Das Märchen das kein Märchen ist~ von FunkyHeart (HaruHaru) ================================================================================ Kapitel 1: HaruHaru ------------------- ~Mein Leben war ein Märchen. Keines im eigentlichen Sinne, aber wie für viele Kinder schien das Leben für mich ein sanftes Wiegenlied zu sein. In dem Väter Helden sind, die dich vor allem Unheil beschützen und Mütter sich um dich sorgen und dein Leben mit Liebe und Fröhlichkeit erfüllen. Doch irgendwie…an einem bestimmten Punkt im Leben eines jeden Kindes, scheint das Wiegenlied zu verklingen. Die Realität holt dich ein und du musst dich den Tatsachen stellen. So etwas wie Märchen gibt es nicht. ~ Die Kälte der Nacht war in das Zimmer gekrochen und füllte es fast so aus, wie die hereinbrechende Dunkelheit. Das Stöhnen meines Freiers war verstummt und er lag neben mir und schnarchte leise. Ich deckte ihn zu und sah aus dem Fenster. Meine erste Nacht als Frau. Der Mond schien hell durch das Fenster. Das Fenster eines Hauses des Rotlichtmilieus, ein paar Kirschblütenblätter wurden in die Luft gehoben, tanzten durch die schwarze, bodenlose Nacht. Ich zog den Yukata wieder an, es war viel zu kalt, um hier noch länger herum zu sitzen und ich hatte meine Arbeit getan. Es hatte weh getan und schön war es auch nicht gewesen. Beides Sachen, auf die ich nicht vorbereitet worden war. Leise und behutsam öffnete ich die papierene Schiebetür. Mit nackten Füßen schlich ich auf den Gang hinaus und trat wenig später vor das Gemach der Hausherrin. Überall war das lustvolle Stöhnen von Männern und Frauen aus den umliegenden Zimmern zu hören. Gerade als ich etwas sagen wollte, um mich bemerkbar zu machen, schob die Chefin die Tür von Innen auf. „Haru? Solltest du nicht bei deinem Gast sein?“, sie klang freundlich und auch ihr Lächeln war liebevoll, doch ihre Augen waren kalt und passten nicht zu dem Rest und ich wusste, dass ein Fehler gewesen war hier her zu kommen. „I-ich…“, ich brach ab, als ihr kalter Blick über mich streifte. „Du hast heute gute Arbeit geleistet und einen guten Preis erzielt. Den Höchsten den dieses Haus bisher verschreiben durfte. Gut gemacht.“ Ihr Lob rührte mich auf grausame Art und Weise. Ich hatte heute Nacht meine Jungfräulichkeit verkauft und verloren und das im zarten Alter von 12 1/2. Ein paar Tränen glitten meine Wange herab und ein echtes Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht der Herrin. „Komm rein und ruhe dich aus.“ Seit diesem Tag verkaufte ich meinen Körper fast jede Nacht an den Höchstbietenden, doch bereits nach einem Jahr ödete mich das Ganze an. Das Geld war zwar nicht schlecht, aber diese alten Männer waren einfach ekelhaft. Außerdem herrschte ein ständiger Streit zwischen den Mädchen des Hauses, alle wollten den reichsten und besten Freier haben. Doch ich war und blieb die Beliebteste und das machte mir auch einige Feindinnen. Ich hatte bald genug Geld, um mich selbst frei zu kaufen und diese Chance ergriff ich sofort, als mir das letzte Geld ausgezahlt wurde, dass ich brauchte. Leider wusste ich mit der neugewonnenen Freiheit erst nichts an zu fangen und ein Dach über dem Kopf hatte ich auch nicht. Wenn die Polizei mich hier alleine finden würde, dann würden sie mich mitnehmen und in ein Heim stecken, was so ziemlich das Letzte war, was ich wollte. „Hey!