Ausgerechnet Er... von Corab ================================================================================ Kapitel 9: Der Handel --------------------- So, dieses Kapitel schließt jetzt den Rückblenden-Arc ab und serviert die letzten Puzzlestücke für das Finale, das in den nächsten beiden Kapiteln eintreten wird, natürlich viel zu spät. D: ____________________________________________________________________________ Kapitel 16: Der Handel Mohuku atmete tief ein, dann wieder aus. Seine mit blutbesprenkelten Handschuhen bekleidete Hand zitterte und schaffte es dabei eigenartigerweise, den Takt der flackernden Straßenlaterne zu treffen. Mit stummem Entsetzen blickte er noch einmal zu der Tür, die zu einem Spalt geöffnet war. Wieder durchzuckten ihn die Bilder. Hiroki, wie er um Gnade winselte. Wie er um Entschuldigung bat, während sich das Messer hob und senkte, sich die Edelstahlklinge jedes Mal tiefer in seinen Körper grub, bis sie schließlich komplett die Farbe seines Lebenssaftes angenommen hatte. Mohuku hielt inne. Hatte er wirklich getan, was er eben gesehen hatte? Fast war er versucht, nachzusehen, doch er entschied sich in dem Moment um, in dem die Klarheit seinen Geist einholte. Er war sich jetzt sicher, dass er Hiroki getötet hatte. Obwohl, besann er sich schließlich, getötet hört sich so sehr nach Verbrechen an. Ich habe ihn bestraft. Bestraft dafür, dass er meine Schwester ermordet hat. Ein zufriedenes Grinsen fand zwischen den Falten seinen Platz auf Mohukus Mund. Er hatte es wirklich getan. Er hatte geschafft, was er sich vorgenommen hatte. Er fühlte sich wunderbar. Das Gefühl hielt an, bis ihm ein weiterer Gedanke in den Sinn kam. Mit einem hastigen Zucken seines Kopfes sah er sich um. Niemand war auf der einsamen Straße, keine Licht erhellte die Fenster der Nachbarhäuser. Niemand hatte ihn gesehen. Er atmete erleichtert aus und hastete dann davon, da er nicht vorhatte, diesen Umstand noch nachträglich zu ändern. Ein Tuch verdeckte große Teile seines Gesichts, um eine Identifikation unmöglich zu machen. Sein Gerechtigkeitssinn sollte seine Existenz nicht zerstören, und er war sich sicher, dass das nicht passieren würde. Er war schließlich nicht umsonst Kommissar Mohuku, der rechtschaffene Polizist, dem es in Ausübung seines Amtes sicherlich gelingen würde, die Ermittlungen in die richtige Bahn zu lenken. Er beendete seinen kurzen Sprint, als er schließlich vor seinem grauen Wagen angekommen war. Er hatte genau auf die naheliegenden Häuser geachtet, nach verdächtig wackelnden Vorhängen gesucht, doch nichts entdecken können. Und seine Fähigkeit, Details zu berücksichtigen war schon immer eine seiner Stärken gewesen. Lässig zog er sich die Handschuhe von seinen Händen und warf sie über die nahegelegen Brücke zusammen mit dem Messer in den Fluss. Mit einem immer breiteren Grinsen schloss er seinen Wagen auf, den er im Schatten geparkt hatte, damit niemand beiläufig das Kennzeichen mitbekommen konnte. Als die Wagentür ins Schloss gefallen war, ließ sich Mohuku abermals die komplette Szenerie durch den Kopf gehen und suchte nach potenziellen Schwachpunkten. Doch es gab keine. Mordwaffe und Fingerabdrücke waren entsorgt. Zeugen gab es