Schrei der verlorenen Kinder von lovegirlAiko ================================================================================ Kapitel 9: Chloes Erinnerungen ------------------------------ Chloes Erinnerungen Laute Kinderstimmen waren zu hören. Sie lachten, schrieen und kreischten vergnügt, dass man sie durch die Gänge des Gebäudes hörte. Am Eingang des Gebäudes verwies ein Schild darauf, dass es um eine Schule handelte. In einem Raum saßen mehrere Jungen und Mädchen und spielten. Eine junge Frau betrat in Begleitung eines weiteren Mädchens den Raum. Die Kinder sahen neugierig auf, als sie beide bemerkten. Die junge Frau klatschte in die Hände, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Morgen, ihr Rabauken! Wie ich sehe, seid ihr wieder voller Energie!“ lachte sie. Sie wies auf das junge Mädchen neben sich, welches schüchtern in die Runde blickte. „Ich hab euch eine neue Mitschülerin mitgebracht. Sie ist gerade in unser schönes Städtchen gezogen. Ihr Name ist Chloe. Heißt sie willkommen und seid nett zu ihr.“ Die junge Lehrerin schob Chloe zu den Kindern. Diese nahmen sie begeistert in Empfang. ~~~ „Ich muss mich wirklich für meine Tochter entschuldigen. Es war alles sehr viel für sie. Erst die Trennung von meinem Mann und mir und jetzt der Umzug hierher. Sie ist eigentlich so ein liebes Mädchen, aber sie vermisst ihren Vater.“ Hayley seufzte. Die junge Lehrerin schüttelte sanft den Kopf. „Machen sie sich keine Sorgen. Chloe wird sich sicherlich bald eingelebt haben. Glauben sie mir, Kinder können so etwas recht schnell wegstecken. Wenn sie erst einmal jemanden gefunden hat, mit dem sie sich versteht, wird sich alles wieder einrenken. Glauben sie mir.“ ~~~ Im Schulhof stand Chloe alleine in einer Ecke und blickte zu Boden. Wenige Meter von ihr entfernt wurde ein Mädchen in ihrem Alter von älteren Kindern geärgert. Sie schubsten sie, sodass sie hinfiel. „Aua! Ihr seid gemein!“ schrie sie auf. Chloe blickte auf und blickte zu ihnen hinüber. „Aua! Ihr seid so gemein!“ äffte eins der älteren Kinder. Chloe ging zu ihnen hin und half dem Mädchen auf. Diese blickte sie verwirrt an. „Danke…“ bedankte sie sich. Den älteren Kindern schien das nicht zu gefallen. „Was willst du den? Willst du auch paar auf die Nase?“ Chloe drehte sich zum Sprecher um. „Tu’s doch! Was anderes könnt ihr doch sowieso nicht! Warum sucht ihr Euch nicht Gegner, die es mit euch aufnehmen können, statt sich an Schwächeren zu vergreifen!“ Die Augen von Chloe glitzerten entschlossen. Das andere Mädchen sah sie bewundernd an. Die älteren Kinder blickten sie verblüfft an. Die junge Lehrerin kam dazu. „Na, was ist den hier los? Werdet ihr von den großen geärgert, Mädchen?“ Chloe schüttelte den Kopf. „Ich nicht, aber sie.“ Sie zeigte auf das andere Mädchen. Diese nickte. „Sie haben mich zu Boden geschubst. Chloe hat mir aufgeholfen.“ Die älteren Schüler machten sich aus dem Staub. Die Lehrerin blickte ihnen nach. „Typisch, wenn es Ärger gibt, sind sie schnell weg. Aber macht Euch keine Sorgen. Sie werden ihre Strafe bekommen. Hast du dir wehgetan, Heather?“ Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Dank Chloe nicht.“ „Da bin ich aber froh. Chloe, du bist sehr mutig, wenn du dich einer Gruppe älterer Schüler stellst, um deiner Kameradin zu helfen.“ ~~~ „Heather, Chloe! Wie seht ihr den aus? Seid ihr in diesem Regen etwa im Dreck rum gesprungen?