“ In meinen Gedanken versunken hatte ich nicht auf die vorbeieilenden Passanten geachtet und rempelte Jemanden an. Erschrocken sah ich mich um und erblickte einen Jungen. Seine Haare waren schwarz und zerzaust, sein Blick hasserfüllt. Ich verbeugte mich und entschuldigte mich. Schnell blinzelte ich die Tränen weg. Man darf sich niemals die Blöße geben. Ein Gesetz das ich im Haus von Frau Okihawa gelernt hatte. Der Junge musterte mich kurz, sah mir in die müden, verquollenen und blutunterlaufenen Augen, sah auf meine schlichte Kleidung und hörte meinen knurrenden Magen. Peinlich berührt lies ich den Blick sinken und entschuldigte mich erneut. Plötzlich ergriff der fremde Junge meine Hand und zog mich mit sich. Er schien sich in dem Gewirr der Häuser und in dem Netz der Straßen sehr gut aus zu kennen und wenig später standen wir in einem kleinen Laden, wo er vier Portionen Sushi bestellte. Ich war zu überrascht davon, dass er mich mitnahm, als das ich hätte etwas sagen können. Außerdem wusste ich so wie so nicht, wohin ich hätte gehen können. Nach dem Einkauf ging er mit mir immer weiter an den Stadtrand und die Häuser wurden ärmlicher, die Geschäfte schäbiger und selbst die Menschen verschlossener. Er hielt kurz vor einem kleinen, unscheinbaren grauen Haus und bedeutete mir keinen Laut von mir zu geben. Ich gehorchte und folgte ihm nach Drinnen, wo er mich direkt und ziemlich unsanft in einen kleinen Schrank schubste, da Schritte zu hören waren. „Kouhei! Du kleiner Bastard. Wo hast du dich rumgetrieben?“, es war die tiefe und heisere Stimme eines Mannes. Er sprach sehr laut und die Abscheu schwang in jedem Wort mit. Der Junge schwieg und kurz darauf hörte ich ein lautes Klatschen. Unwillkürlich zuckte ich zusammen. „Antworte gefälligst! Und sie mich nicht so an, Hundesohn!“ Jetzt erklang das freudlose Lachen des Jungen: „Schön wäre es. Lieber der Sohn eines Straßenköters, als deiner!“ Ich hörte wie die Einkaufstüte knisterte. „War einkaufen. Mittagessen!“ Mit angehaltenem Atem verharrte ich reglos zwischen den nach Zigarettenrauch riechenden Klamotten. In was für einen Haushalt war ich hier bloß hineingeraten? Irgendwann, es kam mir vor wie nach einer Ewigkeit wurde ich weiter gezogen, eine Treppe herauf, einen Flur entlang und in ein kleines, aber behagliches Zimmer. Es lagen unzählige Spielsachen auf dem Boden und in der Mitte saß ein kleines Kind, ein Mädchen und spielte mit einer Puppe. Der Junge schloss die Tür leise und trat an das Mädchen heran, nachdem er mich eingelassen hatte. Er ging in die Hocke und lächelte liebevoll zu dem Kleinkind herab. „Hallo Cha~chan. Ich habe uns was zu essen mitgebracht! Sushi.“ Die Kleine klatschte lachend in die Hände. „Sushi, Sushi! Ich liiiebe Sushi.“ Kouhei strich ihr durch das blonde Haar und nickte. „Ich weiß, Cha~chan.“ Mit diesen Worten setzte er sich auf den Boden, räumte ein paar Spielsachen zur Seite und sah mich erwartungsvoll an. „Na komm schon. Wenn ich hätte beißen wollen, dann hätte ich das längst getan.“ Umständlich befreite ich mich von dem kleinen Rucksack und meiner etwas zu großen Jacke, dann setzte ich mich zu den Beiden und er schob mir ein Packet Sushi hin. Er wiederum teilte Seines mit der Kleinen. Ich stocherte eine Weile unbeholfen in dem Essen herum. Sushi gab es im Haus Okihawa nur höchst selten, denn Fisch und besonders Lachs war teuer. „Ich heiße Haru.