keine. Und was auch immer möglicherweise an Kleidungsfasern zurückgeblieben sein mochte, würde allzu bald vernichtet werden. Eine dämonische Fratze bildete sich auf Mohukus Gesicht, als er die wankenden Schatten der durch den Wind bewegten Baumkronen betrachtete. Seine Tat war wie dieser Schatten, einmal ans Licht gezerrt würde keine Spur zurückbleiben. Es war das perfekte Verbrechen. Er ließ den Wagen an. Mohuku wusste nicht, dass es doch Zeugen gegeben hatte. Zeugen, die sich noch besser in Schatten zu verstecken vermochten, als irgendeine ihm bekannte Person, er selbst eingeschlossen. Zu seinem Glück war das Interesse dieser Zeugen an seiner Tat rein professioneller Natur. Der Porsche 356A fuhr erst los, als Mohukus Wagen außer Sichtweite war. Gin grinste und warf seiner Beifahrerin einen Blick zu, der in gleichem Maße angsteinflößend wie zufrieden war. „Diesen Mann will ich, Wermut,“, er fuhr los. „Diesen Mann brauchen wir.“ Mehrere Wochen waren nun vergangen und jedes Detail von Mohukus Plan war zu seiner Erfüllung gelangt. Zu keinem Zeitpunkt war er in der unglückseligen Angelegenheit des Todes von dem Ehemann seiner Schwester je zu den Verdächtigen gezählt worden. Sorgfältig und systematisch war es ihm gelungen, jedes potenzielle Beweisstück zunächst auf Verfänglichkeit zu untersuchen, bevor es einer polizeilichen Analyse unterzogen werden konnte. Auch seinen Ausbruch im Krankenhaus hatte er sorgfältig den wachsamen Polizistengeistern vorenthalten. Nichts und niemand konnte ihn jetzt noch aufhalten. Das hatte er zumindest gedacht. Viele Kalenderblätter hatten seit seinem Mord an Hiroki den Weg von seiner Wand zu seinem Mülleimer gefunden, als der Anruf eintraf. In Mohukus Gedächtnis, seit jeher bemerkenswert und leistungsstark, hatte sich jener Abend mit einer besonderen Intensität eingebrannt, ihn gebrandmarkt. Jener Abend, der ihn vom bösen Menschen zum Monster gemacht hatte. [align type="left"] Sein altertümlicher Fernsprecher klingelte mahnend zum dritten Mal, ein unangenehm penetrantes Geräusch. Wie üblich ließ sich Mohuku Zeit mit dem Entgegennehmen seiner Anrufe, niemand sollte glauben, ihm für Eile wichtig genug zu sein.[/align] „Hier Mohuku.“, ließ er dann endlich eine schroffe Begrüßung verklingen. Am anderen Ende war eine Frau, die Frau, die sein Leben ebenso schnell erobern sollte, wie sie in es getreten war. „Das war beeindruckend.“ Ein spöttischer Klang, der ihn stets verfolgen sollte. „Wie Sie mit dem Ehemann ihrer Schwester verfahren sind.“ Der Schock, der Mohuku in diesem Moment durch all seine Glieder, jede Faser seines Körpers zuckte, war unbeschreiblich. Seine Perfektion, sein perfektes Verbrechen, auf einmal zerfielen sie zu Staub, vernichtet durch einen einzigen, kurzen Satz. Nach einer viel zu langen Pause erhob er die Stimme endlich wieder. „Wovon reden Sie bitte?“ In dem Satz steckte noch zu viel seines Entsetzens, auch, wenn er sein bestes gab, überrascht, aber nicht verstört zu klingen. Mit einer billigen Suggestion sollte ihn keiner hereinlegen. „Sie wissen genau, wovon ich rede. Wie Sie mit dem Messer aus dem Haus gerannt sind. Eilig, und doch sorgsam. Eine wunderbare Darbietung.