Rainbow von Rainblue (Gebrochenes Licht) ================================================================================ Kapitel 6: Gebrochenes Licht ---------------------------- „Terra!“ Sie stieß es so laut hervor, dass sich ihre Stimme überschlug. Noch während sie die Decke beiseite riss, tastete sie nach den Schuhen, fand sie, quetschte hektisch die Füße hinein. Und dabei kreisten noch immer die Worte des Fremden in ihrem Kopf. Der Tonfall, in dem er sie gesagt hatte… sein weiches Flüstern. Sie warf den halben Brotlaib und die Wasserflasche unter die Decke und eilte dann so schnell wie nur möglich aus dem Schloss. Im Park herrschte Grabesstille; noch gespenstiger als vorher, wenn es denn zu übertreffen war. Ihre Schritte polterten auf dem Weg, im Gleichschlag mit ihrem Herzen; unrhythmisch, stotternd. „Terra“, murmelte sie immer wieder zwischen den gehetzten Atemzügen. „Terra.“ Etwas stimmte an der ganzen Sache nicht, aber sie wusste, dass es er es gewesen war – im ersten Teil des Satzes. Der Fremde hatte ihn gesprochen, als würden zwei Personen darin leben. Aqua versuchte, nicht mehr darüber nachzudenken, sondern sich nur noch auf das Laufen zu konzentrieren. Noch schneller. Sie strauchelte, stolperte einige Male auch, raffte sich wieder auf. Tief hängende Äste zogen an ihr, schnitten ihr ins Fleisch… Egal. Ziellos trieb sie sich zu noch mehr Eile an, spürte nur eine unbestimmte Ahnung in sich aufkeimen, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, ihm näher zu kommen. Terra. Auf einmal schoss Übelkeit in ihren Magen und sie lehnte sich – ungern – an den Stamm eines Baumes, holte zittrig Luft, hielt sich den Bauch und wartete, dass etwas passierte. Schließlich spuckte sie nur Galle ins Gras; zum Glück. Aber warum verkrampfte sich überhaupt alles so in ihr? Was war hier los? Sie wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und blickte zur Lichtung hinüber. Schwarze, unkontrolliert zuckende, Fühler drangen aus den Schattenflecken am Boden, dann ein runder Kopf und ein Rumpf mit unförmigen Gliedmaßen. Sie unterdrückte ein Stöhnen, beschwor das Schlüsselschwert ihres Meisters und griff blitzschnell aus dem Hinterhalt an. Als nur noch Dunst über die Lichtung verteilt wurde, hob sie schwer den Kopf und warf ihn in den Nacken. Kein Mond. Keine Sterne. Lichtloses Nichts. Lebendig begraben… „Bitte…“, presste sie hervor. „Hör auf, dich vor mir zu verstecken.“ Nichts geschah und sie glaubte schon, er würde sie wieder im Stich lassen, als eine Silhouette in ihrem Augenwinkel erschien. So langsam ihre Beherrschung es zuließ, drehte sie sich um. Zwischen den Bäumen stand eine schwarz gewandete Gestalt, verwischend wie ein Zerrbild. Aqua rührte keinen Finger, aus Angst, er würde erneut fliehen. Sie musste sein Gesicht nicht sehen, vielmehr konnte sie seiner Haltung entnehmen, was in ihm vorging. Sie kannte diese aufrechte unerschütterliche Würde im Oberkörper, das Neigen des Kinns, die geballten Fäuste, alles… Sie biss sich auf die rissige Unterlippe und die Düsternis unter der Kapuze neigte sich nur leicht zur Seite, als könne er ihren Anblick nicht ertragen. Und in erschreckender Plötzlichkeit bildete sich hinter ihm eine zischende schwarze Wolke. Aqua dachte fieberhaft nach, wo sie etwas Vergleichbares gesehen hatte. Denn das hatte sie zweifellos. Der Fremde schritt rückwärts, bis sein Körper vollständig darin eingetaucht war und blieb. Sie ließ das Schwert verschwinden und trat zögernd näher. Die wabernde Masse vor ihr verströmte eine unangenehme Kälte – wie entseelt. Aber wenn sie ihm nicht folgte, kehrte er vielleicht nie mehr zurück. Etwas an ihr entwaffnete ihn und dass dieser Umstand nicht seiner Idee entsprach, konnte selbst ein Blinder erkennen. Aber er hatte ihr diese Tür aufgeschoben. Was bezweckte er bloß