“, sagte ich leise und eher zu meinem Essen, als zu den Kindern. Cha~chan lächelte mich an. „HaruHaru~“ Mit ihrer fröhlichen, unbeschwerten Stimme entlockte sie mir ein Lächeln. Das erste Lächeln seit knapp zwei Jahren. »Dies war die Geburtsstunde meines Namens, meines neuen Lebens und meiner ersten Begegnung mit Ko. << Kapitel 2: Sora erwacht zum Leben~ ---------------------------------- ~Das Wiegelied war in jener Nacht verstummt. Der Alltag fraß nicht nur an mir und meinen Nerven, sondern auch an Denen meiner Freunde. Alle Leute streben nach Wissen und suchen ein Weiterkommen. Stillstand wurde mit Ignoranz und Missbilligung bestraft. Doch mit einem Helden an meiner Seite gelang es mir wieder auf zu stehen und wieder näher an mein Ziel zu gelangen… Nein. Kein Märchen. Meine Geschichte. ~ „Kouhei! Verdammt jetzt warte mal. Ich bin nicht so schnell wie du.“ Atemlos standen wir uns gegenüber. Er lehnte sich erschöpft an eine Wand und ich stütze meine Arme auf den Knien ab und schüttelte ungläubig den Kopf. Meine Lungen schmerzen unerträglich. Vorsichtig zog ich das Mikro aus meiner Tasche und wir grinsten uns an. Der Verkäufer des Elektroladens hatte uns zwar erwischt, wie wir es geklaut hatten, doch wir waren zu schnell gewesen. „Sind wir damit komplett?“ „Schlagzeug, Bass, Gitarre und das Mikro…Japp!“, Ko nickte und riss triumphierend die Arme in die Luft. „Sora ist komplett.“ Ich klemmte mir eine lange braune Haarsträhne hinter das Ohr und lächelte ihn an. Ich kannte Kouhei jetzt schon ein Jahr und er hatte mir echt geholfen. Durch ihn hatte ich ein Dach über dem Kopf und ging zur Schule. Einer spontanen Eingebung folgend fiel ich ihm um den Hals und küsst ihn auf die Wange. „Wir sind frei. Wir sind Sora!“, sagte ich und lachte, als er mit angewidertem Gesicht den Kuss von seiner Wange wischte. „Übertreib nicht, HaruHaru!“ „Jaja~“, ich streckte ihm die Zunge raus und begann in das Mikro zu singen mit heiserer und tiefer, sexy Stimme. „I am what I am, I am my own special creation, So come take a look, Give me the book or the ovation. It´s my world that I want to have a little pride in. My world and it´s not a place I have to hide in. Life is not worth a damn, till you can saaaay…“ “I AM WHAT I AM!”, sangen wir Beide aus vollem Hals. So singend gingen wir durch die Straßen. Ko war selten in so guter Stimmung gewesen und ich genoss es diese Seite an ihm zu sehen. Sonst war er immer sehr gefühlskalt, hielt die Leute in seiner Nähe auf Abstand, doch manchmal hatte er solche Momente und dann fand ich ihn unglaublich anziehend und war noch lieber bei ihm als ohnehin schon. Best friends eben. Ich hatte es geschafft mit Hilfe von Kinderhilfsorganisationen eine eigene kleine Wohnung zu finden, ich ging zur Schule, wie alle anderen Kinder auch und abends ging ich anschaffen. Ja. Ist man einmal in diesen Strudel gekommen und weiß man erst mal wie einfach man mit Sex und seinem Körper Geld machen kann, dann will man eigentlich nichts anderes mehr tun. Warum hart arbeiten, wenn eine Nacht mit einem Mann bis zu 200 Euro einbringen konnte? Stolz war ich nicht darauf, doch es machte mir