“ War diese Frau eine Ermittlerin? War er doch ins Radar geraten? Mohuku wählte seine Worte sorgfältig, um einem Verdacht keinen Nährboden zu geben. „Wovon reden Sie bitte? Was sind das für Unterstellungen?“ „Ein Kampfmesser. Eine wunderbare Wahl. Wer hätte gedacht, dass ein führender Kommissar wie Sie so etwas besitzt?“ Als er ihre Aussage zu der Art des Messers hörte, stutze er. Woher wusste sie das? Hatte es doch Zeugen gegeben? Mit einem ärgerlichen Kopfschütteln verwarf er den Gedanken. Sicher hatte sie es aus der Form der Einstichwunden geschlossen. Diese Frau war bestimmt eine Ermittlerin, die ihn dazu bringen wollte, sich selbst zu überführen. Doch so leicht fiel er nicht auf Fallen herein, die er selbst so oft gestellt hatte. „Ich habe immer noch keine Ahnung, wovon Sie reden. Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, tun Sie es jetzt, sonst lege ich auf.“ Ein wenig störte ihn seine Wortwahl. „Wenn sie mir etwas zu sagen haben“, klang verdächtig, aber wenn es doch eine Zeugin war, musste er erfahren, was sie wusste. Und direkt belastet wurde er durch seine Aussage auch nicht, noch war er auf der sicheren Seite. „Ich denke, dass Sie genau wissen, wovon ich rede.“ „Dann lege ich jetzt - “ „Wollen Sie mich treffen? Oh, was rede ich, natürlich wollen Sie das. Es nagt an Ihnen, nicht wahr? Wie kann das sein? Niemand hat mich gesehen. Das denken Sie doch? Aber irgendwo, tief in Ihnen, da ist sie dann doch, die keimende Saat des Zweifels. Sie werden nicht auflegen.“ Er schluckte. Diese Frau machte ihm Angst, zum ersten Mal wirkliche Angst. In ihrem beiläufigen Tonfall seine Gedankengänge erklärt zu bekommen, macht ihn verrückt. Man durfte ihn nicht durchschauen. Niemand durfte das. „Das ist... Wenn... Also, wenn ich Sie tatsächlich treffen wollte, wo fände ich Sie dann?“ Er fluchte innerlich. Wenn sie jetzt eine Ermittlerin war und eine Aufnahme dieses Gesprächs vor Gericht abspielte, würde das schlechte Licht in seiner schönsten Form auf ihn strahlen. Nein, überlegte er dann, ich werde einfach sagen, dass ich einer möglichen Spur nachgehen wollte. Schließlich scheint die Frau ganz offensichtlich was gesehen zu haben, da würde ich als leitender Kommissar doch natürlich einlenken? Ja, das wird gehen. Er lächelte zufrieden. Ihre Falle würde ihn nicht fangen. Der Hörer knackte. „Wo ich bin? Nun,“ Sie lachte leise. „direkt vor Ihrer Tür.“ Die Türklingel läutete. „Wer sind Sie?“ Seine Reaktion auf die platinblonde Frau in seiner Haustür war konventionell, fast schon klischeehaft. Wenn er sich je für Filme interessiert hätte, wäre ihm das Gesicht der Schauspielerin vielleicht bekannt vorgekommen, doch so wusste er nur eines: Bei der Polizei hatte er sie nie gesehen. „Mein Name ist vorläufig irrelevant, viel wichtiger ist doch mein Angebot.“ Wieder schien sie amüsiert. „Wollen Sie mich nicht ins Haus bitten?“ „Natürlich...“ Mühsam seine Verwunderung im Zaum haltend begab er sich ins Innere des Hauses und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Ihre Augen funkelten und begutachteten sein Haus mit Interesse. Ihr Auge blieb an seiner Funkausrüstung hängen. „Oh, Sie sind Amateurfunker? Das stand nicht in unserer Akte.“ „Ja, ich habe früher gerne falsch SOS gefunkt.