mit alledem? Sie streckte eine Hand aus und zuckte zurück, als die Schattenzungen des Portals darüber strichen. Wie Nadelstiche, eiskalt, sogar im Blut noch fühlbar. Sie atmete tief durch, nahm allen Mut zusammen und stürmte hinein. Nach einigen Schritten wurde es heller, aber Aqua hielt die Augen geschlossen. Zu unerträglich waren die frostklirrenden Winde, die ihre nackte Haut peitschten, zu laut die Stimmen der dunklen Verführung, zu allmächtig der bittersüße Duft der Finsternis. Die alten Traumfetzen brachen unter ihrer Hülle hervor, strömten ungehindert in ihr Bewusstsein ein. Ven, fallend aus einer Untiefe, der Körper von Eiskristallen gesprenkelt. Sie konnte ihn nicht auffangen, ehe er am Boden aufkam und in schillernden Regen explodierte, den der Sturm verteilte. In alle Winde verstreut. Unauffindbar. Eraqus, den toten Blick auf das Schlüsselschwert gerichtet, es entzweibrach und ohne ein Wort zu Boden warf. Sie konnte ihn nicht aufhalten, ehe er sich abwandte und in den Abgrund der ewigen Nacht desertierte. Für immer verloren. Unverabschiedet. Und Terra, der Blick von Qual gezeichnet, ihre Hände, die sich an seine Wangen schmiegten, als er anfing zu flackern. Sie konnte ihn nicht festhalten, ehe er zwischen ihren Fingern schmolz, zerrann und im Boden endgültig versickerte. Lebendig begraben. Unerreichbar. Das letzte, was sie wahrnahm war eine weitere schwarze Wolke direkt vor ihr. So nah, aber nicht nah genug. Die Augen hatten sich geöffnet, um sie zu sehen, und sich nun wieder zu schließen… unabänderlich. Terra, bitte sag mir. Was wird aus uns? „Du kannst den Schmerz schlucken so oft du willst. Er häuft sich unweigerlich in deinem Herzen an und verschwindet nie. Bis irgendwann kein Platz mehr ist.“ Der Übergang von schwarz zu weiß war so nahtlos, dass Aqua nicht wusste, ob sie wirklich ohnmächtig geworden war oder nur in einer Art Halbschlaf die Wolke erreicht hatte. Die schreckliche Atmosphäre war jedenfalls abgeklungen. Unter ihr breitete sich makellos glatter, kühler Boden aus; weißer als frischer Schnee. So rein, dass es in den Augen wehtat. Sie erlaubte sich ein Stöhnen, bevor sie sich aufsetzte und fragend umsah. Ein Zimmer. Komplett in diesem penetranten Weiß gestrichen. Außer einem unbequem wirkenden Bett befand sich nichts weiter darin. Es war so unpersönlich, steril und nichts sagend wie nur möglich, aber warum wurde Aqua dann nicht das Gefühl los, jemand würde hier wohnen? Vorsichtig kam sie auf die Beine, durchmaß den Raum mit wenigen Schritten und blieb an der Fensterfront stehen, hinter der sich ihr eine ähnlich triste Schwärze wie im Reich der Dunkelheit darbot. Und trotzdem… konnte es sein, dass sie sich nicht mehr dort befand? Allein die Vorstellung hätte sie in Tränen ausbrechen lassen können. Sie berührte mit den Fingerspitzen das Glas. Da unten war eine Stadt zu sehen. Übervoll mit künstlichen Lichtquellen, als hätte jemand einen verzweifelten Ersatz für die Abwesenheit von echtem Licht schaffen wollen. Was für ein abstrakter Ort. Eine schwache Erinnerung drang zu ihr durch. Hatte vorhin, als sie geglaubt hatte, bewusstlos zu sein, nicht jemand etwas zu ihr gesagt? Gleichzeitig mit der Erkenntnis, wurde sie sich dem Blick im Rücken gewahr und wirbelte herum. Offenbar hatte er schon die ganze Zeit dort gestanden. Wieso nur war ihr das entgangen? Lag es daran, dass dieser Mann keine greifbare Aura besaß? So als… ja, so als würde er nicht wirklich existieren… Aqua schauderte. Er sah sie lange an und es gelang ihr nicht, etwas zu sagen, geschweige denn zu bewegen. Als ließe der Blick, den sie nicht mal sah, sie versteinern. Nach der schieren Unendlichkeit ihres Schweigens, kam er unvermittelt auf sie zu. Widerspruchslos, steif, ließ sie geschehen, dass er ihre Schultern packte und sie rückwärts