das Leben angenehmer und erträglicher. Ich konnte mir viel leisten und war wirklich gut in dem, was ich tat. Ich kann nicht mal erklären warum ich es kann. Es war mir in die Wiege gelegt worden. Ein gutes Aussehen und die Chance sich so aufreizend und perfekt zu bewegen, dass die Typen sich Scharenweise nach mir umdrehten. Es genügte ein Lächeln und schon hatte ich fünf neue Oberteile, ein teures paar Schuhe oder eine Markenhandtasche. Für mich war es einfach ein leichtes die Männerwelt um den Finger zu wickeln und dabei spielte das Alter nie eine Rolle. Nur Ko war unnahbar für mich was ihn für mich nur attraktiver machte. Immer wieder hatte ich Flirts gestartet, doch er vergnügte sich lieber mit anderen Mädchen, die genau so schnell gingen wie sie gekommen waren. Ich ließ mich auf die Bank fallen und lächelte Ko an. „Das war´s aber erst mal für heute. Ich habe noch viel zu tun und es wird eine lange Nacht.“ Kouhei wusste welchen Geschäften ich nachging und er verlor nie ein Wort darüber, weder ein Gutes, noch ein Schlechtes. Auch diesmal nicht. Er nickte nur und trank was von seinem Schokomilchshake. Schokolade war für ihn das großartigste Genussgut. Kakao, Bitterschokolade, Katzenzungen und Lind Schokohasen. Alles was aus Schokolade war, war gut. Warum konnte ich nicht aus Schokolade sein? Niedergeschlagen seufzte ich und sah zu wie er für mich und sich bezahlte. Ich hatte einen Vanille-Erdbeer-Shake, wie jedes Mal, wenn wir an der Eisdiele vorbei kamen. Laut unserer Meinung machten sie die besten Milchshakes auf der Welt. Was natürlich schwer zu sagen ist, wenn man nie weiter als aus diesem Kaff herausgekommen ist, doch das war uns egal. Wir schlenderten durch die belebten Straßen, wichen hier und da einem Fahrradfahrer aus und warteten mit der Menschenmenge an Ampeln. „Küss die Hand~“, erklang eine Stimme hinter uns und eine Hand schlang sich um meine Taille eine Andere legte sich um Kouhei´s Schulter. Ich strahlte. „Sasu!“, voller Stolz hielt ich ihm das Mikrophon unter die Nase. „Dein Instrument ist jetzt auch da! Wann findet die erste Bandprobe statt?“ Sasu starrte verwundert auf das Hightechteil: „Leute! Oh Gott!“ Er war sichtlich aus dem Häuschen und blieb sogar einen Moment stehen, anstatt mit uns über die Kreuzung zu gehen, dann eilte er uns nach. „Wie krass ist das denn bitte?“ Kurzerhand wirbelte er mich einmal um meine eigene Achse und ich lachte. Dann zog er mich wieder an sich. „Hi~“, sagte ich flirtend und er grinste frech auf mich herab. Sasu war der Gründer der Band „Sora“ und der Liedsänger. Das genaue Gegenteil von Ko. Er war eine Frohnatur mit dem Talent die Leute zu begeistern und mit zu reißen. So war es ihm auch gelungen Kouhei in die Band zu holen. Akira war noch in der Schule und musste nachsitzen, was für schadenfrohes Gelächter sorgte. Typisch Kira. „Morgen nach der Schule im alten Theater, ja?“ fragte Sasu und strahlte mit leuchtenden Augen in die Runde. „ Ich bring was zum anstoßen mit.“ Ko hob die Brauen. Er mochte nichts, was mit Drogen und Alkohol zu tun hatte, da sein Vater selbst ein Alkoholiker war. Sasu bemerkte seinen Blick und grinste. „Nichts Schlimmes!“, erklärte er. „Was haltet ihr von…Milchshakes?