“ Beide Mädchen blickten sich triefendnass und mit schmutziger Kleidung grinsend an. Die Lehrerin schlug die Hände über den Kopf zusammen, während der Rest der Klasse kicherte. „Ihr raubt mir noch den letzten Nerv, ihr Zwei!“ Heather blickte auf. „Das wollen wir wirklich nicht, Frau Lehrerin, aber es macht soviel Spass, im Regen zu spielen. Oder, Chloe?“ Chloe nickte und grinste noch mehr. ~~~ „Ach, wen haben wir den da? Unser unzertrennliches Duo aus der 2. Klasse. Immer noch so frech?“ Die älteren Schüler lauerten ihnen auf. Heather und Chloe blieben erschrocken stehen und sahen sich an. Bevor sie reagieren konnten, wurden sie zu Boden geschupst. „Oh, seid ihr gestolpert? Kommt, wir helfen Euch auf.“ Mit diesen Worten wurden beide an den Füssen gepackt und Kopf über gehalten. Heather schrie auf. „Hey! Lasst uns runter! Sonst…“ Weiter kam sie nicht. „Sonst was? Sonst sagt ihrs eurer Lehrerin? Oder Euren Eltern? Oh, da haben wir aber Angst!“ Sie lachten. „Ihr Feiglinge! Fühlt ihr Euch so toll, nur weil ihr es uns Jüngeren jetzt gezeigt habt? Oh, wie toll! Ihr seid ja so gut! Das nenn ich Stärke! Jüngere fertig machen! Ihr seid ja so mutig! Das ich nicht lache, ihr Witzfiguren!“ Chloes Gesicht war rot vor Wut. Die Älteren wussten nichts darauf zu erwidern und ließen beide Mädchen los. Beide rappelten sich langsam auf. Die Älteren liefen weg. Heather begann zu schluchzen. Chloe nahm sie in den Arm. „Chloe! Bitte! Sag nichts meinem Papa…“ „Keine Angst! Ich werde nichts verraten. Das ist jetzt unser Geheimnis! Wir sagen es keinem. Wenn die Feiglinge es noch mal versuchen, dann werden wir mit ihnen schon fertig.“ ~~~ „So, Kinder! Ruhe! Jetzt seid bitte ruhig! Ich weiß nicht, ob ihr alle es schon wisst, aber es werden einige Familien vermisst. Es fehlt jede Spur von ihnen. Wenn jemand etwas gehört, oder gesehen hat, soll es bitte sagen.“ Die Lehrerin sah mitgenommen aus. Ein Mädchen hob zögerlich den Kopf. Ihr standen Tränen in den Augen. „M…Meine beste Freundin gehört zu ihnen. Wir wohnen nebeneinander. A…als sie verschwand…. Da… da war da ein Schrei zu hören. S…seit dem… ist… ist sie weg.“ Das Mädchen brach in Tränen aus. Die Lehrerin ging zu ihr und nahm sie in den Arm. Ein Junge lachte. „Ein Schrei, dass ich nicht lache! Du glaubst doch nicht wirklich, dass dieser Schrei Schuld an ihrem Verschwinden ist.“ Die Lehrerin wollte etwas sagen, doch das Mädchen in ihren Armen meldete sich empört zu Wort. „Natürlich war es der Schrei! Ich hab’s gesehen! Als der Schrei ertönte, wurde alles dunkel im Haus! Und seit dem sind sie weg! Einfach so!“ Chloe und Heather sahen sich an. Wieder meldete sich der Junge zu Wort. „Du lügst doch! Das hast du sicher nur erfunden.“ „Ich lüge nicht! Es war wirklich so!“ Die Lehrerin griff ein. „Stopp! Aufhören, alle beide! Michael, hör auf, sie eine Lügnerin zu beschimpfen.“ [center"]~~~ Die Lehrerin stand vor der Klasse und sprach kein Wort. Sie war blass. Fast bleich. Ein Mädchen weinte. „Es tut mir leid, Kinder. Wieder hat sich die Liste der Vermissten vergrößert. Dieses Mal gehört Michael auch dazu. Die… die Nachbarn sprachen von einem Schrei…“ Die Lehrerin brach ab. Ein Mädchen erhob sich. „Ich hab’s doch gesagt!!! Es war der Schrei! Der Schrei hat sie verschwinden lassen!