schob. Gerade als ihr linker Hacken gegen die Wand tippte, verstärkte er plötzlich den Druck und stieß sie hart dagegen. Die unerwartete Vehemenz rüttelte sie wach, befreite sie aus dem Bann, in den seine Ausstrahlung sie gewoben hatte. Sie nutzte die Gunst der Stunde, dass er direkt vor ihr stand und streifte ihm rasch die Kapuze vom Kopf. Silbernes Haar wurde entblößt, ein nahezu desinteressierter Zug um den Mund und ein Paar – auf beängstigende Art – wunderschöne, goldene Augen. Sie hatte vorgehabt, sich von ihm loszumachen, aber jetzt verwandelte sie sich erneut in eine starre Marionette und war unfähig, sich selbst zum Schweigen zu bringen. Das Wort sprang ungehindert, und von Fassungslosigkeit befallen, aus ihrem Mund. „Terra!“ Bei dem Namen zuckte es kaum merklich in seinem Mundwinkel. Er behielt die Hand an ihrer rechten Schulter, aber mit der anderen packte er ihr Kinn und zwang es unsanft höher, damit sie ihn nicht länger ansehen konnte. „Wage es nicht, mich noch einmal mit diesem Namen anzusprechen.“ Obgleich seine Stimme ruhig und gedämpft blieb, schnitt ihr die Schärfe darin glasklar ins Bewusstsein. Es lief ihr kalt den Rücken runter. „Erst nimmst du dir die Impertinenz heraus, dich in meine Träume zu schleichen und jetzt dringst du ungebeten hier ein.“ Ungebeten? „Du“, bekam sie hervor und wand sich in seinem Griff, bis sie ihn wegstoßen konnte. „Du hast mich doch hergebracht!“ Er musterte sie mit regungsloser Abschätzigkeit. Das machte sie krank. Dieses Gesicht so zu sehen; gleichgültig, arrogant, herablassend. „Wer bist du?“, knurrte sie. Der Mann neigte das Kinn noch tiefer und lächelte auf eine Art, die ihr das blanke Grauen einflößte. „Du glaubst ernsthaft, das würde ich dir verraten?“ Sie hasste es, aber seine schneidend verächtlichen Worte rammten ihr einen eiskalten Stachel ins Herz. Sie biss so fest auf die Unterlippe, dass ein Blutstropfen die Spitze ihres Eckzahns umfloss, zwang sich aber, ihn weiter anzusehen. Diese Augen. Es war Terras Gesicht, aber nicht seine Augen und das war der entscheidende Fehler daran. Nur warum fühlte sie dann dieses dunkle, ruchlose Verlangen in ihrem Inneren? Warum zuckten ihre Finger, als sich kurz die Vorstellung, ihn noch mal zu berühren, in ihren Kopf stahl? Ein Bild tauchte vor ihr auf. Das Gesicht jenes Mannes, den Terras Körper und Xehanorts Herz darin, geschaffen hatten. Aber der Mann vor ihr war nicht derselbe. Oder? Irgendetwas war verkehrt, widersprüchlich. Aber was? „Wenn du mich als lästig ansiehst“, begann sie leise und beobachte genau, wie ihre Worte sich auf seine Züge auswirkten, „warum hast du dann sichergestellt, dass ich überlebe?“ Er war ein hervorragender Verbergungskünstler, aber eine Reaktion gewann sie ihm doch ab. Ein schnaubendes Lachen, von Spott verzogen für einen Außenstehenden, für sie mit einem Zwischenton namens Verzweiflung bemalt. Er konnte sie nicht täuschen. „Das habe ich nie getan.“ Und anlügen auch nicht. Ihre nächsten Worte wählte sie mit Bedacht, um ihn noch weiter aus der Reserve zu locken. „Und wie bin ich dann hergekommen? Du müsstest wissen, dass jeder, der auch nur halbwegs bei Trost ist, jegliche andere Welt dem Reich der Dunkelheit vorziehen würde.“ Ihr war bewusst, dass ihr Eindringen ihn provozierte. Aber was wollte er schon tun? Ihr mit bloßen Händen den Hals umdrehen? Das sollte er erstmal versuchen. Sie hatte ihn schon einmal besiegt. „Wenn du mich also tot sehen willst, hättest du mich auch einfach dort allein lassen können.