“ Ich lachte wieder und hob den Becher in meiner Hand. „Wow! Einfallsreich. Du kommst immer auf die besten Ideen. Ist ja schon Jahre her, dass ich das letzte Mal einen Milchshake getrunken habe.“ Dafür kniff er mir in den Hintern und ich musste noch mehr lachen. „Stelle nie die genialen Ideen des Sängers ins schlechte Licht!“, erklärte er und haut mir dann nochmal auf den Po. Ich nickte. „Wie der Sänger wünscht. Die Gitarristin muss sich jetzt aber verabschieden. Muss sich stärken bevor sie arbeiten geht!“ Ein Zwinkern meinerseits, ein Grinsen von Sasu´s Seite und ein Nicken von Kouhei. Damit verabschiedete ich mich. Kapitel 3: Geburtstag im Diner ------------------------------ ~Die Zeit verstreicht ohne Pause. Man verliert sich aus den Augen und findet sich wieder, ein Kreislauf den man nicht aufhalten kann. Er steht und fällt mit den Entscheidungen der Menschen.~ „Herzlichen Glückwunsch, MashMash.“, sagten wir im Chor und er pustete die Geburtstagskerzen aus. Er sah verblüfft aus. Wunderte er sich über sein Alter? Scheiße, schon 14, wo bleiben die Falten? Seine Mimik verriet irgendwie die Frage: Wo sind die Jahre geblieben? Ich zog ihn mit, während die anderen Leute anfingen den Kuchen zu schneiden und auf zu teilen. Lächelnd wand ich mich zu ihm um, als wir ein Stückchen entfernt waren vom Tisch. Aus der Jukebox dran irgendein Elvis Song. „Ich hatte keine Zeit ein Geschenk für dich zu kaufen, weil ich gerade in der Schule so viele Arbeiten schreibe. Also habe ich mir solange was Anderes überlegt.“ Ohne weiter darüber nach zu denken befreite ich ihn von der Sonnenbrille, nahm sein Gesicht in meine Hände und gab ihm einen liebevollen Kuss. Schmunzelnd stellte ich fest, dass er rot wurde und ich löste mich kurz darauf von ihm. Damit hatte er scheinbar nicht gerechnet und die neidischen Blicke der Jungs im Diner durchbohrten ihn. Ich biss mir kurz auf die Unterlippe und setzte ihm die Sonnenbrille wieder auf. „Alles Gute zum 14ten Geburtstag.“ Gekonnt warf ich mir die Haare zurück und schob ihn schnell wieder auf seinen Platz zurück, damit die anderen Jungs ihm nicht den ganzen Geburtstagskuchen wegfraßen. Ich tippte mit dem Zeigefinger kurz in die kleine Schüssel mit Sahne und steckte ihn mir dann in den Mund, wofür Oda, der Besitzer und Koch des Diners mir einen bösen Blick zu warf. Schnell verbeugte ich mich und lächelte schuldbewusst in seine Richtung. Er war immer sehr aufmerksam und gewissenhaft. Oda~san passte auf uns Alle auf, sorgte für gutes und günstiges Essen. Das Diner war so etwas wie das zweite zu Hause für die Jungs und Mädchen, die auf den Strich gingen. Aoi drückte mir einen Teller mit einem Stück Kuchen in die Finger und ich sah ihn lächelnd an. „Danke~“ Er lächelte süß zurück und grinste dann. „Ich habe es mit meinem Leben verteidigt, wehe es schmeckt dir nicht!“, mit gespielt böser Miene sah er mich an. „Außerdem hast du wieder abgenommen, etwas mehr auf den Hüften schadet dir nicht.“ Schnell setzte ich ein geschocktes Gesicht auf und musterte den Kuchen. „Mit deinem Leben verteidigt? Heißt das an diesem Stückchen klebt Blut?