“ Chloe und Heather hielten sich die Hände. Sie blickten zu Boden. Ein Junge in der Klasse hob zögerlich die Hand. Die Lehrerin nickte ihm zu. „Frau Lehrerin, was… was ist mit alljährlichen Nachtwanderung? Wird... wird sie dieses Jahr gemacht?“ Die Lehrerin nickt. „Nach langen Gesprächen haben wir uns entschlossen, die Wanderung zu machen. Viele Eltern werden sicher dagegen sein, deshalb sagt mir bitte rechtzeitig bescheid, ob ihr mitgehen werdet oder nicht.“ ~~~ „Stellt Euch in Zweireihen auf. Und bleibt zusammen!“ Die Lehrerin blickte auf ihre Schüler. Die Nacht hatte sich über das Städtchen gelegt. Alle Kinder waren in Begleitung ihrer Eltern zur Nachtwanderung erschienen. Die Kinder folgten dem Geheiß der Lehrerin. Schon wenig später wanderten sie durch den dunklen Wald. Chloe und Heather hielten sich einander die Hände. „Ich hab Angst. Du auch, Chloe?“ Die Angesprochene nickte. „Ja. Aber das ist ja auch der Sinn einer Nachtwanderung.“ Heather nickte. „Ja, aber das macht mir nicht so viel Angst, wie die Sache mit dem Schrei.“ Chloe schluckte hörbar. „Zum Glück sind meine Mama und dein Papa mitgekommen. Sonst wäre ich zu Hause geblieben.“ Heather klammerte sich noch mehr an ihre Freundin. „Ich wäre jetzt am Liebsten in meinem Bett. In meinem schönen, warmen Bett und würde meine Kuscheltiere an mich drücken.“ Sowohl Chloe, als auch Heather sahen sich immer wieder um. „Ja, das wäre mir auch viel lieber…“ murmelte Chloe leise. Die Nacht war schon sehr weit fortgeschritten, als sie alle um ein großes Lagerfeuer auf einer Lichtung herumsaßen. Die Stimmung war angespannt und erdrückend. Niemand sprach ein Wort. Nur das Knistern des Feuers war zu hören. Heather und Chloe saßen dicht aneinander gedrängt zwischen Hayley und Gavin. Plötzlich begann das Feuer in sich zusammenzufallen und nahm eine leicht bläuliche Farbe an. Einige Kinder schrieen auf. Mitten in den nun kleinen Flammen stand jemand. Chloe und Heather wurden von ihren Elternteilen auf die Füße gezerrt. Blass starrten sie auf die Gestalt im Feuer. Chloe wurde unruhig. „Wir müssen hier weg.“ wimmerte sie. Auch Heather zog an der Hand von Gavin. „Bitte! Ich hab Angst! Lasst uns von weg hier gehen!“ Hayley und Gavin sahen sich an und nickten. Sie bewegten sich vom Feuer weg. Einige waren neugierig geworden und traten näher an das Feuer heran. Man hörte die Lehrerin überrascht aufkeuchen. „Aber… Michael!! Wie kommst du ins Feuer?!“ Einige eilten zum Feuer, um dem Jungen zu helfen. Chloe und Heather entfernten sich mit ihren Eltern immer mehr vom Feuer und waren schon am Rand der Lichtung angekommen. Viele Kinder entfernten vom Feuer, während die Erwachsenen versuchten Michael aus den Flammen zu befreien. Im Schatten der Bäume angelangt, blieben alle Flüchtenden irritiert stehen. In der Dunkelheit waren seltsame Geräusche zu hören. Scharrende Geräusche. Am Feuer waren die Erwachsenen erschrocken zurückgewichen. Einige liefen rücklings stolpernd vom Feuer fort. Dann, plötzlich, sah man deutlich den Jungen in den Flammen. Seine Umrisse flackerten stark. Er legte den Kopf in den Nacken. Alle blickten zu ihm hin. Hayley und Gavin handelten. Sie nahmen ihre Kinder und drückten sie an sich. Chloe und Heather wurden so in die Kleidung gedrückt, dass sie nichts mehr sahen. Beide Erwachsenen rannten in den Wald. Weg vom Feuer. Weg vom Jungen, der einst Michael genannt