“ Sie hörte, wie seine Zähne knirschend aufeinander trafen und schluckte, um die aufkommende Furcht zu vertreiben. Wie machte er das nur, dass sie sich in seiner Gegenwart so unbedeutend und klein vorkam? Doch mit jedem ihrer Worte hatte seine Maske weitere Furchen bekommen. Es fehlte nicht mehr viel, bis sie ganz abfallen würde. Beherzt ging sie das nächste Risiko ein und kam nach wenigen Schritten direkt vor ihm zu stehen, sodass sie die Dunkelheit, die ihn umgab, riechen konnte. Dieser grauenhaft köstliche Duft, wie süßer Rauch, der im Rachen kratzt, aber auch so unwiderstehlich schmeckt. Und darunter, kaum wahrnehmbar, die feine Note von Erde… Jemand, der nicht genau verfolgt hatte, was während Aquas Sätzen in seinem Gesicht geschehen war, würde sagen, er sah noch immer gleichgültig aus. Aber sie erkannte die gut versteckten Hinweise auf das, was er dachte. „Ich weiß, dass du da drin bist…“, flüsterte sie und legte behutsam eine Hand an seine Wange. Er wich nicht aus, aber sie registrierte das Beben, das durch seinen Körper ging. „…Terra.“ Ihr blieb nur noch so viel Zeit, zu sehen, wie seine Augen erst in unkontrollierbarer Wut aufblitzen und dann – für weniger als den Bruchteil einer Sekunde – blau wurden. Dann packte er das Gelenk der Hand, die an seiner Wange ruhte, so fest, dass sie vor Schmerz aufkeuchte. Ein Arm schloss sie um ihre Taille und mühelos hob er sie hoch, drehte ihren Rücken zur Wand und stieß sie grob dagegen. Aqua versuchte sich zu befreien, aber der Mann war unfassbar stark. Er griff auch nach dem anderen Handgelenk, zerrte ihre Arme über den Kopf und näherte sich ihr, bis nur noch ein Blatt zwischen ihre Lippen gepasst hätte. Ausweichen befand sich nicht mehr im Bereich des Möglichen. Die goldfarbenen Augen bohrten sich in ihre. „Terra…“, wisperte er drohend und der Name klang wie ein Schimpfwort, „wird dir jetzt nicht mehr helfen können.“ Ehe sie die Botschaft verstanden hatte, presste er seine Lippen auf ihre. Sie wand sich, biss ihn, kämpfte wie eine Besessene, aber das schien ihn nur noch mehr zu reizen. Sie schmeckte Blut, als er ihre Lippen aufzwang; sein Blut, das durch ihre Zähne hervorgerufen worden war. Und obwohl sich alles in ihr dagegen warf, gab es einen schändlichen Fleck auf ihrem Herzen, der nach mehr verlangte. Der sich ihm und seiner rauen Leidenschaft hingeben wollte, der mehr von seinem Blut kosten, mehr von seinem Körper fühlen wollte… Nein!, schrie es in ihr, aber der Protest wurde von einem Schauer verdrängt, als seine freie Hand ihren Oberschenkel packte und das Bein um seine Hüfte schlang, während er sich verboten eng an sie schmiegte. Sie bekam kaum mit, dass sich Tränen in ihre Augenwinkel gestohlen hatten. Aber eine davon rann knapp neben ihrer Nase hinunter, mitten in den brutalen Kuss hinein. Und ließ ihn innehalten. Jäh löste er sich von ihr, die Lippen ein Spiegelbild dessen, wie sich ihre eigenen anfühlten; flammend rot von Blut und dem Gefecht ihrer Münder. Ausgelaugt von dem inneren und äußeren Kampf sank ihr Hinterkopf gegen die Wand, während sie ihn kraftlos ansah. War das, was sie glaubte zu erkennen, echt? Oder spielte das ermattete Bewusstsein ihr einen Streich? Es machte den Anschein, der Mann würde mit sich ringen; nicht fassen können, was er gerade getan hatte und gleichzeitig nicht den Funken von Reue dafür empfinden. Für einen Moment traute sie der Hoffnung, aber dann gewann das zweite Gesicht, das das nicht Terra gehörte, die Oberhand und zeichnete sacht die Kontur ihrer Halsbeuge nach. Man hätte es als zärtliche Geste deuten können, doch das boshafte Lächeln, das dabei auf seine Züge glitt, jagte ihr pulsierendes Entsetzen in die Knochen. „Ich werde dir etwas verraten, meine Schöne…“, raunte er und nahm eine ihrer Haarsträhnen zwischen die Finger. „Um den letzten Widerstand dieses törichten Jungen zu vernichten, wäre mir jedes Mittel recht. Und Folter soll bekanntlich am verwundbarsten machen…“ Sie verstand nicht, als er plötzlich den Verschluss in ihrem Nacken löste, sie wieder hochhob und auf das Bett warf. Er beugte sich über sie, legte erneut die Lippen