“, Aoi sah mich kurz erschrocken an, dann setzte er eine verschlossene, geheimnisvolle Miene auf und hauchte: „Wer weiß~“ Wir lachten und teilten uns das Stück, weil ein Anderer sich unterdessen Aoi´s Kuchen gekrallt hatte. Ich erklärte Aoi, dass alleine essen dick macht und das ich ganz toll teilen könnte. Meine zweite Familie. Mash hatte einen tollen und unbeschwerten Geburtstag, ohne Überdosis, ohne Prügelei. Heimlich beobachtete ich ihn, ich hatte noch nicht viele Worte mit ihm gewechselt, doch ich mochte ihn sehr gerne. Mir gegenüber brachte er nie viel raus, aber das machte ihn zu einem guten Zuhörer. Die Jungs fanden, dass er einfach nur ein schräger Vogel sei, ein Glasauge und diese merkwürdigen Narben, die sich an seinen Mundwinkeln entlang zogen. Er verdeckte sein Gesicht immer mit einer großen Sonnenbrille und einem Mundschutz. Früher war er bestimmt mal echt hübsch gewesen, jetzt glänzte er durch sehr extremes Selbstbewusstsein, manchmal einem losen Mundwerk, was ich nur von den Anderen wusste, mit mir redete er ja nicht viel und mit einer inneren Stärke, weshalb ich gerne mit ihm zusammen frühstückte. Meistens aber saß er schon mit einem Grüppchen am Tisch, wenn ich das Diner betrat. Am Anfang nahm ich sein Verhalten noch echt persönlich, doch mit der Zeit gewöhnte ich mich daran und stellte fest, dass er mit den Meisten auf ganz eigene Art und Weise redete. Zu Aoi war er ziemlich frech, Kikki ärgerte er zwar auch gerne, doch da war irgendwie auch was sehr liebevolles in dem Gekabel, zu Yoschio war er kumpelmäßig, manchmal aber auch leicht flirtend, was Yoschio aber sofort abblockte. Ich habe diesen verrückten Haufen einfach ins Herz geschlossen und ohne ihn möchte ich nicht mehr sein, auch wenn ich mit zunehmendem Alter etwas weniger ins Diner gehe. Ohne sie wäre ich nicht Die geworden, die ich heute bin. Kapitel 4: Kouhei ----------------- ~Liebe ist eine mächtige Waffe. Sie kann schlimmere Wunden hervorrufen als das beste Schwert, denn welches Schwert kann ein Herz schon brechen und den Besitzer am Leben lassen? Stirbt man an gebrochenem Herzen eigentlich? ~ Ich hatte schon einige Beziehungen und wenn die Hälfte davon auf Liebe beruhte, dann waren es Viele. Die meisten der Jungs waren für meinen Geschmack fast noch zu kindisch, unreif und die Anderen zu alt, welterfahren, nur selten habe ich Freunde gehabt, die in meinem Alter waren. Irgendwie fand ich das nie sonderlich ansprechend. Ich war fast fünfzehn, als ich Kouhei aus den Augen verlor und ich selbst verlies die Schule mit 16, weil ich einen unglaublichen Absacker hatte, dagegen ist eine Null-Bock-Phase ein Scheißdreck. Meine langen braunen Haare ließ ich abschneiden und färbte sie blond, dass hatte was freches und kesses sagten mir die Leute und es würde mir ganz hervorragend stehen, doch ich lenke vom Thema ab. Eines Abends traf ich auf Jomie. Er war aus Korea und studierte seit neustem in Tokyo. Ich persönlich gehe am liebsten in die Clubs der Hauptstadt, da ist die größte Chance die besten Kunden zu bekommen, auch wenn die Hin- und Rückfahrt immer eine Tortur ist. Für ihn war Alles noch fremd und neu. Seine Mitbewohner hatten ihn einfach in eine Bar geschleift in der ich gerade versuchte Geld zu verdienen. Aus einem Grund, der mir heute entfallen ist, war er mir sofort ins Auge gefallen, als er eintrat. Seine ganze Art war anders. Er gehörte einfach nicht in dieses Nachtleben, nicht in Clubs und schon gar nicht nach Tokyo. Jomie kam eigentlich aus einem kleinen Dorf, wo Jeder Jeden kannte und plötzlich