.“ Zweiter Jackpot! „Ihr seid zu laut“, stellte ein schwarzhaariger Junge fest, der aus dem Nichts auftauchte und den Fremden vor dir attackierte, wobei der allerdings den Schlagstock mit seinem Dreizack abwehrte. „Du passt nicht in die Geschichte, Jäger“, sagte der Fremde ruhig und stieß seinen Gegner zurück. Du nutztest die Gelegenheit um abzuhauen oder eher dich an den Beiden vorbeizuschleichen. Allerdings ohne Erfolg, denn fast zeitgleich sagten die Beiden: „Halt!“ „Ich bin in Eile. Wir sehen uns“, sagtest du desinteressiert und winktest kurz. Damit wäre die Sage der Teufel geklärt. Es sind einfach zwei Raufbolde, die gerne Leute verprügeln. Zumindest gehst du davon aus, dass sie gerne andere schlagen, denn es würde die Geschichte mit den hundert Tagen erklären. FALSCHE ANTWORT! Allerdings erfährst du das erst später. Als du schließlich das Haus deiner Großmutter betrittst, dass dein Vater in einem seiner fröhlichen Momente spendiert hat. Du gingst auf direktem Weg zum Wohnzimmer, wo du deine Oma vermutetest und sie auch fandst. Allerdings wirkte sie ein wenig anders, was aber nur daran lag, dass sie keine Sonnenbrille trug und eines ihrer Augen rot war und ein Schriftzeichen darin war. Irgendwie hattest du das unangenehme Gefühl, dass du dieses Zeichen kanntest. „Großmutter, wieso hast du ein rotes Auge?“ „Aber Schätzchen, das hatte ich immer schon“, meinte deine Großmutter und winkte ab. Obwohl sie schon in einem hohen Alter war, wirkte sie immer noch sehr jung und benahm sich wie in ihren besten Jahren. War allerdings nicht schwer zu erkennen an ihrer schrillen Stimme. „Nein, du hattest sicher vor ein paar Wochen noch kein rotes Auge.“ „Rotkäppchen, das bildest du dir nur ein.“ Lüge! „Du nennst mich nie Rotkäppchen.“ Woher hattest du diesen Spitznamen überhaupt? Du konntest dich nicht daran erinnern, jemals eine rote Kappe oder ähnliches getragen zu haben. Du trugst Rot im Allgemeinen nicht, außer es war zwingend notwendig. „Ach ehrlich? Dann muss ich mich wohl vertan haben. Willst du einen Tee?“ „Du trinkst keinen Tee, Großmutter.“ „Aber du, nicht wahr, Schätzchen?“ „Nein, ich trinke auch keinen Tee. Also erklärst du mir mal, warum meine Großmutter eindeutig besessen ist, Fremde?“ „Kufufufu~ Es hat noch nie jemand meine Illusionen durchschaut“, stellte der Fremde von vorhin fest und erschien im Zimmer, während deine Großmutter ohnmächtig auf die Couch sah. „Jetzt habe ich umso mehr Interesse an dir.“ „Interesse an mir? Ich kenn dich nicht mal, du Trottel.“ „Jede Woche gehst du durch meinen Wald und mit der Zeit habe ich einfach Nachforschungen angestellt“, erklärte der Fremde und trat langsam auf dich zu. Du machtest keinen Schritt zurück, das hätte Schwäche bedeutet und diese hasstest du ziemlich. Also bliebst du ruhig stehen und sahst ihn an. „Soll das jetzt heißen, du bist eine Art privater Stalker oder was?“ „Das ist ein ziemlich unfeines Wort“, meinte der Blauhaarige belustigt und blieb so knapp vor dir stehen, dass da nur noch etwa ein halber Meter zwischen euch war. „Aber ein Mädchen mit so einem Aussehen zu beobachten, dass ohne Angst jede Woche zu dieser Villa kommt, um seiner Großmutter Essen und Wein zu bringe, weckt das Interesse. Denkst du nicht auch?“ „Da ich selbst ein Mädchen bin, kann ich das schlecht beurteilen, da ich nicht in diese Richtung Orientiert bin.“ Der Fremde hatte es irgendwie geschafft, die Hand an deine Wange zu legen, ohne dass du es bemerkst und lehnte sich nun zu dir hinunter. Das einzige, was dir durch den Kopf ging, war, dass er dir deinen ersten Kuss stehlen würde, wenn du nicht reagierst. Seine Lippen waren nur noch Millimeter von deinen entfernt, als plötzlich der Jäger auftauchte und den Fremden mit einer Tonfa wegschlug. Dann sagte er ruhig: „Der Wolf darf nur Tiere und keine Menschen fressen.“ „Ich wollte sie nicht fressen, sonder küssen.“ „Regeln sind Regeln.“ „Du darfst nur Tiere schlagen und keine Menschen.“ „Du bist der Wolf, also darf ich dich schlagen“, stellte der Jäger ruhig fest und holte aus seiner Tasche einen Igel, der sich aus unerfindlcihen Gründen vervielfältigte und den Fremden angriff, der anscheinend ein Wolf in Menschengestalt war. Allmählich wurde die das Ganze zu verwirrend, weshalb du dich unauffällig aus dem Staub machtest, wobei du deine Oma mitnahmst, die inzwischen aufgewacht war. „Du meine Güte, du bist ja ganz schön beliebt bei den Jungen, Schätzchen.“ „Bin ich nicht.“ Lüge. „Und du trägst auch deine rote Schleife nicht.“ „Habe ich keine.“ Wahrheit. Hinter euch stürzte ein Teil des Gebäudes ein, aber du achtetest nicht darauf. Dir war von Anfang an klar, dass du aus der Ville hinaus musstest, wenn du nicht ernsthaft verletzt werden wolltest. Woher dieses Wissen auch immer kam. „Wollen wir dann nicht ein Gläschen Wein trinken?“ „Immer wieder gerne, Großmutter.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)