auf ihre, während seine Hände, sein Körper, jede Berührung fordernder und resoluter wurde. Da begriff sie und nahm alle Kraft zusammen, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Sie kratzte, schlug, trat, biss immer wieder, sodass sie auch sich selbst in Mitleidenschaft zog. Aber es hatte keinen Sinn. Er war so viel stärker als sie. All die Tage im Reich der Dunkelheit verlangten doch ihren Preis… Er würde sie vergewaltigen, um ihm wehzutun. Er schreckte vor nichts zurück, um das, was von Terra noch in ihm lebte – und kämpfte – auszumerzen. Das durfte sie nicht zulassen. Sie musste etwas unternehmen! Und plötzlich hatte sie auch eine Idee. Sie ließ sich unter ihm erschlaffen, als hätte die Gegenwehr ihre Grenzen erreicht, wartete, dass er unvorsichtig wurde. Er schmunzelte an ihren Lippen und seine Berührungen verloren etwas an Gewalt. Als er ihren Hals zu küssen begann, so zärtlich, genauso wie Terra, konnte sie die neuen Tränen nicht aufhalten. Er hatte sich dem Mantel entledigt und durch die verschwommene Sicht betrachtete sie das Spiel seiner Arm- und Schultermuskeln. Behutsam ließ sie die Hand in ihre Tasche gleiten, griff zu und zog die Faust wieder hervor, als er gerade dabei war, ihr Korsett aufzuschnüren. „Terra, bitte!“, rief sie und öffnete die Faust. Wie erhofft fing der Wegfinder an zu leuchten und der Mann wich zurück, krampfte sich zusammen, als würde ihn etwas von innen heraus verbrennen. Aqua wollte den Augenblick nutzen, um unter ihm durchzuschlüpfen und die Flucht zu ergreifen, aber er hielt sie zurück, versuchte ihr den Glücksbringer zu entreißen. Noch einmal biss sie die Zähne zusammen und holte alles, was an Energie noch übrig war, aus ihren Ressourcen heraus. Bei ihrem Gerangel fuhr ihre Hand über seine Brust und sie spürte mehr, als sie sah, dass die scharfe Kante ihres Wegfinders seine Haut aufschnitt. Augenblicklich ließ er von ihr ab. Taumelte rückwärts, eine Hand auf die Wunde gedrückt, als würde der kleine Kratzer ihm Höllenqualen bereiten. Und Aqua ahnte, wieso. Immer wieder lohte Blau statt Gold in seinen Augen auf. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, in der sie nur da kauerte und zusah, wie sich vor ihr ein Akt der inneren Rebellion abspielte. Aber als es vorüber war, stand er mit tief geneigtem Kopf da, eine Hand auf die Augen gelegt, sodass sie nicht wusste, wer die Auseinandersetzung für sich entschieden hatte. Bis er unvermittelt einen Arm ausstreckte und neben der Tür wieder eine dieser schwarzen Wolken entstand. Erschrocken kroch Aqua rückwärts, nicht mehr Herr über ihren Körper, der vor Angst fast verrückt wurde. Indes war er wieder näher getreten, den gefühllosen Goldblick auf sie geheftet, umfasste mit eisernem Griff ihren Arm und zog sie schroff auf die Beine. „Du hattest Recht, ich hätte ich dich dort verrecken lassen sollen. Aber es ist nie zu spät, einen Fehltritt auszugleichen.“ Mit diesen Worten beugte er sich ein letztes Mal herab um ihr einen harten Kuss aufzudrücken und die verbliebenen Blutspuren von ihren Lippen zu lecken. Dann wurde sie heftig zur Seite, in die Wolke hinein, gestoßen. „Terra!“, schrie sie mit Tränen erstickter Stimme, sah aber nur noch den Rücken und das silberfarbene Haar des Fremden, das allmählich schwand, als sich die Finsternis davor schob. Es wurde still. Aqua wusste, dass sie sich zusammenreißen musste. In diesem Zustand war sie besonders anfällig für die Dunkelheit, aber… aber… „Wieso?“, schluchzte sie, den Wegfinder an die nasse Wange gelegt. „Wieso nur?!“ Zu spät. Es gab keine Möglichkeit mehr, es aufzuhalten. Die Risse waren zu tief. Alles bebte. Sie sank vornüber, vergaß, was eben geschehen war, vergaß alles davor, ihr Leben, ihre Aufgabe, jedes Wort und… zersprang. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)