stand er inmitten einer Weltstadt, wusste weder wo er war, noch was ihn geritten hatte diese Bar zu betreten. Seine Freunde vergnügten sich prächtig, sie quatschten Mädels an, tranken reichlich und verschwanden immer wieder zwischen den schwitzenden, zappelnden Leibern auf die Tanzfläche. Doch der junge Student stand alleine in mitten der bunten Lichter und dem lauten Beat, wusste offensichtlich nichts mit sich an zu fangen. Gerade als er sich umdrehen wollte um zu gehen, nahm ich seine Hand und zog ihn rüber an die Theke. Es ist schwer zu sagen warum ich es tat, vielleicht, weil ich mich an diesem Abend genau so alleine fühlte, wie er aussah, genau so verloren in einer glücklichen, lachenden Menschenmasse? Spielte jetzt auch keine Rolle mehr. Wir tranken etwas, tanzen mit einander und das muss ich jetzt mal sagen: Jomie war ein junger Gott was das tanzen anging. Würde ich je wieder einen Mann treffen, der so tanzen kann, ich würde ihn heiraten, dass schwor ich mir an diesem Abend. Denn…angetrunkene Japaner brechen ihrer Traumfrau die Füße, ehe sie sich einmal richtig zur Musik bewegen, doch mit diesem Jungen zu tanzen war unglaublich. Auf merkwürdige Weise erotisch. So kam es, dass ich mit ihm in dieser Nacht in kleine Wohnung ging, die er erst kürzlich bezogen hatte. Eine typische Studenten WG, eine typische Jungen-WG. Der Sex mit ihm war wie das Tanzen. Nie hat es ein Mann geschafft mich so um den Verstand zu bringen wie er. 19 Jahre, eine unglaubliche Ausstrahlung und der Mann mit dem ich ohne jeden Zweifel alt werden wollte. Da war ich mir tausend prozentig sicher und das mit 16 Jahren. Nach dem siebten Date beschlossen wir was Ernsthaftes daraus zu machen und ich war glücklich wie noch nie zuvor. Endlich ging es aufwärts. Einen gut bezahlten Job. Ein toller Freund. Eine schöne kleine Wohnung. Wie nicht anders zu erwarten war das Glück nur von kurzer Dauer. Er fand recht bald heraus, was für eine Wirkung er auf japanische Frauen ausübte und ich bin mir sicher, dass seine Mitbewohner ihren Teil dazu betrugen, er betrog mich unzählige Male und das ganz offen. Meinte er dürfte das ja auch, wenn ich so mein Geld verdiente. Damit hatte ich nicht gerechnet oder vielmehr, nicht rechnen wollen. An einem Abend brachte er seine zwei Freunde mit zu mir, alle Drei waren ordentlich angeheitert, doch ich schaffte es nicht sie aus dem Haus zu jagen, als ich schließlich mit der Polizei drohte tickten sie voll aus. Der Eine verpasste mir eine Ohrfeige der Andere schleuderte das Telefon gegen die nächste Wand. Jomie schwieg und zuckte nur die Achseln. Der Kerl der mich geschlagen hatte geilte sich Zusehens daran auf mich zu verletzten und mir ein paar Schmerzensschreie zu entlocken. Jomie reagierte nicht. So kam es zum Schlimmstmöglichen. Ich musste mit dem Kerl schlafen, sonst würde er mir immer weiter Gewalt antun. Jomie kratzen meine Schreie nicht. Nach dieser ernüchternden Erfahrung schaltete mein Kopf ab und das ganze folgende Jahr verbrachte ich wie ferngesteuert. Wechselte den Wohnort, änderte die Handynummer und wollte das Ganze nur noch vergessen. Scheiß auf Liebe und Beziehungen. Selbst meine Freier hätten sich nie gewagt mir so etwas an zu tun. Ich erwachte erst wieder, als ich auf der Straße angesprochen wurde. „HaruHaru?