worden war. Weg vom Schrei, den er nun ausstieß. Ein Schrei, lang gezogen und unmenschlich. Wie nicht von dieser Welt. Viele hatten die Flucht ergriffen, als der Schrei ertönte. Doch wer hinsah, der sah, dass sie nicht sehr weit kam. Die Flammen des Lagerfeuers stießen empor und griffen nach jedem, den sie erreichen konnten. Jene, die sie nicht erreichten, zerfielen zu Staub, als wären sie aus Sand. Nur wenige waren der Hölle am Lagerfeuer lebend entkommen. Diese sammelten sich in der Schule. Viele Kinder gehörten zu den Überlebenden, doch hatten sie ihre Eltern verloren. Auch waren sie nicht wirklich da. In ihren Augen spiegelte sich das Erlebte immer wieder von neuem ab. Chloe und Heather saßen aneinandergeklammert vor ihren Eltern. Hayley und Gavin sahen sich an. In ihren Händen glänzten Revolver. Sie nickten sich zu. „Mai! MAI! Wach auf!“ Robin hielt Mais Hand fest im Griff, als diese sich krampfartig aufbäumte. Joe und Stan hielten sie jeweils an den Beinen und dem anderen Arm fest. Wieder versuchte Robin die schweißgebadete Mai aus ihrem Alptraum zu befreien. „Mai! Wach auf! MAI!“ Dieses Mal schienen die Worte zu ihr durchzudringen. Kraftlos sank sie zurück ins Bett und schlug flackernd die Augen auf. Die Männer ließen sie erleichtert los. Stan und Joe ließen sich erschöpft auf dem Sofa ihres gemieteten Zimmers sinken. Robin beugte sich besorgt über Mai. „Hey… Alles in Ordnung?“ Mai brach in Tränen aus. Robin nahm sie in den Arm. Schluchzend begann Mai zu sprechen. „Wer ist diese Chloe, das ich ständig von ihr träume? Ich kenne sie nicht! Ich bin ihr noch nie begegnet! Dies weiß ich! Und trotzdem träume ich von ihr, als würde ich in ihr Leben sehen. Was ist das?“ Die völlig aufgelöste Mai klammerte sich Halt suchend an Robin. Dieser strich ihr beruhigend über den Kopf. „Du siehst ihr Leben?“ Mai nickte. „Ja. Nicht alles. Aber vieles. Ich sehe ihre Mutter Hayley. Ihre beste Freundin, Heather mit ihrem Vater, Gavin. Ich versteh das alles nicht!“ Robin reichte ihr ein Glas mit Wasser. „Hier, trink. Das wird dir gut tun. Ich glaub, ich weiß, was das ist. Du träumst von Chloe, weil es ihre Erinnerungen sind.“ Mai nahm ein Schluck. „Und warum träume ich ihre Erinnerungen? Ich kenne sie nicht!!“ Robin schüttelte den Kopf. „Du musst sie nicht kennen, um ihre Erinnerungen zu träumen. Dies kann viele Gründe haben. Vielleicht bist du ihre Wiedergeburt. Oder aber es gibt etwas, was euch verbindet. Oder, und das vermute ich eher, ist es deine Gabe. Deine Gabe zeigt dir die Erinnerungen von jemanden, um ihm zu helfen.“ Mai sah ihn skeptisch an. „Um ihn zu helfen?“ Robin nickte. „Ja, das gibt es häufiger. Mit der Gabe bist du in der Lage, dich in die Person hineinzuversetzen und kannst die Person retten. Entweder um ihn vor Dämonen zu retten, oder um ihn die Reise ins Jenseits zu ermöglichen.“ Mai schüttelte den Kopf. Robin seufzte. „Diese Frage sollten wir klären, wenn du ausgeschlafen bist. Ruh dich jetzt.“ Mai nickte und gab Robin das Glas zurück. Dann legte sie sich hin und schloss die Augen. Die Männer erhoben sich und verließen den Raum. Robin blieb an der Tür stehen. „Wenn etwas sein sollte, wir sind unten vor dem Empfang.“ Dann schloss er die Tür. „Ich glaube nicht, dass Chloe Hilfe braucht.“ murmelte Mai, bevor sie einschlief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)