“ Viel lieber hätte er sich erkundigt, welche Akte zur Hölle sie meinte, doch er wollte in der folgenden Konversation die Oberhand behalten, und überraschte Neugier schien ihm wie Schwäche. „Ist das nicht strafbar?“ „Ich wurde nie erwischt.“ Sie kamen in dem rustikal, aber gemütlich eingerichteten Wohnzimmer an, wo sich die Frau ohne Nachfrage auf einen Stuhl fallen ließ. Er tat es ihr gleich. „Ihr Angebot?“, begann er das Gespräch ohne überflüssige Höflichkeiten. „Selbstverständlich.“ Sie atmete seufzend aus und steckte sich – wieder ohne Nachfrage – eine Zigarette an. „Ich vertrete eine Interessengemeinschaft, die sich jenseits Legalen bewegt.“ Er grunzte, um seine Abneigung ihren Euphemismen gegenüber zum Ausdruck zu bringen. „Yakuza?“ „Mehr als das.“ „So? Und was wollen Sie von mir?“ „Wir sind an einer Zusammenarbeit mit Ihnen interessiert.“ „Mit mir?“ Er lachte trocken. „Ich bin Kriminalkommissar. Ihr ärgster Feind.“ „Ich bitte Sie. Wir haben Sie bereits einmal ein Verbrechen begehen sehen, wie eingangs erwähnt.“ „Hören Sie nie mit diesem Schwachsinn auf?“ Sie überging den Kommentar. „Und was die Zusammenarbeit angeht, so glauben wir, dass es nur eine Frage der Verhandlungsargumente ist.“ Ein flaues Gefühl besetzte seinen Magen. Skeptisch sah er sie an. „Argumente?“ „Ist Ihnen bewusst, dass die Patientenverfügung Ihrer Schwester immer noch greift?“ Seine Augen weiteten sich. Angst und Wut schienen sie zu verbrennen. „Was soll das heißen?“ „Trotz Ihres beachtenswerten Mordes werden die lebenserhaltenden Geräte, an die ihre Schwester angeschlossen ist, bald abgeschaltet werden.“ Mohuku zuckte hoch, als hätte ihn ein giftiges Insekt gestochen. „Was?!“ „Nur die Ruhe,“ Seine mysteriöse Gesprächspartnerin grinste abermals und begann, in ihrer Schlangenlederhandtasche herum zu wühlen, bis sie schließlich einen kleinen Fernseher hervorzog. „Sehen Sie.“ Auf der verschwommenen Anzeige war zu erkennen, wie zwei schwarze Gestalten sich an einem Krankenbett zu schaffen machten. Trotz der schlechten Bildqualität erkannte Mohuku sofort, wer in dem Bett lag. „Was tun Sie da? Was hat das zu bedeuten? Was machen diese Kerle bei meiner Schwester?“ Zornig und mit rotem Gesicht ließ er seine Faust durch die Luft kreisen. „Nur die Ruhe. Das sind Mitarbeiter von mir, die soeben Ihre Schwester aus dem Krankenhaus entführen.“ Mohuku war außer sich. „ENTFÜHREN?! WOHIN ENTFÜHREN? WAS HABEN SIE MIT IHR VOR?!“ „Die Interessengruppe, die ich vertrete, besitzt beeindruckende medizinische Kapazitäten.“ Mit einem Mal schwieg Mohuku. Er ahnte jetzt, wohin das Gespräch führte. Es führte zu einer Möglichkeit, die er sich zu keinem Zeitpunkt je erhofft oder erträumt hatte. „Wir bieten Ihnen an, ihre Schwester bei uns am Leben zu erhalten, wenn sie kooperieren. Bis sie aufwacht.“ Manchen mochte Mohukus Sinneswandel seltsam erscheinen, doch er war nie Mann langsamer Gedankengänge gewesen. Ein Grinsen zeichnete sein Gesicht. „Dieses Gespräch ist soeben viel interessanter geworden. Wollen Sie etwas trinken?“ Auch sie lachte, von dem Erfolg offensichtlich erfreut. „Ich nehme, was Sie nehmen.“ „Das wäre dann Rum.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)