“, fragte mich eine vertraute Stimme und ich sah verblüfft in Kouhei´s hübsches Gesicht. Er war richtig erwachsen geworden, kaum noch wieder zu erkennen, ich musste zwei Mal hinsehen bis mir klar wurde, dass er es war. Ich strahlte ihn an. „Wer will das wissen“, fragte ich und viel ihm lachend um den Hals. „Hallo Ko. Wow! Du siehst gut aus, um nicht zu sagen „geil“!“ Kouhei lächelte kurz und erwiderte die stürmische Umarmung halbherzig. War ja nicht anders zu erwarten, immer noch der Alte, unnahbar. Wir gingen in ein Cafe und erzählten uns gegenseitig, wie es uns ergangen war. Er lebte jetzt in einer Vier-Mann-WG, wobei die Eine eine Hardcore-Lesbe war, hatte eine eigene Band, namens „KoKoRo“ und war der berühmt berüchtigten japanischen Mafia, den Yakuzas beigetreten. Schien richtig was erlebt zu haben der Junge. Verdammt! Er sah wirklich gut aus! Und mir waren nie diese süßen Grübchen aufgefallen, wenn er lachte. Allgemein hatte er eine angenehme Stimme. Unwillkürlich setzte sich bei mir der Flirt-Modus in Betrieb. Ach was sag ich? Er schoss mit Volldampf drauf los. Leider tauchte eine Woche später Jomie wieder in meinem Leben auf und bis heute ist es mir ein Rätsel, wie er mich gefunden hat. Auf jeden Fall endete es in einer Schlägerei zwischen Ko und Jomie, die Kouhei mit einem einzigen perfekten Schlag gewann. Doch mit diesem Schlag gewann er nicht nur einen Kampf, sondern auch mein Herz. Wir wurden ein Paar. Es war eine ganz andere Art von Beziehung, als die, die ich bisher geführt hatte, sie war auf der einen Seite so freundschaftlich und kumpelhaft, auf der Anderen so liebevoll und, sogar für Ko´s Verhältnisse, romantisch. Durch die Arbeit als Yakuza hatte Kouhei einen unglaublichen Hass gegen die Menschen entwickelt. Dieser Hass war mit Sicherheit schon von Anfang an da gewesen, doch nicht in diesem Ausmaß. Man hätte sagen können, er war der „Antimensch“. Er hasste Alles und Jeden…bis auf mich, was ich unbeschreiblich süß fand. Doch auch diese Beziehung endete irgendwann, allerdings ruhig und ohne weitere Probleme, im Gegenteil, wir blieben die besten Freunde, ab und zu überkam uns nochmal das Gefühl, dass wir Händchen halten durch die Stadt schlendern wollten, aber ansonsten war einfach Alles ganz wunderbar bei Alten geblieben. Dafür liebte ich Ko. Für seine unkomplizierte Art. Naja und kurz darauf trafen wir Zwei auch Sasu wieder. Er half mir mich von der Prostitution zu entfernen, weg kommen werde ich davon wie gesagt wohl nie, aber es war ein Anfang in ein sehr schönes unbeschwertes Leben, voller Freunde. Ich zog bei ihm ein und wir verbrachten eine tolle Zeit zu Dritt. Jetzt hat Kouhei einen Freund, sein Name ist Ko-kii und er ist ein echt toller Mensch. Das Schönste, was ich mir für Ko nur vorstellen konnte. Kii ist so verständnisvoll und fürsorglich und Ko blüht an seiner Seite richtig auf. Ich freue mich riesig für die Beiden und mit etwas Glück werde ich irgendwann ja auch mal meinen Ko-kii treffen. Doch so lange lebe ich glücklich und zufrieden bis ans Ende aller Tage. ~Märchen mit offenem Ende gibt es nicht, doch ich finde meine Geschichte endet auf gewisse Weise märchenhaft und verdient wohl doch zu Recht den Namen…Märchen… The End bis jetzt…~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)